Ach, lasst die Leute doch labern, die Reko wird kommen, also warum sich aufregen. Ich habe diese Zuschreibung von Gefühlen gegenüber Bauten nie verstanden, weder Bauten an sich noch Materialen sind böse oder gut, demokratisch oder undemokratisch, das ist wieder ein feuilletonistisches Wunschdenken, mit Substanz hat das recht wenig zu tun.
Ein Gebäude wird durch seine Geschichte natürlich geprägt, aber es ist nicht irgendetwas außer ein Gebäude selbst, letztlich bestimmt die Nutztung den Charakter eines Baus. Heute sitzt der Fianzminister selbstverständlich im ehemaligen Reichsluftfahrtministerium. Anders als in der Garnisonkirche wurde dieser Bau sowohl von den Nazis gebaut und auch wirklich genutzt. Aber dieser soll demokratisch genug sein, um einen wesentlichen Teil der deutschen Administration zu beherbergen, die Garnisonkirche aber, in der Hitler vielleicht 30 min verweilt hat, die soll dann aber eine Zumutung sein, das muss man mir erst mal sinnvoll erklären.
Letztlich sind diese Diskussionen sowieso alles intellektuelle Kopfgeburten, wie so vieles in Kunst, Journalismus, Architektur und co. Dies liegt vielleicht auch daran, dass eine wesentliche Komponente in vielen dieser Bereichen verloren gegangen ist, nämlich die Ästhetik. Sie war früher alles, Ästhetik war Kunst, um nicht mehr ging es. Heute ist Kunst eher eine Idee geworden, ein Statement. Während man früher eine politische Aussage in der Ästhetik versteckt hat, steht heute die Idee selber im Fokus und nicht mehr die Ästhetik sondern die Dekonstruktion von Realität.
Ich fand es extrem interessant, was Herr Habeck sehr kritisch in Richtung der Grünen, also der eigenen Partei gesagt hat. Die Grünen, die ja im Wesentlichen den Geist der 68-er symboisieren und heute die Eliten in wesentlichen Bereichen der Gesellschaft schmücken, waren so sehr damit beschäftigt, das Gewesene zu dekonstruieren, dass man vergessen hat das man die gesamten Einzelteile irgendwann mal wieder zu einem Ganzen formen muss, damit eine Gesellschaft nicht zerbricht.
Und genau das ist in der Kunst auch passiert wie in der Architektur übrigens auch. Man war so damit beschäftigt, Bestehendes zu dekonstrieren und zu entblättern, dass man dabei den wahren Geist der Idee von Kunst, egal in welchem Gebiet, verloren hat und das ist die Ästhetik. Die zugegebernaßen leicht subjektive Kategorie Schönheit spielt heute im Diskurs von Künstlern oder Architekten kaum noch eine Rolle, das zeigt sich auch in der Entwicklung und Vertechnisierung der Berufsbilder. So habe ich das Gefühl, dass mittlerweile der "Verkaufstext" der Architekten zum Entwurf wichtiger wird wie der Entwurf selber. Und da liegt doch das Problem begraben.
Die Garnisonkirche wird wie alle Rekonstruktionen nach Fertigstellung funktionieren, weil sie eben nach dem Konzept von Schönheit erbaut wurde, ein Konzept, das jeder Mensch, egal aus welcher Kultur er kommt, egal wie er geprägt wurde, versteht, weil es eine universelle Kompenente der menschlichen Expistenz ist. Wer versucht, dies auszublenden und zu verleugnen, der wird scheitern. Aber so langsam dämmert es ja auch vielen zumindest gemäßigten Modernisten, dass es so nicht weiter gehen kann. Ich hoffe inständig, dass immer mehr Rekonstruktionen nicht nur dazu führen, dass man sich an diesen singulären Bauten erfreut und sie natürlich ein Anreiz für mehr darstellen sollen, aber dass man auch in der Betrachtung des Ursprungs von Architektur und Kunst wieder zu dem zurückfindet, was es immer war, eine Idee im Kleide der Ästhetik und nicht eine Idee von Dekonstruktion um jeden Preis.