• Ich denke, bei vielen Sachen muss man auch letztendlich sagen - Geschmäcker sind verschieden! Ich bin 1,83 m, und trotzdem fühle ich mich in einem Fachwerkhaus mit 2,00 m Deckenhöhe am wohlsten, die kleinen, zudem aus Naturmaterialien erbauten Räume vermitteln etwas von Geborgenheit und Nähe, die mir moderne Wohnungen nicht geben können.

  • Icn müsste hierfür etwas weiter ausholen, und dazu habe ich im Moment leider nicht die Zeit. Daher nur ganz kurz...

    - Erstmal verweise ich auf RMAs Antwort und pflichte ihr bei.
    - Zudem wohne ich direkt neben einer Fachwerkstadt und halte mich daher naturgemäß öfters in Fachwerkhäusern auf (in Geschäften, Restaurants, aber auch in den Wohnhäusern von Freunden). In vielen dieser Häuser will sich definitiv kein Eindruck von Niedrigkeit oder Enge einstellen. Sicher, Bauernhäusern im Vogelsberg mögen für heutige Gewohnheiten definitiv zu wenig Platz bieten. Das gilt aber nicht automatisch für jedes städtische Fachwerkhaus.
    - In Neubaugebieten findet man üblicherweise zahlreiche traditionelle Elemente: Säulen, Sprossenfenster, Rundbögen, etc. Vieles davon mag aus dem Baumarkt kommen und stilistisch etwas (hüstel) unsicher sein. Hier wäre es eigentlich die Aufgabe der Fachwelt, beratend zu wirken. Sie gefällt sich aber darin, traditionalistische Architektur rundheraus abzulehnen (weshalb man sie auch kaum in öffentlichen Gebäuden wiederfindet). Ich bleibe dabei: Das Bedürfnis in der Bevölkerung ist da. Ich gehe dabei übrigens auch mit Leon Krier konform, der das (unabhängig von mir :gg: ) ganz ähnlich formuliert hat.

  • Das Erbe der Nachkriegszeit ist bedroht

    Die Epoche des Wiederaufbaus hat nur wenige Freunde. Das soll sich jetzt ändern :schnuller:

    http://www.morgenpost.de/content/2007/0…lin/918338.html

    Zitat

    Um auf die Bedrohung der vielen nicht nur historisch wertvollen Bauten hinzuweisen, hat auch das Schinkel-Zentrum für Architektur der Technischen Universität Berlin (TU) der Architektur des Wiederaufbaus die Ausstellung "Denkmal!Moderne" gewidmet.

    Zitat

    Beim diesjährigen Tag des offenen Denkmals am 8. und 9. September will das Landesdenkmalamt jetzt das "Berliner Erbe der Nachkriegszeit" einem breiten Publikum nahe bringen - ehe es zu spät ist. Die Denkmalpfleger hätten es nicht immer leicht, den Wert dieser Bauwerke zu vermitteln, schreibt die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), im Geleitwort des diesjährigen Programms: "Zu nah ist uns diese Epoche noch und ihr Wert erschließt sich nicht jedem auf den ersten Blick."

    Zitat

    "Nach der derzeitigen Mode gelten viele Gebäude als hässlich", gibt von Buttlar zu. "Doch wenn man immer nach dem augenblicklichen Geschmack handeln würde, bliebe in den Städten nicht mehr viel übrig."


    :gehtsnoch:

  • Zitat

    "Nach der derzeitigen Mode gelten viele Gebäude als hässlich", gibt von Buttlar zu. "Doch wenn man immer nach dem augenblicklichen Geschmack handeln würde, bliebe in den Städten nicht mehr viel übrig."

    Es ist schlicht falsch, dass viele der Nachkriegsgebaeude erst jetzt als haesslich empfunden werden und es sich also um eine derzeitige Mode handeln wuerde. Sie werden wenigstens seit Ende der 70er/Anfang der 80er als haesslich empfunden, wenn nicht immer schon seit der Errichtung.
    Wenn von diejenigen Staedten, die heute fast nur aus Wiederaufbauarchitektur (gleich in Ost und West) und Nachfolgegenerationen von Kisten und Kasten bestehen, nicht viel mehr uebrig bliebe, so ginge damit nur wenig architektonische Qualitaet verloren :gg:
    Es ist einfach so, dass die haesslichen Nachkriegsbauten jetzt ins Alter kommen, und sich eine Aussicht auf ihre Tilgung eroeffnet. Das erweckt Sehnsuechten bei den Stadtmenschen, die ihre einst wunderschoenen Staedte ein kleines bisschen wiederbekommen moechten.
    Und dagegen muessen sich die Eliten zur Wehr setzten, deren Geisteskinder die Nachkriegsbauten einst waren, und deren Geist diese Bauten widerspiegeln. So bleibt man halt was Gehobenes.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Moderne Bauten sind grundsätzlich reproduzierbar. Deshalb ist auch z.B. Barcelona nichts vorzuwerfen, als dort Mies van der Rohes Weltausstellungspavillion reproduziert wurde oder die Neue Nationalgalerie statt in Cuba in Berlin gebaut wurde. Ohne gegen den Geist der Moderne zu verstossen könnte man also moderne Bauten ortsunabhängig vervielfältigen und reproduzieren und natürlich auch umsetzen, abreissen und gänzlich tilgen oder auch mehrfach, zeitversetzt an mehreren Orten wieder aufbauen. Es gibt mit der „Moderne“ also einen historischen Bruch, der von dessen Verfechtern ja bisher auch nicht bestritten wurde. Dass die Verfechter der Moderne jetzt ausgerechnet Argumente für die Unterschutzstellung moderner Architektur hervorbringen, die seinerzeit bei der Beseitigung historischer Architektur nicht gelten sollten verwundert etwas. Ideologisch kann man das nachvollziehen – logisch ist es jedoch nicht.

    ...

  • natürlich gibt es eine reihe modernistischer bauten, welche durch den denkmalschutz bewahrt und tradiert werden sollten. da hilft nur die entscheidung im einzelfall.

    sicher ist jedoch ein grossteil der nachkriegsbebauung reine zweckkonstruktion, qualitativ minderwertig und mittlerweile verbraucht.

    aber pauschal kann man eben auch hier nicht urteilen.

  • C. Siegel: Eine Architektur für unsere Zeit

    Interessanter Artikel:


    Vollständiger Artikel hier:
    Umbau-Verlag

  • Zitat von Dankwart Guratzsch

    [...]Versöhnung zwischen historischer und moderner Architektur

    Zeitgenössisch sind sie ja beide, die historistische und die moderne Architektur, und wenn man sich darüber einigen könnte, dass die eine so wenig voraussetzungslos wie die andere ist und sich beide ganz ungeniert des Plagiats – oder, unverfänglicher ausgedrückt, der interarchitektonischen Referenz – bedienen, könnte es sogar zur Versöhnung zwischen ihnen kommen.

    Das freilich würde voraussetzen, dass sich die Moderne von ihrer Lebenslüge, der Historismus von seiner Verkapselung gegen Innovationen verabschiedet – eine Hürde, die beiden bisher zu hoch war.

    Architektur: Warum es in der Architektur kaum Originale gibt - Nachrichten Kultur - WELT ONLINE

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ich möchte auf ein kleines Buch hinweisen, das ich gerade lese. Es bringt die Problematik in tiefsinnig und analytisch auf den Punkt, zudem ist es in einer wundervollen Sprache geschrieben. Ich bin gerade wirklich sehr begeistert und möchte es jedem Interessierten dringend empfehlen, zumal es nur 8,50 Euro kostet.

    Volker Mohr: Der Verlust des Ortes
    (siehe hier)

    Ich bringe mal zwei fast wahllos herausgesuchte Zitate, einfach nur als partes pro toto:

    Zitat

    Selbstredend kann das moderne Fertighaus nicht mehr als eine Baracke sein - heute aufgestellt, um morgen abgerissen oder demontiert und an einem neuen Ort wieder aufgestellt zu werden. Wir sind zu Nomaden geworden…

    Zitat

    Alte Häuser, sofern sie nicht kaputtrenoviert worden sind, haben immer etwas Geheimnisvolles an sich. Das mag an deren Alter liegen, daran, dass sie aus einer anderen Zeit stammen. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass zwei Dinge dafür verantwortlich sind: das Handwerk, das im Gegensatz zur industriellen Fertigung Originales bis hin zum kleinsten Detail schuf und von einem humanen Geist zeugt, und die Anordnung der Räume, die oft über das rein Zweckmäßige hinausgeht. Man ließ sich ebenso vom Ökonomischen wie vom Mythischen leiten, und sei es nur, dass man Wasseradern und anderen Störfeldern, die man intuitiv ausspürte, auswich oder die Wohntrakte der Bauernhäuser gegen Osten hin, der aufgehenden Sonne zu, ausrichtete.
    (…) Wie armselig wirken doch die Behausungen des modernen Menschen im Vergleich zu jenen mancher Tierarten. Wo ausschließlich zweckmäßig gedacht und gehandelt wird, kommt es nicht zum kunst- und geheimnisvollen Zusammenspiel. Räume werden bei den modernen Häusern, wie bei einem Gefängnis, nur noch aneinandergereiht. Zwar funktioniert ein solches Haus in sich, aber es hat etwas von einer technischen Apparatur. Seine Struktur gleicht nicht einem Gefüge, sondern ist rein additiv und stereotyp. Manche Siedlungen der neueren Zeit erinnern unweigerlich an Arbeitslager. Das liegt einerseits an der Disposition der jeweiligen Anlage, an der barackenhaften Erscheinung der Bauten, andererseits aber am Geist der Bewohner, die das moderne technische Leben gefangen hält. Nur selten hat man das Gefühl, das moderne Haus sei mit sich und seiner Umgebung in Frieden.

  • Zitat

    Versagen der Uni-Ökonomen

    Warum bringt uns keiner Krise bei?

    Zitat

    Der Markt wird's schon richten: Während ganze Staaten taumeln, lehren die Volkswirtschaftler unverdrossen ihre überkommenen Theorien. Jetzt rütteln Studenten die alte Professorengarde wach - und organisieren sich ihre Seminare zu Krise und Wirtschaftsethik selbst.

    Zitat

    ...Kann ein Land bankrottgehen? Wie machen Staaten zu hohe Schulden? Und warum retten manche Länder ihre Banken und andere nicht?


    Nie hatte sich Henrik Theine träumen lassen, dass ihn solche Fragen einmal umtreiben würden. Doch als der amerikanische Hypothekenmarkt ins Taumeln geriet und die Börsen verrückt spielten und niemand wusste, was als Nächstes kommt, war sein Interesse geweckt: Der 23-Jährige wollte wissen, was dahintersteckt, wollte lernen, wie Wirtschaft funktioniert. Er schrieb sich für Volkswirtschaftslehre in Heidelberg ein. Wo, wenn nicht an diesem Hort akademischer Weisheit, der ältesten Uni des Landes, sollte es Antworten geben auf das Chaos da draußen?


    Die Ernüchterung kam schnell. "Ich war frustriert", sagt er. Für die Krise war im straffen Stundenplan der Bachelor-Studenten kein Platz....

    Zitat

    ..."Die Volkswirtschaftslehre kreist um sich selbst", sagt Arbeitskreismitglied Steffen Bettin, 22. "Niemand ist bereit, die alten Modelle zu überdenken - obwohl sich gerade jetzt in der Krise gezeigt hat, dass sie überhaupt nicht nutzen." Andere Denkansätze als die Neoklassik fänden in der offiziellen Lehre keinerlei Beachtung.

    Kurzerhand organisierten die Heidelberger Postautisten eine Alternative. Sie entwickelten eine Vorlesung. Titel: "Geschichte des ökonomischen Denkens". Jede Woche präsentiert seitdem ein Dozent unterschiedliche Denkschulen des Fachs. "Verschiedene Methoden kennenlernen, damit man am Ende entscheiden kann, welche am besten zur Lösung wirtschaftlicher Probleme geeignet ist" - so hatte sich Bettin sein Studium vorgestellt. Andere offenbar auch: Der Hörsaal ist immer voll.

    "Wir müssen den Mythos von der Effizienz der Finanzmärkte zertrümmern"

    Es tut sich etwas an den deutschen Wirtschaftsfakultäten. Die Krise ist an den Unis angekommen, endlich. Modern, am Puls der Zeit, das aktuelle wirtschaftliche Geschehen ganz oben auf der Agenda - so präsentieren sich die Ökonomen an den Hochschulen derzeit gern. Dabei sind es oft nicht die Professoren, die die Krise in den Hörsaal holen. Wie in Heidelberg wird das Umdenken an vielen Unis von den Studenten erzwungen.

    Ihnen ist nicht entgangen, wie kläglich die Volkswirtschaft in der Krise versagt hat...

    Zitat

    ...Aber warum geht die Reform der VWL, die Abkehr von der - widerlegten - Theorie der effizienten Märkte an den Unis so zögerlich voran? Thomas Straubhaar hat einen Verdacht: Das habe etwas damit zu tun, wie man in Fachkreisen Reputation erlangt. Das geht nämlich so: Wer am meisten publiziert, landet im berühmten "Handelsblatt"-Ranking ganz oben. Das Ranking wiederum ist entscheidend für die Vergabe wichtiger Stellen an den Universitäten.

    Abweichler vom Mainstream haben weniger Möglichkeiten zu publizieren. Schaffen sie es dennoch und werden vor eine Berufungskommission geladen, besteht diese in der Regel aus einer Phalanx marktgläubiger Professoren, dem Establishment der VWL. Bewerber, die deren Lebenstheorie angreifen, bekommen wenig Applaus. So bleibt der Status quo lange Zeit erhalten.

    Doch nun, glaubt Straubhaar, sei die Zeit für Veränderung gekommen. Lange könne das Meinungskartell den Effizienz-Mythos nicht mehr aufrechterhalten. Er zumindest wird, als Mitglied einer Berufungskommission, demnächst eher für einen Außenseiter votieren. "Wir brauchen an der Uni eine Vielfalt von Lehrmeinungen, dann wird sich in der VWL auch wieder ein kritisches Denken entwickeln."...

    "http://www.spiegel.de/unispiegel/stu…,803953,00.html"

    Ob sowas auch in der Architektur kommt?

    2 Mal editiert, zuletzt von Henry (28. Dezember 2011 um 17:36)

  • Nach dem "Café DE UNIE" in Rotterdamm (Fassadenreko in 1986) rollt nun eine zweite Rekowelle auf die Bauten der Moderne zu. Nach langem Hin und Her haben die Arbeiten am Gropius-Haus in Dessau begonnen und nun wird in München ein Teil des Olympischen Dorfes abgebrochen und wiederaufgebaut.

    Kennt jemand noch andere Beispiele für eine Reko der Moderne? Streng genommen ist ja auch der Berliner Kammermusiksaal eine Reko eines nicht ausgeführten Gebäudes Haus Scharouns, das 1984-86 nach Skizzen von Scharoun aus dem Jahr 1968 erbaut wurde.

  • Henry:

    Zitat

    http://www.spiegel.de/unispiegel/stu…,803953,00.html"

    Ob sowas auch in der Architektur kommt?

    Viele Wissenschafts- und Kunstzweige leiden unter Korrumpierung durch Opportunismus und vorauseilenden Gehorsam, was eine nicht ungefährliche Entwicklung mit sich bringt. Die Anzahl der Wissenschaftler bzw der Prozentsatz der Publikationen, die eine bestimmte Meinung vertreten, ist keine signifikante Größe mehr. Grundsätzlich wichtige Fragen wie die Relevanz des Klimawandels können daher von grundsätzlich Interessierten nicht mehr beurteilt werden.
    Ganz arg wird es natürlich in politischen (im weitesten Sinne, daher auch umfassend: historischen, soziologischen etc) Fragen. Wie ein Musikwissenschaftler über die Tagebücher Richard Wagners schrieb: aufgrund seiner vielen nachweislichen Manipulationen und Lügen ist man geneigt, ihm überhaupt nichts mehr zu glauben...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Hier ein ganz interessanter Beitrag aus dem Spiegel mit dem Titel Funkelnde Moderne, verquastes Geraune - natürlich voller Lob für die "wunderbare" Nachkriegs-Moderne:

    Zitat

    Die Antwort, die die Architekten damals nur drei, sieben, acht, neun Jahre nach dem Wahn, dem Weltbrand, dem Judenmord gaben, war atemberaubend: Die Moderne ist die Rettung. Wir wollen ein Land, sagen ihre Bauten, das nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft nach Heil sucht, sondern erkennt, dass Freiheit und Gerechtigkeit nur in der Gegenwart zu haben sind.

    Und noch schöner:

    Zitat

    Und wenn es doch Fenster gibt, dann erzählen sie eine Geschichte, die nicht vom Sehen handelt, sondern vom Spüren, es geht um die Poesie in der Physik, es geht um das, was hinter den Dingen liegt und doch im Licht: schöner, heiliger Beton.

    Wobei ich mir ehrlich gesagt nicht sicher bin, ob all diese Kolumnen (auch Jakob Augstein und Wolfgang Münchau tun sich ja immer durch wirklich spezielle Betrachtungsweisen hervor) nicht doch ironisch gemeint sein könnten. Falls ja, sollte dies vielleicht künftig angemerkt werden, schließlich scheinen die Leser all dies nicht mehr wirklich zu schätzen, denn die Auflage sinkt immer weiter...