Also mir fällt bei DDR Kunst und Architektur durchaus hervorstechend die gezielte Formung einer anderen Gesellschaft auf. Was sie eben mit anderen Diktaturen verbindet. Allein schon die starke Uniformität in den vielen künstlerischen Werken zeigen eine zentralisierte Steuerung. Aber auch die Körperbilder sind sehr charakteristisch. Ich kann überhaupt nicht vergleichbares in Westdeutschland vorfinden, weshalb ich die Aussage weiter oben mit dem Vergleich zu westdeutschen Kulturleistungen irgendwo gar nicht nachvollziehen kann.
Für mich ist entsprechend die Aussage, dass Kunst und Architektur auch in (modernen) Diktaturen Kunst und Architektur ist, nicht plausibel und nachvollziehbar, wenn der Gestaltungsanspruch derart intensiv überlagert wird von propagandistischen Erwägungen.
Ich kann diesen Unfug nicht unwidersprochen stehen lassen. Das ist so dermaßen dumm, dass es einem die Schuhe auszieht. Über Kunst und Architektur der DDR weißt du rein gar nichts. Du willst also allen Ernstes behaupten, in 45 Jahren sei auf 108.000 qkm deutschen Landes kein einziges Kunstwerk entstanden? Denk doch mal nach! Dir muss doch auffallen, dass das nicht stimmen kann! Dass in diesen 45 Jahren Gebäude errichtet wurden, kann auch dir nicht entgangen sein. Und haben diese Gebäude keine Fassaden? Wieso soll das nicht zur Architekturgeschichte zählen?
Im Gegensatz zu dir war die DDR geradezu liberal. Da war es nämlich selbstverständlich, dass Kunst und Architektur der kapitalistischen Staaten Kunst und Architektur sind. Was denn sonst! Und auch christliche Sakralkunst wurde von Marxisten als Kunst angesehen. Zugleich konnten sie dir sagen: Das mit Jesus ist alles Quatsch. Die weltanschauliche Gebundenheit eines Kunstwerks bewirkt eben nicht, dass dieses Werk wertlos wird, sobald der Betrachter die Weltanschauung nicht teilt.
Dir unterläuft der Fehler einer übertrieben ideologisierten Betrachtung. Man trifft diesen Fehler in Bezug auf kommunistische Regime häufiger an. Du denkst wohl, es gibt nur eine Parteispitze, eine Stasi, und der Rest der Bevölkerung ist eine große dumme Schafherde. Es fällt Außenstehenden oft schwer, die komplexe Wirklichkeit sozialistischer Staaten zu erfassen. Auch ein Staat wie die DDR besteht nicht nur aus Ideologie, Propaganda, Politik und Repression. Wie sollte das auch gehen? Natürlich gab es in der DDR ganz viel normales Leben. Da wurden zum Beispiel Kinder geboren und Brötchen gebacken. Zum Leben gehört auch Kunst. Menschen haben ein Bedürfnis nach Kunst. Die Künstler suchen sich Freiräume. Die Künstlerwelt hat ein gewisses Eigenleben. Sie folgt, wie andere Bereiche menschlicher Tätigkeit, gewissen Eigengesetzlichkeiten. Das Zentralkomitee der SED produziert die Kunst nicht selbst. Es setzt nur Rahmenbedingungen.
Unter diesen Rahmenbedingungen ist in der DDR eine erstaunlich vielfältige Kunst entstanden. (Vergleiche nur einmal die künstlerischen Handschriften von Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, Willi Sitte, Albert Ebert und Curt Querner!) Und diese Kunst ist deutsche Kunst. In dem Sinne, dass sie an deutsche Kunsttraditionen und an Besonderheiten der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland anknüpft und zum Beispiel von der zeitgleichen tschechoslowakischen oder sowjetrussischen Kunst unterschieden werden kann. Ich habe mich mit diesen Fragen befasst. Ich weiß, wovon ich schreibe.
Kunst muss man sehen.Und man muss sich auf sie einlassen. Ich habe eine Leidenschaft für bildende Kunst - quer durch die europäische Kunstgeschichte.