Alles anzeigenDie Baubranche hat massive strukturelle Probleme sucht aber ständig die Ursache ihrer Probleme außerhalb. Ich sage ja gar nicht, dass die Analysen gänzlich falsch sind, aber doch sind sie von gewisser Betriebsblindheit geprägt.
Warum wurden denn z.B. die Baumaterialien und der Bauprozess so teuer? Das liegt nicht einfach an einer ominösen Inflation, das liegt daran, dass die Baustoffindustrie mit der Baubranche insgesamt sich auf hoch energetisch aufwendige Produkte eingeschossen hat. Nun haben sich in kurzer Zeit die Rahmenbedingungen unerwartet verändert, (chemische) Energie steht perspektivisch nicht mehr derart frei zur Verfügung, was die Bauindustrie aber bisher erstaunlicherweise überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen will. Die Zukunft ist weiter Stahlbeton, riesige Glasflächen, Hochhäuser, Recycling über Brechen von Baustoffen und erneutem Zusammenkleben, dieselhungrige Baumaschinen usw. usf.
Das Thema Recycling muss man dazu etwas ausschweifen: Durch die einzige Richtung, die die Baubranche kennt, nämlich mit knappen, ungelernten Kräften möglichst schnell, viel zu konstruieren, schlug sie automatisch den Weg des Verklebens ein - wie andere Branchen auch. Und zwar keineswegs mit reversiblen Klebstoffen, ja, an sowas könnte man auch arbeiten, nein, es wird alles so zusammengeworfen, dass es untrennbar verbaut ist. Damit wird vor allem jede Sanierung besonders teuer (Abbrüche eigentlich auch, weil man einen Großteil davon jedoch deponiert (u.a. im Tiefbau), sind die wahren Kosten verschleiert). Damit können die Gebäude überraschenderweise nicht mal entscheidend besser umgenutzt werden, wie man es u.a. mit Stahlbetonskelettbauweise eigentlich erwarten würde. Die Regel ist weiterhin und teils sogar verstärkt, dass die Bauten weg gerissen werden bei Umnutzung oder ab einem gewissen relativ frühen Alter. Die Baubranche achtet also offenbar wenig auf den Lebenskreislauf ihrer Produkte, ja, profitiert sogar von den verfestigten Abläufen von Komplettabriss/Rückbau auf Rohbau und Neuaufbau. Entsprechend strukturieren sich auch die Preise, wenn eine Branche auf ,,Neubau" sich eingerichtet hat.
Dieser komplette Reset bei jedem Bauvorhaben führt dazu, dass bei steigendem Qualitätsumfang, den Gebäude erfüllen, natürlich die Schaffenshöhe stetig ansteigt, wenn ich immer wieder bei null anfange. Einzelne Baukomponenten, wie Fenster, können nur begrenzt als System die Qualität sicherstellen, müssen stattdessen sehr exakt und abgestimmt verbaut werden.
Jetzt werden sicher gleich Rufe laut, ja wer soll denn die Arbeitskräfte bezahlen, die Baustoffe bei Umbauten und Abbrüchen wiedergewinnen? Und wie soll sowas dann unter standardisierten Bedingungen wieder verbaut werden? Völlig legitim der Einwand. Hier hätte die Baubranche mal ihre glänzenden Verbindungen in die Politik nutzen sollen. Weshalb muss ich denn alle Dachziegel wegwerfen, wenn sie 50 Jahre auf dem Dach lagen? Weil niemand dafür haften will, wenn einzelne Ziegel bei einem Wiedereinbau versagen. Und doch gäbe es einfache ,,Tricks" wie man feststellt, ob ein Ziegel auch noch weitere 30 Jahre auf einem Dach liegen könnte: Man achtet auf den Klang des Dachziegels. Eventuell könnten auch defekte Ziegel energetisch vereinfacht ,,repariert" werden durch eine Neuglassierung. Das Beispiel zeigt hoffentlich, dass es kein absurder Aufwand ist (bei Produkten, die auch heute noch reversibel verbaut werden) personell, aber auch logistisch, Material wieder zu verwenden. Stattdessen wird alles Alte ausgebaut, grob getrennt, zerkleinert und hunderte Kilometer zur Deponie gefahren; neuer Ton dutzende Kilometer entfernt im Tagebau gefördert, gereinigt, mit anderen Chemikalien und Pigmenten vermengt, glassiert und bei sehr hohen Temperaturen gebrannt, verpackt und distribuiert.
Welche Faktoren würden also die Preise drücken, wenn die Branche systematisch sich neu ausrichten würde und damit Skalierungseffekte sich entwickeln: So viel vom Bestand weiter verwenden, wie nur irgendwie denkbar, gebrauchte Bauteile umnutzen, Baustoffe leicht trennbar (am besten selbsttätig) verbauen, echtes Recycling betreiben, was statt Entsorgungskosten, Restwerte etabliert, und nun der aller wichtigste Punkt, höchste Lebensdauern für Gebäude sicherstellen. Nichts ist teurer, als Gebäude vorzeitig erneuern zu müssen (der Effekt ist für den Bauträger leider nicht direkt spürbar, er kann beim billigen Bauen erstmal Kosten sparen, wirkt sich aber in Form zunehmender Marktpreise aus (mehr Gebäudeumsatz, mehr Kosten, höhere Kaufpreise)). Zusätzlich ergeben sich kleinere Ersparnisse, wenn man seine Betriebsmittel auf Energieeinsparung trimmt (dort gibt es bereits einige Erfolge).
In der Branche ,,Bau von Gebäuden" machen der Materialverbrauch hohe 65% der Gesamtkosten aus. Personalkosten nur 20%. Dies hat destatis 2018 zuletzt erhoben. Im Ausbaugewerbe sind es immerhin noch 47% zu 33%. Die Baubranche ist der größte Müllproduzent in Deutschland, es werden knapp 500 Mio Tonnen Natursteine, Kiese und Sande jedes Jahr aus der Natur geholt nur in Deutschland, 10% aller deutscher Treibhausgasemissionen gehen auf die Hochbauherstellung zurück, an diesen 10% sind 9% die Baumaterialherstellung.
Zum Abschluss: 30% aller Treibhausgasemissionen Deutschlands entstehen durch den Betrieb der Gebäude, die die Baubranche herstellt.
Sage mal, liest Du eigentlich deine Posts vor dem Abschicken nochmal durch? In der Suada (Zitat oben) stimmt ja eigentlich fast gar nichts, mal die Großbuchstaben zum Satzanfang ausgenommen.
"Die Baubranche" hat überhaupt keine "strukturellen Probleme" sondern bewältigt das Errichten von Wohn- und Gewerbauten im Rahmen der ca. 25.000 Vorschriften des Bundes, der Landesbauordnungen, der DIN und der vielen technischen und berufsständischen Richtlinien reibungslos, effizient und zu einem günstigen Preis. Von einem "Suchen nach externen Ursachen" kann gar nicht die Rede sein, Zinsen und Inflation (die alles andere als "ominös" ist) haben mit der Sache nur am Rande zu tun. Die Zinsen waren zudem in den letzten 20 Jahren auch schonmal deutlich höher.
Ursächlich für den massiven Rückgang im Baugewerbe sind die Verteuerung der Baustoffe, die Erhöhung der Löhne für qualifizierte Arbeiter, die völlige Überregulierung des Bauens bis in die letzte Krümmung eines Waschbeckenabflusses hinein sowie die sich immer weiter verbreitende Ansicht der Staat könne das Bauen mit einem irrsinnigen Apparat besser als andere. Von der künstlichen Verknappung der Baugrundstücke durch den Staat will ich garnicht reden.
Diese Verteuerung des Quadratmeters Wohnungsbau auf etwa 4.500 Euro führt zu Mieten und Verkaufspreisen, die viele nicht mehr zahlen können und wollen - aus diesem Grunde stellen die meisten Bauträger das Neugeschäft ein und warten darauf, dass die Politik iwieder zur Vernunft kommt. Denn parallel steigt die Nachfrage nach Wohnraum unabläßlich (Durchschnittswohnungsgrößen, Zuzug, etc.) - so dass die Mietpreise in vielen Orten die 20 Euro/qm Kaltmiete durchbrochen haben, in manchen sogar fast die 30-Euro-Marke. Der Staat kann hier nur mit der Erhöhung von Sozialleistungen eingreifen.
Ob der Staat dazu in der Lage ist die Energie für Ziegel, Zement, Holzschlagen und Transport nach Deutschland sowie Glas- und Stahlproduktion auf ein normales Maß zurückzuführen mag man bezweifeln. Deshalb werden diese Produkte mehr und mehr in den Ländern hergestellt, die billigere Energie haben und hernach nach Deutschland transportiert. Das Klima profitiert von dieser Entwicklung gar nicht. Deutschland verliert viele Arbeitsplätze. Diese Entwicklunge sehen wir gerade.
Und das Regelungskorsett des Bauen wird sich innerhalb des deutschen Rechtskreises auch nicht vereinfachen lassen, mit jeder Novelle einer Vorschrift gibt es neue Wünsche an Energie, Stabilität, Brandschutz, Barriefreiheit, Recyclebarkeit usw. von Lobbygruppen und Interessenvertretern. Da sehe ich auch keine Änderung, es sei denn man führt mal für 20 Jahre die holländische Bauordnung ein.
Insofern dreht sich die Spirale weiter bis die Leute die Politiker tätlich angreifen, weil sie keine Wohnung haben. Davon scheinen wir noch weit entfernt, vielleicht irren wir uns da aber auch.