Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Lassen wir doch bitte mal die Kirche im Dorf. Die Stellasche Bauklötzchentheorie in allen Ehren - auf der Fläche und in der Größe erzeugt sie leider Montonie, die der Spreelage nicht würdig ist. Die nachgerade erotische Beziehung vieler zu dem Mischungsverhältnissen von - Beton - lasse ich mal unkommentiert.

    Die Portale I bis V sind nicht als "Stadttore" gestaltet, sondern als römische Triumphbögen. Hier ging es um die Glorifizierung der Hohenzollern als Geschlecht, das sich selbst die Königswürde verschaffte. Die Uffizienidee ist - nach meiner Kenntnis - die wettbewerbsentscheidende gewesen, vom Mitauslober Berlin jedoch bis heute unverstanden. Wenn aus dem Lustgarten in Breite Straße, der einstmaligen Hauptstraße Alt-Köllns, passagiert werden soll fragt sich: wohin? Für die Breite Straße hat der Berliner Senat genausowenig ein Konzept wie für den Schloßplatz.

    Die Säulenkolossalordnung, die die Portale nach ausser ziert, hat mit "Kolonnaden" nichts zu tun. Diese bedingten einen Wandelgang hinter denselben. Da sie in den Risaliten nur die Obergeschosse zusammenspannen ist das gar nicht möglich.

  • Als römischer Triumphbogen ist ausschließlich Portal III gestaltet. Die anderen Portale waren im barocken Sinne Ehrenpforten. Darüber hinaus können Triumphbögen bzw. Ehrenpforten durchaus die Funktion von Stadttoren haben, die Brandenburger Tore in Berlin und Potsdam sind die besten Beispiele. Selbst die Fassaden mittelalterlicher Kathedralen haben gelegentlich die Symbolik von Stadttoren (St.-Denis). In diesem Sinne ist es auch folgerichtig, wenn Stella das Schloss - in Anlehnung an Alberti - als eine Stadt in der Stadt begreift und die Tordurchgänge als Stadttore interpretiert, durch die man vom öffentlichen Raum des Stadt-Schlosses in den öffentlichen Raum der Residenz-Stadt tritt.
    Was die Kolonnaden betrifft, so war damit logischerweise nicht die Kolossalordnung der Portale I und II gemeint, denn dass das keine Kolonnaden sind, versteht sich von selbst, sondern die Gestaltung der modernen Wände in der Passage zwischen Portal II und IV.
    Dass diese Passage in der Außengestaltung nicht weitergedacht wird, ist in der Tat bedauerlich. Bedauerlich auch, dass der Bereich zwischen Ostfassade und Spreeufer so langweilig ausfallen wird. Hier wurde viel szenographisches Potential verschenkt (vgl. den ehem. Ripettahafen in Rom).

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Dass diese Passage in der Außengestaltung nicht weitergedacht wird, ist in der Tat bedauerlich. Bedauerlich auch, dass der Bereich zwischen Ostfassade und Spreeufer so langweilig ausfallen wird. Hier wurde viel szenographisches Potential verschenkt (vgl. den ehem. Ripettahafen in Rom).

    Interessante nachvollziehbare Deutungen der Stellakonzeption, Seinsheim. Was meinst Du mit obigem Zitat? Die fehlende städtebauliche Weiterführung!? Kann ja noch werden, wenn das Schloß erst einmal fertig ist.
    Ist schon ätzend, daß in unserer heutigen Stadtbaupolitik keine Größe und Menschlichkeit im Sinne ansprechender seelischer Nähe in der Gestaltung gewagt wird. Oder soll ich lieber schreiben bewußt vermieden (verhindert) wird. Ich neige zu letzterm

    Ganz andere Frage:
    Welche Mörtelzusammensetzung verwenden eigentlich die Bauleute? Hatte mich das heute beim Betrachten der Web.cam-Bilder vom Schlüterhof gefragt, als ich die zwei Maurer beim Wölben beonachtete. Normaler Zementmörtel wäre ja nicht so der Hit. Kann mich erinnern, daß der Leiter der Schloßbauhütte davon sprach, daß sie auch verschiedene Mörtelmischungen erforscht und ausprobiert hätten. Mauermörtel und Fassadenputz sollten dann schon in historisch verbürgter Mischung kompatibel sein.

  • Ich hoffe doch, Du neigst zu "letzterem", denn nur das wäre mit der deutschen Sprache 'kompatibel' (von lateinisch compatior „Mitleid haben“)

    Zweit, zweiter , am zweitesten wäre nicht optimal, optimaler , am optimalsten.
    :lehrer::D

    Hier noch mal ein Foto von den gemauerten Gewölben. Ich würde dies als einen normalen Zementputz bezeichnen, vielleicht etwas mager angerührt.

  • Die Deutung ist nicht von mir, SchortschiBähr, sondern von Stella selbst. Mit der Kritik, dass der Aspekt von Stellas Passage städtebaulich nicht weitergedacht wird, habe ich eine Feststellung meines Vorredners (Beitrag 6.063) aufgegriffen.
    Dabei geht es nicht nur um die Platzgestaltung, sondern auch um kleinere Details. Nur ein Detail: Glücklicherweise hat man auf die Rekonstruktion der Balkonplatten in Portal I und II verzichtet, da es sich bei ihnen um eine Zutat des 19. Jh. (wohl unter FW IV.) handelte, die Schlüters Fassadenkonzept verfälschte. Zum einen unterbrach sie die Superposition der Stockwerksordnungen in der Mittelachse, zum anderen verband sie die rustizierten Seitenteile des EG zu einer Sockelzone. Dass die Seitenteile eigentlich die kolossalen Postamente der Riesenordnung sind, war nun nicht mehr nachvollziehbar. Die Riesenordnung setzte nun optisch erst im 1 OG an, was wiederum zur Folge hatte, dass das Gebälk zu schwer wirkte. Dieser Eingriff wird nun beim Wiederaufbau korrigiert. Allerdings fehlt nun im Fußbodenbereich eine optische Verklammerung der beiden Seitenteile/Postamente. Diese Verbindung sollte nach Schlüters Idee eine Vortreppe leisten, die darüber hinaus dazu gedacht war, die Fassadenarchitektur in den Straßenraum zu überführen. Sie verschwand später leider, könnte aber in moderner Form durchaus (wieder-)hergestellt werden, so dass die Portale I und II noch schönere Entrees bilden würden. (Siehe Abbildungen). Für solche 'ausgreifenden' Maßnahmen ist der Bauherr des Humboldt-Forums aber nicht zuständig.

    Ich denke, ein Problem bei der Stadtplanung ist, dass es viele Einzelplaner und verschiedene Zuständigkeiten gibt. Für das Areal um das Schloss ist Berlin zuständig, für das Schloss selbst der Bund. Es fehlt eine die Kompetenzen bündelnde und die einzelnen Maßnahmen koordinierende Institution.
    Was die Mörtelzusammensetzung betrifft, so werde ich Deine Frage im Hinterkopf behalten und, wenn ich einen der Mitarbeiter aus den Baubüros treffe, darauf ansprechen.

  • Ich hoffe doch, Du neigst zu "letzterem", denn nur das wäre mit der deutschen Sprache 'kompatibel' (von lateinisch compatior „Mitleid haben“)

    Die deutsche Sprache ist nicht immer logisch. Im Grunde genommen ist "Ersteres - Letzteres" ebenso sinnwidrig wie Zweiteres, wenngleich es grammatikalisch zulässig ist.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • @ Spreetunnel, o'mannomann, korrigiert und danke! :peinlich:
    @ Seinsheim, sehr interessant. Die unterbrochene Kolossalordnung war mir noch nicht aufgefallen. Ohne Balkonplatte wirkt der Risalit in der Tat emporstrebender und schlanker, erhebender!
    Und das Treppenpodest ist mir vollkommen neu. Aber für dessen Verwirklichung gibt es wohl kaum eine Chance, da man sich wohl den ebenerdigen Zugang/Zufahrt erhalten möchte!? Würden nicht auch die Geländehöhen Schwierigkeiten machen?
    Hm, die Verklammerung fehlt jetzt, schreibst Du. Mit Balkonplatte gab es die, ohne Treppenpodest gibt es sie nicht, aber die Kolossalordnung läuft durch. Also bleibt es ohne Podest unvollständig und in der Wirkung eingeschränkt. Und für ausgreifende Bauten ist Berlin zuständig. Na und was von dort in Sachen Rekonstruktion oder historisierende Anpassung kommt, wissen wir ja. Ist es denn überhaupt intern in der Diskussion?
    Du scheinst Fachmann zu sein!? Gerne mehr von Deinen Schloß-Einblicken!
    Danke!

  • Hier noch mal ein Foto von den gemauerten Gewölben. Ich würde dies als einen normalen Zementputz bezeichnen, vielleicht etwas mager angerührt.

    Soll das heißen, man hat hier zum mauern, Beton dahergenommen? :schockiert:

  • @ Spreetunnel, o'mannomann, korrigiert und danke! :peinlich:
    @ Seinsheim, sehr interessant. Die unterbrochene Kolossalordnung war mir noch nicht aufgefallen. Ohne Balkonplatte wirkt der Risalit in der Tat emporstrebender und schlanker, erhebender!
    Und das Treppenpodest ist mir vollkommen neu. Aber für dessen Verwirklichung gibt es wohl kaum eine Chance, da man sich wohl den ebenerdigen Zugang/Zufahrt erhalten möchte!? Würden nicht auch die Geländehöhen Schwierigkeiten machen?
    Hm, die Verklammerung fehlt jetzt, schreibst Du. Mit Balkonplatte gab es die, ohne Treppenpodest gibt es sie nicht, aber die Kolossalordnung läuft durch. Also bleibt es ohne Podest unvollständig und in der Wirkung eingeschränkt. Und für ausgreifende Bauten ist Berlin zuständig. Na und was von dort in Sachen Rekonstruktion oder historisierende Anpassung kommt, wissen wir ja. Ist es denn überhaupt intern in der Diskussion?
    Du scheinst Fachmann zu sein!? Gerne mehr von Deinen Schloß-Einblicken!
    Danke!

    Die oben angeführten Erkenntnisse, lieber SchortschiBähr, stammen zum Teil aus einem Buch von Peter Stephan, Das Humboldt-Forum als moderner Weiterbau des Berliner Schlosses und als Voll­­en­dung der Museumsinsel, Berlin 2010 (= Bd. 2 in: Franco Stella/Peter Stephan, Franco Stella, Berlin 2010), das bei Dom Publisher erschienen ist. Einige Kapitel dieses Buches befassen sich mit der Schlüters Fassadenarchitektur, dem Verhältnis von Fassade und historischen Innenräumen sowie der Ikonographie und dem Baugedanken des Schlosses. Vielleicht ist das ja von Interesse.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die 2013 veröffentlichten Pläne zur Gestaltung der Freiflächen um das Schloss (s. Bericht) scheinen - trotz entsprechender Bekundungen - nicht entscheidend verbessert und umgearbeitet worden zu sein. Wie sonst ist es zu verstehen, dass sich im Berliner Abgeordnetenhaus derzeit heftiger Widerstand gegen die von Regula favorisierten Pläne regt:

    "Die geplante Außengestaltung am [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] ist im Abgeordnetenhaus auf heftige Kritik gestoßen. Im Kulturausschuss warnten Vertreter von CDU, Grünen und Piraten am Montag vor einer "Betonwüste" um die rekonstruierte Preußenresidenz herum. "Das entspricht gar nicht unseren Vorstellungen", erklärte der CDU-Abgeordnete Stefan Schlede. Grünen-Kulturexpertin Sabine Bangert sprach von einem "urbanen steinernen Platz mit Null Aufenthaltsqualität". Senatsbaudirektorin Regula Lüscher verteidigte dagegen die Entscheidung der Jury. Der Siegerentwurf erlaube eine zeitgemäße Gestaltung, die die historischen Bezüge des Ortes aufgreife."
    (Quelle: Morgenpost)

    Leider will Regula beim Schlossumfeld mal wieder dickköpfig ihren modernistischen Quatsch durchsetzen, kein Neptunbrunnen und kein Strauch zuviel sondern viel Grau und Beton. Dabei widerspricht sie sich genaugenommen selber, denn eine "zeitgemäße Gestaltung, die die historischen Bezüge des Ortes aufgreift" erlaubt durchaus auch eine historisierende Platzgestaltung, wie man es beim gegenüberliegenden Schinkelplatz eindrucksvoll sehen kann:


    (Bild von Palantir)
    .

  • Ich verstehe diese immer wieder auftauchende Floskel "Der Entwurf erlaube" nicht...Zumindest nicht ohne den Zusatz "eines Tages". Ein Entwurf, der so und jetzt zur Ausführung vorgesehen ist, erlaubt doch nichts, sondern ist, wie er ist. Das klingt für mich einfach so, als wäre man unsicher und man könne im Grunde noch alles ändern, Siegerentwurf hin oder her.

  • Lüscher ist eine Niederlage für Berlin...aber das wissen wir schon lange und die Abgeordneten kommen halt erst zeitverzögert darauf. Es ist nie zu spät dafür nur sollte man darauf achten, nach ihr wieder jemand nach Format eines Herrn Stimmann zu holen!

    Es wäre gut, wenn der Berliner Stadtschloss-Verein nun die Bereitschaft und bergründete Angst der Politiker sich zu Nutzen macht und den Neptunbrunnen, Roßbändiger und (die historische) Begrünung zurückfordert! Die Türe ist nun offen, man möge die Chance doch bitte nutzen und durch diese gehen. Die Modernisten beweisen tagtäglich, dass sie öffentliche Plätze nicht zu Gestalten fähig sind - ohne Einbezug des Überlieferten bleibt immer eine gewaltige Lücke. Das Ergebnis wird nüchtern, um nicht zu sagen lüschern wirken. Vielleicht ist der gelüscherte Platz aber auch der Preis dafür, um Frau Lüscher endgültig los zu werden.

  • Die Abgeordneten, die sich nun beschweren, sind Hinterbänkler der CDU-Fraktion. Innerhalb des Legislatur hätte man als CDU ja auch auf der Einhaltung des Koavertrages bestehen können, der einen Wettbewerb vorsieht, aber die CDU hat sich aus Gründen des Machterhaltes dagegen entschieden. Jetzt ist alles nur noch Wahlkampf.

  • Hat eigentlich jemand eine Ahnung ob die riesigen schmiedeeisernen Tore an den Portalen kommen oder nicht?

    Auf alten Visualisierungen und auch im Spendenkatalog tauchen Sie noch auf. Auf neueren nicht mehr.

    Ich habe den Verdacht dass sie leider wegrationalisiert wurden. Weiß jemand von vor Ort mehr?

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich vermute mal eher nicht. Auf den Visualisierungen Berlin 2019 auf den Seiten des Fördervereins findet sich folgendes Bild:
    http://berliner-schloss.de/wp-content/upl…nal-kleiner.jpg
    obwohl dort auch Terrasse und Adlersäule, sowie auf machen Bildern Schlossbrunnen und die Uhrtürmchen zu sehen sind.
    Zur Gestaltung des Schlossumfeldes sei auch der folgende interessante und richtige Artikel
    „Der Große Kurfürst gehört zum Schloss!“ empfohlen.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Och nee, bitte keine überdimensionierten Glasfenster/-türen. Das sieht schon bei so sanierten Altbauten nie gut aus. Sind die schmiedeeisernen Tore denn so ein wahnsinniger Kostenfaktor? Oder ist es eher ein Versuch der Modernisten, irgendwo mitzureden?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Och nee, bitte keine überdimensionierten Glasfenster/-türen. Das sieht schon bei so sanierten Altbauten nie gut aus. Sind die schmiedeeisernen Tore denn so ein wahnsinniger Kostenfaktor? Oder ist es eher ein Versuch der Modernisten, irgendwo mitzureden?

    Ich hoffe, die Glasfront wird an die Innenseite des Portals III gesetzt, also weit genug weg von der historischen Außenfront. Dann wäre es nicht ganz so schlimm.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es wird wohl leider sowohl von innen als auch von außen verglast werden - ein riesiger Windfang...


    Bildquelle: SBS Humboldtforum/Franco Stella mit FS HUF PG

    Das Eckrondell mit den ersten massiven, gerundeten Sandsteinelementen...

    ...welche sich farblich deutlich vom Betonstein der Ostseite abheben werden.

    Und auch am Eosanderportal geht es mit (filigraneren) Sandsteinarbeiten weiter.

    Auch gegenüber ist schon ein Fuß zu erkennen.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die sind ja sehr optimistisch in dem von Aedificium verlinken Artikel, was den Brunnen angeht. Der Autor hat sich wohl außerdem etwas verzählt? Neubau der Rathausbrücke vor 15 Jahren???

    Wieso eigentlich nicht den Großen Kurfürsten auf den Denkmalsockel stellen? Passt vom Stil und Material auch nicht so ganz, aber besser, als die Obstschale.