Übrigens war Westdeutschland auch schon vor 120 Jahren die Wachstumslokomotive, Krieg und Teilung sowie Verlust der Ostgebiete haben diese Prozesse nur beschleunigt, aber nicht erst ausgelöst:

Aus dem Buch "The Shortest History of Germany" von James Hawes
Wenn man das so begreift wie Mister Hawes - also: unter rein materialistisch-pekunären Gesichtspunkten - könnte man ja als Westdeutscher glatt froh über den Verlust der allzu rückständigen deutschen Ostgebiete sein und am Ende gar noch weitere defizitäre Gebiete abtrennen wollen ...
>> Western Germany makes money --> Berlin taxes it --> Berlin subsidizes East Elbia as "national duty" (1871 - 1933) <<
Immerhin hast du Schlesien davon ausgenommen, welches wie Sachsen gewiss kein Armenhaus innerhalb Deutschlands war.
Nein, obiges Bild veranschaulicht sehr deutlich woran es in der Bundesrepublik seit spätestens 1990 krankt: das angelsächsische Kapitalismusmodell wurde zunehmend implementiert und sämtliche Bereiche des Lebens "BWL-isiert". Das will ich hier gar nicht weiter darlegen.
Bezüglich "Berlin taxes it" lohnt allerdings ein Blick auf die Einkommensteuersätze vor dem 1. WK und heute:
1890 war Johannes von Miquel (1828-1901) als preußischer Finanzminister nach Berlin geholt worden. Er entwickelte ein revolutionäres Steuersystem mit den Elementen Einkommensteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer, das in seinen Grundzügen heute noch gültig ist: das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893. Die wesentliche Neuerung war die Steuerprogression: Der Steuersatz der Einkommensteuer stieg von 0,62 Prozent (für Jahreseinkommen von 900 bis 1050 Mark) bis auf vier Prozent (für Jahreseinkommen über 10 000 Mark).
1891 lag das durchschnittliche Jahreseinkommen eines deutschen Arbeiters bei 700 Reichsmark (s. hier), d.h. der Einkommensteuersatz für einen preussischen Arbeiter lag 1893 demnach bei 0,62%, bzw. sogar bei 0%, da dieser niedrigste Einkommensteuersatz erst ab einem Jahreseinkommen von 900 Reichsmark angesetzt wurde.
Im Vergleich dazu:
- Steuersatz (durchschnittlich): 14 bis 41 Prozent ESt
- Grenz- oder Spitzensteuersatz: 42 Prozent
- Höchststeuersatz: 45 Prozent
Ebenso bemerkenswert ist der Vergleich der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), diese wurde im Deutschen Reich erst 1916 eingeführt um die Lasten der Kriegskosten zu bewältigen. (Vorher gab es einzelne Verbrauchsteuern wie die Salz- oder die Tabaksteuer)
Der Steuersatz lag hier bei 0,1% und wurde 1918 auf 0,5% erhöht. (s. hier)
Die Umsatzsteuersätze liegen heute bei 7% (für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen), ansonsten allgemein bei sage und schreibe 19%. Gegenwärtig sind diese Sätze aufgrund der Corona-Politik auf 5% und 16% "reduziert".
Das Deutsche Reich hatte keinen Zugriff auf direkte Steuern:
Die Reichsverfassung von 1871 schrieb den Finanzausgleich zwischen dem Reich und den Gliedstaaten fest. Hiernach oblag dem Reich lediglich die Steuergesetzgebungskompetenz über das Zollwesen und einzelne Verbrauchsteuern, wie z.B. die Salz- und Tabaksteuer, nicht jedoch über direkte Steuern.
Das heisst eine Subventionierung strukturschwacher Regionen fand nur innerhalb der Mitgliedstaaten statt: Aus Baden, Württemberg, Bayern, Sachsen flossen also keine Gelder nach "Ostelbien".