Beiträge von Steinbloß

    Dass ich mit so einer subtilen Verteidigung eines Abrisses gleich das halbe Forum in Bewegung versetze...

    Abgesehen davon, dass es meine Überzeugung nach keine "guten" oder "schlechten" Menschen gibt und das Herunterbrechen der Vielfalt menschlichen Denkens und Handelns auf zwei solche krassen Kategorien höchstes Gefahrenpotential in sich trägt - Menschen anhand von deren subjektiven ästhetischen Urteilen als "gut" oder "böse" zu bezeichnen, erinnert an die Weltanschauungen diverser diktatorischer Systeme. Und gehört mit Sicherheit nicht in diese Diskussion, nein, gehört überhaupt nirgendwo hin.
    Und, lieber KB, zwischen "das Schlechte benennen" und jemanden wegen einer Entscheidung als durch und durch "schlecht" zu diskreditieren, da ist ein meilenweiter Abstand.

    @ursus: der "viel drastischere Linzer Fall" (wenn du damit das generelle Scheitern/Misslingen von Stadtplanung und Städtebau seit dem Krieg in der Stadt meinst) beruht meines Erachtens nicht auf einer Reihe von bösen, sondern auf einer Reihe von zutiefst österreichischen Entscheidungen.

    Um abschließend noch einmal meine Argumentation bezüglich Augsburg zu verteidigen: Ich bin der letzte, der leichtfertig den Abriss von historischer Architektur befürwortet. Nur, während in Wertheim ein denkmalgeschütztes Bürgerhaus dem Erdboden gleichgemacht wird, im restlichen Europa, nein, in der ganzen Welt minütlich unfassbar wertvolle Gebäude unter die Baggerschaufeln kommen; kann die Verteidigung der Schleifung eines architektonisch wirklich (unter)durchschnittlichen, zudem stark veränderten Gründerzeitlers (für einen wirklich sinnvollen Zweck) wirklich 20 Beiträge lange Diskussionen hervorrufen? Gibt es nicht wichtigeres Gut zu verteidigen?
    Auch Denkmalliebhaber und Substanzfetischisten müssen einsehen: Würde man alle banalen, abfassadierten Häuser der Zeit um 1900 so vehement wie dieses verteidigen, würde keine Stadt der Welt funktionieren. Manchmal ist es gut, Wertvolles aufzugeben, um Wertvollerem Platz zu machen.

    Recht was einfallen lassen haben sie sich mit diesem Neubau nicht, das geb ich zu (wobei das Foto eigentlich zu schlecht ist, dass man die Qualität des Gebäudes vernünftig beurteilen kann. Materialwahl, Seitenansicht... das alles zeigt das Bild nicht).

    Trotzdem: Das Entstehen dieses tollen Platzes ist sicher eine große Bereicherung für die Umgebung (die umgebenden Gebäude sind übrigens eine Schule und ein Jugendzentrum) und rechtfertigt den Abriss meiner Meinung nach absolut. Man soll vieles stehenlassen, aber alles eben auch nicht - zumindest, wenn man, wie hier, eine deutlich bessere Lösung gefunden hat.

    Das ist sehr schade. Die Rechtfertigung für den Abriss ist völliger Blödsinn. Das Gebäude scheint mir ja sogar relativ gut für eine Weiternutzung bzw. Neunutzung geeignet. Ganz guter Zustand, helle, große Räume (vermute ich zumindest), und im Inneren wegen dem Einkaufszentrum offenbar völlig entkernt, so dass sie die Architekten dort ohnehin austoben können.
    Wer weiß, ob das alles mit rechten Dingen zuging...

    Grüß Euch, nach längerer Zeit wieder einmal am Forum... und wie ich sehe, hat sich nicht allzu viel geändert!

    Zur Diskussion: Aller Wertschätzung historischer Architektur zum Trotz kann ich ein gewisses Verständnis für den Neubau aufbringen. So wertvoll, dass man alle Abrissbefürworter als "schlechte Menschen" bezeichnen muss, war der Vorgängerbau nun auch nicht.
    Abgesehen davon, dass der Neubau schlimmer sein hätte können - Mit der Umgestaltung des Areal wird offenbar ein schöner, offener Platzraum vor der Schule geschaffen. Und das ist schon etwas.

    Auch, wenn ich damit nichts wirklich Neues sage, möchte ich trotzdem meine Meinung kundgeben. Verbergen, vertuschen, abreißen - genau das Gegenteil von dem, was man tun sollte, nämlich auf die Geschichte aufmerksam machen, Bewusstsein bilden. Ein Dokumentationszentrum, eine Kunstinstallation, vielleicht ein moderner Anbau... das wäre doch in jeder Hinsicht am vorteilhaftesten!
    Anderswo in Österreich gehts doch auch.

    Generell, subjektive Wertungen einmal völlig außer Acht gelassen, stelle ich mir bei solchen 50er-Jahre-Bauten immer die Frage, wie lange die noch stehen können. Solche billigen Kriegswiederaufbau-Gebäude sind ja nicht für die Ewigkeit gedacht, die haben ja ein Ablaufdatum. Ist nicht in 50, 100 Jahren sowieso ein Abriss vonnöten? Irgendwann wird sich das ständige Renovieren nicht mehr auszahlen.

    Das Stadtbild sieht wirklich nüchtern aus. Immerhin hat man die kleinteilige Parzellierung beibehalten. Ich nehme an, das waren noch nicht alle Fotos, aber derweil sieht man nicht viele große Neubaukomplexe.

    Ich finde den Neubau ziemlich nüchtern, gerade an so einem Platz, einem der wichtigsten Orte in der Innenstadt, hätte man sich etwas ausdenken können, das auch andere geometrische Formen als das Rechteck aufgreift. Da gehört ein repräsentativer, moderner Bau hin, aber ein weniger starrer, strenger, der sich auch auf die Umgebung bezieht und nicht so alleine im Raum steht.

    Eine Rekonstruktion halte ich für nicht sinnvoll - gerade an so einer Stelle, direkt vor den Mauern in einem Viertel, in dem in der gesamten Neuzeit immer wieder für ihre Zeit sehr fortschrittliche, repräsentative, prestigeträchtige und monumentale Gebäude entstanden und das genau dadurch ein relativ uneinheitliches, durchmischtes Stadtbild hat, in dem jede Zeit ihren Platz findet - genau da gehört doch ein eindrucksvoller, moderner Bau hin. Die alten Stadtsäle passten m. E. ohnehin nicht so gut dorthin, wenn auch das Gebäude an sich sehr schön ist...

    Anderswo wäre ich vielleicht auch für eine Reko, aber nicht hier, an dieser Stelle.

    Sehr erfreulich, dass man das Haus hergerichtet hat! Gefallen tut´s mir aber nicht recht, es wirkt ziemlich überrenoviert. Vielleicht wirkt es nur am Foto so, aber recht gefühlvoll scheint man nicht damit umgegangen zu sein...

    Zitat

    Zweigeschossiger Steilgiebelbau mit Aufzugsluken, Steherker und vertikaler Putzgliederung, 17. Jahrhundert.

    Den Text der Denkmalliste verstehe ich nicht: Wo soll hier eine "vertikale Putzgliederung" sein? Was soll das bedeuten?

    Hier, im Bereich der Poststraße, wechseln sich mittelalterliche und jüngere, häufig sehr monumentale Gebäude ab.

    Ein kurzer Abstecher zum eher wenig spektakulären Rathausplatz mit dem namensgebenden Bau im Bild:

    Und - ich hoffe die auf Google Maps oder sonst wo mitverfolgbare Tour wird nicht zu verwirrend - wieder zurück in die Poststraße, diesmal in Richtung Norden.

    Nun kommen wir zum beschaulichen Ägidiplatz.

    Das Stadtbild macht nun einen überraschend großstädtischen Eindruck.

    An der Ägidikirche fällt ein interessanter Fresko ins Auge:

    Die Ägidikirche zur Poststraße:

    Der Innenraum sei euch nicht vorenthalten:

    Weiter geht es mit meinen Bildern:

    Wir erreichen nun schon das Nordostende der Altstadt, wo ein Stück der Stadtmauer steht.

    Gegenüber befindet sich ein beeindruckender (Schul?)-Bau aus der Zeit um 1910/15.

    Besonders schön ist das schwere, romanisierende Portal und wunderbar archaisch anmutenden Formen.

    Nun geht es wieder zurück in die Altstadt, allerdings nun über die geschäftige Ludwigstraße, den nördlichen Teil der Nordsüd-Hauptachse. Immer wieder fällt mir in Reichenhall auf, dass die Stadt - nicht ohne Grund - wie eine Mischung aus einer salzburgischen und einer südbayrischen Stadt wirkt. Die Ludwigstraße ist dabei deutlich südbayrisch angehaucht - nicht wegen des Namens alleine.

    Das könnte doch genau so gut in Rosenheim stehen? Oder in Ingolstadt?


    Das ist dann eher wieder Salzburg.


    Auch ich kenne die frühere Bebauung nicht, als Bespiel für brutale Stadtzerstörung taugen diese Anlagen aber denkbar schlecht.

    Das gelbe Verwaltungsgebäude von Friedrich von Gärtner ist Architektur im Stile der Münchner Ludwigstraße und auch die eigentliche Saline ein großartiger, nahezu schlossartiger frühindustrieller Bau. Ich habe die alte Saline mit ihrer faszinierenden Pumpanlage im Frühjahr dieses Jahres besichtigt. Sie gibt zusammen mit Kuranlagen, Gradierwerk und den gründerzeitlichen Villen in entgegengesetzer Richtung zu den mittelalterlichen Vierteln der Stadt ihr ganz eigentümliche Gesicht.

    Ich bin absolut der Meinung, dass die Errichtung der Saline in Bad Reichenhall eine brutale Zerstörung des Stadtbildes ist. Um diese Aussage zu rechtfertigen, habe ich die historische Stadtkarte, die ich am Anfang gezeigt habe, vergrößert und den ungefähren Standort der Saline rot eingekreist:

    Im diesem Bereich befanden sich zum überwiegenden Teil Salzsiederhäuser. Diese waren mit Sicherheit keine schlichten Industriebauten, sondern prächtige, uralte Gebäude - zumindest ist es in Hallein so, im nahen Bad Reichenhall, vermute ich zumindest, wird es ähnlich gewesen sein. Daneben gingen auch zahlreiche alte Bürgerhäuser drauf.

    Nichtsdestotrotz finde ich die Salinenanlage unglaublich beeindruckend. Ein so prächtiges und monumentales Gebäude aus dieser Zeit gibt es anderswo kaum in der Form. Und genau diese Situierung inmitten der historischen Altstadt hat schon etwas Faszinierendes. Sie erhält dadurch einen ganz eigentümlichen Charakter. Ich bin deswegen eigentlich froh ob der Existenz der Saline. Wenn auch eine Menge Historisches draufging, eine so ungewöhnliche Stadt wie Bad Reichenhall finde man anderswo nicht.

    Was mich viel mehr stört, ist, dass die Altstadt dadurch völlig in zwei Teile gespalten wird. Ich hatte, als ich durch Reichenhall ging, fast den Eindruck, als on es zwei Altstädte, gäbe die nicht zusammenhängen. Dabei braucht eine Stadt meiner Meinung nach ein Zentrum, und nicht mehrere.

    Danke, Zeno, für die Bilder, die den eigenartigen Eindruck des Mittelteils der Stadt wirklich gut wiedergeben!

    Nördlich dieses gemütlichen Viertels tauchen - für den ahnungslosen Touristen völlig überraschend, wie aus dem Nichts - die gewaltigen Anlagen der Saline auf.

    Die Ausmaße des 1840-51 errichteten Komplexes, der drei große Höfe umschließt, sind gewaltig - fast 250 Meter erstreckt sich die Anlage in Nord-Süd-Richtung. Wesentlich brutaler als die meisten im Forum diskutierten Abrisse und Stadtviertelzerstörungen.

    Der zentrale Hof mit der Salinenkapelle.

    Direkt nördlich dieser riesigen Gebäudegruppe haben sich zu Füßen der Burg Gruttenstein einige schöne Gässchen erhalten.

    Die Dreifaltigkeitsgasse mit einer kleinen, rechteckigen Platzerweiterung.

    Die Rosengasse:

    Am Besten hat sich wohl der südliche Altstadtteil erhalten, wo kaum ein Neubau die mittelalterliche - wenn auch meist stark erneuerte - Verbauung stört. Hier der südliche, platzartige Teil der Salinenstraße:

    Östlich davon der Florianiplatz, meines Erachtens das schönste Fleckerl in der Stadt.

    Am südöstlichen Eck der Altstadt steht der Peter-und-Paul-Turm.

    Von dort wieder zurück zum Florianiplatz...

    Dort steht das angeblich uralte Sichlerhaus:

    Über den Wahrheitsgehalt der Schrifttafel kann ich keine Aussage treffen.

    Wie es der Zufall wollte, habe ich heuer im Juni die Gelegenheit gehabt, Bad Reichenhall auf der Durchreise auch aus anderer Perspektive als aus der vom Hochstaufen zu sehen. Wenn die Fotos auch keine vollständige Galerie ergeben, so eignen sie sich dennoch gut, die Bilder von Markus zu ergänzen. Recht viel Neues ist nicht dabei, mein Schwerpunkt lag allerdings auf den Profanbauten - einiges noch nicht Gezeigtes findet sich hoffentlich.

    Die heutige Stadt geht im Wesentlichen auf die Neuanlage nach den Zerstörungen im Zuge der sogenannten "Salzirrungen" zurück. U. a. die Stadtmauer wurde zu dieser Zeit errichtet, die ein in etwa 700 mal 300 Meter großes Areal einschließt.

    Also ich finde die Entwürfe von einigen hier wirklich klasse, aber ich bin mir auch ziemlich sicher das die meisten Entwürfe einfach an den Kosten scheitern werden. Mir schwebt schon lange der Gedanke im Kopf eine Plattform zu Gründen in der man Entwürfe standardisiert und der Fassadenschmuck ebenfalls einer gewissen Norm unterzieht, sprich eine Art Fertighausanbieter für Lückenbauten in der Stadt. Der Kern wäre dann ein Betongebilde dass ähnlich wie derzeit das Stadtschloss oder die Bauten in Postdamm dann entsprechend mit Ziegelsteinen vorgesetzt werden um die Dämmung und den Fassadenschmuck aufzunehmen. Ich bin zwar auf den Gebiet absoluter Laie aber ich glaube die Zeit wäre reif für so eine Plattform.


    Ist zwar ein wenig off-Topic, aber auf diesen Kommentar möchte ich kommentieren:

    So etwas wäre das genau verkehrte. Ein Betonbau mit Zierelementen aus dem Internet würde noch billiger dastehen als der Venedig-Nachbau in Las Vegas oder Hallstatt II in China! So etwas würde der Entwicklung noch eine negativere Tendenz geben, den Ruf von historisierenden Bauen noch verschlechtern, es noch lächerlicher machen. Die allerhässlichsten Häuser auf dieser Welt sind ja zweifelsohne die tausendfach existierenden Fertighäuser aus dem Katalog, die in den Vorstädten in Massen stehen und dem Vorbeigehenden meist nur einen Würgreflex entlocken. Das wäre doch genau das schlimmste, wenn man diese grässlichen Auswüchse des Wahnsinns noch mit Styroporzierleisten und standardisierten Stuckornamenten aus dem Internet zukleistern würde!

    Wenn man denn unbedingt historisierend bauen möchte, dann sollte man das qualitätsvoll und mit edlen Materialien tun, und für jedes Gebäude eigene Dekorationen entwickeln. Historisierend bauen sollte man ja nicht einfach bloß um historisierend zu bauen, sondern etwas Schönes und Qualitatives zu erschaffen, das sich in die Umgebung einfügt (Historisierendes Bauen in Einfamilienhausvierteln ist m. E. sowieso absolut pervers) und die regionalen Architekturmerkmale aufnimmt.

    Abgesehen davon muss es solche Unternehmen schon geben, sonst hätte man ja nicht Dubai aus dem Boden stampfen können.