Beiträge von ursus carpaticus

    Das Modell "ich baue großflächig alles so auf, wie es vorher war" habe ich in der Realität noch nirgendwo gesehen.

    Das ist natürlich keine realistische Alternative. Letztlich lässt sich "fränkisches Mittelalter" eben nicht flächig rekonstruieren. Was ich indes monieren würde, wäre abgesehen von einem Gefühl für Ensembles, was auch einzelne Ex-Nihilo-Rekos an gewissen neuralgischen Punkten bedeuten würde, so etwas wie EIN BISSCHEN Qualitätsbewusstsein. Und genau daran scheitert das "Modell Würzburg":

    ich erhalte großflächig Strukturen, bebaue flächendeckend erkennbar neu im Stil der 50er-Jahre und rekonstruiere einzelne Highlights

    Es kommt eben auf die Qualität der flächendeckenden Neubebauung an. Und diese ist inferior. Dadurch erübrigt sich das an sich diskutable oder gar brauchbare Konzept. "Strukturen" oder "Grundriss" bedeutet nichts, wenn es nicht mit gewissem Leben erfüllt ist.

    Es ist klar, dass ich das Modell Warschau deshalb präferiere, weil es konsequent und qualitativ umgesetzt worden ist. Das heißt nicht, dass es der einzige Weg sein müsste. Wobei ebenso klar ist, dass sich das "Modell Warschau" nicht auf fränkisches Mittelalter umlegen lässt. Man hat es in Warschau leichter gehabt und es sich zT auch leichter gemacht, was nicht verboten ist. Das Ergebnis dürfte überzeugen. Überdies sind auch andere Modelle denkbar: Wie wär es aber mit einem Modell "Münster", einem Modell "Braunschweig", ev. sogar mit einem "Modell Bremen", wo man natürlich das erhaltene Schnoorviertel abziehen muss. Diese Modelle sind allesamt hinterfragbar, aber letztlich besser umgesetzt, was zur Folge hat, dass alle dieser Städte, obgleich alles andere als "perfekt", in ihrer Wirkung doch ungleich schöner sind, eben weil auf gewissen, zumeist zentralen Strecken noch so etwas wie ein "Stadtbild" aufweisen. Das mag historisch sein (Braunschweiger Traditionsinseln, die allerdings in Würzburg künstlich geschaffen hätten werden müssen), oder durch moderne Gestaltungen (Münsteranischer Prinzipalmarkt), die wenigstens die Würde der alten Platzräume wahren.

    Letztlich erscheint mir sogar der Begriff eines Modells Würzburg unangemessen. Die Stadt wirkt so, als hätte man planlos, möglichst schnell und ohne Rücksicht auf ästhetische oder historische Ansprüche alles möglichst dicht, kostengünstig und raumsparend wieder aufgebaut. Das ist alles verständlich angesichts der damaligen Situation; und es ist natürlich durchaus legitim, dass Einheimische wie Zeno an dem Ergebnis aufgrund persönlicher Verbundenheit hängen, ihm eine gewisse Heimeligkeit abgewinnen können.

    dann fällt dir schnell auf, dass das auch auf das schöne München nicht zutrifft.

    Ja, aber wenigstens nicht überall. Es gibt in München großflächig sehr gut wiederaufgebaute Viertel. Es bleibt genug zu kritisieren, aber es steht fest, dass die Stadt über gewisse Strecken ihre Schönheit bewahrt hat.

    Ich finde Würzburg dagen als Stadt weit besser, weil man dort stundenlang rumlaufen kann und so manche interessante Entdeckungen machen kann. Es ist einfach eine "echte" Innenstadt, die es in Dresden so nicht gibt.

    Nein, das seh ich nicht so. Ich würde sagen: Das glatte Gegenteil ist der Fall. Dresden hat eine echte Innenstadt, so klein sie auch sein mag (oder auch nicht, das wird hier übertrieben), in Würzburg ist der Begriff "Innenstadt" oder "Stadtmitte" bloß rein geographisch bzw durch einzelne Relikte oder auch als zufällig wirkende Agglomerationen von solchen Relikten definiert. Das ergibt eben KEIN Stadtbild, dass man mit "Innenstadt" assoziieren würde. Die zentralen Straßenzüge sind zB sogar weitaus schäbiger und ahistorischer als jene zB in Wien-Favoriten, wo alles in allem mehr (wenngleich entstuckte) Gründerzeit erhalten ist. Mag sein, dass es da und dort gewisse "Entdeckungen" zu machen gibt. Aber das wiegt das von einem solchen "Stadtbild" hervorgerufene Unwohlempfinden nicht auf.

    Ich bin dennoch überrascht, dass du den Wiederaufbau in der BRD so wenig differentiert betrachtest. Für mich gibt es auf jeden Fall einen enormen Unterschied zwischen z.B. Stuttgart und Würzburg.

    Kann ich leicht erklären.

    1) Ich war noch nie in Stuttgart.

    2) Kein vernünftiger Mensch, genauer so weit mir erschichtlich: keiner hier behauptet, dass Stuttgart so gut wiederaufgebaut worden sei.

    Aber man kann es auch tiefsinniger probieren, also, noch einmal (was hatten das schon öfter, aber du sprichst mich darauf an, und anhand der letzten konkreten Bilder ist es schön zu zeigen):

    3) Darüber hinaus scheint mir die Problematik in Würzburg eine andere zu sein. Ich beurteile den Wiederaufbau einer Stadt nicht so sehr nach dem konkreten Erscheinungsbild, sondern nach der Ausschöpfung des Potentials. So gibt es zB in DD ausradierte Stadtteile ohne jegliche ästhetisch-künstlerische Relevanz. Hier gilt für mich: hin ist hin, und wo nichts zu machen ist, hat der Kaiser das Recht verloren. Hier differenziere ich nicht großartig, wie schiach was ist. Das Wesen eines guten Wiederaufbaus besteht darin, eine würdige Fassung für die (in Würzburg eben hinreichend) erhaltenen Reste zu bieten. Und hier wurde auf ganzer Linie versagt. Die Kirchen, Palais, ansatzweisen Bürgerhäuser ertrinken förmlich in einem Meer der Banalität. Und da diese doch in gewisser Zahl erhalten waren, gilt hier ein anderer Maßstab als zB in der Pirnaischen Vorstadt. Nimm die letzten vier Bilder aus dieser Galerie - man merkt ihnen den Wiederaufbau, dh eine gewisse fehlende Authentizität durchaus an, aber sie sind darüberhinaus eigentlich untadelig. Das Problem ist nur: ich weiß, was passiert, wenn man sich dort irgendwohin umdreht. Auch am Winkel um den Döpfnerplatz, der an sich besterhaltenen oder auch bestwiederaufgebauten Ecke der Stadt. Das hier verspielte Potential ist für mich weit ärger und schwererwiegend als alle Pirnaischen Vorstädte mitsammen. In Brittens Oper Billy Budd wird das im Prolog sehr gut auf den Punkt gebracht: But the good has never been perfect ... there ist always a devilish stutter in the divine speach.

    Nicht, dass mir jetzt wer vorwerfe, ich erwartete in Wü. "Perfektion" oder so. Davon ist die Stadt an wirklich jeder Ecke weit entfernt. Es ist immer was Gravierendes, was einem in die Suppe spuckt. Nicht, dass ich über das Gebäude links nicht hinwegsehen könnte:

    IMG_0081_sil.jpg

    Jeder weiß, dass das Problem gegenüber außerhalb des Bildes liegt.

    Die erwähnte Karmeliterstraße ist für mich ein Gegenbeispiel für deine These. Hier ist einfach mehr als woanders erhalten geblieben, und um so schwerer fällt ins Gewicht, dass keine Mühe für die Schaffung eines ansprechenden Gesamtbildes verwendet worden ist.

    Ah ja.

    War natürlich schon ein recht temporäres Phänomen, und dazu ein eher wenig standortspezifisches. So was hätte man überall aufstellen können und hat es wohl auch gemacht:

    Hauptmarkt (Nürnberg)

    Ganz sicher wär das in DD eine Verbesserung, keine Frage. Vielleicht sogar als Kolonnade nach mehreren Seiten?

    Ich hätte eher an sience-fiction wie so was gedacht:

    Blok śródrynkowy - tret [Wieża Kramarska], pl. Rynek, Lubań - zdjęcia

    Bitte nicht misszuverstehen, ich weiß. dass das in Lauban historisch war.

    Wie gesagt - im Gegensatz zu den vielleicht machbaren Pavillons reine science-fiction. Aber durch so etwas gewinnt ein solcher Platz halt enorm.

    Aber auch das Neue Rathaus ist eigentlich nicht im Renaissancestil gehalten, nicht einmal in Neorenaissance. Wie gesagt, von den Himmelsrichtungen mal abgesehen. Aber vielleicht sollte man die virtuelle Realität als maßgeblich anerkennen, dh alles daransetzen, dass sie umgesetzt wird?

    Abgesehen von allem: Dieser Satz:

    "Der Kulturpalast ist ein Symbol für die kulturelle Vielfalt und das künstlerische Erbe
    Dresdens."

    ist doch sehr gewagt.

    Was halten die hier versammelten Altmarktexperten denn von dem völlig unorthodoxen und natürlich gänzlich ahistorischen Vorschlag, die Südseite des Altmarktes mit einer niedrigeren, kleinteiligeren Bebauung zu versehen.

    Ich hätt was Unorthodoxeres und nicht ganz so Ahistorisches als Vorschlag, nämlich eine Häuserinsel im nördlichen Teil. Dort befand sich tatsächlich mal das Rathaus (daher nicht ganz ahistorisch, obgleich das schon lang her ist). Das hätte auch den Vorteil, dass man den Kulti nicht so sieht. Die niedrigere Höhe der Häuser fügte sich in diesem Fall gut ins Platzbild ein. Ich wäre aber schon dafür, dass man sich bei diesen Häusern ziemlich strikt an historische Vorlagen hält.

    Das würde diese furchtbare Leere des Platzes beleben, gleichzeitig seine Proportionen regulieren und das Platzbild insgesamt mitteleuropäisieren. Derartige Häuserinseln sind zwar eher schlesisch oder böhmisch als genuin sächsisch, man findet sie auch im heutigen Brandenburg, aber ... welche Wahl haben wir? Ist das heute Platzbild irgendwie traditionell? Irgendwas muss man da ja machen. Der Dresdner Altmarkt ist eigentlich auch kaum schöner als ein fiktiver Nürnberger Hauptmarkt ohne Schönen Brunnen und Frauenkirche, also wirklich kein tragbarer Zustand für eine Kulturstadt.

    Siehe z. B. Ein Glück, daß die DDR pleite war.

    Sagt ja keiner, dass die DDR alles oder sehr viel richtig gemacht hätte.

    Aber draus ist eben nicht zu folgern, dass der Westen etwas im Ergebnis besser gemacht hätte.

    Es ist auch letztlich egal, dass etliches, was den DDR-Wiederaufbau (oder vielleicht eher Nicht-Wiederaufbau) für mich erträglicher als die von Reklov so gepriesene "Verdichtung" von Innenstädten macht, die in Wahrheit ein geschwürartiges Wuchern von städtebaulicher Banalität ist, letztlich nicht auf tiefere Einsicht, sondern schlicht auf ökonomische Unfähigkeit zurückzuführen sein dürfte. Oft wirken sich gewisse Dinge gleichsam paradox aus. Ein gutes Beispiel dafür ist Potsdam. Was immer man zur DDner Prager Straße oder zur Neugestaltung der Chemnitzer Mitte, zum Fernsehturm Berlin ua sagen kann oder will, dem Potsdamer Wiederaufbau ab spätestens 1960 ist absolut nichts Positives abzugewinnen. Und trotzdem schuf er die Ausgangsposition zu einer wie man sieht erfolgreichen Wiederherstellung der Stadtmitte, von der man im Westen nur träumen könnte. Erbse oder ich zumindest, denn ganz offensichtlich mangelt es hier nicht an Stimmen, denen der Nürnberger Hauptmarkt oder sein Wü. Pendant mehr zusagt als der Potsdamer (oder gar Salzburger, wer weiß?) Alte Markt.

    Wer redet von "leugnen"?

    Das verlangt eben niemand.

    ad Delegitimisierung:

    Das ist doch Quatsch!

    Ich glaub eher, dass du nicht bereit bist, das zuende zu denken.

    Aber dann tust du das ja doch:

    Die physische Existenz irgendwelcher Personen wird nicht angetastet.

    Bist du dir im Klaren, was das heißt (nämlich überhaupt, dass das als Rechtfertigung erwähnt wird)?

    Soll man denen für ihre Toleranz noch dankbar sein?

    Aber eben genau das ist es: du hast jetzt konsequent weitergedacht, Respekt, denn genau darauf läuft es irgendwann tatsächlich hinaus. Natürlich ohne dass das jemand so schön klar wie du geschrieben hast. Nein, niemand verlangt die Füsilierung, aber irgendwelche Paria sind das doch, von denen man kein Geld nehmen darf. Wie gesagt, wir reden nicht von dem:

    Mafia, Terrorismus, OK, fremde Geheimdienste, verbotene Geheimorganisationen

    sondern nur von politisch andersdenkenden als ... wer auch immer. Oder wie Tegula sagt:

    rechter, rechtsradikaler und vielleicht sogar rechtsextremer Spender

    Der Kunstgriff besteht in der Gleichsetzung dieser beiden zitierten Gruppen (wobei zweitere doch sehr schwammig umrissen ist, nicht wahr?). Und dann sind wir natürlich immer noch nicht bei der physischen Existenz, denn Mafiosi werden auch "nur" eingesperrt.

    Genau das wäre das richtige Argument für eine wirksame Entgegnung, wenn man schon nicht zu E.M.-Terminologie zurückgreifen will (was wohl wirklich nicht taktisch empfehlenswert wäre:

    weshalb man überhaupt die Gesinnung von Spendern thematisieren und wie ein scharfer Rottweiler in der Privatsphäre dieser Spender herumschnüffeln muss.

    Und genau hier müsste der Ansatz eine selbstbewussten Entgegnung liegen, ...

    ... denn nur auf diese Weise kann man glaubhaft kommunizieren, dass alle weitergehenden Anschuldigungen einer Grundlage entbehren

    Auf diese Weise also: Was geht Sie die politische Gesinnung unserer Spender an? Uns jedenfalls nichts.

    Durch Sätze wie diese:

    Von diesen Personen und ihren Positionen distanzieren wir uns aufs Schärfste.

    werden hingegen Infamie und Impertinenz konkludent anerkannt.

    Doch ist sie weil sie die bestehenden Probleme benennt und nicht ausklammert.

    Aber wirklich nicht, dies nämlich deshalb, weil im ggst Zusammenhang von einem "bestehenden Problem" gar keine Rede sein kann - es sei denn, man wünscht sich eben keine Spenden. Und die persönliche Ausrichtung eines Spenders geht niemanden etwas an. Ein Problem würde allenfalls bei einer kriminellen Herkunft von Spendengeldern liegen (Mafia, Terrorismus, OK, fremde Geheimdienste, verbotene Geheimorganisationen etc). Und hier genau liegt die Infamie: Dass einer Gruppe von Menschen, die ganz eindeutig nicht unter diese Kategorie fallen, gleichsam die Legitimität des Seins aberkannt wird. Mit dieser Infamie gemeinsame Sache zu machen, ist zutiefst unanständig, antidemokratisch und menschenverachtend. Daher erfolgte die Rüge Jakobs völlig zurecht.

    Das absurde daran ist nicht in der Konstatierung der Insellage, wobei das auch ein natürliches Phänomen ist, denn ein Altstadtgebiet ist gemessen an der heutigen Stadtfläche immer klein und "inselartig". Schon allein im Vergleich mit Gründerzeitvierteln. Aber gerade der Vergleich zu Gründerzeitvierteln fällt nicht so sehr auf.

    Dort wo die Gründerzeitviertel fehlen, wird die "Insellage" halt offensichtlich. Musterhaft ist das heutige Prachatitz, dessen Drastik man hier nicht einmal richtig sieht:

    Prachatice Stadt | Südböhmen


    Prachatice Stadt | Südböhmen (jiznicechy.cz)

    Die Absurdität entsteht erst dadurch, dass diese Inselhaftigkeit flächig wiederaufgebauter Stadtteile innerhalb der Wiederaufbaudebatte selbst ins Spiel gebracht wird. Denn selbstverständlich entsteht die Inselhaftigkeit dort und nur dort, wo ordentlich wiederaufgebaut worden ist (was sich, man ist bemüht zu sagen, naturgemäß, nur auf bestimmte, überschaubare Stadtteile beziehen kann). Schlecht wiederaufgebaute Städte, also in D so gut wie alles bis ca 1990, weisen keine Inseln auf (außer, diese sind zufällig stehengeblieben, aber das ist dann keine Folge eines Wiederaufbaus), sondern ergeben im, wie es manche hier tatsächlich zu sehen scheinen, Idealfall, eine riesige, diffuse Flächigkeit an anspruchloser Neubebauung auf altem Grundriss, durchsetzt mit einzelnen Relikten, die dann natürlich mit den ebenfalls modernen, dh grundsätzlich im gleichen Stil gehaltenen Nachbargebieten so etwas wie eine Einheit ergibt.

    Es ist letztlich genau diese anspruchslose, in die Jahre gekommene Neubebauung, die im Lübecker Gründerviertel jetzt verschwindet. Genau das scheint manche hier sogar zu stören.

    Also unsachlich ist das wirklich nicht. Das von Jakob eingestellte Zitat ist in der Tat unerträglich. Das muss man auch sagen dürfen, selbst wenn man der Stiftung im Ganzen zustimmen wird. Diese Desavouierung von Spendern, und eine solche liegt in dieser Formulierung, die man ganz leicht unverfänglich hätte wählen können, ist einfach nicht hinnehmbar. Dass Jakob sich diesen Text genau durchgelesen hat, ist ihm doch nicht zum Vorwurf zu machen. Hier wird ganz einfach wieder der Überbringer der schlechten Nachricht geköpft.