Allseits sprechen Soziologen, Politiker und Medien von eine „Verrohung der Gesellschaft“, die wir gerade erleben und die vor allem auch sprachlich immer sichtbarer wird. Was unter der Immunität des Internets in den sozialen Medien als „hate Speech“ begann und teilweise sogar hier im Forum schon sichtbar war, hat nun auch noch andere Kanäle des öffentlichen Diskurses erreicht. So habe ich in letzter Zeit eine Zunahme von Beleidigungen, Unterstellungen und Verunglimpfungen gegenüber Rekonstruktionsbefürwortern beobachtet. Ich glaube keiner ist hier in Watte gepackt und die üblichen Beleidigungen wie man sei reaktionär, rückwärtsgewandt oder man würde eine ewiggestrige Disneylandarchitektur befürworten ist man ja schon seit längerer Zeit gewohnt. Doch nun glaube ich eine neue Stufe der sprachlichen Verrohung zu erkennen. Sich seriös gebende Medien hetzen ganz offen und ungefiltert im Kulturteil von Zeitungen oder öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber Anhängern einer traditionellen Formensprache in der Architektur. Völlig enthemmt wird dabei, die von Besuchern aus aller Welt geschätzte Neue Frankfurter Altstadt, als „deutschtümelnder Freizeitpark“ verunglimpft. Im Kulturteil der FAZ lässt sich ein Kommentator zu der Aussage hinreißen, dass die vielen Unterschriften der Bürger für demokratisch legitimierte Bürgerbegehren schnell zusammenkamen, weil der „identitäre Zeitgeist, der dieses Mal von rechts wehte“. Das sind jetzt nur einige Beispiele von vielen. Auch wenn ich einige Beleidigungen und Hassbotschaften im Feuilleton so nicht erwarten würde, so ist man ja mittlerweile schon etwas abgehärtet. Doch wenn z. B. einer jüdischen Gemeinde, die ihre von Nazis zerstörte Synagoge rekonstruieren möchte, eine Geschichtsvergessenheit (!) unterstellt wird, dann sollten bei uns allen so langsam die Alarmglocken schrillen.
Fatal ist, bei diesen offenen vorgetragenen Diffamierungen, die immer sichtbarere Einteilung der Medien in „aufrechten Demokraten“, die der modernen Architektur zugewandt sind und wie beschrieben, den zunehmend in die rechte Ecke gestellten Rekonstruktionsbefürwortern, die mittlerweile sogar vom Feuilleton ganz unverhohlen beschimpft und beleidigt werden dürfen. Ich will jetzt hier kein „Mimimi“ spielen oder eine Opferrolle zelebrieren, aber ich finde es erschreckend auffällig, wie einseitig in den Medien zwischen „guter“ (Nachkriegsmoderne) und „schlechter“ Architektur (Gründerzeit, Rekos etc.) unterschieden wird und wie undifferenziert die Anhänger der angeblichen „schlechten Architektur“ mittlerweile diskreditiert werden.
Ergänzend kann man dazu noch sagen, dass der hasserfüllte Sprachgebrauch nicht nur in den Medien zu sehen ist, sondern mittlerweile auch bei vielen Politikern angekommen ist. Es ist zu befürchten, dass mittlerweile auch schon viele architekturinteressierte Bürger von dieser Sprache eingeschüchtert sind und nicht mehr offen ihre Sympathie für die klassische Architektur nach außen tragen.
Was man dagegen tun kann? Ich weiß es nicht. Aber eine Sache zu erkennen ist vielleicht der erste Schritt, um dagegen vor zu gehen...