Gerade einmal 17 Minuten. So kurz dauerte der Angriff, der die fränkische Barockstadt Würzburg weitgehend zerstörte. Gegen 21.25 Uhr am Freitag, dem 16. März 1945, begann die Katastrophe: Mit grünen Leuchtbomben an Fallschirmen kennzeichneten schnelle „Pfadfinder“ zuerst das Zielgebiet beiderseits des Main, rund neun Quadratkilometer insgesamt.
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Von 21.35 bis 21.42 Uhr fielen fünf 12.000-Pfund-Luftminen, 179 „Blockbuster“ von 4000 britischen Pfund, 72 Sprengbomben mit je 1000 Pfund sowie 307.650 Stück Stabbrandbomben. Die abgeworfene Gesamttonnage betrug 396 Tonnen Spreng- und 557 Tonnen Brandbomben.
Das war wesentlich weniger als beispielsweise beim amerikanischen Großangriff auf Berlin am 3. Februar 1945 (etwa 2000 Tonnen Spreng- und 250 Tonnen Brandbomben) oder bei den beiden britischen Nachtangriffen auf Dresden am 13./14. Februar (knapp 1500 Tonnen Spreng- und rund 1180 Tonnen Stabbrandbomben). Die Folgen jedoch waren ebenfalls desaströs.
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Und es kam noch schlimmer: Denn nun erhob sich ein anderes, ein neues Geräusch: Es brauste mit zunehmender Lautstärke durch Würzburgs Altstadt. Ein Feuersturm war losgebrochen, verheerend wie nur in wenigen anderen Städten zuvor. Für die tückischen Brandbomben mit ihrer Metallstaubfüllung, die bis zu drei Minuten lang 1000 Grad heiße Flammen erzeugten, waren die Fachwerkhäuser der Würzburger Altstadt der reinste Zunder.
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Gemessen an den Schäden war Würzburg „die am stärksten zerstörte Großstadt der alten Bundesrepublik“, sagt Jörg Arnold, Historiker am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Er hat sich in seiner in Großbritannien verfassten Doktorarbeit mit „The Allied Air War and Urban Memory. The Legacy of Strategic Bombing in Germany“ (auf Deutsch: „Der Luftkrieg der Alliierten und das städtische Gedächtnis. Das Vermächtnis der strategischen Bombardierung in Deutschland“) befasst.
Tatsächlich wurde Würzburg mit 79 Prozent völlig zerstörtem oder unbenutzbar stark beschädigtem Wohnraums (21.062 Wohnungen von 26.602) stärker verwüstet als etwa Köln (70 Prozent). Selbst Dresden wies in dieser Rechnung einen Schadensanteil von „nur“ 60 Prozent auf. Nach dieser Rechnung noch schlimmer wurden kleinere Städte getroffen: Düren (Verluste an Wohnraum 99 Prozent), Wesel (97 Prozent) oder Paderborn (96 Prozent) oder Bocholt (89 Prozent) sowie Hanau, Moers, Gießen und Siegen.
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Doch auch wenn diese Statistik rechnerisch korrekt ist, führt sie in die Irre. Denn Großstädte dehnten sich auch schon im Zweiten Weltkrieg ins Umland aus, hatten deshalb weitläufige Vororte mit Straßen, Wald- und Gartenflächen, die bei Bombenangriffen naturgemäß weniger getroffen wurden. Mittel- und Kleinstädte dagegen bestanden seinerzeit meist aus den historischen Kernen, die von rechtlich noch selbstständigen Dörfern umgeben waren.
Würde man nur die reinen Innenstädte betrachten, wäre der Zerstörungsgrad in Würzburg, Köln, Dresden und anderen Großstädten sicher höher. In der Kölner Altstadt, also innerhalb des antiken römischen Mauerrings, war bei Kriegsende so gut wie kein Haus mehr bewohnbar. Doch weil für exakte Rechnungen die notwendigen Daten fehlen, bleibt eine solche Betrachtung zwangsläufig vage.
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Die übrigens laut der offiziellen, seinerzeit natürlich geheimen Zielliste der Royal Air Force, dem „Bomber's Baedeker“ kein einziges Ziel der Prioritäten 1 oder 2 beherbergte – und eigentlich nur vernichtet wurde, weil das Bomber Command der RAF dazu im Frühjahr 1945 in der Lage war.