Denglisch im Stadtbild - eine Verunstaltung?

  • Mich würde mal interessieren was ihr von der zunehmenden Denglisch-Präsenz im Stadtbild haltet.

    Auf den ersten Blick klingt das zwar nach einem themenfremden Beitrag, hat aber doch soweit mit Architektur zu tun, da Ladenbeschriftungen und die Gestaltung von Auslagen (also Schaufenstern und Werbung) schon einen Einfluß aufs Stadtbild haben.

    Da sind zum einen immer mehr Läden mit solchen Namen, die dann in großen Leuchtschriften über dem Eingang angebracht sind. Dann auch die überdimensionierten „Sale“-Fahnen diverser Kaufhausketten.

    Vor allem dieses „Sale“ halte ich für ein schlimmes Geschwür, da die Innenstädte immer mehr damit zugeklebt werden.

    Mit richtigem Englisch hat dieses Denglisch nichts oder nur sehr wenig zu tun. Englische Begriffe werden aus ihrer eigentlichen Bedeutung herausgerissen und völlig entfremdet gebraucht. Wenn man der englischen Sprache mächtig ist, ruft der Gang durch die Fußgängerzonen deutscher Großstädte mittlerweile heftigste Lachanfälle hervor – daß Deutschland in aller Welt dafür belächelt wird, dürfte ja bekannt sein…

  • So lange unsere Innenstädte architektonisch teilweise noch die reinsten Kloaken sind, denke ich über solche Sachen nichteinmal nach.
    Ich denke es ist einfach momentan "in", so wie man früher alles aus dem Französischem übernommen hat. Man wird sehen, wohin sich das entwickelt. Es ist nunmal so und stören tut es mich keineswegs.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Selbstverständlich halte ich Denglisch für völlig daneben. Es ist eine der großen Schnapsideen unserer Zeit, zu glauben, die deutsche Sprache hätte es nötig, mit englischen Versatzstücken aufgepeppelt zu werden.

    Es wird Euch nicht wundern, dass ich absolut dagegen bin. Daraus dürfte sich auch ergeben, dass es m. E. zur Verunstaltung des Stadtbildes beiträgt und dementsprechend im Stadtbild nichts verloren hat.

  • Altbaufreund, da sprichst Du mir aus der Seele!

    In der Wiesbadener Fußgängerzone gibt es eine "Back Factory". Also eine "Rücken-Fabrik", denkt sich der amerikanische Tourist und geht weiter, immer noch hungrig und auf der Suche nach einem Brötchen. Wenn es nicht wegen der deutschen Vergangenheit so geschmacklos wäre, sollte man an solche Läden "kauft nicht bei Deppen!" pinseln.

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Altbaufreund, da sprichst Du mir aus der Seele!

    In der Wiesbadener Fußgängerzone gibt es eine "Back Factory". Also eine "Rücken-Fabrik", denkt sich der amerikanische Tourist und geht weiter, immer noch hungrig und auf der Suche nach einem Brötchen. Wenn es nicht wegen der deutschen Vergangenheit so geschmacklos wäre, sollte man an solche Läden "kauft nicht bei Deppen!" pinseln.


    Der Amerikaner würde es wahrscheinlich eher mit Hinterhof-Fabrik übersetzen...

    Wenn es nur ein einzelner Bäcker wäre!
    Es ist aber eine Franchise-Kette mit lt. Homepage 120 Filialen bundesweit, die den Franchise-Nehmern für ihr professionelles, erprobtes Geschäftskonzept und ihr innovatives Marketing noch einen Haufen Kohle abverlangt!
    Eine eigenmächtige Änderung des Ladenschilds wäre da sogar ein Vertragsbruch!

  • Also ich kenn nur Backwerk... mag sein dass es an meinem Alter oder meinem durch englische Begriffe geprägten Studiengang liegt, aber mir fallen solche Fehltritte selten auf. Handy ist für mich ein deutsches Wort, Sale klingt halt wirklich knackiger als Schlussverkauf, zumal es ja mittlerweile keinen reinen Schlussverkauf mehr gibt. Und sonst...? Maybe...
    Schlimmer finde ich wirklich diese Überflutung mit Einkaufszentren, die nach einem kurzen Hype vermutlich schnell wieder leerstehen werden.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Handy ist natürlich kein deutsches Wort, sondern allenfalls eine deutsche Kreation. (http://www.u32.de/handy.html) Grundsätzlich ist Denglisch natürlich nur die dämlichste Ausformung jener sprachlichen Anglisierung, die nicht nur Mode ist, sondern auch teils bewußt gefördert wird. Die Normierung der Architektur und die Normierung von Sprache sind schließlich nur zwei Seiten einer globalistischen Medaille. Und dies kommt teils unbewußt und gedankenlos, teils aber auch durchaus mit dem nötigen Druck "von oben" zustande. Als ich vor vielen Jahren mal in einem (deutschen) Unternehmen jobbte, und auf meinen dortigen Verkaufskarten statt "sales" schlicht "Verkäufe" hinschrieb, wurde ich angewiesen, dies gefälligst zu unterlassen. Ein anderes Beispiel: Ein Freund berichtete mir, daß bei Seminaren in seinem Betrieb vorab gefragt werde, ob jemand nicht so gut deutsch verstehe bzw. lieber die Referate in Englisch höre. Meldet sich von 100 Teilnehmern nur einer auf diese Frage, wird das gesamte Seminar in Englisch gehalten. Die Meinung der 99 anderen zählt dann nichts. Gedankenlosigkeit und nötige Regelungen "von oben" arbeiten also Hand in Hand. Um dagegen agieren zu wollen, sind also zwei Dinge vonnöten: Eine gewisse Sensibilität und das angebrachte obrigkeitskritische Bewußtsein.

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (12. April 2011 um 02:36)

  • Mich wundert es jetzt nicht ganz so sehr, dass Ihr gegen Denglisch seid. Schließlich erlebe ich dieses Forum als höchst niveauvoll, und da ist dann schon klar, dass Ihr Leute seid, die was im Kopf haben und einen guten Geschmack haben. Und Denglisch verträgt sich mit diesen beiden Punkten halt garnicht.

    Zitat von "Booni"

    [...] Sale klingt halt wirklich knackiger als Schlussverkauf [...]


    Dieses Sale ist so saublöd, da fehlen mir die deutschen Worte, um es treffend genug zu formulieren. Und des Englischen werde ich mich deswegen ganz sicher nicht bedienen.

    Als mir das Wort vor einigen Jahren die ersten Male begegnete, habe ich es ignoriert, weil ich nicht ansatzweise eine Ahnung hatte, welchen sinnfreien Sinn dieser komische Schriftzug haben könnte. Weil dieser Blödsinn aber nicht endete, habe ich irgendwann mal ein Wörterbuch zu Hilfe genommen, dann aber nicht kapiert, wie man sich so geschäftsschädigend verhalten kann, dass man, wenn ein Schlussverkauf angesagt ist, diesen dergestalt verheimlicht, indem man nur in Rätseln über ihn spricht. Also, ich bin mir sicher, dieses SALE stößt mich sowas von ab, da vergeht mir die Lust einzukaufen.

  • Zitat von "Miwori"

    Der Amerikaner würde es wahrscheinlich eher mit Hinterhof-Fabrik übersetzen...

    Ja, oder so. Genauso dämlich für einen winzigen Laden, der direkt vorne an der Straße steht. :)

    Zitat

    Es ist aber eine Franchise-Kette mit lt. Homepage 120 Filialen bundesweit, die den Franchise-Nehmern für ihr professionelles, erprobtes Geschäftskonzept und ihr innovatives Marketing noch einen Haufen Kohle abverlangt!
    Eine eigenmächtige Änderung des Ladenschilds wäre da sogar ein Vertragsbruch!

    Schon klar. Verlangt ja auch niemand, daß der Franchisenehmer eigenmächtig handelt. Aber der Name ist trotzdem genauso idiotisch wie die einstigen Telekom-Begriffe "city call" und "global call", die der Engländer ebenfalls nicht kapiert, weil er nur "local call" und "long distance call" kennt.

    Zitat von "Zeno"

    Dieses Sale ist so saublöd, da fehlen mir die deutschen Worte, um es treffend genug zu formulieren.

    Ich denke immer, wenn ich das sehe: "to sale" heißt "verkaufen". Ah, da wird etwas verkauft. Da wäre ich gar nicht drauf gekommen in einem Kaufhaus - hatte mich schon gewundert, warum all die nagelneuen Sachen hier herumstehen...

    Zitat von "Heimdall"

    Ein Freund berichtete mir, daß bei Seminaren in seinem Betrieb vorab gefragt werde, ob jemand nicht so gut deutsch verstehe bzw. lieber die Referate in Englisch höre. Meldet sich von 100 Teilnehmern nur einer auf diese Frage, wird das gesamte Seminar in Englisch gehalten.

    Ich kann's mir leider nicht verkneifen: Das Seminar ist in englischer Sprache oder auf Englisch. "In Englisch" ist ein übler Anglizismus und "macht keinen Sinn". :zwinkern:

  • Vor allem, es gibt noch etliche der älteren Generation, die eben des englischen Wortschatzes nicht mächtig sind und eben durch solche Bezeichnungen wie "sale", "catering", "lounge" und "ticketcounter" nur unnötig verwirrt werden. Gerade die Bahn, wenn sie sich schon dem internationalen Publikum öffnen will, soll sie zumindest bitteschön deutsch und [richtiges] englisch anbieten! (Das "senk juh foor träwwelling wiß Deutsche Bahn" ist ja auch mehr als lachhaft)

    Ich war neulich bei Starbucks und habe mir mal den Spaß gemacht kein einziges denglisches Wort zu gebrauchen:
    "Ich hätte gerne einen mittelgroßen Kaffe mit aufgeschäumter Sojamilch zum mitnehmen und dazu ein Ringbrötchen mit Frischkäse"
    Ihr hättet mal das Gesicht der jungen Dame sehen sollen... :lachen:

  • Wieviele und welche Städte machen diesbezüglich eigentlich strikte Vorschriften? Mir sind nur Dinkelsbühl und (eingeschränkt) Rothenburg ob der Tauber bekannt - und da wirkt das keinesfalls kitschig. Schade, dass sich nicht mehr Orte dazu durchringen können, wie sehr würde dies doch das Stadtbild selbst in weniger gut erhaltenen Innenstädten aufwerten.

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Ich war neulich bei Starbucks und habe mir mal den Spaß gemacht kein einziges denglisches Wort zu gebrauchen:
    "Ich hätte gerne einen mittelgroßen Kaffe mit aufgeschäumter Sojamich zum mitnehmen und dazu ein Ringbrötchen mit Frischkäse"
    Ihr hättet mal das Gesicht der jungen Dame sehen sollen... :lachen:

    Bagel hättest Du ruhig sagen können, das Wort hat über das Jiddische einen deutschen Ursprung... Nicht, dass das grob geschätzt mehr als 0,01% aller Bagel-Konsumenten beiderseits des Atlantik wüssten... :augenrollen:

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Bagel kommt ja von bejgl aus dem Jiddischen, in Österreich (Süddeutschland?) war deshalb auch das Wort Beigel sehr gebräuchlich (v.a. Ostösterreich), mittlerweile sagt die Allgemeinheit jedoch auch Bagel. Bagel ist allerdings ein englischer Begriff. Diese Läden sprießen in Wien übrigens aus dem Boden momentan, ein Bagel gilt als total schick.

    lG

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • ... ich hab das Wort Bagel tatsächlich noch nie gehört, was ist das? Nun gut, bei Starbucks war ich (selbstverständlich) noch nie. Eventuell sind jedoch die Toilettenanlagen in ähnlich gutem und frei zugänglichem Zustand wie bei McDonalds, sodass ein Besuch in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden sollte. Weiß jemand Näheres?
    Beigl ist mir selbstverständlich aus meiner Kindheit ein Begriff, damals ist es mir als Synonym für Strudel vorgekommen, was nicht ganz zutrifft.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • In einem namhaften Kaufhaus findet man zur Zeit folgende Schilder: SALE [reduziert]
    Warum schreiben die nicht gleich nur REDUZIERT hin? :gehtsnoch:

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Wenn es nur ein (1) Kaufhaus wäre. Durch unsere Diskussion hier veranlasst, habe ich gelegentlich meines letzten Fußgängerzonenaufenthaltes der Verbreitung dieses Wortes geringfügig mehr Aufmerksamkeit geschenkt als es verdient. Verdienen tut es überhaupt keine Beachtung, dann schon vielmehr die aktive Missachtung. Die Filialisten üben mittlerweile eine dermaßen inflationäre Verwendung dieses Begriffes, dass es nicht mehr schön ist. Sie meinen wohl, allein die Anbringung dieser vier Buchstaben ohne jede weitere Erkärung mache den Besuch ihres Ladens attraktiv. Für mich persönlich kann ich nur sagen: mitnichten.

    Es gibt aber auch diverse Läden, die das Wort "reduziert" kennen oder von einem Schlussverkauf sprechen und uns damit auf kundenfreundliche Weise klarmachen, worum es geht.

    Das von Dir erwähnte Kaufhaus muss man unter dem Strich wohl schon fast als vorbildlich einstufen, weil es das verständliche Wort "reduziert" überhaupt noch verwendet. So weit sind wir gekommen. Soviel zum Thema Wirtschaftskrise: Statt sich dem Kunden angenehm und verständlich zu präsentieren, bedient man sich einer kundenfeindlichen, unverständlichen Geheimsprache. :kopfwand:

  • Zwar erinnere ich mich nicht an den genauen Wortlaut, aber auf den mir juegst gebotenen Karstadt-Tueten steht etwas von "in der Innenstadt shoppen." Dafuer bin ich sehr! :daumenoben: Karstadt, abgesehen davon, dass die Laeden bundeslaenderweit loeblicherweise nicht am Stadtrand auf der gruenen Wiese und nur per Auto erreichbar sind, spielt in vielen kleineren Staedten eine enorme Rolle.

    Aber was ist denn so verkehrt mit dem Wort einkaufen? :augenrollen: