Frankfurt und Warschau: Warnung vor der „McDonaldisierung“
03. Januar 2010
Mit dem Wiederaufbau und der Pflege der Warschauer Altstadt befasste Architekten und Denkmalschützer empfehlen Frankfurt, bei der geplanten Rekonstruktion der Fachwerkhäuser auf dem Dom-Römer-Gelände besonders auf eine Konzeption dieser neuen Altstadt als „normales Stadtviertel“ zu achten. Dies sei in Warschau nur bedingt gelungen. Die Altstadt der polnischen Metropole war im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört und anschließend originalgetreu rekonstruiert worden. Die Erfahrung in Warschau lehre, dass die Funktion einer Touristenattraktion mit dem Charakter eines Wohnviertels schwer vereinbar sei, warnen die Warschauer Experten.
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Interessen von Touristen und der Wohnbevölkerung kollidieren
Diese Nutzung vertrug sich jedoch nicht mit den Besuchermassen, die seit den siebziger Jahren vermehrt die Altstadt für sich entdeckten. „Es wurde nicht vorhergesehen, dass die Altstadt eine Touristenattraktion wird“, berichtet der Kunsthistoriker und Direktor des erst in den siebziger und achtziger Jahren mustergültig rekonstruierten Warschauer Königsschlosses Andrzej Rottermund. „Seither ist das Leben dort sehr anstrengend.“
Das Bedürfnis der Touristen nach Kulturprogramm, Restaurants und anderen Attraktionen kollidiert mit den Ansprüchen der Wohnbevölkerung. [...]
„Man muss steuern, was dort passiert“
Schleichend hat sich in den vergangenen Jahren die wirtschaftliche Struktur der Altstadt gewandelt. Wo früher kleine Lebensmittelläden ihren Sitz hatten, eröffneten teure Restaurants und Bars, deren Besuch sich die meisten Bewohner nicht leisten können und die Lieferverkehr verursachen. „Es ist schwer zu sagen, was genau der Fehler war“, sagt Rottermund. Man habe nicht vorausgesehen, dass sich die Struktur der Altstadt derart rapide verändern könne, und daher den Tourismus nicht in vernünftige Bahnen gelenkt. Allerdings profitiere die Warschauer Altstadt auch von der Ansiedlung interessanter Cafés.
Um ein architektonisches Disneyland für Touristen zu vermeiden, rät Rottermund der Stadt Frankfurt, die Kontrolle über die Entwicklung der Altstadt zu behalten. „Man muss steuern, was dort passiert“, sagt er. Warschau erlaubt beispielsweise keine Fastfood-Ketten in der Altstadt, da sie den Charakter des Viertels verändern würden. „Wir haben Angst vor einer ,McDonaldisierung‘. Die Starowka darf sich auch nicht zu billig entwickeln.“ [...]
Keine Mittelmäßigkeit
Die Warschauer Architekten und Denkmalschützer empfehlen Frankfurt ferner, beim Wiederaufbau genau zu sein. „Bei den historischen Gebäuden sollte man, soweit es geht, auf Originalpläne und traditionelle Materialien zurückgreifen. Die Fassaden dürfen nicht nur eine Spielerei oder Dekor sein“, meint der Denkmalschützer Pawlowski. Die Warschauer Altstadt wurde aus den Trümmern der zerstörten Bebauung wieder aufgebaut.
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Altstadt und Identität
Rottermund ist anderer Ansicht. „Ich unterscheide Architektur zwischen gut und schlecht“, sagt er. Es gebe Beispiele für sehr gute zeitgenössische Architektur, die mit dem alten Baubestand harmoniere, etwa die Erweiterung des Prado in Madrid. „Architektur muss Kultur haben und geschmackvoll und ausgezeichnet komponiert sein.“ Gute Architekten achteten auch auf die Umgebung, andere, wie etwa Norman Foster, der in Warschau ein umstrittenes Bürogebäude neben das Theater gesetzt hat, vor allem auf sich selbst. In Frankfurt gibt es nach Meinung des Warschauer Schlossdirektors gute Beispiele für eine zurückhaltende zeitgenössische Architektur. So respektiere das von Richard Meier entworfene Museum für Angewandte Kunst hervorragend die Proportionen der alten Villen am Museumsufer.
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Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Artur Zyrkowski