Köln - Der Alter Markt

  • newly: Auf dem Grundstück befindet sich ein Aufzug in die U-Bahn und vorher stand dort so eine Art Holzhütte, die das ganze beheimatet hat. Und das Schließen der Baulücke ist städtebaulich schon wichtig, in meinen Augen weitet sich der Platz an dieser Stelle sowieso schon zu stark für einen "historischen" Marktplatz, auch wenn dadurch natürlich ein besserer Blick auf den Rathausturm möglich ist, der historisch so aber nie geplant war.

    Regiomontanus: Also auf dem Bild, was ich gepostet habe, erfreut mich der weitestgehend originalgetreu rekonstruierte Rathausturm. Das ist ja nicht nichts, wenn auch zugegebenermaßen viel zu wenig.

  • Ich hatte darauf zwar schon vor einiger Zeit im Köln-Thema hingewiesen, aber da das Bilderbuch Köln tot ist und die Bildverweise nicht mehr funktionieren, hier noch einmal die Beantwortung der Frage nach möglichen Rekonstruktionen auf dem Grundstück:

    Werfen wir einen Blick auf die heutige Karte (hellblaue Baukörper, rot das Grundstück vom "Roten Haus", schwarz schraffiert die historischen Grundstücke):

    Köln Alter Markt/Bürgerstraße, Rotes Haus mögliche Rekonstruktionen

    Wir sehen, dass auf der Alter Markt-Seite auf dem heutigen Grundstück zwei historische Parzellen lagen. Dort zu finden war das Haus "Zum Papagei" Nr. 31 und das haus "Zum Bock" Nr. 33:

    Köln Alter Markt/Bürgerstraße, Rotes Haus mögliche Rekonstruktionen

    Bildquelle: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/…ioRsw9lkSTrM04E

    Das Haus Zum Bock wies sogar eine bildliche Darstellung seines Namens auf der Fassade auf:

    Köln Alter Markt/Bürgerstraße, Rotes Haus mögliche Rekonstruktionen

    Bildquelle: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/…dpKo8jEoNpplpvU

    Bei Verkleinerung des Durchganges hätte man hier also zwei Häuser in schlichter, aber typisch altkölner Bauweise rekonstruieren können.

    Auf der Rückseite zur Bürgerstraße hin ist die Situation etwas schwieriger, da dort die heutige Grundstückgrenze quer über eine historische Parzelle verläuft. Auf dem nicht zerteilten Grundstück stand ein Wohnhaus im neugotischen Stil, links daneben auf dem heute zerschnittenen Grundstück ein Haus mit Treppengiebel:

    Köln Alter Markt/Bürgerstraße, Rotes Haus mögliche Rekonstruktionen

    Bildquelle: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/…umnGCCUPOF7MGxM

    Wer sich fragt, was es mit dem geschmückten Bogen auf sich hat, der ist anlässlich eines Kaiserbesuchs 1908 aufgebaut worden. Vielleicht weiß Pagentorn ja mehr darüber :wink:

    Hier noch ein weiteres Bild, was von dem Balkon in der Rathauslaube aufgenommen wurde und die Bürgerstraße zeigt.

    Köln Alter Markt/Bürgerstraße, Rotes Haus mögliche Rekonstruktionen

    Bildquelle: https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/…8wLNZS1VJ0KF9aQ

    Man sieht, dass die Fassade mit dem Treppengiebel etwas gründerzeitlich überformt wurde. Links angeschnitten sehen wir übrigens die Ecke des spanischen Baus.

    Tja, es wären also auf einem freien Baugrundstück in diesem Jahr drei Rekonstruktionen möglich gewesen. Leider hat es niemanden gegeben, der das bei der Entscheidungsfindung überhaupt vorgeschlagen hat. Zumindest das wird in Zukunft anders sein. :smile:

  • newly: Auf dem Grundstück befindet sich ein Aufzug in die U-Bahn und vorher stand dort so eine Art Holzhütte, die das ganze beheimatet hat. Und das Schließen der Baulücke ist städtebaulich schon wichtig, in meinen Augen weitet sich der Platz an dieser Stelle sowieso schon zu stark für einen "historischen" Marktplatz, auch wenn dadurch natürlich ein besserer Blick auf den Rathausturm möglich ist, der historisch so aber nie geplant war.

    Du hast natürlich recht, dass das Schließen der Baulücke an sich städtebaulich wichtig ist, wäre... Nur dies durch ein solches Gebäude an einem historischen Marktplatz zu tun, ist ein sehr, sehr hoher Preis.

    Aus meiner Sicht wäre es in diesem - und anderen Fällen - wirklich besser, Baulücken zu lassen, auf bessere Zeiten für Rekonstruktionen zu warten, und die Zwischenzeit einfach mit Grünanlagen o.ä. zu überbrücken.

    Dieser wirklich grottenhässliche Bau steht dort doch nun für Jahrzehnte.

  • Bei uns im BKF wird zur Zeit intensiv der Wiederaufbau Danzigs dokumentiert und diskutiert. Angesichts des traurigen Kölner Alten Marktes kann man nur sagen: Jammerschade, dass dies nicht auch so in Köln gehandhabt worden ist: Giebelhaus an Giebelhaus mit Renaissance-bzw Barockfassade, perfekt nachempfunden, ev auch rekonstruiert, im Ganzen aber kompakter und monumentaler, als es jemals der Fall gewesen ist. Keiner fragt in Danzig heute mehr danach, wie alt bzw authentisch das ist.

    Köln wäre um den Alten Markt für eine solche Lösung prädestiniert gewesen: man stelle sich vor, Köln hätte neben seinen großartigen Kirchen eine größere intakte Altstadtzelle, in der einige erhalten Bauten eine sinnvolle Einbettung erfahren hätten!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • In Köln ist man doch ganz stolz auf den 50er-Jahre Wiederaufbau. Bestes Beispiel: das Domhotel. Es wird nicht rekonstruiert, weil es dann nicht mehr zum tollen abrasierten Stil des Wiederaufbaus passen würde. Demnächst wird das ganze Zeug unter Denkmalschutz gestellt und als wertvoll verkauft. Wenn die Bauten dann erst einmal 100 Jahre alt sind, gelten sie eh als historisch und alles ist gut. :wink:

    Wobei die Dachlandschaft am Alten Markt ja okay ist. Nur die meisten Fassaden müssten etwas historisierend umgestaltet werden. Das betrifft besonders die Fenster.

    https://www.kuladig.de/api/Media/Vesp…aslfg_2aA%28%28

  • Ja, der Alte Markt ist in toto ganz sicher nicht das schlechteste, was der Wiederaufbau so fabriziert hat. Aber hin und wieder wird man doch denken dürfen, was alles möglich gewesen wäre...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich kenne Köln nur über die Medien. Braunschweig hat man nach dem Krieg mit sogenannte Traditionsinseln wiederaufgebaut,also noch erhaltene Fassaden von Gebäuden wiederhergestellt die an wichtigen Stadtplätzen, oder Kirchen stehen.Sozusagen eine punktuelle Wiederherstellung der historischen Innenstadt.So können nachfolgende Generationen erahnen wie die historischen Städte einmal vor ihren Zerstörungen im ganzen aussahen .So hätte man heute in Köln im nachhinein auch vorgehen können nur mit dem Unterschied zu Braunschweig das einzelne historische Fassaden jetzt eben Vollrekos wären.(siehe Frankfurter Altstadt, Dresdener Neumarkt.......)

  • Es gibt ja ein Kölner Altstadtareal südlich des Domes, in dem einige Gassen noch historisches Flair verströmen. Das Problem bei Köln ist, dass wir der Stadt noch so viel "man hätte" vorschlagen könnten, die dortige Mentalität aber dem Rekonstruktionsgedanken völlig entgegen steht. Das sieht man bereits im lieblosen Umgang mit den ja noch vorhandenen repräsentativen Baudenkmalen (Domhotel einst und jetzt, Reichsbank einst und jetzt usw.), die ohne historisches Dach und teils entstuckt in der Gegend herumstehen. Da müsste eben Stadtbild Köln erst einmal mehr historisch-ästhetische Bewusstseinsbildung fördern.

  • Das ursprüngliche Rote Haus stammt aus der Wiederaufbauzeit, also vermutlich den 60er Jahren.

    Ich habe leider nur dieses Foto gefunden, wo es bereits für die U-Bahn abgerissen wird:

    live_3abf061d-0b80-402e-8616-a1067f6f55c1.jpg?w=862&auto=format&q=75&format=auto&s=042fe926401c3c1af0f626baa5f6ade4

    Das Haus stand sogar unter Denkmalschutz (und steht es jetzt wieder? Es ist zumindest nach wie vor in der Denkmalliste enthalten). Trotzdem hat man ja jetzt bodentiefe Fenster gewählt, die der vorherige Bau nicht hatte.

    So komisch das klingt, aber es handelt sich wohl um den schönsten Neubau in der Kölner Innenstadt der letzten Jahrzehnte. Und das bloß, weil es ein richtiges Dach hat. Schön ist es deswegen aber noch lange nicht. Es zeigt nur, was gebaut werden kann, wenn die Stadt klare Vorgaben macht. Man müsste also nur ein wenig die Vorgaben verändern, dann sähe Köln einer strahlenden architektonischen Zukunft entgegen :wink:

  • Ja, ich meine gehört zu haben, dass sich damit sogar der Rat befasst hat, dass dieses Rote Haus also so wie vorher rekonstruiert werden muss. In Köln natürlich nur mit Nachkriegsbauten möglich :augenrollen:

    Edit: Ich hatte die Info tatsächlich hier aus dem Forum:

    [...]

    Typisch Köln ist ja auch das Rote Haus. Es war ein Bau von nach dem Krieg und es war Thema im Stadtrat als ob es die Reko eines besonders wichtigen Baus aus der Geschichte Kölns gewesen wäre.

    [...]

  • Mich irritieren etwas die "Gefällt mir"-Reaktionen. Etwa nur wegen dem Dach? Ich meine, bei solcher "Architektur" schläft einem doch das Gesicht ein. Das ist so primitiv, so steril, so einfallslos, so belanglos. Ohne jeglichen Gestaltungswillen. Und das ist auch noch eine Rekonstruktion, in einer Stadt die diesen Begriff sonst meidet wie die Pest. Das muss einem doch wie blanker Hohn vorkommen.

    In dubio pro reko

  • "Königsbau", das "Gefällt mir" bezieht sich nicht unbedingt auf das gezeigte Haus, sondern auf den Forumsbeitrag. Ich setze zum Beispiel auch manchmal ein "Gefällt mir" unter Abrissmeldungen. Mir gefällt dann, von einem anderen Foristen über einen Vorgang informiert worden zu sein.

    Abgesehen davon ist das Haus natürlich nichts besonderes. Denkt man sich das Dach weg, dann ist es ein weiterer belangloser 08/15-Klotz mit geschmacklos-knalliger Farbe. Das Dach macht das Haus aber gefälliger (wie so oft), somit passt es sich irgendwie in die Kölner Altstadt ein. Das ist in Köln derzeit leider vermutlich schon das Ende der Fahnenstange.

  • Ich übernehme hier den Text, der auch auf der Facebookseite des Ortsverbandes veröffentlicht wurde, mit den zugehörigen Bildern:

    Das Rote Haus am Alter Markt ist fertiggestellt. Das jahrelang vorhandene Provisorium direkt neben dem Rathausturm hat somit endlich ein Ende gefunden. Positiv ist zudem, dass die Dachform wie bei den Nachbarhäusern an die Dächer des alten Köln angelehnt ist.

    Trotzdem wurde hier eine Chance verpasst, am zentralen Platz des mittelalterlichen Köln auch architektonisch dieses Erbe wieder mehr zu würdigen:

    Die Fassade müsste schmaler sein, im alten Köln hatten auf dem Grundstück zwei Häuser gestanden. Es fehlen steinerne Fensterumrandungen und das Dachgesims müsste viel ausgeprägter ausfallen. Die Fassadenproportionen sind zu gedrungen, der Versuch, dies mit bodentiefen Fenster aufzufangen führt zu dominierenden Glasflächen. Hier müssten zudem Sprossenfenster eingesetzt werden. Zudem ist die zurückgesetzte visuelle Verbindung zum Nachbarhaus absolut untypisch für das alte Köln.

    IMG_5069

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    Dazu kommt die kritikwürdige Gestaltung der Treppe auf den Rathausplatz hinauf: Die Treppe ist aus Granit, ein Gestein, was im Kölner Umland weit und breit nicht zu finden ist und im mittelalterlichen Köln nirgendwo verwendet wurde. Hier hätte man früher auf Basalt gesetzt. Dazu die Geländer aus messingfarbenen Material, oben aus Glas, die eher die fünfziger Jahre wiederaufleben lassen.

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    Das Haus auf der Rückseite, zur Bürgerstraße hin wirkt mit seiner düsteren Farbe und dem schräg zur Fassade abknickenden Eingangsbereich neben dem gläsernen Geländer auch nicht gerade Altstadt-tauglich.

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    Als Fazit lässt sich also festhalten: Wie bei anderen jüngeren Bauprojekten in Köln wurde hier im Vergleich zu vorher durchaus eine Verbesserung erzielt, verglichen mit dem, was man hätte erreichen können, bleibt eine nicht unberechtigte Enttäuschung zurück.