Den Begriff "Braunschweiger Knusperstil" scheint hier niemand mehr zu kennen - er dürfte wahrscheinlich nicht weiß Gott wie weitverbreitet gewesen sein und dazu gegenüber unseren Intentionen nicht besonders freundlich. Ich habe ihn aus dem dkv-Bildband "Braunschweig" 1980, Reinhard Liess. Dessen Einführungstext ist ziemlich negativ gegenüber dem Wiederaufbau, was insofern auffällt, als in anderen Büchern der Reihe das Thema Zerstörung sozusagen als notorische Tatsache nur kurz und resignativ erwähnt wird, wie auch der Wiederaufbau relativ knapp und mit eher nichtssagenden Worten abgehandelt wird. Nur im Band Würzburg gibt es ein kurzes Vorwort über den Wiederaufbau, das negativ beginnt und sich aber alsbald um versöhnliche Töne bemüht. Im Band Braunschweig wird, nach einem kurzen Absätzchen über die Zerstörung der Altstadt, die in den "Februar 1944" verlegt wird, der 15. Oktober bleibt unerwähnt, der Wiederaufbau hingegen auf vollen drei Seiten ausgebreitet, dh im Wesentlichen kritisiert, und zwar vor allem als zu modern und geschichtsvergessen, dies mit vieler Detailinfos, die nicht immer die historische Stadt betreffen, sondern generell die Verkehrsplanung incl Hauptbahnhofverlegung beklagen. Auch in den Bildbeschreibungen wird nicht mit Kritik am Wiederaufbau gespart. Wie in keinem anderen Band der Fall, werden dem Bildteil acht Vorkriegsphotos vorangestellt, um das "unwiederbringlich Verlorene" darzustellen, in dessen Kontext die erhaltenen Kirchen zu begreifen sind. Die Bildauswahl ist mE teilweise nicht ganz glücklich, ja sogar zT unnötig, da die mE erhaltene Magnikirchstraße gezeigt wird nebst zwei eher mäßig spektakulären Hinterhöfen. Auch sonst ist mir attraktiveres Bildmaterial bekannt.
Zweifellos trifft die geäußerte Kritik grundsätzlich zu, wobei nicht immer ersichtlich ist, was der Autor eigentlich bevorzugt hätte. Auch das Traditionsinselkonzept findet nicht seine volle Zustimmung, zumal ihm dieses Konzept zu museal scheint. Uns interessieren jedoch folgende Schlusszeilen des Einführungstextes. Da ist nämlich von der in der "Innenstadt zu beobachtenden, überaus fragwürdigen Praxis" die Rede, "aus Restbeständen alter Trümmer und Materialien Fachwerkfassaden teils nach alten Mustern, teils aber in freien Erfindungen an Betongerüsten zu befestigen, um einen Schein eines Mittelalters zu erzeugen, eines angeklebten Mittelalters freilich. Der BSer Knusperstil breitet sich vorwiegend um St. Michael und St. Ägidien aus. Neuerdings spielt man sogar ernsthaft mit dem Gedanken, den Porticus des Stadtschlosses einem öffentlichen Neubau vorzublenden... Die pietas wird hier zum Erinnerungskitsch, zu einem altertümlichen Simulieren von Geschichte und Kunst. Zum Wiedereintritt BSs in die Stadtbaukunst bedarf es der virtus einer Gegenwartsarchitektur, die stark genug ist, um sich in der realen Geschichte zu entwickeln, in der auch Alt-Braunschweig entstanden, aufgestiegen und untergegangen ist."
Ich kommentier das mal nicht weiter. Was ist dazu zu sagen?
Alles "Knusperstil"?