• Treverer: eine sehr gute Analyse und Bewertung. In Berlin gibt es bestimmte Quartieren wo es noch herrlich "authentisch" Berlin ist: das Bergmann Quartier und einige Bereichen in Prenzlauerberg, Friedenau und Moabit. Es muss Strassen oder Plätzen geben die noch heil sind und intakten Fassaden aufzeichnen. Besonders prunkvollen Dächer sind in D. sehr sehr selten geworden, aber die bestimmen besonders das Aussehen von Gebäuden: schön, schlicht oder verunstaltet.

    Die bedeutendste Traditionsinsel in Berlin hast du allerdings vergessen. ;) Das ist natürlich die östliche Hälfte von Unter den Linden und Lustgarten. Wenn eine (hoffentlich!) originalgetreue Bauakademie die letzte Lücke schließt und endlich mal alle Baustellen verschwunden sind, dann wird das eine sehr schöne und einer europ. Kapitale würdige Mitte.
    Diese und andere Traditionsinseln in Berlin (und im nahen Potsdam) lassen auch diese eigentlich sehr geschundene Stadt insgesamt schön wirken. Da sehe zumindest ich über die weitgehend entstuckten oder Plattenbauviertel hinweg.

    Und um wieder zu Dresden zurückzukommen:
    Empfindlich gestört wird die Traditionsinsel Neumarkt allerdings durch die Fehlstelle des Hotel Stadt Roms. Dass hier die Platzkannte nicht geschlossen ist, und man auf die Rücken der Wilsdruffer DDR-Riegel schaut, ist städtebaulich unbefriedigend.

  • Empfindlich gestört wird die Traditionsinsel Neumarkt allerdings durch die Fehlstelle des Hotel Stadt Roms. Dass hier die Platzkannte nicht geschlossen ist, und man auf die Rücken der Wilsdruffer DDR-Riegel schaut, ist städtebaulich unbefriedigend.

    Richtig. Das muss und wird sich ändern!

  • Wann denn? :)

    Franka: wunderschöne Bilder! Die Zeit in Dresden war wirklich toll. Ich war schon oft da, habe die Stadt aber jetzt nochmal neu entdeckt und schätzen gelernt. Am Neumarkt stellt sich allmählich das Gefühl von Angekommensein ein, es gibt wieder den urbanen Rahmen für die umwerfenden Wahrzeichen auf Welt-Niveau. Das bietet in dieser Kompaktheit mE keine Stadt der Welt, nichtmal die bekannten italienischen Klassiker.

  • Franka Auch von mir noch mal ein dickes Dankeschön für die tollen Dresden-Bilder (vor einem stahlblauen sächsischen Himmel). Die Bedeutung der eleganten Hofkirche für die Silhouette der Stadt kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Für mich, noch vor der Frauenkirche, die schönste Kirche der Stadt. Ach was, Sachsens. Ach was, Deutschlands ...

  • Nun war das barocke Dresden wohl immer heiterer als das dunkle mittelalterliche Nürnberg, das liegt schon in der Natur der Sache. Dass man heute beide Städte ob der städtebaulichen Qualität nicht ernstlich miteinander vergleichen kann, liegt natürlich nicht an der Parallelität des Schicksals im Winter 1945, sondern ausschließlich am Wiederaufbau. Da die schäbige Hässlichkeit einer noch dazu hoffnungslos in die Jahre gekommenen einstigen Wirtschaftswunder-Moderne, die tatsächlich von sich meinte, "alles richtig gemacht zu haben", dort doch ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der alten Pracht, der in neuem Glanze erstrahlt. Der Verlauf, der zu dieser Konstellation geführt hat, scheint paradox: in Nürnberg blieb eine Vielzahl von Baudenkmälern erhalten, in der Dresdner Altstadt abgesehen von den Ruinen einiger Großbauten so gut wie nichts. In Nürnberg bemühte man sich um die Erhalt des alten Stadtgrundrisses, in Dresden räumte man alles ab. In Nürnberg verblieben etliche Ecken, Winkel, Straßenzüge, die sich ohneweiters wieder ergänzen hätten lassen, in Dresden nur Schutthalden. Im BRD-Nürnberg vermochte man ungleich mehr Finanzkraft in Tourismus und Stadtbild zu investieren als im kommunistischen Dresden.

    Und warum ist alles so konträr gekommen? Warum ist Nürnberg ein stadtbildmäßiger Totalverlust, in dem erhaltene Kirchen, Türme, einzelne Häuser wie Fremdkörper wirken und die Katastrophe erst eigentlich so richtig erlebbar machen? Warum ist Dresden so schön geworden? Der frühe Wiederaufbau hat sich als schädlich erwiesen, das Brach-Liegenlassen und Zuwarten als nützlich. Dazu kam ein Mentalitätsunterschied, einerseits eine Bevölkerung, die den Verlust nur verdrängte und alles Erreichte sich schön redetet, eine Tendenz, die bis heute anhält, andererseits ein selbstbewusstes kämpferisches Bürgertum, das sich mit dem Verlust seiner Stadt nicht abfand und eine einmalige Chance witterte.

    Natürlich ist das wiederhergestellte Dresden weit kleiner-flächig als das nicht-wiederhergestellte, aber mit einzelnen versatzstückartig anmutenden Relikten versehene Nürnberg. Ja, die Nürnberger Möchte-gern-Altstadt ist riesig, was als quantitatives Argument immer wieder ins Treffen geführt wurde. Klar, man konnte nicht das alles aufbauen. Aber man hat es nicht einmal geschafft, einen mini-futzi-kleinen Winkel geschlossen wiedererstehen zu lassen. Nürnberg verfügt, anders als andere weitgehend zerstörte Städte, über keine einzige geschlossene Traditionsinsel, und meinem Argument, dass keine einziges Bürgerhaus ex nihilo wiedererrichtet worden ist, konnte bis heute mit keinem Beweis des Gegenteils entgegengetreten werden. Das ist, wenn man dies schon als Leistung apostrophieren will, eine ganz erbärmliche, und der Vergleich mit dem Dresdner Neumarktprojekt, dem in summa besten Wiederaufbau Deutschlands, der sogar in ganz Europa seinesgleichen sucht - die Konstellation im vielzitierten Warschau war ebenso wie im französischen Saint-Malo eine weit einfachere - ist gelinde gesagt vermessen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Warum ist Dresden so schön geworden?

    Na ja, rund um die Frauenkirche ist ein sehr schönes und in der Tat großartiges Projekt entstanden. Der Neumarkt mit seinen Anhängseln nördlich der Wilsdruffer ist tatsächlich schön geworden.

    Dresden ist in der Fläche in den zerstörten Arealen hingegen ganz sicher nicht "schön geworden".

    das Brach-Liegenlassen und Zuwarten als nützlich

    Man ließ es ja nicht brach liegen, sondern räumte flächendeckend ab. Und das Zuwarten während der DDR war Geldmangel geschuldet. Zum Glück wurden dann manche Projekte auch nicht mehr realisiert.

    Grüne Wiese und dann darauf die immer selben Zeilenbauten oder Platte oder einfach flächendeckend nichts.

    Die heutigen Neubauten sind völlig austauschbar, hier am Bahnhof:

    Herzogin Garten (sicher nobel, könnte aber überall stehen ...):

    Postplatz:

    Aus DDR-Zeiten:

    Innere Neustadt, gleich am Goldenen Reiter:

    Gleich hinter dem Elbufer:

    Zwei Gehminuten vom Zwinger entfernt:

    Ich bin mal zu Fuß vom Blauen Wunder bis zum Ostragehege gegangen, da ist der Neumarkt wirklich nur eine kleine und unwirkliche Insel inmitten einer unwirtlichen Umgebung.

    Easy does it.

  • buarque, wir haben es doch erklärt: Traditionsinseln! Diese strahlen so wunderbar und hell, sie überstrahlen die Plattenbaueinöden rund um die Innenstadt.
    Ein Theaterplatz, ein Schlossplatz, ein Neumarkt...ist 100 mal so viel Wert auf der Waagschale als ein Plattenbauviertel.

  • @ Ursus:

    Volle Zustimmung zu allem, was Du geschrieben hast.

    Zu diesem Satz:

    Dazu kam ein Mentalitätsunterschied, einerseits eine Bevölkerung, die den Verlust nur verdrängte und alles Erreichte sich schön redetet, eine Tendenz, die bis heute anhält, andererseits ein selbstbewusstes kämpferisches Bürgertum, das sich mit dem Verlust seiner Stadt nicht abfand und eine einmalige Chance witterte.

    würde mich interessieren, woher das eigentlich kommt: ist dieser Mentalitätsunterschied - den man mehr oder weniger ja für die ganze BRD feststellen kann - erst nach dem Krieg entstanden oder gab es den schon vorher? Gerade Nürnberg hatte sein Stadtbild bis zur Zerstörung ja kaum verändert und war das Paradebeispiel einer mittelalterlich gebliebenen Stadt, deren bürgerliche Architektur berühmt war und die aus diesem Kapital vor dem Krieg auch viel touristischen Nutzen zog, weswegen eigentlich gerade dort eine größere Verbundenheit mit dem alten Stadtbild existieren hätte müssen. Oder war man auch vor dem Krieg schon des altmodischen Stadtbilds und der dementsprechenden Lebensumstände überdrüssig?

    Und war man auf der anderen Seite in Dresden oder allgemein in den mitteldeutschen Gebieten schon vor dem Krieg besonders stolz auf seine Städte und bewahrte dort mehr an alter Architektur als anderswo?

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Vielleicht ist bei Nürnberg ein besonderes Trauma wegen des verlorenen Krieges hinzugekommen. Schließlich war das die Stadt der Reichsparteitage. Und die Stadtoberen haben eine Art Scham deswegen verinnerlicht, die sie zu stärkeren Abwehrreaktionen gegen die eigene Historie getrieben hat. Das ist aber Spekulation. Den alten Bürgersinn Nürnbergs erkennt man wieder unten, bei den Bürgern der Altstadtfreunde.

    @"buarque". Die gezeigten großzügigen Grünflächen zwischen den Häusern empfinde ich keinesfalls als unangenehm. Stadt soll im Zentrum verdichtet sein, je weiter man sich davon entfernt, umso mehr empfinde ich Grün als Wohltat.

  • ein dickes Dankeschön für die tollen Dresden-Bilder (vor einem stahlblauen sächsischen Himmel). Die Bedeutung der eleganten Hofkirche für die Silhouette der Stadt kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Für mich, noch vor der Frauenkirche, die schönste Kirche der Stadt. Ach was, Sachsens. Ach was, Deutschlands

    Traditionsinseln! Diese strahlen so wunderbar und hell,

    Nun war das barocke Dresden wohl immer heiterer

    Mehr muss doch wirklich nicht gesagt werden!

    Dann noch der wieder hergestellte einmalige Canalettoblick auf das barocke Elbflorenz. Der Mythos von Dresden strahlt einfach. Da kann keine "Gründerzeitstadt" mithalten.

  • Ich denke, dass man nach diesem schrecklichen Krieg in Nürnberg einfach nur noch nach vorne schauen wollte. Auch das, was Heimdall schrieb, das wird sicherlich ein Beweggrund gewesen sein. An den Eigentumsverhältnissen konnte - da Rechtsstaat - nicht gerüttelt werden, weshalb man am alten Grundriss wiederaufbauen konnte. Im Stile der neuen Zeit. Damals ging man vermutlich optimistisch ans Werk. Man konnte damals nicht ahnen, dass es der „Moderne“ nie gelingen wird ein gelungenes Ensemble zu erschaffen. Mit dem Wissen um das Nichtkönnen der Moderne und mit der Möglichkeit einer fast komplett abgeräumten Nachkriegsbrache inmitten des Mythos Dresden, lag eine Rekonstruktion der Frauenkirche als auch des umgebenden Neumarkts einfach auf der Hand! Den Kulturbürgern war das bewusst und die konnten sich großteils gegen das dogmatische Establishment glücklicherweise durchsetzen! Mit der Frauenkirche und der Rekonstruktion des Neumarkts ist es vermutlich zum ersten Mal nach dem Krieg gelungen ein attraktives städtebauliches Zentrum zu erschaffen! Das erklärt auch den Hass des überall sonst unfähigen Establishments, dass ein paar weitsichtigen Bürgern etwas gelungen ist, was den sogenannten „Profis“ Jahrzehnte nicht gelang. Potsdam, Frankfurt et cetera lernten von quasi von den Besten. Nürnberg…naja. Ich muss dort nimmermehr hin. Immerhin hat N die Altstadtfreunde und womöglich erkennt eine neue politische Führung einmal die Chance, die Rekonstruktion birgt. Aber auch DD hat für die Zukunft noch gewaltige Aufgaben: Den Neustädter Markt und km2 an Plattenbaugebiete, im Zentrum, die über die nächsten hundert Jahre gegen kleinteilige Urbanität mit menschlichen Maßstäben ersetzt werden müssen. Dort zumindest kann es eh nur besser werden.

  • würde mich interessieren, woher das eigentlich kommt: ist dieser Mentalitätsunterschied - den man mehr oder weniger ja für die ganze BRD feststellen kann - erst nach dem Krieg entstanden oder gab es den schon vorher?

    Ich glaube schon, daß es große Mentalitätsunterschiede gibt, aber nicht im Sinne BRD vs. DDR, sondern viel kleinteiliger, man vergleiche nur mal Württemberg mit Oberschwaben oder Bayerisch-Schwaben hinsichtlich Erhaltungszustand und Wertschätzung von Altbauten. Oder den Nordschwarzwald, wo es doch häufig mal etwas bröckelt (von Pforzheim ganz zu schweigen), mit dem Bilderbuch-Schwarzwald weiter südlich und vor allem im badischen Teil.

    In Dessau oder Magdeburg scheint es ja auch kaum ein wirklich großes Interesse am historischen Stadtbild zugeben (?)

    wir haben es doch erklärt: Traditionsinseln! Diese strahlen so wunderbar und hell, sie überstrahlen die Plattenbaueinöden rund um die Innenstadt.

    Das verstehe ich schon und früher bin ich sogar zweimal im Jahr nach Dresden gefahren, die Sächische Zeitung lese ich übers Internet noch sporadisch. Aber da stimmt einfach das Verhältnis nicht, wenn Dresden 30.000 Einwohner hätte, fände ich das Verhältnis Neumarkt-Areal zur Gesamtstadt OK, aber nicht für eine solche Großstadt.

    Das wäre in etwa so, als wäre in Nürnberg der Hauptmarkt mit ein paar angrenzenden Straßen ansprechend wiederhergestellt, während südlich der Pegnitz dann nur noch grüne Wiese mit Plattenbauten stünde, mit St. Lorenz allein auf weiter Flur.

    Das bringt uns auch schon zum nächsten Zitat ...

    Die gezeigten großzügigen Grünflächen zwischen den Häusern empfinde ich keinesfalls als unangenehm. Stadt soll im Zentrum verdichtet sein, je weiter man sich davon entfernt, umso mehr empfinde ich Grün als Wohltat.

    Das ist schon noch Zentrum, die Wilsdruffer Vorstadt beginnt ja gleich am Zwinger, hier ein historischer Stadtplan und hier eine Dokumentation Dresden Haus für Haus bzw. siehe auch den Wikipedia-Artikel zum Freiberger Platz oder diese Diskussion bei der Konkurrenz von DAF

    Eigentlich fast unvorstellbar, daß gut 95 % der Bebauung komplett verschwunden sind.

    Easy does it.

  • Vielleicht ist bei Nürnberg ein besonderes Trauma wegen des verlorenen Krieges hinzugekommen. Schließlich war das die Stadt der Reichsparteitage. Und die Stadtoberen haben eine Art Scham deswegen verinnerlicht, die sie zu stärkeren Abwehrreaktionen gegen die eigene Historie getrieben hat.

    Das trifft es und mE kommt erschwerend hinzu, dass das Deutschsein (sowie der Bezug zur eigenen Geschichte) in der alten BRD mehr negativ behaftet war als das zumindest in der späten DDR der Fall war. So erfolgte beispielsweise 1977 die Grundsteinlegung zum Wiederaufbau der Semper-Oper, ebenso wurde mit dem Wiederaufbau des Residenzschloßes bereits in den 1980er Jahren begonnen.

    Und diesen Unterschied kann man auch heute noch ausmachen, was mitunter bei westdeutschen Journalisten auf Unverständnis stößt.

    Sachsen hat ein Bild von sich geschaffen und verteidigt es erbittert. Es ist in Öl gemalt und goldgerahmt. Es ähnelt den romantischen Dresdner Verduten von Canaletto, der Stadtidyllen malte, in denen sich die Wolken im Wasser der breiten Elbe spiegeln. Frieden und Ruhe. [...]

    Es bleibt: sächsische "Erinnerungslust statt Erinnerungslast", wie Donath das nennt. "Wenn ich immer nur August der Starke höre, und Gräfin Cosel, und das in der Schule auch vorkommt und im Internet und in der Werbung, dann denke ich natürlich nicht an Adolf Hitler."

    Und Nürnberg hat eben einen ganz anderen Weg eingeschlagen und denkt quasi beinahe ununterbrochen an Hitler, um "die ererbte Schuld" abzutragen, was aber nie gelingen kann, nie gelingen soll.

    Das westdeutsche, urbane und intellektuelle Milieu empfindet hauptsächlich kosmopolitisch und hängt einem Weltbürgertum und der Idee eines einheitlichen Europas an und findet die Heimatliebe der Sachsen (deren Verbundenheit zu Sachsen und zu Deutschland) als hinterwäldlerisch, als lächerlich und auch als gefährlich.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • Das verstehe ich schon und früher bin ich sogar zweimal im Jahr nach Dresden gefahren, die Sächische Zeitung lese ich übers Internet noch sporadisch. Aber da stimmt einfach das Verhältnis nicht, wenn Dresden 30.000 Einwohner hätte, fände ich das Verhältnis Neumarkt-Areal zur Gesamtstadt OK, aber nicht für eine solche Großstadt.


    Wenn ich mich an Theaterplatz, Taschenberg, Zwingerhof, Schlossplatz, Großer Schlosshof, Stallhof, Neumarkt, Brühlsche Terasse, Palaisplatz, Königstraße, am Canaletto-Blick etc. erfreue, zähle ich im Hinterkopf nicht mit wieviele Einwohner Dresden eigentlich hat. Ich finde, du überdenkst das. ;)
    Es sagt ja nun niemand hier, dass Dresden's Wiederaufbau perfekt war. Ganz bestimmt nicht. Aber letztendlich, und es hat lange gewährt, ist hier mehr und zusammenhängend mehr wiederentstanden als in vielen anderen deutschen Städten, so z.B. Nürnberg.
    Übrigens ist es auch nicht ganz fair, so zu tun, als hätte Dresden außerhalb der Innenstadt nicht auch noch viel alte und schöne Bausubstanz zu bieten. Da gibt es ja auch noch Stadtteile wie die Äußere Neustadt, Blasewitz, Loschwitz etc.

  • ebenso wurde mit dem Wiederaufbau des Residenzschloßes bereits in den 1980er Jahren begonnen.

    Wenn ich mich recht entsinne, konnten die Reste aber nur mit viel Glück vor dem Abräumen gerettet werden, und das Schloß wäre mit dem minimalen DDR-Aufwand wohl nie fertiggestellt worden.

    Dazu kommen eben Flächenabrisse und ein katastrophaler Zustand der vorhandenen Baubsubstanz, zu sehen z. B. im Buch Dresden aus der Luft von 1995 mit einer völlig kaputten Dachlandschaft inkl. Bäumen, die in Gebäuden wuchsen und aus dem Dach herausragten ... außerdem sollte die innere Neustadt einer Art von zweiter Prager Straße Platz machen und für den Altmarkt war ein Bau nach Art des Warschauer Kulturpalasts angedacht.

    In der DDR wurde ungefähr ein Drittel der Schweriner Innenstadt abgeräumt sowie die Reste der Dessauer Altstadt, in Magdeburg wurde ebenfalls flächendeckend abgerissen, selbst kaum beschädigte Kirchen wurden nachträglich restlos beseitigt. Das kann man sich schnell ergoogeln, z. B.

    Wenig bekannt ist, dass es etwa 1969/70 Planungen gab, das Schweriner Stadtzentrum bis auf wenige historische Wahrzeichen abzureißen und durch ein modernistisches Stadtensemble mit langen Hochhausscheiben, Türmen und Hochstraßen zu ersetzen. Übrig blieb von diesen hochfliegenden Plänen einzig der flächenhafte Abriss historischer Altstadtbauten um den Großen Moor, dem zwischen 1977 und 1982 der größte Teil des Quartiers zum Opfer fiel.

    Generell gab es nach der ersten Aufbauphase eine Hinwendung der Architekten zur Moderne und zu neuen Formen des Städtebaus bis hin zur "autogerechten Stadt". Das betrifft z. B. auch Polen, wo ja ab Mitte der 50er auch fast nur noch im Stil der Moderne weitergebaut wurde (Auflösung des Aufbaubüros derr Warschauer Altstadt schon Ende der 40er Jahre). Wer sich Vorkriegsaufnahmen aus Warschau ansieht, wird feststellen, daß die Altstadt komplett vernachlässigt wurde, weite Teile der historischen Bausubstanz ziemlich radikal abgerissen wurden (Neue Welt usw.) und sich die Moderne ausbreitete, z. B. ersichtlich am bemerkenswert häßlichen neuen Hauptbahnhof, für den ein äußerst charmanter früherer Bahnhof abgerissen wurde.

    Entsprechend glaube ich bei Nürnberg auch eher ein eine "positive Vision" im Sinne einer neuen Stadt, mit mehr Licht, besseren Wohnverhältnissen, modernen Akzenten usw.

    Daß man heute nicht mehr daran setzt, das alte Nürnberg wieder zu rekonstruieren, ist mir allerdings auch unverständlich. Das "neue Pellerhaus" ist ja nun wirklich häßlich und in schlechtem Zustand, wir man das das gigantische Potential einer Rekonstruktion nicht erkennen kann, ist in der Tat nur noch psychologisch zu erklären.

    Easy does it.

  • Es wäre schon viel gewonnen gewesen, wenn man intensiver auf die Stärkung und Sicherung - und im Nachgang auf die Verbindung dieser mit der "neuen" Altstadt im Zentrum - der einzelnen Traditionsinseln gesetzt hätte, die es beispielsweise auch um die Friedrichstraße, noch gab und gibt. Diesen Weg hat man in meinen Augen zu spät verfolgt mit der Neufassung der Schweriner Straße, Kulturkraftwerk Mitte usw und sogar in den 2000ern noch Abrisse zugelassen, weil man zu stark und lange auf Schrumpfung im Zuge des Stadtumbau Ost gesetzt hat. Wenn es gelänge die innere Neustadt wieder besser an die Altstadt anzubinden, was angesichts der derzeitig hier "wirkenden" destruktiven Personen in den Schlüsselpositionen schwer genug wird, brächte das Dresden einen gewaltigen Satz nach vorne. Den Weg das "Wasteland" nach Osten und Süden zu überwinden also gen Seevorstadt und Pirnaische Vorstadt/Johannstadt zu urbanisieren sehe ich mit dem aktuellen Personal als versperrt an.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia


  • Übrigens ist es auch nicht ganz fair, so zu tun, als hätte Dresden außerhalb der Innenstadt nicht auch noch viel alte und schöne Bausubstanz zu bieten. Da gibt es ja auch noch Stadtteile wie die Äußere Neustadt, Blasewitz, Loschwitz etc.

    Das kann ich nur unterschreiben! Wer bei Dresden nur an den Neumarkt und die ehemals gründerzeitlichen Vorstädte denkt, kennt nicht die riesigen erhaltenen historischen Stadtteile darum herum. Die sind für mich ein wesentlicher Kern der Dresdner Faszination. Zum Beleg ein paar Bilder aus Loschwitz. Hier fasziniert das unmittelbare Aufeinandertreffen des alten Dorfkerns mit den großstädtischen Gebäuden der Gründerzeit:

    Allein schon das Erkunden von Loschwitz und Oberloschwitz mit den beiden historischen Bahnen (Schwebebahn und Standseilbahn) ist ein Traum :love:

    Zentrum von Blasewitz:

    Schönen Abend.

  • Wie wahr, Frank! Loschwitz, Weißer Hirsch, Blasewitz, Pillnitz sowie der Theaterplatz, Schlossplatz und Neumarktbereich, sind mit das Schönste, das ich in Deutschland gesehen habe! Die Plattenbauviertel dazwischen sind leider das Hässlichste, was ich in Deutschland sah. Himmel und Hölle unmittelbar nebeneinander - wie im echten Leben…die Hölle auf Erden lässt sich zum Glück auch wieder himmlisch schön gestalten, wie man am Neumarkt trefflich feststellen kann!