Du begehst den selben Fehler wie Herr Schaper vom Tagesspiegel, der den Förderverein Berliner Schloss als "reaktionär" bezeichnet hat. Der Begriff passt hier überhaupt nicht. Und Graffitis nicht für Kunst zu halten ist vollkommen legitim.
Wir kennen doch diese Mechanismen in der Kunstgeschichte. Neue Ausdrucksformen der Kunst stoßen häufig zunächst auf Ablehnung. Das galt sowohl für die Impressionisten als auch die Expressionisten. Auch das Bauhaus war ständiger Kritik ausgesetzt, bis es in späteren Generationen einen Platz in der Architekturgeschichte einnehmen konnte. Das Ganze ist dann mit der "entarteten Kunst" im Nationalsozialismus auf die Spitze getrieben worden.
Graffiti ist fester Bestandteil der kunsthistorischen Forschung, wie ich mit meiner obigen Linksammlung aufgezeigt habe. Insofern ist der Versuch, dieser Form des Streetart mit Halbsätzen oder Einzelbildlichen das Kunstsein abzusprechen, einfach nur substanzlos, zumal nicht mal der Versuch unternommen wird, den Abgleich mit Kriterien von Kunst vorzunehmen. Kann man natürlich so für sich entscheiden, ist legitim, wenngleich einer differenzierten Auseinandersetzung mit Kunst nicht würdig. Ist dann halt genauso reaktionär, wie der Versuch vor 100 Jahren, Impressionisten und Expressionisten die Kunst abzusprechen.
Nur mal am Rande: Der Titel dieses Stranges heißt "Graffiti als Kunstform und als Problem im öffentlichen Raum". Und: Ich kann Graffiti auch nicht all zu viel abgewinnen, aber meine persönlichen Vorlieben haben so rein gar nichts mit einer seriösen Einschätzung des Kunstbegriffs zu tun. Diese Differenzierung scheint hier nicht jedem zu gelingen.