"Rekonstruktion" ist ein Begriff, den ich nicht mehr so gerne verwende, scheint er doch eine weitgehend vollständige Wiederherstellung eines früheren Bauwerks zu meinen, außen wie innen. Hier wird man sich schnell mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, dass solche Bauten heute überhaupt nicht mehr nutzbar wären, nicht genehmigungsfähig, usw. Der Begriff "Rekonstruktion" bringt einen relativ schnell in eine Abseitsposition, aus der heraus dann womöglich nicht mehr viel zu erreichen ist, außer vielleicht in sehr speziellen Fällen wie der Bauakademie oder der Goldenen Waage.
Display MoreIch habe ja schon ein paar mal in Diskussionen geschrieben, dass ich mein Interesse nicht auf Rekonstruktionsvorhaben beschränken möchte, sondern für eine völlig Neuorientierung der zeitgenössischen Baukunst eintrete. Insofern war ich nie so auf Rekonstruktionen fixiert, wie vielleicht andere.
Dennoch kann ich "Snorks" Ausführungen nicht zustimmen. Denn hier scheint die "Herrmannsche" De-Motivation bereits Früchte getragen zu haben. Wenn jetzt bereits bei Stadtbild-Freunden der Begriff "Rekonstruktion" als kontaminiert bewertet wird, weil man Angst vor "Abseitspositionen" und "Vorwürfen" hat, dann könnt ihr es auch ganz sein lassen.
Dieser Glaube, man müsse nur möglichst konfliktscheu auftreten und nach der sprachlichen Pfeife anderer tanzen, um dann Gnade bei den "vielen vernünftigen Menschen" an den Schalthebeln der Macht zu erlangen, ist für mich illusionär. Wenn diese vielen vernünftigen Leute unter den Bauverantwortlichen zu finden sind, warum wird dann so viel Schrott gebaut? Warum erkennen diese klugen Leute in ihrer großartigen Vernunft nicht, dass auch ein paar Rekonstruktionen schöner Gebäude und Ensembles das Stadtbild bereichern können? Warum sind sie scheinbar den "guten, fundierten Argumenten", die Stadtbild-Freunde nun seit Jahr und Tag vortragen, bislang so wenig zugänglich?
Nein, hier wird der schwarze Peter bei den Stadtbild-Freunden selbst gesucht. Sie waren zu laut. Sie waren zu frech. Sie waren zu sehr in ihren Feindbildern befangen. Sie sind selbst schuld an dem Wärmedämm-, Strichcode- und Betonschrott.... Doch fortan geloben sie, lieb zu sein. Und sie versprechen, auch keine Rekonstruktionen mehr zu fordern, schon gar nicht mehr dieses Wort in den Mund zu nehmen.... Und nun, liebe vernünftige Menschen in den einflussreichen Versammlungen, bitten wir untertänigst darum, uns den Gefallen zu tun, doch mal ein schönes Gebäude mit ein paar historischen Zitaten zu bauen..
In gleichgesinnten Foren und intern den Begriff Rekonstruktion zu verwenden, geht doch völlig in Ordnung. Mache ich auch. Eine andere Frage ist, ob dieser spezielle Begriff in Situationen hilfreich ist, wo es darum geht, eine vermutlich kritisch gesinnte Öffentlichkeit, Medien und Entscheidungsträger zu adressieren. Da kann es ratsam sein, eine Sprache zu verwenden, die möglichst nicht dazu führt, schon beim ersten Lesen oder Zuhören in eine Negativ-Schublade gesteckt zu werden. Denn dann hat man gegebenenfalls einen kräftigen Begriff verwendet, wird aber schlussendlich viel weniger erreichen als mit einem geeigneteren Vokabular. Zum Beispiel könnte es zielführender sein, von einer "Wiederherstellung" zu sprechen als von einer Rekonstruktion. Für uns mag diese Feinheit irrelevant sein, denn wir wissen ja, dass ein und dasselbe gemeint ist. Für viele Menschen ist eine "Wiederherstellung" aber positiv assoziiert und eine "Rekonstruktion" leider heutzutage negativ, letztlich als Folge des dazugehörigen medialen Framings.
Wir sehen ja immer wieder: Sprache ist wichtig. Die Konnotation von Begriffen, das Framing ist nicht selten sogar entscheidend dafür, ob sich Dinge durchsetzen lassen. Statt darauf zu beharren, sich mit einer einem selbst einleuchtend erscheinenden Sprachrüstung in Kämpfe zu verstricken und womöglich nicht viel zu erreichen, ist es vielleicht zielführender, Begriffswelten der Gegenseite für die eigenen Idealsetzungen zu verwenden: "Nachhaltigkeit", "Unzeitgemäßheit", um nur zwei Beispiele zu nennen.
Für mich heißt das nicht, sich vorauseilend dem Gegner zu unterwerfen. Eher geht es um die schwierige Aufgabe, erfolgreich im Feindesland zu operieren, um hier in der Metapher zu bleiben.