Beiträge von Der Münchner

    Die Architektur für die ärmere Bevölkerung war in der Kaiserzeit sicherlich wenig lebensfreundlich. Hinterhöfe, teilweise winzige Wohnungen.

    Erstmal gilt es festzuhalten, daß es in der Kaiserzeit strukturell nicht vorgesehen war, für die ärmere Bevölkerung eine minderwertige Bebauung bereitzustellen. Die Hinterhöfe der Mietskasernen sollten ursprünglich begrünt sein und ein gesundes Lebensgefühl vermitteln. Die Situation in den Großstädten, vor allem in Berlin, war aber durch den massiven Zuzug vom Land noch angespannter als heute. Daher bekamen die Spekulanten die Oberhand, es herrschte trotz der vielen neu entstandenen Wohnviertel akkuter Wohnungsmangel.
    Dazu mal einige Zahlen: "In dem Zeitraum von 1882 bis 1907 stieg die Zahl der Arbeiter von 9,3 Millionen, das entspricht einem Anteil von 34,8%, auf 14,7 Millionen, was einem Anteil von 42,2% entspricht. Ein Zuwachs von 7,4%. Damit stellte die Arbeiterschaft die größte Gruppe der Beschäftigten. Damit die Entwicklung der Industrialisierung noch deutlicher wird, lassen sich einige Zahlen aus dem primären Sektor, also aus der Landwirtschaft liefern. Der Anteil an Landwirten in der Beschäftigungsstruktur ging von 10,5 Millionen (41,6%) auf 7,6 Millionen (28,4%) doch recht rapide zurück. Ein Minus von 13,2%."

    "Im deutschen Reich setzte sich neben der Industrialisierung auch ein erhebliches Bevölkerungswachstum durch. 1816 betrug die Einwohnerzahl des deutschen Reiches 25 Millionen Menschen und die Zahl steigerte sich bis 1913 auf 66 Millionen.[6] Auch und gerade in den Städten machte sich diese Entwicklung bemerkbar. Manche junge Menschen, die zur Zeit der Reichsgründung in dörflichen Verhältnissen groß geworden sind, arbeiteten anfangs des 20. Jahrhunderts in einer mittleren Stadt. Das zeigt den sehr schnellen Bevölkerungsboom in den Städten und Gemeinden.[7] Mit diesen rasanten Bevölkerungsentwicklungen ging auch eine rapide Bauentwicklung einher. Denn es musste der Bedarf besonders an neuen Wohnungen gedeckt werden. Jedoch darf man vor dem Hintergrund der Bevölkerungsdichte, die auf 43,4% gestiegen ist, nicht zwangsläufig auf eine automatische Verschlechterung der Wohnverhältnisse überall schließen. Zu den Baumaßnahmen zählten zunächst auch Gebäude- und Wohnungssanierungen. Es lässt sich jedoch bei genauerer Betrachtung eine enorme Wohnungsdichte in den Ballungsgebieten, besonders in Berlin, feststellen. In Bremen, mit 214.861 Einwohnern, betrug die Zahl der Einwohner pro Haus zwischen einem und zehn. In Berlin, mit 2.040.148 Einwohnern, betrug die Zahl der Einwohner pro Haus über 60. Ähnliche Städte mit ähnlich hohen Einwohnerzahlen pro Haus sind Chemnitz, Hamburg, Königsberg, München, Hamburg usw. Aber auch in Berlin lassen sich regionale Unterschiede feststellen. Es gab einige Stadtteile, die weniger stark bewohnt waren und Stadtteile, die eine sehr hohe Bewohnerzahl pro Haus hatten."


    Quelle: https://www.grin.com/document/144625

    Der Begriff "Populismus wird durchaus von Rekogegnern verwendet, siehe dazu den Beitrag von Armin im Goslar-Thread:

    "Der zuständige Leiter des Braunschweiger Planungsbüros für das Pfalzquartier, Professor Walter Ackers, meint nun kämen endlich die zu Wort, "die offensichtlich zurück in die Vergangenheit wollen". Er hofft, daß der "umfangreiche Beteiligungsprozess mit der Goslarer Bürgerschaft (der muß wohl an mir vorbeigegangen sein) genügend Selbstbewusstsein und (tatsächlich!) Widerstandskraft geschaffen habe, um eine derart populistische Oberflächlichkeit zu durchschauen."

    Gleiches gilt erst Recht, wenn aus einer Auseinandersetzung über den Sinn einer bestimmten Rekonstruktion hieraus gleich eine über die (vermeintliche oder tatsächliche) Entwicklung unserer Gesellschaft gemacht wird.

    Das machen doch Leute wie Trüby, der die Rekonstruktionsarchitektur für das "Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten" hält oder der OB von Goslar, der die Befürworter historischen Bauens als "Sammelbecken nationalkonservativer Wutbürger" bezeichnet.
    Hier können wir jeweils zwei Dinge beobachten: Zum einen wird eine nationalkonservative politische Überzeugung immer mit negativen Begriffen begleitet, wie z.B. "populistisch", "völkisch" oder einfach nur "Wutbürger" , zum anderen werden Bestrebungen für historisches Bauen oder für Rekonstruktionsprojekte mit diesen politischen Strömungen gleichgestellt und damit ebenfalls negativ eingeordnet.
    Wer also sowieso nationalkonservativ eingestellt ist, der sieht seine politische Überzeugung und seinen Architekturgeschmack gleichzeitig in Frage gestellt.
    Wer aber z.B. eher links oder liberal eingestellt ist, der wird mit seinem Anspruch in Architekturfragen auch noch in eine ihm fremde politische Ecke gedrängt.
    Das Ende dieser Debatte ist offen, aber bisherigen Projekte waren oft nur durch sonderbare Kompromisse möglich, wie z.B. das Berliner Schloß mit moderner Ostfassade und mit neuer Nutzung als Museum für die Kulturen der Welt.

    Populismus gibt es als politische Strömung gar nicht. Das ist nur ein neuer abwertender Kampfbegriff für rechtsnationale Parteien und Bewegungen in Europa. Zudem wird der Begriff von deutschen Medien auch gerne auf den demokratisch gewählten Präsidenten der USA angewandt. Es soll damit ausgedrückt werden, daß bestimmte Gruppierungen und Personen nur Ängste und Misstimmungen in der Gesellschaft aufgreifen ohne angeblich dafür Lösungen parat zu haben (oder nur solche, die dem Mainstream nicht gefallen).
    Insofern ist die Anwendung dieses Begriffes in der Architektur genauso abwertend gemeint. Es soll damit suggeriert werden, daß Altstädte und Rekonstruktionen zwar Gefühle in der Gesellschaft bedienen, aber eigentlich keine echte Lösung darstellen.
    Auch in der Architektur gilt daher: Eine wiederaufgebaute Altstadt stellt natürlich durchaus eine städtebauliche Lösung dar, aber eben keine, die bestimmten Gesinnungsgenossen gefällt.
    Wer also mit solchen Begrifffen in eine Debatte einsteigt, der sucht nicht die sachliche Auseinandersetzung, sondern will solche Projekte und seine Unterstützer aus dem demokratisch anerkannten Zirkel ausschliessen und gesellschaftlich ächten. Insofern kann man sich als Unterstützer oder Befürworter solcher Projekte durchaus in die Defensive gedrängt sehen und entsprechend empfindlich reagieren. Schliesslich leben solche Projekte davon, daß sich normale Bürger dafür öffentlich engagieren können und sich nicht als geächtete Extremisten in der Gesellschaft wiederfinden. So etwas führt sonst unweigerlich in die Radikalisierung.
    Eine sachliche Debatte würde sich nur um Kosten, Nutzen, Raumgrössen und Merkmale der Identitätsstiftung drehen.

    Betroffene und Hinterbliebene des Holocaust hatten jeden Grund, sich seit 1945 durch das Relief betroffen fühlen zu können. In der DDR und in den drei Jahrzehnten nach der Wende geschah dies nicht. Der Knackpunkt ist der heute zunehmende Antisemitismus. Allein mit diesem gilt es, sich zu beschäftigen. Dazu gehört insbesondere die Ursachenforschung.

    Das wird wohl etwas schwierig in diesem Zusammenhang. Antisemitismus ist zwar in all seinen Erscheinungsformen abstossend und sogar dumm, aber nicht immer vergleichbar. Der christliche Antisemtismus des Mittelalters, der auf den vermeintlichen Verrat der Juden an Jesus zurückgeht, ist natürlich etwas völlig Anderes als der Antisemitismus des NS-Regimes, der zum Holocaust führte. Denn in diesem gab es für Juden keine Möglichkeit, ihr Schicksal durch ein religiöses oder ideologisches Bekenntnis zu ändern. Dort wurden die Juden als parasitäre Rasse verunglimpft und nicht als Menschen mit der falschen Religion. Der aktuelle Antisemtismus ist bis auf einige Ausnahmen am linken und am braunen Rand vorrangig ein importierter Antizionismus aus dem islanmischen Kulturkreis.
    Es wird also schwierig, den aktuell anwachsenden Antisemitismus mit der Beseitigung christlich geprägter judenfeindlicher Skulpturen zu bekämpfen.

    Ich komme immer mehr zu dem Schluss, daß der Wiederaufbau der Garnisonkirche - so sehr ich ihn persönlich befürworte - beim aktuellen Zeitgeist keinen Sinn ergibt.
    Natürlich wäre es eine Bereicherung für das Stadtbild einerseits, aber was ist die Garnisonkirche ohne Bezug zu Preußen, Friedrich dem Großen und den Befreiungskriegen?
    Solange alle diese Begriffe negativ besetzt sind und das Gotteshaus von allen Seiten infrage gestellt, uminterpretiert und verformt wird und am Ende dann nur wieder irgendeine obskure Nutzung als interkulturelles Begegnungszentrum oder sowas erfahren würde, macht die Sache doch nicht wirklich "Spaß".

    Die architektonischen Unterschiede liegen nicht so sehr im Gegensatz von Europa und den USA, sondern in dem von alteingesessenem Geldadel mit Bildung und Geschmack einerseits und Neureichen andererseits. Für die architektonischen Verrirrungen wie z.B. Hearst V´Castle gibt es heutzutage auch in Europa genügend Beispiele, z.B. bei den überladenen Prunkbauten russischer Oligarchen.
    Geschmackvolle Architektur hat sich auch in den USA nicht über Nacht entwickelt, von den Chaletbauten des Nordens bis zu den Herrensitzen der Sklavenhalter und Plantagenbesitzer des Südens.

    Bei der Betonung auf Betonfassade habe ich doch ziemliche Bauchschmerzen. Das Gebäude hat ein gewaltiges Volumen und wird dadurch das Viertel dominieren. Da hoffe ich doch auf eine Fassade, die wenigstens wie Naturstein wirkt (wie bei der James-Simon-Galerie) und nicht wie der brutale Sichtbeton der Siebziger Jahre.

    Almaty ist ja die alte Hauptstadt von Kasachstan und immer noch die größte Metropole dort. Die Architektur ist tatsächlich noch sehr sowjetisch geprägt. Bin mal gespannt ob du auch Bilder der neuen Hauptstadt Astana hast, die im Vergleich wohl hypermodern erscheint.

    Die silbernen Flächen in Kombination mit den Sichtbetonmauern sowie den vielen Treppen und Brücken erinnern stark an das Münchner Olympiastadion mit dem umliegenden Olympiapark, also fast klassische Siebziger-Jahre-Architektur.
    Und genau wie in München sind solche Bauten in moderner Architektursprache wie Stadien und Museen auf freiem Feld starke Solitäre, können aber eben keine Ensemblewirkung entfalten.
    Daher wirken japanische Städte auf mich - bis auf die Sauberkeit und zivilisatorische Ordnung - architektonisch völlig abschreckend und anarchistisch.

    "Form follows function": Dieses Argument ist besonders hinterhältig, da es einen wichtigen Aspekt der Architekturdebatte einfach ignoriert und die modernistische Interpretation des Begriffs "Funktion" voraussetzt.

    Man kann auch erwidern, daß dieses Argument in seinem Absolutsheitsanspruch nur noch in der Fassadengestaltung der Architektur Anwendung findet, wofür es keinen zwingenden Grund gibt. In allen anderen Bereichen wie der Innenarchitektur oder der Möblierung werden den Menschen Angebote nach persönlichem Geschmack gemacht. Jeder kann sich z.B. aussuchen, ob er seine Küche im "Landhausstil", mit viel Holz, mit viel Kunststoff oder mit viel Stahl einrichten möchte. Dabei ist eine Küche eigentlich noch am Ehesten der Funktion unterworfen.

    Man könnte den Spiess auch umdrehen und den Leuten, die solche Vorwürfe wie "ewiggestrig" und "Disneyland" in den Raum stellen, die Gegenfrage stellen: Was genau ist zeitgemässes Bauen und was muss dabei berücksichtigt werden? Welche Elemente müssen vorhanden sein und welche nicht? Welche Bauten gelten als repräsentativ für modernes Bauen und warum?
    Die meisten Zeitgenossen (ausser vielleicht dogmatiserte Architekten) wie Stadtplaner, Kommunalpolitiker und Journalisten werden dabei stark ins Rudern kommen.

    Berlin wird wohl in architektonischen Fragen langfristig das Schicksal Londons teilen. Es werden pilzartig überall im Stadtgebiet Hochhäuser entstehen, ohne dabei einem Masterplan zu folgen, sondern je nach Investoren- und Genehmigungssituation. Es gibt ja jetzt schon immer neue Standorte für Hochbauten, z.B. am Potsdamer Platz, am Alexanderplatz, am Breitscheidtplatz, neben dem Hauptbahnhof und nun auch noch am Spreeufer.
    Da ist kein Gesamtkonzept zu erkennen, sondern es wiederholen sich immer nur dieselben Debatten über mehr Urbanität und Internationalität für Berlin (egal an welchem Standort).
    Ein für sich stehenden Viertel wie in Paris La Defense wäre natürlich zu bevorzugen, lässt aber die bisherige Bauentwicklung in Berlin gar nicht mehr zu.

    Und was sollte in der Gobbelsvilla ausgestellt bzw. welche Dokumentation sollte dort gezeigt werden?

    Die prachtvolle Lebensweise eines NS-Funktionärs mit einer Liste der Besucher die er dort empfangen hatte? Oder soll es ein Sammelsurium der Geschichte des Dritten Reiches sein, mit Bildern von der Zeit der Bewegung bis zu den Konzentrationslagern? Also alles, was man sonst auch in Büchern und anderen Dokumentaionszentren sieht?

    Wo liegt der zusätzliche Erkenntnisgewinn?

    Kinder können genauso schon früh einen Sinn für Ästhetik und Architektur erlangen. Ich habe meiner siebenjährigen Tochter die neue Ausgabe vom Berliner Extrablatt gezeigt und sie meinte ganz ohne mein Zutun, daß sie diese Ostfassade hässlich findet und so ganz bestimmt nicht gebaut hätte. :D

    Es gibt auch Erwachsene, die auf Ästhetik überhaupt nicht achten, sondern nur auf Einkaufsmöglichkeiten und das Parkplatzangebot....

    Die Sanierung des Gignoux-Baus in Augsburg ist zu begrüßen. Ich glaube, das ist der Bau mit der Alten Komödie. Und die Wiederherstellung der Innenräume wie im 18. Jahrhundert ist doch wohl keine Katastrophe.
    Da hat Augsburg sich in der Vergangenheit schon ganz andere Schildbürgerstreiche geleistet, z.B. der Abbruch der Flügel der alten Kattunfabrik für die Hochschule Augsburg und der Wiederaufbau durch Neue Flügel aus Glas, Stah und Sichtbeton:

    https://karriere.hs-augsburg.de/