Vor kurzem habe ich einen Rundgang durch Berching ins Forum gesetzt, heute möchte jene Stadt vorstellen, der Berching Jahrhunderte lang unterstand.
In Eichstätt gründete der angelsächsische Missionar Willibald 741 ein Benediktinerkloster, welches 744/45 durch Bonifatius zum Bischofssitz erhoben wurde. Das Bistum unterstand ebenso wie Würzburg dem Erzstuhl Mainz. Sein Territorium wurde 1016 zugunsten des erst kürzlich gegründeten Bistums Bamberg stark verringert. Mit dem Aussterben der Grafen von Hirschberg und dem Anfall ihrer Besitzungen 1305 war die territoriale Entwicklung des Fürstbistums im Wesentlichen abgeschlossen. Nach der Säkularisation fiel das Hochstift an Bayern.
Der Eichstätter Bischof war der kleinste und schwächste der drei fränkischen Fürstbischöfe und zudem direkter Nachbar des übermächtigen Herzogtums Bayern. Nichtsdestotrotz haben die Eichstätter Fürstbischöfe eine der schönsten barocken Residenzstädte überhaupt geschaffen - sehr italianisierend und wirklich erzkatholisch. Abgesehen vom mittelalterlichen Dom und wenigen Zeugnissen der Renaissance ist das Stadtbild maßgeblich von dem Wiederaufbau nach der Zerstörung durch die Schweden 1634 geprägt. Die Kelleranlagen und auch aufgehendes Mauerwerk vieler Häuser reichen jedoch oftmals in die Zeit der Gotik und sogar darüber hinaus zurück.
Eichstätt hat heute etwa 13.000 Einwohner (vgl.: 1840: 8.453; 1871: 8.586; 1900: 9.488; 1939: 10.092; 1950: 12.879 ---> Fernab der Verkehrwege des 19. Jahrhunderts und damit der Industrialisierung hat die Stadt nicht nur ihren historischen Grundriss, sondern auch ihren Gebäudebestand bewahrt.) und ist somit die kleinste Universitätsstadt Europas.
Blick vom Parkplatz zur Willibaldsburg. Leider war das Wetter am Tag meines Besuchs nicht so gut.
Wir laufen zunächst entlang der Altmühl und betreten dann die Altstadt in der Nähe des Rathauses.
Das Rathaus zwischen Dom- und Bürgerstadt ist ein freistehender Giebelbau mit seitlichem Turm (1444). Die Fassade mit Schweifgiebel und die Turmbekrönung stammen aus den Jahren 1823/24.
Der annähernd dreieckige Marktplatz ist der Mittelpunkt der nördlich des Dombereichs liegenden Bürgerstadt.
Willibaldsbrunnen mit Bronzefigur des Heiligen Willibald; Brunnen 1695 unter Fürstbischof Christoph von Westerstetten von Jakob Engel (= Jacopo Angelini) errichtet, Figur wohl von Hans Krumpper
Wir laufen jetzt weiter Richtung Domplatz...
Vom jetzigen Eichstätter Dom stammen die Türme noch aus der Romanik (ca. 1070, hochmittelalterliche Giebel und Helme am Nordturm 1280/90, am Südturm wohl erst im 15. Jahrhundert), der Rest ist zumeist hoch- und spätgotisch: Westchor 1296 (Verlängerung 1471), Querschiff, Ostchor, seitliche Kapellenreihen ca. 1350-96, barocke Westfassade 1714-18 und Sakristei am Willibaldschor 1724 durch Gabriel Gabrieli, Rippengewölbe im Inneren ca. 1360-1415
Der Pappenheimer Altar im nördlichen Querhaus...
... 11 Meter hoch, meisterhafte Steinmetzarbeit, 1489-97 geschaffen, vielfigurige Kreuzigungsszene vor Reliefhintergrund mit Darstellung verschiedener Pilgerreise-Etappen: Nürnberg, Venedig, Jerusalem
Lebensgroße Sitzfigur des hl. Willibald, 1514 von Fürstbischof Gabriel von Eyb in Auftrag gegeben, von Loy Hering oder Gregor Erhart geschaffen, wohl eine der bedeutendsten Plastiken der deutschen Renaissance
Das ist der Westflügel des Domkreuzganges, das sog. Mortuarium, eine weiträumige Doppelhalle mit Netzgewölbe über acht wechselnd runden und achteckigen Pfeilern, die zwischen 1480 und 1510 errichtet wurde (Nordflügel des Kreuzganges 1410/20, Ost- und Südflügel 1460/70). Der Raum ist überreich mit Epitaphien, Grabsteinen und Wappen geschmückt.
Die "Schöne Säule", bez. 1489
Ein anderer Flügel des Domkreuzganges
Wir stehen jetzt auf dem Residenzplatz. Er wurde von Jakob Engel, Gabriel Gabrieli und Mauritio Pedetti geschaffen (Eichstätt hat auch noch in den späten 70er Jahren des 18. Jahrhunderts viele italienische Baumeister berufen, als in den anderen katholischen deutschen Kernlandschaften des Barock schon längst einheimische deutsche Bauleute den Ton angaben). Für Georg Dehio war diese wohl bedeutendste städtebauliche Leistung Eichstätts "ein Platz von Europäischem Rang".
Gehen wir weiter...
Welche Kirche das ist, weiß ich leider nicht.
Da sind, glaube ich, Büros drin...
Wir laufen die Ostenstraße entlang, vorbei an der ehemaligen fürstbischöflichen Sommerresidenz (1735-37 von Gabriel Gabrieli für Fürstbischof Franz Ludwig Schenk von Castell errichtet), wo heute die Universität untergebracht ist.
Blick zur Seite Richtung Ostenfriedhof, wo viele Neubauten in Altstadtnähe entstanden sind
Vielleicht ein (ehemaliges?) Universitätsgebäude...
Machen wir einen kleinen Abstecher in die Kapuzinergasse, wo eine Seltenheit verborgen ist...
Die dortige Kapuzinerkirche Hl. Kreuz und zum Hl. Grab ist von außen nichts Besonderes...
... ein schlichter Neubau über mittelalterlicher Bausubstanz aus den Jahren 1623-25, der 1905 erweitert wurde.
Von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts war der Bau als Schottenkloster zum Hl. Kreuz bekannt.
Der Hochaltar der Kirche entstand um 1625, die Seitenaltäre Ende des 17. Jahrhunderts. Die Bedeutsamkeit der Kirche liegt jedoch in einem Bau, der schon im Namen der Kirche angedeutet ist...
... einer Nachbildung des Heiligen Grabes in Jerusalem, die um 1160 von Dompropst Walbrunn von Rieshofen nach Rückkehr vom Kreuzzug errichtet wurde.
Das romanische Bauwerk auf ovalem Grundriss war im Mittelalter Wallfahrtsziel.
Ich hatte so etwas in meinem Leben vorher noch nie gesehen. Derartige Nachbildungen des Heiligen Grabes aus dem Hochmittelalter soll es in Deutschland aber auch im Südwesten und im Rheinland geben.
Wir laufen entlang der Mauer des Ostenfriedhofs und schauen uns kurz einige der Neubauten an, die sich westlich an diesen anschließen, ehe wir wieder in die Altstadt gelangen.
Morbider Charme?
Schutzengelkirche (ehemalige Jesuitenkirche), 17. und 18. Jahrhundert
Wir gehen jetzt über einen etwas anderen Weg zu unserem Ausgangspunkt zurück, schauen uns aber nochmal Dom- und Marktplatz an...
Ein Beispiel des im unteren Altmühltal eher seltenen Fachwerks
Ich weiß nicht, was das ist bzw. was es war bevor die Volksbank einzog.
Hier hat man wohl etwas zu viel erneuert und vereinfacht...
Benediktinerinnenkloster- und Pfarrkirche St. Walburg, heutiger Bau mit Ausnahme der Gruftkapelle aus dem 17. und 18. Jahrhundert
Das wäre mein Beitrag zur ehemaligen Residenzstadt eines kleinen geistlichen Fürstentums an der Altmühl. In meinen Augen ist Eichstätt genauso schön wie Passau - aber da werden die meisten mir wohl eher nicht beipflichten.