Posts by Leonhard

    Es wär' eh gscheider und vor allem logisch zu Ende gedacht, wenn man einfach in den Rathäusern Auszahlungsbüros einrichten würde, zu denen die armen südosteuropäischen Bettler (*) gehen und sich ihren Anteil am reichen westeuropäischen Kuchen abholen könnten, ohne deshalb stundenlang und mit vielleicht geringem Erfolg sich auf den kalten Asphalt kauern zu müssen. Das ist gegen die Menschenrechte, einem Bettler, der nur seine ehrliche Arbeit verrichten möchte, solche Umstände zuzumuten!

    * wobei mich meine rumänischen Freunde für diese Bezeichnung lynchen würden...

    In München ist das auch so, ich kann ein bissl rumänisch und habe schon öfters "zugehört". Ein rumänischer Freund von mir hat die rumänischen Bettler mit ihren Zuhältern auch öfters belauscht und hat mitgekriegt, wie die Bettler beschimpft (und teilweise geschlagen) wurden wenn sie nicht genug erbettelt hatten. Also zumindest in München ist es schon zu einem guten Teil organisiert. Die Bettelei hat auch vor 15, 20 Jahren schlagartig zugenommen, als Rumänien und Bulgarien zur EU beigetreten sind.

    Vielen Dank für die vielversprechenden Informationen! Es wären in beiden Fällen deutliche Verbesserungen im Vergleich zu den ersten Entwürfen! Gerade die grobschlächtige Fassade von Claus Schuh für Thierschstraße 42 wäre absolut schrecklich gewesen, der neue Entwurf von Landau + Kindelbacher hingegen um Welten besser - diese Stelle ist ja auch von der Maximilianstraße aus gut einsehbar und damit sehr sensibel. Auch der Entwurf zu Thierschstraße 11 ist wesentlich schöner als der vorherige, die Rekonstruktion der Altbaufassade dazu natürlich das i-Tüpferl. Wollen wir hoffen, dass alles so kommt!

    Gibt es auch Neubauten der letzten 30 Jahre in München ,die sich architektonisch ins noch schöne geschlossene hist. Stadtbild harmonisch anpassen?

    Ab und zu gibt es im Luxussegment ein paar Projekte, die sich sehen lassen können wie die Lenbachgärten mit dem Charles-Hotel (die auf den Fotos vielleicht gar nicht so gut rüberkommen, in echt aber überwiegend recht schön sind) oder das sehr schöne Isartor-Palais; auch in den Villenvierteln gibt es immer wieder mal neue neoklassizistische Villen, die manchmal einigermaßen passabel sind. Daneben gibt es manchmal auch ein paar Lückenschlüsse, die recht schön sind wie Elvirastraße 17 oder die man halbwegs durchgehen lassen kann wie Johannisplatz 16. Meistens sind Neubauten aber entweder völlig nichtssagend oder häßlich.

    Hoffnungen hab ich auch bei den beiden Stadthäusern in der Hildegardstraße in der Altstadt, die auf den Visualisierungen recht passabel aussehen.

    Man kann bloß hoffen, dass der Denkmalschutz wenigstens die denkmalgeschützten Gebäude und Ensembles dauerhaft schützt, auf eine wirkliche ästhetische Wende bei Neubauten glaube ich in München, wo sehr viel schnelles Geld zu verdienen ist, leider nicht. Vielleicht wird durch die schlechte Konjunktur der Bauboom wenigstens verlangsamt.

    Einige Anmerkungen zur Ausstattung. Sie stammt hauptsächlich von zwei Münchner Hofkünstlern, der Stuck und die Fresken von Johann Baptist Zimmermann und die Altäre von Johann Baptist Straub.
    Die Deckenfresken zeigen drei Erscheinungen des Erzengels Michael: im Hauptraum das Pfeilwunder am Monte Gargano, im Chor der Erzengel als Helfer der Sipontiner gegen das von Odoaker angeführte neapolitanische Heer und im Altarraum seine Erscheinung in der Höhle am Monte Gargano.

    Das Fresko im Hauptraum:

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    Das Fresko im Chor:

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    Das Fresko im Altarraum:

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    Die Altäre samt Figuren stammen alle aus der Werkstatt Johann Baptist Straubs, ihre Anfertigung zog sich über 20 Jahre hin; insgesamt handelt es sich um 7 Altäre, 22 lebensgroße Figuren, 44 Englein, 5 Kleinfiguren und 3 Reliefs. Die Aufstellung des Hauptaltars 1767 war, abgesehen vom Eingangsgitter, die letzte Baumaßnahme der Kirche, deren Bau fast 30 Jahre zuvor untypischerweise mit der Fassade begonnen hatte. Das Altarbild des Hochaltars verdient besondere Erwähnung: es stammt aus der alten Hofkapelle der Josephsburg und wurde 1694 von Johann Andreas Wolff gemalt; es stellt den siegreichen Erzengel Michael dar.

    Hauptaltar:

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    Dem aufmerksamen Betrachter meiner Münchner Kirchengalerie mag aufgefallen sein, dass die Kanzel in St. Michael in Berg am Laim verdächtig derjenigen in der Damenstiftkirche ähnelt: tatsächlich handelt es sich um eine Kopie der 10 Jahre älteren Kanzel in der Damenstiftkirche. 1745 war der Auftrag an den Münchner Kistler Benedikt Haßler ergangen, die neue Kanzel als Kopie der 1735 von Egid Quirin Asam geschaffenen Kanzel der Damenstiftkirche anzufertigen; aus welchen Gründen ist nicht überliefert. Der einzige große Unterschied besteht darin, dass in Berg am Laim der Erzengel Michael in Rüstung und mit bayerischer Fahne auf dem Schalldeckel postiert ist.

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    Das Zusammenspiel von Innenarchitektur und Ausstattung ist insgesamt von erstklassiger Qualität und gehört sicher zu den Spitzenleistungen im spätbarocken Kirchenbau in Süddeutschland. Eine Sache allerdings sticht etwas negativ heraus: die Marmorierung der Säulen und Pilaster. Sie ist nur aufgemalt und hat nicht den Glanz von echtem Marmor oder Stuckmarmor, der in hochrangigen Kirchen in Süddeutschland zur damaligen Zeit üblich war, siehe Ottobeuren, Wieskirche oder die Münchner Asamkirche. Die aufgemalte Marmorierung wurde 1745 angebracht, dem Jahr, in dem Fürstbischof Clemens August St. Michael zur Hof- und Ritterordenskirche erhob; es ist denkbar, dass die Marmorierung damals im Sinne einer provisorischen Festdekoration schnell aufgemalt wurde und man sie dann später aus Bequemlichkeit oder Kostenersparnis beließ. Die Farbtöne - rot-violett an den Säulen, malachitgrün an den Pilastern - sind von den Deckenfresken abgeleitet. Meiner subjektiven Meinung nach wirkt das Malachitgrün, das auch im Chorraum in den Gewölbenischen mit den Kirchenvätern auftaucht, etwas gewöhnungsbedürftig, auf jeden Fall ist es im altbayerischen Kirchenbau eine seltene und eigentümliche Farbe.

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    Wer sich eingehender mit St. Michael beschäftigen möchte, dem sei das hervorragende Buch "Sankt Michael und die Josephsburg – Kurkölnische Bauwerke in München-Berg am Laim", erschienen 2021 im Kunstverlag Josef Fink, ans Herz gelegt. Es beinhaltet neben ausführlichen historischen und kunsthistorischen Beiträgen von Christl Knauer-Nothaft und Bernhard Schütz auch einen hochinteressanten, vom leitenden Architekten Franz Peter geschriebenen Bericht über die letzte große Sanierung der Kirche zwischen 2000 und 2017. Äußerst lesenswert!

    Nun zum Innenraum, der im Gegensatz zur Fassade auf Fischers alleinigen Plänen beruht. Um den komplizierten Aufbau zu verstehen, lesen wir wieder, was Bernhard Schütz über die Innenarchitektur von St. Michael geschrieben hat:

    “Berg am Laim ist unter Fischers Zentralbauten der schwierigste, ideenreichste und mannigfaltigste. Mit höchster Inventionsbemühung suchte Fischer dem kurfürstlichen Anspruchsniveau gerecht zu werden. Die Aufgabe war eine dreifache: es musste Raum geschaffen werden für die Bruderschaft, für deren hoch vornehmen Vorstand und für das Sanktuarium mit dem Hochaltar. Diese Aufgabe bewältigte Fischer, indem er das Innere in drei scharf getrennte und gegensätzlich gestaltete Einzelräume unterteilte, diese aber im Raumbild prospektartig wieder zum Ganzen zusammenschloß.
    Der baukünstlerisch und größenmäßig wichtigste Bauteil ist der Raum für die Bruderschaft. Zugrunde liegt hier wieder der Typus des Acht-Arkaden-Oktogons mit flachen Kreuzarmen auf der Querachse, doch ist das Oktogon in einmaliger Weise durch Wandkurvungen, Pfeilerausmuldungen und schwingende Gewölbebögen in eine Form gebracht, die mit den früheren und späteren Acht-Arkaden-Räumen kaum noch vergleichbar ist. (…) Prägemotiv des Unterbaus sind auf dem Achsenkreuz die Stützenpaare, bestehend aus einem Pilasterpfeiler und einer Säule, die beide durch Sockel und Gebälk zu einem zusammenhängenden Massiv verbunden werden. (…) Zu den Stützenpaaren gehört in der Wölbungszone untrennbar ein vorschwingendes, gemuldetes Gewölbefeld, das in der Art eines hochgeklappten Diadembogens die Stützenpaare zu einer raumbestimmenden Großarkade verbindet. Diese Arkade ist als vornehmes Würdemotiv, das zugleich von bestechender höfischer Eleganz ist, in Szene gesetzt und bleibt bis zuletzt das entscheidende Prägemotiv des Aufbaues und des ganzen Raums.

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    Gänzlich anders die Schrägseiten: im Unterbau bilden sie eine flach nach außen gebogene Wand, eine Tafel, die sich mit einer trennenden Nut von den frontal gestellten Stirnpilastern der Stützenpaare abhebt. Über dieser Tafel steht, getrennt durch ein Gebälk, eine senkrechte Fensterwand mit einer rechteckigen, etwas sperrigen Riesenöffnung, also ein Obergaden, der bereits in der Gewölbezone liegt.
    So wird eine Stichkappe erforderlich, um das Fenster und sein Licht an den Raum anzuschließen. Diese Kappe hat in für den bayerischen Kirchenbau singulärer Weise die Form einer kleinen emporgehobenen Rotunde mit einem kreisrunden, flachen Plafond als Decke. Zum Raum öffnet sich die Rotunde mit einem weit vorschwingenden Stirnbogen. Dieses Gebilde, das auch wie eine ausgegrenzte “Abseite” im Gewölbe gelesen werden kann, erscheint im Raumzusammenhang als bekrönender Baldachin, als Tragehimmel für den darunter befindlichen Altar und, der Idee des Tragehimmels entsprechend, hängen an dem Stirnbogen Lambrequins, die eigentlich ein Stoffmotiv sind.
    Die Diadembögen und die Stichkappenränder bilden zusammen einen alternierenden Kranz von Gewölbebögen aus. So bleiben die acht Arkaden immer noch das Generalthema des Aufbaues, auch wenn die Gewölbebögen der Schrägseiten nur mehr ein gratiger Rand ohne jedes Eigenprofil sind. Über dem Kranz der Bögen sitzt endlich als Abschluß die kreisrunde Kuppel mit Fußring. Die ganze Wölbkonstruktion ist, wie auch sonst recht häufig bei Fischer, in Holz ausgeführt.

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    Zum Bruderschaftsraum mit seinen Kurven und weichen Übergängen steht der östlich anschließende Raum in größtem Kontrast, so als gehöre er zu einer anderen Kirche. Auch diesem Raum, der im Grundriß ein ungleichseitiges Achteck bildet, liegt letztlich der Typus des Acht-Arkaden-Oktogons zugrunde, wie die acht Gewölbebögen zeigen, doch ist hier jetzt alles eckig und winklig. Das Prägemotiv ist eine geschlossene Säulentravée mit fürstlichen Logen auf den Schrägen. Die Seitenwände hingegen sind ungegliederte Füllung: sie sind wie feste Mauerblöcke hineingeschoben, eine Gestaltungsweise, die auf Viscardis Münchener Dreifaltigkeitskirche verweist. Die starre Unbeweglichkeit und vornehme Zurückhaltung, die diesen Raum kennzeichnen, lassen sich als Ausdruck der Zweckbestimmung für den höher gestellten Vorstand verstehen, so als herrsche hier der Zwang der Etikette. Der Kontrast zum Bruderschaftsraum ist sichtlich thematische Absicht.
    Das Altarhaus schließlich über dem Grundriß eines unechten Ovals bleibt zurückhaltend; es ist das Gehäuse für den prachtvollen Hochaltar und sonst nichts. Hier wird das Motiv der Säule nochmals aufgenommen. Es faßt den Hochaltar ein und steigert ihn zu noch größerer Wirkung.

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    So gegensätzlich die Einzelräume auch sind: im Raumbild schließen sie sich ohne jeden Bruch, ohne Härte zum Ganzen zusammen, zu einem Prospekt, wie ihn nur Fischer beherrschte. Daß dies wie mit Selbstverständlichkeit geglückt ist, gehört zu seinen besten gestalterischen Leistungen. Was man von der Vorhalle aus sieht, ist zunächst die Weite des Oktogons mit den seitlich ausgebreiteten Altar- und Fensterläden, die von den Stützenpaaren fest eingefaßt sind. Dann bietet sich, inszeniert von der großen Diademarkade wie durch einen Proszeniumsbogen, eine in die Tiefe gestaffelte Parade von Säulen dar, die von höchster Würde ist und das Ganze wie ein raumhaltiges Bild zusammenzieht, in welchem der Hochaltar den Schlußakzent setzt. Die volle, sumptuose Inszenierung des Prospektes erscheint wie das kirchliche Gegenstück zur Prachtentfaltung bei Hofe.
    Fischer hatte das hohe kurfürstliche Anspruchsniveau voll und ganz erfüllt. Der Erfolg blieb nicht aus. Fischer wurde aufgrund seiner Leistung in Berg am Laim bald zum kurkölnischen Hofbaumeister ernannt, ein Ehrentitel, den er in der Folge gerne führte.”

    Die höchst interessante Gewölbekonstruktion hat Architekt Franz Peter, der die letzte große Renovierung von St. Michael geleitet hat, wie folgt beschrieben:

    “Die Kalotte mit relativ geringer Stichhöhe erhebt sich über einem Grundkreis, der in den Orthogonalen auf den diademförmig überhöhten Arkadenbögen, in den diagonalen Pendentifs aber auf dem Gebälk aufliegt. Fischer hat diese Partien zur besseren Belichtung mit zylinderförmigen Einschnitten in die Wölbflächen ausgehöhlt und hier große Fenster eingesetzt. Als Auflager des Gewölbes bleiben so nur acht schmale, räumlich gekurvte Restflächen übrig. Das Ganze stellt eine einmalige Lösung dar, die weder in ihrer formalen Eleganz noch in ihrer konstruktiven Kühnheit ein Pendant hat.

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    Dieses virtuose Gewölbe wäre in massiver Ziegelbauweise nicht zu bauen gewesen. Fischer hat es deswegen in Leichtbauweise aus Holz konstruiert. Es ist mit fast 15m Spannweite das größte freitragende Holzgewölbe in Süddeutschland und hinsichtlich des differenzierten Aufbaus in Bezug auf die großen Spannweiten als Höhepunkt barocker Holzgewölbetechnik im bayrisch-schwäbischen Raum anzusehen. (…)
    Im Regelfall war diese Holzkonstruktion im Dachstuhl “aufgehängt”, bildete also mit diesem eine konstruktive Einheit. Nicht so bei Johann Michael Fischer. Seine Berg am Laimer Gewölbe sind selbsttragend. Vor allem die Kalotte des zusammengesetzten Gewölbes über dem großen Zentralraum ist ein Meisterwerk: es ist ein Tragwerk, dessen Meridiane von einem Grundkreis aus zu einem gemeinsamen Mittelpunkt aufsteigen. Von 64 Holzbogenträgern reichen nur 16 bis zum Gewölbescheitel. An diese primären Träger sind beiderseits die 32 benachbarten in etwa halber Höhe des Wölbprofils angeschiftet. Weitere 16 dazwischenliegende Bogenelemente führen vom Grundkreis bis zu einer 16-eckigen Auswechslung in etwa Zweidrittelhöhe. Die Kalotte der Berg am Laimer Hauptkuppel ist, das beweist auch der Kräfteverlauf in der Wölbschale, ein kühner Vorläufer moderner Holzflächentragwerke.

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    (Modell der Spantenkonstruktion der Kalotte; Rekonstruktion: Franz Peter, Modellbau: Reinhold Fischer)

    Während sich die Kalottenkonstruktion der Berg am Laimer Hauptkuppel noch relativ eindeutig darstellen lässt, ist dies für die Partien der Pendentifs mit den darin ausgehöhlten Einschnitten ein fast aussichtsloses Unterfangen. Diese komplexen Gebilde, deren Verschneidungsgrate und Restflächen äußerst komplizierte, doppelt gekrümmte Linien und Flächen höherer Ordnung ausbilden, lassen sich weder in den üblichen orthogonalen Plandarstellungen hinreichend erfassen und noch viel weniger mit Worten beschreiben. Sie belegen, über welches großartige räumliche Vorstellungsvermögen ihr Erfinder verfügt haben muss. Zu ihrer baulichen Realisierung bedurfte es sicher eines detaillierten Architekturmodells im verkleinerten Maßstab, das die ausführenden Zimmerleute dann vor Ort umsetzen konnten. In den Holzgewölben von St. Michael zeigt sich, dass Fischers konstruktive Fähigkeiten seinem räumlichen Vorstellungsvermögen ebenbürtig waren.”

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    Wir kommen nun zu einer der kunsthistorisch bedeutendsten Kirchen Münchens, zu St. Michael in Berg am Laim aus der Zeit des Spätbarock.

    St. Michael in Berg am Laim

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    Erbaut 1738-67
    Typus: zwei hintereinandergeschaltete oktogonale Zentralräume mit Arkaden (Acht-Arkaden-Oktogon) und querovalem Altarraum


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    Baugeschichte:

    - 1735 erstes Projekt von Johann Michael Fischer für den Neubau einer Kirche für die Erzengel-Michael-Bruderschaft an der Josephsburg in der Hofmark Berg am Laim des Kölner Fürstbischofs und Bruders des bayerischen Kurfürsten Clemens August von Bayern
    - 1737 Erteilung der Bauleitung an Johann Michael Fischer, 1738 Übertragung derselben an Philipp Jakob Köglsperger, nachdem dieser erfolgreich gegen Fischer intrigiert hatte; im selben Jahr Abriss des Mitteltrakts der Josephsburg, Grundsteinlegung, Anlegen der Fundamente für Türme und Fassade und Beginn des Baus der Fassade nach Köglspergers Plänen. 1739 erscheint ein Kupferstich mit der von Köglsperger neu geplanten Doppelturmfassade. Nach mehreren Protestbriefen des Bruderschaftsekretärs Franz Paula Würnzl und J. M. Fischers an Fürstbischof Clemens August wird Köglsperger 1739 wieder entlassen und Fischer wieder eingesetzt. Die Pläne Fischers werden vom Münchner Hofbaumeister François de Cuvilliés begutachtet und für gut befunden. Fischer lässt die von Köglsperger bereits über 2m aufgemauerte Fassade wieder abbrechen, muss aber dessen grundsätzlichen Fassadenaufbau samt Doppeltürme beibehalten und beseitigt lediglich dessen eklatante Schwächen.
    - 1742 Fertigstellung des Daches, 1743-54 Stuckaturen und Deckenfresken von Johann Baptist Zimmermann, 1743/44 Anfertigung der vier Diagonalaltäre des Gemeinderaums durch Johann Baptist Straub. Wände, Säulen, Pilaster und Gebälk werden zunächst einheitlich weiß gestrichen, ab 1745 farbig gefasst. 1745 Kanzel von Benedikt Haßler, 1749/50 Vollendung der Turmhauben, 1751 Weihe, 1758 Verputzung und Anstrich der Fassade (in lichtem Ocker für die Architekturgliederung und leicht mit Grau gebrochenem Weiß für die Flächen), 1758/59 Anfertigung der beiden großen Seitenaltäre, 1767 Aufstellung des Hauptaltars (alle drei geschaffen von Johann Baptist Straub), 1779 Eingangsgitter
    - 1793 Ersetzung der ursprünglichen, von J. B. Straub stammenden hölzernen und inzwischen ruinösen Michaelsfigur in der Fassadennische durch eine neue Figur von Franz Muxel
    - vor 1800 Abbruch der Festungsanlagen der Josephsburg
    - 1911 abermalige Ersetzung der Michaelsfigur durch eine Bronzefigur von Ragaller
    - 1928 Restaurierung der Türme
    - 1935/36 Teilrenovierung des Innenraums: u.a. werden die bisher mit vergoldetem Schlagmetall verkleideten Predellen der vier Diagonalaltäre durch eine aufgemalte Marmorierung ersetzt
    - 1945 erhebliche Kriegsbeschädigung der Apsiswände und des Hochaltars durch Artilleriegeschosse, Wiederherstellung noch im selben Jahr
    - 1946-50 Innenrenovierung, 1956/57 Instandsetzungsarbeiten an Türmen, Fassade und Apsis
    - 1957 neue Orgel mit Freipfeifenprospekt
    - 1978-82 vollständige Außen- und Innenrenovierung: u.a. Sanierung und Entfeuchtung des Dachstuhls und des Mauerwerks der Vorhalle, des Altarraums und der Emmauskapelle sowie Freilegung von Originalfassungen von Stuck
    - 1997 neue Orgel mit Neorokoko-Prospekt
    - 2000-17 nochmalige umfassende Sanierung: neuerliche Trockenlegung der Vorhalle samt Neugestaltung, Sanierung des Dachstuhls, Restaurierung der Fresken, der Raumschale und der Ausstattung (u.a. Entfernung der Marmorierung der vier Diagonalaltäre und Rekonstruktion der ursprünglichen Schlagmetallvergoldung), Neuanfertigung von Chorgestühl, Sedilien und Ambo, Neuverputzung und Anstrich der Fassade und Türme, Restaurierung der Kupferflächen der Turmhauben und Gesimsabdeckungen, Restaurierung der bronzenen Michaelsfigur sowie erhöhte Wiederaufstellung auf einem Sockel, Neugestaltung des Vorplatzes


    Die Hofmark Berg südöstlich von München war seit 1650 im Besitz des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Maximilian Heinrich von Bayern, eines Enkels von Herzog Wilhelm V. von Bayern. Die Wittelsbacher besaßen zwischen 1583 und 1761 den Kölner Erzbischofssitz und waren dabei auch politische Landesherren von Kurköln; üblicherweise ging dieses prestigeträchtige Amt, das auch die Kurwürde beinhaltete, an nachgeborene Wittelsbacher Prinzen. Joseph Clemens von Bayern, der Bruder des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel und von 1688 bis 1723 Erzbischof und Kurfürst von Köln, ließ 1692 in der Hofmark Berg die Josephsburg errichten. 1693 gründete er die Erzengel-Michael-Bruderschaft, als deren Sitz er die Kapelle der Josephsburg wählte. Nach starkem Zuwachs der Erzbruderschaft kam um 1720 die Idee eines Kirchenneubaus auf, der schließlich unter Joseph Clemens’ Nachfolger Clemens August, dem Bruder des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht, verwirklicht wurde. Clemens Augusts Interesse an diesem Kirchenneubau war letztendlich aber gering, als eigentlicher Bauherr fungierte der Sekretär der Bruderschaft Franz de Paula Würnzl. St. Michael in Berg am Laim war zwar offiziell eine kurkölnische Kirche, wurde aber von Münchner Hofkünstlern geschaffen und ausgestattet, allen voran von Johann Michael Fischer (Architekt), Johann Baptist Zimmermann (Fresken und Stuck) und Johann Baptist Straub (Altäre), so dass die Kirche als genuine Münchner Kreation gelten kann. Seit 1913 ist Berg am Laim ein Stadtteil von München.

    Zur Verständnis der topographischen Situation von St. Michael ist zunächst zu wissen, dass die Josephsburg bis Ende des 18.Jhs von einer Festungsanlage umgeben war, die Wening in einem Kupferstich um 1700 überliefert hat:

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    In die Mitte der Josephsburg sollte nun für die Erzbruderschaft eine neue standesgemäße Kirche gebaut werden. Da die Festungsanlage Ende des 18.Jhs abgetragen wurde und keine Ansichten der gebauten Michaelskirche inmitten der Festungsanlage überliefert sind, habe ich mich an einer Fotomontage versucht, um das Gesamtensemble zu visualisieren:

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    Nach der Schleifung der Festungsanlagen lag St. Michael mit dem Rest der Josephsburg etwas beziehungslos auf dem freien Feld, heutzutage wird sie von Bäumen umgeben und daneben etwas ungünstig von modernen Siedlungsanlagen bedrängt.

    Die Doppelturmfassade wurde früh von der Bruderschaft vorgegeben, wahrscheinlich als Ausdruck des hohen Anspruchs des Kirchenbaus, womöglich auch um einen Bezug zur Theatinerkirche herzustellen. An der Fassade fallen mehrere Dinge auf, die für Johann Michael Fischer untypisch sind. Zunächst einmal sind die Türme im Vergleich zu seinen anderen Kirchen wie Ottobeuren, Zwiefalten, Dießen oder Altomünster sehr massig und gedrungen. Des Weiteren sind auf den Turmkanten diagonal vortretende Pilasterpfeiler angebracht, die bei Fischers sonstigen Kirchtürmen nicht auftreten: in Ottobeuren und Zwiefalten z.B. sind die Pilaster beidseitig neben den leicht abgeschrägten Kanten angebracht, womit die Geschlossenheit der Türme betont wird, während die diagonalen Pilasterpfeiler in Berg am Laim eher wie Strebepfeiler wirken. Woher kommt diese Idee? Kunsthistoriker Bernhard Schütz hierzu:

    “Die engsten Vergleichsbeispiele finden sich in Österreich. So z.B. der Turm der Stiftskirche Dürnstein an der Donau, ein Werk voller nie gesehener Ideen, dessen oberstes Stockwerk nahezu die gleichen Kantenpfeiler wie Berg am Laim aufweist. In dieser Hinsicht vergleichbar ist auch der Turm der Stiftskirche Zwettl, ebenso der doppeltürmige Westbau der Wallfahrtskirche Lechovice (Lechwitz) bei Znaim in Mähren nahe der österreichischen Grenze. Alle diese Bauten werden mit dem Wiener Matthias Steinl in Verbindung gebracht.”

    Vor allem aber fallen die schlanken Turmhelme auf, die nicht nur für das Schaffen J. M. Fischers ungewöhnlich sind, sondern auch für die gesamte altbayerische barocke Kirchenbautradition, in der die Zwiebelhauben das alles bestimmende Markenzeichen sind. Bernhard Schütz:

    “In der Tat stehen sie deutlich in einer anderen Tradition, nämlich der österreichischen, begründet von Johann Bernhard Fischer von Erlach mit der Salzburger Dreifaltigkeits- und Kollegienkirche und fortgeführt von Johann Michael Prunner mit der Dreifaltigkeitskirche Stadl Paura bei Stift Lambach, dann wieder von Joseph Mungenast an den Türmen von Stift Melk, dort aber mit Zwiebelhauben, und am Turm von Stift Dürnstein. Die Turmaufsätze von Stadl Paura entsprechen so eng denen von Berg am Laim, dass diese wie eine Zweitfassung von Paura anmuten. Prunners dreitürmige Kirche, deren Invention wegen der aussagekräftigen Trinitätssymbolik spektakulär war, hatte der Augsburger Verleger Corvinus mit drei Stichen des Jeremias Wolff veröffentlicht. Die Türme von Berg am Laim lassen darauf schließen, dass zumindest die Stiche in München bekannt waren. Sich daran zu halten, war nur schwerlich die Idee von Fischer, sondern eher wohl ein Auftraggeberwunsch.”

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    Der Grund für diesen Auftraggeberwunsch dürfte wahrscheinlich nicht nur in einer ästhetischen Präferenz, sondern vor allem in einer symbolischen Bedeutung liegen: der Helm symbolisiert den streitbaren Erzengel Michael, zu dessen Rüstung der Helm gehört und mit welchem er auch auf dem Deckel der Kanzel von St. Michael zu sehen ist.

    Die letzte Auffälligkeit an der Fassade ist schließlich die doppelstöckige Ädikula: alle sonstigen anspruchsvollen Kirchenfassaden Fischers besitzen eine einstöckige Ädikula mit einem zweiten, meist geschweiften Giebel darüber, beides absolute Markenzeichen Fischers, siehe Ottobeuren, Zwiefalten oder Dießen. Eine zweistöckige Ädikula, noch dazu ohne zweiten Giebel, gibt es in Fischers gesamtem Schaffen nur hier in Berg am Laim.

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    Man kann also sagen, dass die Fassade von St. Michael nicht ein ausschließliches Werk Johann Michael Fischers ist, sondern sich in ihr verschiedene Einflüsse mischen. Tatsächlich gehen einige Grundeigenschaften der Fassade, neben der bereits angemerkten Vorgabe der Doppeltürmigkeit vonseiten der Bruderschaft, auf den Münchner Hofmaurermeister Philipp Jakob Köglsperger zurück, der es durch Intrigen geschafft hatte, 1738 J. M. Fischer aus der Bauleitung zu verdrängen und seine Stelle einzunehmen. Er änderte den von Fischer vorgelegten Fassadenplan, begann auch gleich zu bauen und damit für Tatsachen zu sorgen. Köglsperger war ein bayerischer Maurergeselle und späterer Baumeister, der auf seiner Wanderschaft u.a. im Bautrupp Kilian Ignaz Dientzenhofers in Prag gearbeitet hatte, von dort aber unehrenhaft unter Hinterlassung von Schulden verschwunden war und deshalb nicht in die Münchner Mauerzunft aufgenommen wurde. Er schaffte es allerdings, die Stelle des Münchner Hofmaurerpaliers zu bekommen, die schon sein Vater innegehabt hatte und war somit durch den kurfürstlichen Hof protegiert. In Berg am Laim legte er die Fundamente und begann mit dem Bau der Fassade samt Türmen; seine geplante Fassade ist durch einen Stich überliefert:

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    Diese Fassadenansicht (Kupferstich von Schaur 1739/40), die sehr wahrscheinlich Köglspergers Planung zeigt, wirkt durch die wilden Vor- und Rücksprünge (das Eingangsportal liegt hinter der Basislinie der Türme, die Säulen der Ädikula stehen hingegen weit davor), die verschiedenen Fensterformate und die imitierten Steinschnitte sehr unruhig und gepresst und hätte für die lichte Öffnungsbreite des Hauptportals nur ca. 1,70m übrig gelassen. Überdies wären einige der Fenster nicht baubar gewesen, da sie von den Geschoßdecken der Vorhalle und vom Gewölbe der Orgelempore durchschnitten worden wären.
    Köglsperger begann aber mit dem Bau und legte durch die Anlage der Türme deren Lage und Breite, durch die Höhe der Pilasterpfeiler an den Türmen die Höhe des Erdgeschoßes fest, außerdem begann er eine Fassade mit doppelstöckiger Ädikula zu errichten, wie sie auf dem oben gezeigten Stich zu sehen ist und wie einerseits aus der Bestellung des Bruderschaftsekretärs Würnzl über 8 Tuffsteinsäulen in Tegernsee hervorgeht (für eine einstöckige Ädikula mit Doppelsäulen hätte man nur vier Säulen gebraucht) und andererseits durch 2011 im Boden gefundene Fundamente bestätigt wurde. Fischer ließ nach seiner Wiedereinsetzung als Baumeister zwar die konkave Fassade abreißen und baute stattdessen eine konvexe, musste aber die begonnenen Türme, die Höhe des Erdgeschoßes und somit auch die Idee einer doppelstöckigen Ädikula übernehmen. Fischer konnte nur die eklatanten Schwächen des Köglspergerschen Fassadenentwurfs beseitigen und die Fassade “retten”, sie aber nicht mehr von Grund auf selbst gestalten; hieraus erklären sich also die deutlichen Unterschiede zu seinen sonstigen Kirchenfassaden.
    Ein Grund für die doppelstöckige Ädikula mag auch gewesen sein, dass zum Zeitpunkt der Errichtung der Kirche die Josephsburg noch von der Festungsanlage umgeben war und somit eine einstöckige Ädikula in der Fernansicht durch die Festungsanlage auf halber Höhe abgeschnitten worden wäre.

    Bevor es hier nach längerer Zeit wieder weitergeht, möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich vor einiger Zeit drei sehr interessante Fotos zur bereits vorgestellten Augustinerkirche gefunden und zum betreffenden Beitrag hinzugefügt habe, die den Zustand der Kirche vor dem Einzug der Zwischendecke und dem Einbau des Weißen Saals zeigen. Diese Fotos sind eine absolute Rarität, ich hatte sie vorher in keinem Archiv gesehen.

    Treverer Es kann gut sein, dass die von Dir angeführten Beispiele entstuckt sind. Ich habe aber nicht in Erinnerung, dass es in der Altstadt so viel Historismus gäbe, weswegen ich nicht glaube, dass entstuckte Historismusfassaden so einen großen Anteil am Stadtbild Regensburgs ausmachen. Ich bin allerdings kein großer Regensburg-Experte, von daher mag ich mich auch irren. Mein Punkt ist: Regensburg war niemals eine Stadt mit vielen aufwändig verzierten Fassaden, sondern war durch einfache Häuser geprägt. Wenn die Fassaden noch ihre Kalkputze und -farben hätten, sähe die Stadt ganz anders aus. Aber auch so ist es immer noch eine beeindruckende und schöne Stadt.

    Renaissance und Barock gab es in Regensburg nur sehr wenig, die Stadt war aufgrund ihres politischen und wirtschaftlichen Bedeutungsverlustes um 1500 verarmt, erlebte kaum mehr Bautätigkeit und wahrte somit überwiegend ihr mittelalterliches Gesicht. Historismus gibt es meines Wissens in der Altstadt auch nur wenig. Das Problem ist, dass viele mittelalterliche Häuser nach dem Krieg unsachgemäß renoviert und dabei Zementputze und Dispersionsfarben verwendet wurden, die vielen eigentlich alten Gebäuden ihre Ausstrahlung genommen haben. Sagen wir so, die Stadt hat eine überragende Bausubstanz, wurde aber nicht mit dem nötigen Respekt gepflegt und besitzt somit nicht die Ausstrahlung, die sie haben könnte.

    Vom Schlossrondell aus würde man die beiden Türme deutlich sehen. Stadtbaurätin Merk hat einmal sogar Testballons steigen lassen, um die Höhe zu veranschaulichen. Es wurden alle möglichen Visualisierungen erstellt, es gab eine Ausstellung der Altstadtfreunde über die ganze Hochhausthematik in der Orangerie von Schloss Nymphenburg, es gab Zeitungsartikel und öffentliche Diskussionen, die Schlösserverwaltung hat intensiv mit der Stadtverwaltung und der Politik gesprochen, der Präsident der Schlösserverwaltung hat sich öffentlich deutlich gegen die Hochhäuser positioniert, mehr als er als Angestellter des Finanzministeriums eigentlich dürfte (die Bayerische Schlösserverwaltung ist dem Finanzamt unterstellt) und nicht zuletzt hat die Bürgerinitiative über 40000 Stimmen gesammelt, nachdem sie jahrelang an verschiedenen Plätzen der Stadt die Werbetrommel gerührt hatten, weswegen wahrscheinlich ein Bürgerentscheid zustande kommen wird. Es ist also alles mögliche getan worden und mehr "Support" ist nicht aufzutreiben. Das Problem ist schlicht und simpel, dass die Stadtbaurätin und eine Mehrheit der Lokalpolitiker dieses Projekt unbedingt wollen und deshalb für Argumente nicht zugänglich sind. Die einzige Chance ist der Bürgerentscheid und der wird kommen, so wie's aussieht. Geschlafen wurde mit dem Widerstand jedenfalls nicht, das kann man uns nicht vorwerfen.

    Und was das Argument betrifft, dass die Debatte 50 Jahre zu spät kommt: der Olympiaturm ist äußerst filigran, der stört fast gar nicht. Störender am Schlossrondell ist da schon das Hochhaus Uptown München (auch bekannt als O2 Tower), aber das ist ca. doppelt so weit weg wie die geplanten Hochhäuser an der Paketposthalle.

    Auf mich wirkt es sehr stimmig und altehrwürdig. So ähnlich wie in Bern muss man sich wohl die reduzierte Farbigkeit des 19. Jhs mit ihren einheitlichen Grau- und Erdtönen vorstellen, die als Reaktion auf die farbenprächtige Barock- und Rokokozeit entstanden war.

    Nochmal, wenn die Ausgangslage einmal war, dass Münchens historische Skyline nicht beeinträchtigt werden soll (in welchem Radius eigentlich?), dann hat man bereits lange damit versagt. Die Büchse der Pandora ist meilenweit auf und wohl schon für eine ganze Weile. Es handelt sich nicht nur um ein oder zwei oder drei etc. moderne Türme/Strukturen, es befinden sich jede Menge davon innerhalb einem Abstand von 3-4km um die Altstadt.
    Last but not least, ich sagte ja noch nicht einmal: Hey, jetzt wo man damit angefangen hat, kann man auch ruhig weitermachen! (Wo hast du das gelesen?) Ich sagte: "Ich kann den Aufschrei darum nicht nachvollziehen." Um zu präzisieren: Ich kann den plötzlichen Aufschrei darum nicht nachvollziehen, nachdem man schon über Jahrzehnte die historische Skyline immer mehr ruiniert hat.

    Das stimmt so nicht. Die bestehenden großen Hochhäuser mit mehr als 100m Höhe, von denen es laut Wikipedia sechs gibt, befinden sich allesamt im Norden Münchens, der Süden und somit der Blick auf die Alpen ist bisher weitgehend unverstellt. Von diesen großen Hochhäusern stören zwei wichtige Sichtachsen: die oben von Herrn Hermann gezeigten Highlight-Towers den Blick durch die Ludwigstraße nach Norden zum Siegestor (wobei diese in echt viel kleiner erscheinen als auf dem gezeigten Foto) sowie der Uptown München, den man vom Nymphenburger Schlossrondell aus sieht. Man kann also nicht sagen, dass "die historische Skyline" bereits ruiniert ist und es eh schon wurscht ist - es handelt sich um zwei Fälle, die auch stark kritisiert wurden. Jetzt geht es darum, weitere solche Fälle zu verhindern und einen "Dammbruch" zu vermeiden, der sehr leicht eintreten könnte, weil die Stadtverwaltung, allen voran Stadtbaurätin Merk, bereits eine Studie präsentiert hat, in der weitere Zonen für Hochhäuser ausgewiesen werden, die u.a. dazu führen könnten, dass man vom Nymphenburger Schlossrondell aus eine Reihe von häßlichen Hochhäusern sehen würde, so wie sie auf der Website der Bürgerinitiative bereits visualisiert werden. Bis auf wenige Ausnahmen, die fast alle im Norden zu finden sind, hat München seine Silhouette bisher eben recht gut bewahrt und es gibt zum Glück nicht wenige Menschen, die dies so beibehalten möchten.

    Auf der folgenden Website sind ein paar Orte, von denen man von München aus die Berge sehen kann: https://muenchen.mitvergnuegen.com/2017/11-orte-muenchen-berge-sehen/

    Hier ein paar weitere Panoramablicke über München, die verdeutlichen, dass der Blick über die Stadt noch größtenteils unverstellt ist: https://www.muenchen.de/sehenswuerdigk…punkte-muenchen

    Das ist jetzt Satire, oder? 155 m ist riesig, man würde die beiden Türme sehr weit sehen. Außerdem geht's auch darum, dass mit der Erlaubnis von so riesigen Hochhäusern in Zukunft auch andere, ähnlich große Hochhäuser nicht zu verhindern wären: schau Dir mal die Website der Bürgerinitiative an, dort sind einige Visualisierungen mit Hochhäusern zu sehen, die in bereits skizzierten, für den Hochhausbau vorgesehenen Zonen liegen und in der Nachfolge gebaut werden könnten. Bisher sind die wenigen Hochhäuser in München alle im Norden, der Süden blieb bisher davon verschont. Wehret den Anfängen.

    Eine erfreuliche Nachricht: das Bürgerbegehren HochhausSTOP hat die erforderlichen 40000 Stimmen gesammelt, um einen Bürgerentscheid gegen den Bau der geplanten 155 Meter hohen Hochhäuser an der Paketposthalle zu erzwingen! Der Bürgerentscheid soll noch vor den Sommerferien stattfinden. Artikel in der Süddeutschen hierzu: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenc…jPPWwQjTaTeJrMa

    Allerdings kann es sein, dass inzwischen, nach einigen Jahren Laufzeit der Unterschriftensammlung, einige der Unterzeichner weggezogen oder verstorben sind, weswegen die Unterschriftensammlung weiter läuft, um auf Nummer sicher zu gehen. Wer also in München lebt und noch nicht unterschrieben hat, soll dies bitte tun! Link zur Website der Initiative: https://hochhausstop.de

    Die Wahl der Neogotik als Stil für Parlamente und Ratshäuser im geschichtsbewussten 19. Jh dürfte in vielen Fällen darauf zurückgehen, dass man an die Tradition der repräsentativen Stadtverwaltungen der großen mittelalterlichen Handels- und freien Reichsstädte anknüpfen und somit die bürgerliche Emanzipation und Unabhängigkeit von Adel und Kirche unterstreichen wollte.

    Ich finde das im Gegenteil sehr schön, dass auf Deinen Fotos keine Leute zu sehen sind, das würde den sehr schön komponierten Fotos nicht gut tun.
    Ich finde aber auch, dass Du nicht so gereizt darauf reagieren solltest, das ist nicht gerade höflich. Es gibt diesbezüglich halt verschiedene Geschmäcker und das ist auch völlig legitim.