Posts by Rastrelli

    Fachwerkliebhaber
    Was soll dieser Störbeitrag? Wir haben hier eine ganz friedliche Diskussion über frühmittelalterliche Geschichte. Wenn du damit nichts anfangen kannst, dann halt dich raus.

    Du versuchst den Strang aufzumischen. Mit einer leicht zu durchschauenden Strategie. Dem trete ich entschieden entgegen. Lass es sein!

    Übrigens verstehe ich einiges von Mediävistik. Was tegula und Heinzer hier geschrieben haben, hat Hand und Fuß.

    Über Halle-Neustadt diskutieren wir am besten im passenden Strang.

    Plattenbausiedlungen sind die Antagonisten der Innenstädte

    In Halle hat sich die Innenstadt in den letzten Jahren gut entwickelt.

    Hier in Potsdam geht es konkret um die Herausnahme eines einzelnen Wohngebäudes (Staudenhof) an einer sensiblen Stelle im historischen Zentrum, wo Stadtreparatur betrieben werden kann. Das ergibt Sinn. Alle Potsdamer Plattenbauten abzureißen, wie von einigen hier gewünscht, wäre jedoch nicht machbar.

    Ja nun, es gab doch die Finanzkrise! Die hat viele Baustellen zum Erliegen gebracht. Es kann aber auch andere Ursachen haben, wenn sich ein Bauprojekt in die Länge zieht.

    Da uns aber eigentlich die alten Häuser mehr interessieren, gehen wir ein Stück näher heran, um einen Blick in jene kurze Straße zu werfen, die seit 1992 nach Wolodymyr Schuchewytsch (Володимир Шухевич,1849-1915) benannt ist. Schuchewytsch war ein bedeutendes Mitglied der ukrainischen Nationalbewegung in Lemberg. Bekannt sind insbesondere seine ethnografischen Forschungen zu den Huzulen.

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    Lemberg, Blick von der Iwana Franka kommend in die wulyzja Wolodymyra Schuchewytscha, ganz links das Ibis-Styles-Hotel
    (Foto: Aeou, 9. Oktober 2015, CC-BY-4.0)

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    Lemberg, wulyzja Wolodymyra Schuchewytscha 3 (Foto: Aeou, 1. Juni 2015, CC-BY-SA-3.0)

    Ob der Laden für Stoffe unten rechts noch besteht? Hier gab es zum Zeitpunkt der Aufnahme Mantelstoffe, Kostümstoffe, Seidenstoffe, Wollstoffe, Baumwollstoffe . . .

    Wo wir nun schonmal bei Hotels sind: Das Hotel "Ibis Styles Lviv Centre" liegt, wie der Name schon sagt, im Zentrum, südlich der ploschtscha Soborna. Es wurde in den Jahren 2008 bis 2015 erbaut und ist der einzige modernistische Fremdkörper in der Gegend. Das Haus, das einstmals dort stand, war im letzten Krieg zerstört worden.

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    Lemberg (Lwiw), Blick in die wulyzja Iwana Franka nach Süden. Rechts mündet die wulyzja Schuchewytscha ein. An der Ecke das Hotel "Ibis Styles Lviv Centre" (wul. Schuchewytscha 1). Die beiden flankierenden Altbauten sind rechts Iwana Franka 6 sowie - links vom Hotel - Iwana Franka 8 (Foto: Francisco Anzola, 17. September 2017, CC-BY-2.0)

    Nun muss das nächste Scheibenhochhaus saniert werden, denn die Bewohner des sanierten Blocks wollen nicht jahrelang auf eine Ruine blicken müssen.

    Die sanierte Scheibe A hat keine Bewohner. Das Gebäude wird von der Stadtverwaltung genutzt. Es war auch ursprünglich kein normales Wohnhaus. Die fünf Scheiben dienten als Wohnheime, sei es für Chemiearbeiter, sei es für Studenten. Scheibe A war bis 1998 ein Studentenwohnheim und stand dann leer. Die Sanierung wurde 2021 abgeschlossen. Ursprünglich waren die zwischen 1970 und 1975 errichteten Scheibenhochhäuser bräunlich. Der Eindruck wurde von rauen Betonelementen geprägt. Scheibe A hat sich im Detail also deutlich verändert. Dazu tragen auch wesentlich die Fensterflächen und Balkongestaltungen bei. Ich finde die Sanierung recht ansprechend. Das Gebäude sieht jetzt besser aus als das meiste, was heutzutage an Neubauten errichtet wird. Es ist ja oft festzustellen, dass man aus Bauten der Ostmoderne ganz schön was herausholen kann.

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    Halle (Saale), Nördliche Neustadt, Neustädter Passage, Scheibe A (Foto: Catatine, 20. Juni 2021, CC0)

    Mal ganz ehrlich: Will dort irgendeiner von Euch wirklich leben?

    Ich nicht. Halle-Neustadt gehört aber zu meinem Interessensgebiet. Deshalb beschäftige ich mich ernsthaft damit. Es ist schon sinnvoll, Halle-Neustadt als Wohnstandort zu erhalten. Nicht nur aus sozialen Gründen und weil die Infrastruktur nun einmal vorhanden ist. Der Westen Halles entwickelt sich recht stark. Nördlich der Neustadt gibt es den Weinberg-Campus mit Teilen der Martin-Luther-Universität, mehreren außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie einem Technologie- und Gründerzentrum. Auch das Universitätsklinikum an der Ernst-Grube-Straße gehört zu dem Cluster.. Am Südrand der Neustadt gibt es ein Gewerbegebiet. Halles Westen hat also durchaus Perspektive. Und man knüpft dann eben an die Bausubstanz aus der DDR-Zeit an. Diese ist ja auch kulturhistorisch von Interesse. Generell ist in Halle ein unverkrampfter Umgang mit dem DDR-Erbe zu beobachten.

    Diese angeblichen Pläne wurden ja nun offenkundig nie in Angriff genommen.

    1962 erschien im Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin, ein opulenter Band von Willy Kurth, dem Generaldirektor der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci. Unter dem Titel "Sanssouci. Ein Beitrag zur Kunst des deutschen Rokoko" wurden die Bauwerke, Kleinarchitekturen und Gartengestaltungen des 18. Jahrhunderts im Park Sanssouci in Wort und Bild vorgestellt. Das Werk erschien 1970 in vierter Auflage. In den fünfziger und sechziger Jahren wurden auch zahlreiche Ansichtskarten vom Neuen Palais und seinen wertvollen Interieurs veröffentlicht. Das Neue Palais war und blieb eine der Hauptsehenswürdigkeiten Potsdams und der ganzen DDR.

    Brüderstraße 7 steht meines Wissens noch. Das letzte Beweisfoto ist vom 10. März 2023.

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    Halle (Saale), das Haus Brüderstraße 7 von der Kleinen Steinstraße aus (Foto: Catatine, 10. März 2023, CC0)

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    Blick von der Kleinen Steinstraße in die Brüdersteaße, rechts die Häuser Brüderstraße 7, 6 und 5 (Foto: Catatine, 10. März 2023, CC0)

    Mal ganz abgesehen von [...] der Tatsache, dass er Friedrich II. als den Soldatenkönig betitelt hat

    Im Redetext steht: "Die Kirche, zeitweise Ruhestätte des Soldatenkönigs und Friedrichs des Großen", und in dem Video ist zu hören, dass er zwischen beiden Namen wirklich ein "und" spricht (ab Minute 15:20)

    Die Frage, wieviel Steinmeier nach Abzug des Textanteils des Redenschreibers der Rede selbst eigentlich beizutragen hatte, stellt sich zweifelsohne

    Nein, die Frage stellt sich eigentlich nicht. Natürlich hat der Bundespräsident Leute, die ihm zuarbeiten, aber eine Rede des Bundespräsidenten gilt als seine Rede und nur als seine. Es war auch eine typische Steinmeier-Rede, in stilistischer wie in thematischer Hinsicht. Muss nicht jedem gefallen. Ich fand sie nicht schlecht. Überrascht hat mich, dass er sich so deutlich für den Erhalt des Rechenzentrums ausspricht, denn diese Einmischung in die Stadtentwicklung Potsdams steht ihm eigentlich nicht zu. Ich halte seine Position in diesem Punkt auch grundsätzlich für falsch. Ostdeutsche identifizieren sich nicht (nur) mit Ostmoderne. Ich bin mit dem Potsdam von vor 1989 vertraut. Ich weiß von mir und von anderen, dass man damals in der DDR durchaus ein positives Preußenbild entwickeln konnte. Mein Verständnis von Heimat beschränkt sich nicht auf das, was während der DDR-Zeit oder danach neu geschaffen wurde.Ich freue mich, dass der Kirchturm wieder da ist, den Steinmeier übrigens als ein Hauptwerk des norddeutschen Barock würdigt, das prägend für das Potsdamer Stadtbild gewesen sei.

    Hier wurde eine Aufzeichnung vom Festakt hochgeladen:

    Die beiden Videos sind von dem Youtube-Kanal "BtB-concept", der dem Verteidigungsministerium nahesteht. Dort findet man interessante Dokus zu den Themen Bundeswehr, Bundespräsidialamt, staatliche Repräsentation, Protokoll und dergleichen mehr.

    weiß eigentlich jemand, warum zwischen Hallmarkt und Salzgrafenplatz flächendeckend neu bebaut wurde? Geht das auf einen DDR-Abriß zurück?

    Genau weiß ich es nicht. Die Gegend mit dem Namen "Spitze" ist ein uralter Siedlungskern. Das ist ein Teil des "Tales", wo die Salzsieder ansässig waren. Baulich war es wohl eine Mischung aus Gewerbegebiet und eher unscheinbaren alten Häusern. Halle modernisierte sich schon im 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sehr stark. Damals wurden viele historische Gebäude abgerissen. Man muss nur mal darauf achten, wie stark die Altstadt mit Gründerzeitlern durchsetzt ist. Selbst das historisch wertvolle Talamt blieb Ende des 19. Jahrhunderts nicht in situ erhalten. Statt dessen wurde auf der Moritzburg ein freier Nachbau des Talamtes errichtet und zwei wertvolle Renaissance-Interieurs, die aus dem alten Talamt vor dessen Abriss gerettet worden waren, dort wieder eingebaut. An der Nordseite (Talamtstraße) und Südseite (Salzgrafenstraße) des Hallmarktes finden wir gründerzeitliche Bebauung. Jenseits des Hallorenrings dann Neubauten der letzten Jahrzehnte und ganz wenige Gründerzeitler (Kellnerstraße). Auf meinem Stadtplan von 1984 ist dieses Gebiet südlich der Neuen Residenz als bebaut gekennzeichnet. Nur westlich der Moritzkirche war eine größere Freifläche (Busbahnhof).

    Als kleinen Trost für verlorene Bauten möchte ich hier noch eine vorbildliche Sanierung vorstellen. Eigentlich wollte ich das schon vor zwei Jahren, hatte es dann aber vergessen. Die Große Märkerstraße beginnt an der Südseite des Marktplatzes links (östlich) vom Stadthaus. Sie ist eine der schönsten Straßen der Stadt, wird aber von Touris leicht übersehen. Hier befindet sich eines der wertvollsten Bürgerhäuser der Stadt. Es war über viele Jahre ein Sorgenkind der Denkmalpflege, die übrigens genau gegenüber ihren Sitz hat. Seit 2007 war die Fassade der Großen Märkerstraße 5 mit einem blauen Netz gesichert. So stand das Haus über viele Jahre da und gammelte vor sich hin.

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    Halle (Saale), Große Märkerstraße in Richtung Marktplatz, rechts mit blauem Sicherungsnetz Haus Nr. 5 (vor der Sanierung)
    (Foto: Sicherlich, Januar 2008, CC-BY-2.5)

    Vermutlich Anfang 2022 wurde dann aber doch eine Sanierung abgeschlossen. Der Anblick der weißen Fassade mit feinstem barockem Stuck hat mich förmlich umgehauen. Das Haus ist phänomenal schön und erinnert mich ein wenig an Prag. Erbaut wurde es 1717 bis 1719. Möglicherweise stammt es im Kern aus dem 16. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert gab es einige Veränderungen.

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    Große Märkerstraße 5 (Foto: Dguendel, 30. Januar 2023, CC-BY-4.0)

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    Große Märkerstraße 5 vor der Sanierung (Foto: Sicherlich, März 2007, CC-BY-2.5)

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    Große Märkerstraße 5 (Foto: Catatine, 15. März 2022, CC0)

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    Große Märkerstraße 5 (Foto: Catatine, 15. März 2022, CC0)

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    Große Märkerstraße 5, Detail Fassade rechts, vor der Sanierung (Foto: Sicherlich, März 2007, CC-BY-SA-3.0)

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    Große Märkerstraße 5, Detail Fassade und Tor rechts (Foto: Catatine, 2. April 2022, CC0)

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    Große Märkerstraße 5, das Tor vor der Sanierung (Foto: Sicherlich, März 2007, CC-BY-SA-3.0)

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    Große Märkerstraße 5, Tor (Foto: Catatine, 15. März 2022, CC0)

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    Große Märkerstraße 5, Haustür vor der Sanierung (Foto: Sicherlich, März 2007, CC-BY-SA-3.0)

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    Große Märkerstraße 5, Haustür (Foto: Catatine, 28. März 2022, CC0)

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    Große Märkerstraße 5 (Foto: Catatine, 2. April 2022, CC0)

    Die Tafel an der Fassade erinnert an die Gelehrten, die einst in dem Haus wohnten. Im Innern sind Teile der historischen Ausstattung erhalten. Im zweiten Obergeschoss gibt es einen Festsaal.

    29. Juni 2024 - Fortschritte bei der Wiederherstellung der Löwenbrücke

    10. August 2024 - Fortschritte bei der Wiederherstellung der Löwenbrücke

    Bei diesem Berliner "Tempo" haben wir Zeit für einen Ausflug nach St. Petersburg, wo wir das Original der Löwenbrücke besichtigen können. Die Berliner Löwenbrücke von 1838 ist eine freie Nachschöpfung der Petersburger Löwenbrücke von 1825/26 (für Vergleichsbilder der Berliner Brücke bitte hier im Strang zurückblättern). Wie für die Rossebändiger gilt auch für die Löwenbrücke: Was in Berlin versteckt und nicht geschätzt wird, ist in Petersburg eine bekannte Sehenswürdigkeit. Die Petersburger Löwenbrücke ist als Kulturdenkmal von föderaler Bedeutung geschützt.

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    St. Petersburg, Löwenbrücke über den Gribojedow-Kanal, Blick nach Osten (Foto: GAlexandrova, 29. September 2013, CC-BY-SA-4.0)

    Die Petersburger Löwenbrücke befindet sich in einer malerischen Biegung des Gribojedow-Kanals. Sie ist länger als die Berliner Brücke. Die Löwen des Bildhauers Sokolow sind aus Gusseisen und wurden weiß gestrichen, um den Eindruck von Marmor zu erwecken. Die Laternen in der Brückenmitte und die Geländer, ebenfalls Eisenguss, sind eine Rekonstruktion aus dem Jahre 1954, mit der das ursprüngliche Erscheinungsbild wiederhergestellt wurde. Zuvor hatte die Brücke seit 1882 nur ein schmiedeeisernes Geländer "von primitiver Zeichnung" und ohne Laternen besessen.

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    Petersburg, Löwenbrücke über den Gribojedow-Kanal, Blick nach Osten (Foto: Sergpavl, 24. Juli 2016, CC-BY-SA-4.0)

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    Die beiden nördlichen Löwen mit Blick in die "Löwengasse" (Lwiny pereulok) (Foto: Peterburg23, 21. September 2011, CC-BY-SA-3.0)

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    Blick in die Gegenrichtung zur südlichen Löwengruppe und zur Straße Malaja Podjatscheskaja uliza (Foto: Anirina, 20. Juli 2011, CC-BY-SA-3.0)

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    Petersburg, Löwenbrücke nach Süden (Foto: Карачинцев Даня, 31. Mai 2011, CC-BY-SA-3.0)

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    (Foto: Екатерина Борисова, 24. Mai 2015, CC-BY-SA-4.0)

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    Und noch einmal die südliche Löwengruppe (Foto: Пуночка 16. April 2017, CC-BY-SA-4.0)

    Die Löwenbrücke ist übrigens keine Kettenbrücke, sondern eine Balkenbrücke. Die Gestaltung als Kettenbrücke dient rein dekorativen Zwecken - ebenso wie die Löwen.

    Wer glaubt, für jeden Firlefanz ein Denkmal aufstellen zu müssen

    Die Friedliche Revolution 1989 in der DDR als "Firlefanz" zu bezeichnen, geht gar nicht. Ebenso ist es vollkommen inakzeptabel, die Wiedergewinnung der Einheit Deutschlands als "Firlefanz" abzutun.

    Allein, dass ich das Zitat hier verwende, lässt in mir ein mulmiges Gefühl aufkommen, dass ich vielleicht irgendwie Ärger bekommen könnte.

    Ärger bekommst du höchstens mit mir, weil ich es ärgerlich finde, wenn Deutsche so wenig über ihr Land, ihre Nation wissen wie du. Lies einfach mal im Grundgesetz nach!

    Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
    von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
    Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.

    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

    Aus dem Text des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der aktuell gültigen Fassung. Alle Hervorhebungen sind von mir.

    Hier sehen wir die Grundlage für die beiden berühmt gewordenen Losungen auf den Montagsdemonstrationen in der DDR. "Wir sind das Volk" bezieht sich darauf, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und nicht von der kommunistischen Partei. In der DDR-Verfassung war die Formulierung etwas anders, aber der Grundgedanke der Demokratie fand sich auch dort.

    In Fortsetzung der revolutionären Tradition der deutschen Arbeiterklasse und gestützt auf die Befreiung vom Faschismus hat das Volk der Deutschen Demokratischen Republik in Übereinstimmung mit den Prozessen der geschichtlichen Entwicklung unserer Epoche sein Recht auf sozial-ökonomische, staatliche und nationale Selbstbestimmung verwirklicht und gestaltet die entwickelte sozialistische Gesellschaft.
    Erfüllt von dem Willen, seine Geschicke frei zu bestimmen, unbeirrt auch weiter den Weg des Sozialismus und Kommunismus, des Friedens, der Demokratie und der Völkerfreundschaft zu gehen, hat sich das Volk der Deutschen Demokratischen Republik diese sozialistische Verfassung gegeben.

    Die Hervorhebungen sind von mir. Auch hier wird das Volk als Ausgangspunkt des Staatswesens aufgefasst.

    Alle politische Macht in der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Werktätigen in Stadt und Land ausgeübt.


    Die Losung "Wir sind ein Volk!" bezieht sich auf den Wunsch, die deutsche Einheit wiederherzustellen. Die DDR-Verfassung von 1949 hatte noch explizit an der Einheit Deutschlands festgehalten. In der Verfassung von 1968 wurde die DDR als "sozialistischer Staat deutscher Nation" definiert. Erst die Verfassung von 1974 enthielt keinen Deutschland-Bezug mehr. Dennoch war zu allen Zeiten klar, dass die DDR kulturell, sprachlich, geschichtlich ein deutscher Staat war. Ein deutscher Staat, der nur aufgrund des politischen Systems vom übrigen Teil Deutschlands getrennt war.

    Für mich gehörte die Stadt bisher immer zu den schönsten Städten.

    Das ist Petersburg auch immer noch. Die Fotos täuschen nur etwas. Der Kamerastandpunkt liegt oberhalb der Dächer der historischen Stadt. Wir haben also freie Sicht bis zu den höheren Neubauten der modernen Zeit. Und die wurden herangezoomt.

    Schauen wir uns das mal am Beispiel der Kirche Woskressenija Christowa (Auferstehung Christi) am Warschauer Bahnhof an! Der Warschauer Bahnhof liegt am Obwodny-Kanal, der im Wesentlichen die südliche Grenze der historischen Bebauung markiert. Er verläuft von der Alexandro-Newskaja Lawra bis zur Jekateringofka im Westen. Auf dem freien Gelände südlich des Kanals siedelte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Industrie an. Hier endeten auch mehrere Bahnlinien. Der Warschauer Bahnhof wurde 1860 eröffnet, die daneben befindliche Kirche in den Jahren 1904 bis 1908 erbaut.

    Wadim Pawlow ist wie Roman Turbajew ein guter Fotograf. Die folgenden Drohnenaufnahmen zeigen das gegenteilige Verfahren. Der Hintergrund wird nicht herangezoomt, sondern erscheint winzig klein. Das erste Foto zeigt den Blick nach Nordosten. Rechts von der Kirchenkuppel sind in der Ferne die beiden großen Schornsteine auszumachen, die in meinem vorigen Beitrag auf der Ansicht der Kasaner Kathedrale im Hintergrund auffallen. Hier dagegen sind sie nahezu unsichtbar

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    Petersburg, Kirche Woskressenija Christowa am Warschauer Bahnhof (Foto: Вадим Павлов, 25. Oktober 2022, sobory.ru, CC-BY-NC)

    Auf dem folgenden Bild erscheint der Obwodny-Kanal gekrümmt. In Wirklichkeit verläuft er hier aber ganz gerade in Ost-West-Richtung. Solche fotografischen Tricks sollten eigentlich bekannt sein. Hier geht es darum, möglichst viel aufs Bild zu bekommen.. Links der Warschauer Bahnhof, vor dem der Ismajlowski-Prospekt nach Norden verläuft. An diesem ist links im Hintergrund die Ismajlowski-Kathedrale (weiß mit blauer Kuppel) auszumachen, rechts von dieser die Isaakskathedrale.

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    Obwodny-Kanal Südseite, links Warschauer Bahnhof, rechts Kirche Woskressenija Christowa
    (Foto: Вадим Павлов, 25. Oktober 2022, sobory.ru, CC-BY-NC)

    Auf dem folgenden Bild ist links die Ismajlowski-Kathedrale angeschnitten und etwas rechts davon die goldene Kuppel der Isaakskathedrale mit etwas Mühe noch zu erkennen. Ganz rechts in der Ferne sind auch die beiden Schornsteine. Damit sollte klar sein, warum Roman auf seinen Bildern ordentlich gezoomt hat.

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    Kirche Woskressenija Christowa am Warschauer Bahnhof (Foto: Вадим Павлов, 25. Oktober 2022, sobory.ru, CC-BY-NC)

    Auf allen Bildern von Roman Turbajew befinden sich die auffallenden modernistischen Bauten außerhalb des historischen Stadtgebiets. Zu beachten ist außerdem, dass Menschen üblicherweise nicht über den Dächern schweben, sondern sich im Straßenraum bewegen. Und aus dieser Perspektive ist Petersburg nach wie vor schön.

    Roman Turbajew hat uns noch weitere Aufnahmen vom 25. Juli zur Verfügung gestellt.

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    Sankt Petersburg, Blick von der Isaakskathedrale zur Kirche Woskressenija Christowa am Warschauer Bahnhof
    (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zur Nikolski-Marine-Kathedrale (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zum Smolny-Kloster (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zur Kasaner Kathedrale (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

    Vielleicht ist euch beim Betrachten der letzten Bilder aufgefallen, dass es nirgends Graffiti gibt. Mir fällt sowas ja normalerweise nicht auf, da ich Graffiti nie vermisse. Aber da die Unterschiede zwischen Berlin und Moskau hier bereits thematisiert wurden, sei auf das Fehlen von Graffiti im Moskauer Stadtbild explizit hingewiesen. Es wirkt dadurch angenehmer, ruhiger, historischer. Mantikor hatte kürzlich die Schmierereien an den "Brücken im Umfeld des Berliner Schlosses" dokumentiert. Hier dazu ein Vergleichsbild aus der russischen Hauptstadt.

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    Moskau, Taganski rayon, die Brücke Astachowski most über die Jausa, im Hintergrund die Kirche Troizy w Serebrjanikach
    (Foto: Gennady Grachev, 14. April 2016, CC-BY-2.0)

    Das wichtigste Projektierungsinstitut für Plattenbauserien in Russland hat seinen Sitz im historischen Zentrum Moskaus. Es wurde 1951 unter dem Namen "Spezielles Architektur- und Konstruktionsbüro" (SAKB) gegründet. Später wurde der Name weiter verkompliziert: MNIITEP - "Moskauer Forschungsinstitut für Typologie und experimentelles Projektieren". Das MNIITEP hat 800 Mitarbeiter. Wir finden es unter der noblen Adresse Petrowka 15, also ziemlich genau in der Mitte zwischen Bolschoj-Theater und Wyssoko-Petrowski-Kloster. Das Haus wurde 1901 bis 1903 im Jugendstil erbaut und gehörte ab 1905 der Versicherungsgesellschaft "Anker". Es ist ein großes Mietshaus. Auch die Ecke zur Nebenstraße Stoleschnikow pereulok gehört dazu. Es ist schon interessant, dass die größte "Plattenbauschmiede" Russlands in einem Gründerzeitquartier zu finden ist.

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    Moskau, Petrowka 13, links die Gasse Stoleschnikow pereulok (Foto: NVO, 30. August 2009, CC-BY-SA-3.0)

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    Petrowka 15, Sitz des Projektierungsinstituts MNIITEP (Foto: NVO, 30. August 2009, CC-BY-SA-3.0)

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    Petrowka 15 (links neben dem Bus), dahinter das dunkle Mietshaus Petrowka 17 von 1913, rechts die Straße Petrowskije Linii, im Hintergrund die roten Bauten des Wyssoko-Petrowski-Klosters (Foto: Gennady Grachev, 10. April 2016, CC-BY-2.0)

    In Moskau sind die gründerzeitlichen Mietshäuser oft sehr groß. Vor der Petrowka 15 mündet die Straße Petrowskije Linii ein. Beide Seiten, die Nordseite und die Südseite der Petrowskije Linii, wurden 1874 bis 1876 einheitlich bebaut und gehörten der Gesellschaft "Petrowskije Linii". Die Nordseite hat die Hausnummer 1, die Südseite die Hausnummer 2.

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    Blick von der Petrowka in die Petrowskije Linii, Bebauung der Nordseite (Foto: NVO, 30. August 2009, CC-BY-SA-3.0)

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    Das Eckhaus Petrowka 20 / Petrowskije Linii 1 (Foto: Kemal KOZBAEV, 10. September 2015, CC-BY-SA-4.0)

    Ein wahrer Riese ist der Mietshauskomplex Petrowka 19, erbaut 1897 bis 1899. Hinter der langgestreckten Straßenfassade liegen weitere Häuser. Insgesamt sind es acht Gebäude, die zusammen das "Mietshaus des Kaufmanns Korowin" bilden. In den alten Teilen Moskaus gehen die Grundstücke sehr in die Tiefe. Unter einer Hausnummer ist oft eine ganze Reihe von Gebäuden zusammengefasst. Wer die Straßen entlangschlendert, sieht gewissermaßen nur die Spitze des Eisberges. Hinter dem Vorderhaus ist "unter Wasser". Die großen Mietshauskomplexe zeichneten sich schon immer durch eine Mischnutzung aus. Neben Wohnungen gab es Geschäftsräume verschiedenster Einrichtungen, Läden, Hotels, je nachdem. In einem der Hofgebäude von Petrowka 19 wohnte 1903/04 Anton Tschechow.

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    Petrowka 19 (Foto: Andreykor, 19. September 2015, CC-BY-SA-4.0)

    Dass die Belichtung in den Moskauer Großwohnsiedlungen ein Problem sein soll, habe ich noch nie gehört.

    Es gibt im Übrigen genügend Beispiele, die zeigen, welche Wirkmacht diese planwirtschaftlichen Staaten beim Bau ihrer Städte hatten durch den Besitz sämtlichen Grundes und der direkten Beeinflussung seiner Bauwirtschaft. Es ist sehr seltsam, das zu ignorieren und mit der Planwirtschaft zu begründen, warum keine Städte nach der Gestalt Gründerzeit geplant und realisiert werden könnten bzw. dass das eine ,,befremdliche Äußerung wäre" sowas überhaupt in Betracht zu ziehen.

    Jeder, der sich mit der Materie auskennt, wird deine Gedankengänge für völlig abwegig halten.

    Von wem wird sie vertreten? Bis Mitte der Fünfziger hat man noch historistisch in Moskau gebaut. Da hatte bereits Moskau einen der schnellsten Bevölkerungszuwächse seiner Geschichte hinter sich. Es lebten etwas über 4,5 Millionen Menschen schon in der Stadt, deren Unterbringung offenbar durch den Baustil nicht behindert wurde oder lebten die Menschen in dieser Zeit massenhaft in Slums, dann nehme ich die Überlegung zurück. Was dort möglich war, sollte ohne Weltkrieg und anderer schlechter Bedingungen dann später nicht mehr lösbar gewesen sein?

    Dass unter Stalin prekäre Wohnverhältnisse die Regel waren, ist allgemein bekannt. Es gab die "Kommunalwohnungen". Hier teilten sich mehrere Familien eine Wohnung. Kommunalkas gab es sowohl in Altbauten aus der Zeit vor 1917 als auch in Neubauten aus der Stalinzeit. Besonders aufwendig gestaltete Stalinbauten waren aber der Nomenklatura vorbehalten. Hier gab es Luxuswohnungen für die Elite. Doch viele Menschen lebten in Barackensiedlungen. Es gab auch Wohnheime sowie Kellerwohnungen und andere Notlösungen. Erst Chruschtschow gab das Ziel aus, jeder Familie eine eigene Wohnung zu geben. 1985 lebten (erst) 80 Prozent der Stadtbevölkerung der Sowjetunion in eigenen Wohnungen.

    Nachtrag: Ich habe noch ein Foto einer Baracke gefunden.

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    Magnitogorsk, Spezposjolok Zentralny (Zentrale Spezialsiedlung), Inneres einer der Baracken
    (Foto von 1933, Staatliches Historisches Museum des Südurals, public domain)

    Letztlich sind solche terminologischen Unschärfen in der Wissenschaft gar nicht so selten. tegulas Auffassung lässt sich nicht restlos widerlegen. ursus carpaticus hat das früh erkannt. Ich habe länger gebraucht. Je mehr die "Antikritischen" insistieren, desto weniger vermögen sie zu überzeugen. Tegulas Definition ist auch keineswegs so weit gefasst, dass sie sich in Beliebigkeit verliert..

    Für mich erzeugt die Widerverwendung der alten Steine eine besondere Magie. Eigentlich finde ich es schade, dass der Unterschied zwischen alten und neuen Steinen mit der Zeit verblasst. Das Farbenspiel der Steine ist einfach schön. Es symbolisiert die Auferstehung.

    Mir fällt in dem Zusammenhang das Neue Museum in Berlin ein. Ist es nicht auch eine kritische Rekonstruktion? Auch das Neue Museum hat etwas Zaubrisches. Auch dieses Bauwerk erzählt von Tod und Auferstehung. Es besticht durch zahllose Originalteile, die eine besondere Aura entfalten. Und die vielen Fragmente wurden behutsam zu einem neuen alten Gebäude ergänzt.

    Die Erwähnung der rekonstruierten Dessauer Meisterhäuser hatte mich anfangs irritiert. Hier liegt der Fall natürlich ganz anders, doch abwegig ist diese Bezugnahme nicht.

    Mir ist aufgefallen, dass Majorhantines mir Äußerungen unterstellt, die ich nie getätigt habe:

    Und Du sagst, dass es nach '45 nicht mehr möglich ist "wunderschön" zu bauen, weshalb das rechtfertigt, was in Moskau entstanden ist, bzw. dies sogar im Verhältnis als Leistung würdigt.

    Ich habe nicht gesagt, dass es nicht möglich sei, sondern dass es nicht geschieht. Das ist ein wichtiger Unterschied.

    [...] und überhaupt so schlecht ist das Stadtbild ja nicht. Dann diskutiert man wieder, ob das Stadtbild überhaupt so schlecht ist und der Reigen dreht sich weiter.

    Darüber haben wir überhaupt nicht diskutiert. Ihr könnt euch ja die Beiträge oben ansehen. Majorhantines bildet sich das nur ein.:

    Stichwort "Bevölkerungsdichte" - Majorhantines hat das in die Diskussion eingebracht. Er meinte, Berlin und Moskau hätten ungefähr die gleiche Bevölkerungsdichte. Ich habe diesen simplen Faktenfehler korrigiert, aber Majorhantines hat das nicht verstanden. Er hätte ja auch mal nachfragen können, was es mit Nowaja Moskwa auf sich hat. Aber er ignoriert die Argumente einfach. Wenn er daran schon scheitert!

    Mein konkretes Gegenbeispiel war und ist Berlin, weil es ähnlich wie Moskau in ähnlich kurzen Zeiträumen ähnlich stark gewachsen ist und ähnlich hohe Grünflächenanteile auf dem Stadtgebiet hat.

    In Bezug auf Moskau innerhalb der Ringautobahn MKAD könnte das mit den Grünflächenanteilen ungefähr hinkommen. Moskau innerhalb der MKAD entspricht der Fläche Groß-Berlins. Auf dieser Fläche lebten 1960, als die MKAD als Stadtgrenze festgelegt wurde, schon rund sechs Millionen Menschen, deutlich mehr als Berlin jemals hatte. Heute kann man Pi mal Daumen sagen, dass es etwa dreimal so viele Einwohner wie in Berlin sind. Stellt euch also vor, Berlin müsste zusätzlliche Wohnungen für sieben Millionen Menschen bauen. Falls Majorhantines in seine Überlegungen das Erweiterungsgebiet Nowaja Moskwa einbezogen hat, wäre festzustellen, dass der Grünflächenanteil in Moskau wesentlich höher ist als in Berlin. Majorhantines liefert hier also selbst ein Argument für den Moskauer Städtebau. Offenbar lässt dieser relativ zur Bevölkerung gesehen mehr Platz für Wälder und Parks.

    Du lenkst von den eigentlichen Aussagen ab, Rastrelli. Mir ist nicht klar, ob bewusst oder nicht. [...] Keiner hat verleugnet, dass ,,Mitte des 20. Jahrhunderts [...] in Moskau eine ganze Reihe historistischer Neubauten errichtet" worden wären. Da hatte Moskau übrigens bereits sprunghaftes Wachstum. Danach folgte die sozialistische Moderne, na und? Ich sehe nicht, was das mit der Kritik zu tun hat (die sich natürlich hauptsächlich auf Chruschtschowkas und deren bis heute errichteter Nachfolger bezog

    Das bezieht sich hierauf:

    Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in Moskau eine ganze Reihe historistischer Neubauten errichtet, darunter zahlreiche Wohnhäuser. Man kann sagen, dass sie in ästhetischer Hinsicht Gründerzeitqualität hatten. Außerdem wurden unter Stalin auch sehr schlichte Wohnhäuser gebaut, die sogenannten Stalinkas. Diese Typenbauten waren aber sehr klein und wurden in traditioneller Bauweise errichtet. Das Bauvolumen in traditioneller Architektur reichte nicht aus, um der Wohnungsnot abzuhelfen. Chruschtschow änderte dann Mitte der fünfziger Jahre den Kurs. Er ordnete die Industrialisierung des Bauwesens und radikale Kosteneinsparungen an. Nun wurde das Sowjetland mit fünfgeschossigen Chruschtschowkas zugepflastert. Sie waren nicht schön, stellten aber die erste ernstzunehmende Antwort auf die grassierende Wohnungsnot dar. Es wurde nun erstmals anerkannt, dass jede sowjetische Familie ein Recht auf eine eigene Wohnung hatte. Speziell in Moskau wurden schon bald neue und größere Wohnungsbautypen eingeführt - bis hin zu wahren Riesenhäusern.
    [...]
    In den fünfziger Jahren gab es Pläne, mehrere Satellitenstädte im Moskauer Umland zu bauen, um das Wachstum der Metropole besser zu managen. Verwirklicht wurde nur das Projekt Selenograd. Der Name bedeutet "grüne Stadt" und verweist auf die Gartenstadtidee, der die Entwicklung Selenograds eigentlich folgen sollte. Doch die Realität forderte schon bald ihren Tribut, und so wurde auch in Selenograd groß gebaut. Wahrscheinlich geht es wirklich nicht anders, wenn Jahr für Jahr 100.000 Einwohner dazukommen.

    Das war sehr wohl ein Beitrag zum Thema. Majorhantines weist es brüsk zurück, obwohl diese Argumentation allgemein vertreten wird.

    Zur Frage, ob nach 1945 noch gründerzeitlicher Städtebau möglich gewesen wäre.

    Warum sollte es nicht mehr möglich sein? [...] Du hast natürlich recht damit darauf zu verweisen, dass es einen solchen Bauboom mit solchen Ergebnissen wie dem ausgehenden 19. Jhd. nicht mehr gab, auch anderswo. Aber ich sehe keine Begründung. Empirisch kann man das so postulieren, aber ohne Begründung, die klar beweist, dass es z.B. technisch, oder vom Gesellschaftssystem her nicht mehr funktionieren kann, bleibt dabei nur die Botschaft, dass rein faktisch es mindestens in keinem westeuropäischen Land gelungen ist die Voraussetzungen politisch und wirtschaftlich dafür zu schaffen bzw. zu kopieren. Diese Aussagekraft ist dann entsprechend sehr dünn, man hätte es ja eventuell besser machen können? Und ist das wirklich ein Argument, das stützt, dass es zwangläufig gerade in Moskau nicht hätte erfolgreich wiederaufgegriffen werden können?

    Diese Äußerung fand ich befremdlich. Ich dachte, ihr kommt selber drauf, warum. Hier nun die Auflösung: In einem sozialistischen Land mit zentraler Planwirtschaft, in dem alles Bauland dem Staat gehört, ist eine Renaissance des gründerzeitlichen Städtebaus nun wirklich nicht zu erwarten. Der gründerzeitliche Städtebau hing mit der Entfaltung des Kapitalismus zusammen. Das war auch im Zarenreich so.

    Freilich erzeugt der heutige Kapitalismus auch keine Gründerzeit mehr. Der Modernismus ist eine weltweite Strömung.

    Ich verstehe Deinen Einwand, aber ich finde die Aufteilung nach vor und nach 1945 einfach willkürlich. Russland hatte eben erst später diesen typischen Entwicklungssprung der Industrieländer mit hoher Urbanisierungsrate. Willst Du damit ausdrücken, dass es nach 1945 einfach nicht mehr möglich ist Bedingungen zu schaffen wie sie für die Urbanisierungswellen der vorangegangenen Industriestaaten bestanden? Das glaube ich nämlich nicht. In diesen Phasen erfolgt ein extremer Zuwachs an Wohlstand und Entwicklung, letztlich der Effizienz.

    Aber wir sehen doch, zu welchen Stadtbildern die Urbanisierung seit 1945 geführt hat. In Südamerika, Nordamerika, Australien, Asien, Russland. Es gibt keinen Grund, sich auf Europa zu beschränken.

    Ich betone nochmal: Ich behaupte nicht, "dass es nicht möglich ist". Ich sehe einfach nur die Realität, wie sie ist. Majorhantines hat dem auch nur ein "Das glaube ich nämlich nicht" entgegenzusetzen. Oder ein:"aber ohne Begründung, die klar beweist". Wo ist da die inhaltliche Substanz?

    Petersburger Dachlandschaften

    Aufnahmen von Viktoria Bykowa (15. Juli 2018) und Roman Turbajew (ganz aktuell vom 25. Juli 2024)

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    Sankt Petersburg, Blick zur Isaakskathedrale (Foto: Виктория Быкова, 15. Juli 2018, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zur Ismajlowski-Kathedrale (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zur Isidorkirche, ganz rechts Neubau und Altbau des Marientheaters
    (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zum Nikolaj-Palast mit Hauskirche am Platz der Arbeit (ploschtschad Truda). Die Spitze rechts im Hintergrund gehört zum Passagierhafengebäude (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Blick von der Isaakskathedrale zum Ingenieurschloss mit hoch aufragender Hauskirche
    (Foto: Турбаев Роман, 25. Juli 2024, sobory.ru, CC-BY-NC)

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    Isaakskathedrale (Foto: Виктория Быкова, 15. Juli 2018, sobory.ru, CC-BY-NC)

    Majorhantines
    Die Diskussion funktioniert deshalb nicht, weil du nur schwafelst. Du musst auch inhaltlich etwas beisteuern.

    Willst Du damit ausdrücken, dass es nach 1945 einfach nicht mehr möglich ist Bedingungen zu schaffen wie sie für die Urbanisierungswellen der vorangegangenen Industriestaaten bestanden? Das glaube ich nämlich nicht. In diesen Phasen erfolgt ein extremer Zuwachs an Wohlstand und Entwicklung, letztlich der Effizienz. Diese Wertschöpfung kann zum Gemeinwohl (bezogen aufs Stadtbild) beitragen oder eben nicht, je nach wirtschaftlichen und politischen Leitplanken.

    Wenn Moskau so schlecht dasteht, muss es ja Beispiele geben, wo es besser ist. Nenne sie mir! Werde konkret!

    Was man da [in Moskau] aber sieht ist in meinen Augen nicht ebenbürtig, weshalb ich Deine konkrete Frage, wo genau es besser gewesen sein soll, mit so ziemlich jeder Stadt beantworten möchte, die den europäischen traditionellen Städtebau mit Blockrand, einem natürlichen Dichtegradienten von hoch und zentral nach außen, eher einheitliche Bebauungshöhen mit wenigen Hochpunkten, weitestgehender Erhalt historischer Bausubstanz, usw. fortgebaut hat.

    "So ziemlich jede Stadt" - prima! Dann nenne mir eine, in der in den letzten 70 Jahren Wohnungen für mehrere Millionen Menschen (gegebenenfalls etwas weniger) neugebaut wurden, und zwar unter Berücksichtigung der von dir benannten "Kriterien des europäischen traditionellen Städtebaus mit Blockrand" usw.

    Allerdings:

    Quote from Majorhantines

    Du hast natürlich recht damit darauf zu verweisen, dass es einen solchen Bauboom mit solchen Ergebnissen wie dem ausgehenden 19. Jhd. nicht mehr gab, auch anderswo. Aber ich sehe keine Begründung. Empirisch kann man das so postulieren, aber ohne Begründung, die klar beweist, dass es z.B. technisch, oder vom Gesellschaftssystem her nicht mehr funktionieren kann, bleibt dabei nur die Botschaft, dass rein faktisch es mindestens in keinem westeuropäischen Land gelungen ist die Voraussetzungen politisch und wirtschaftlich dafür zu schaffen bzw. zu kopieren. [...] ist das wirklich ein Argument, das stützt, dass es zwangläufig gerade in Moskau nicht hätte erfolgreich wiederaufgegriffen werden können?

    Ja, das ist wirklich ein Argument. Denn wenn du nur eine rein theoretische Möglichkeit siehst, dann muss dir bereits rein theoretisch klar sein, dass diese gerade in Moskau nicht zu realisieren war. Soviel solltest selbst du wissen.