Der "Rebstock"
Der "Rebstock" war ein weiteres beliebtes Postkartenmotiv. Ursprünglich war er in einem Hof versteckt, und erst mit den Gebäudeabbrüchen im Zusammenhang mit der Braubachstrasse und der Freistellung des Domes um ca. 1905 kam er ins Rampenlicht. Seine langgezogenen Galerien gaben dem Haus, welches eigentlich ein konstruktiv höchst einfaches Fachwerkhaus war, und deshalb bisher noch keinen Eingang in die Fachwerkforschung fand, sein pittoreskes Aussehen.
Der "Hof Rebstock" wird schon im 14. Jahrhundert erwähnt, und war bis zu seiner Auflösung im frühen 18. Jahrhundert ein Patrizierhof mit mehreren, um einen Hof gruppierten Gebäuden. Danach wurden die zugehörigen Häuser zwischen dem Alten Markt und der Kruggasse einzeln verkauft, und der Hof selbst mutierte zu einer öffentlichen Gasse. Wann genau der Name auf das Haus mit den Galerien übertragen wurde, weiss ich nicht.
li: Jacobs Kunstanstalt, Frankfurt a. M., ca. 1905; re: Knackstedt & Näther, Hamburg, geschr. 1913
Ansichten der Seite zur ca. 1905 angelegten Domstrasse; links: Blick in Richtung Norden, wo im Hintergrund die Bauarbeiten zur Braubachstrasse im Gange sind; rechts: Blick in Richtung Süden an die Rückfront von Alter Markt Nr. 8 mit dem Durchgang, am rechten Bildrand der Nebenzugang zur Neugasse
Kunstanstalt Lautz & Balzar, Darmstadt, vor 1905
Eine seltene Ansichtskarte vor den ca. 1905 begonnen Abbrucharbeiten im Umfeld des Rebstocks zeigt dieselbe Situation wie oben links. Zusätzlich ist rechts das Haus Kruggasse 6 sichtbar, entlang welchem der Hof seine Fortsetzung bis zur Kruggasse fand, welche zur weiter nördlich verlaufenden Schnurgasse führte. Die Lage des Rebstocks in einem engen Hof zeigt, dass dieses Haus nie eine repräsentative Funktion hatte. Das Hauptgebäude des "Hofes Rebstock" stand wahrscheinlich am Alten Markt (Nr. 6 "Grosser Rebstock" oder Nr. 8 ).
M. Jacobs, Postkarten-Verlag, Frankfurt a. M.
Bis zum Bau des Hauptzollamts 1927 blieb die Fläche, auf welcher die ca. 1905 abgebrochenen Bauten der Ostseite des "Hofes Rebstock" standen, leer. Das nördlich auf den Rebstock folgende Fachwerkhaus, Kruggasse 3, wurde beim Strassendurchbruch zum Kopfbau, und stand mit der Brandmauer direkt an der Strassenlinie. Die am rechten Bildrand sichtbaren Strebepfeiler, welche zur provisorischen Stabilisierung angebracht wurden, bestanden bis kurz vor 1944, als an der Braubachstrasse eine neue Fassade angefügt wurde.
L. Klement, Frankfurt a. M., um 1900/1910
Der "Hof Rebstock" hatte zwei Zugänge, im Süden am Alten Markt unter dem Haus Nr. 8 hindurch, und im Norden an der Kruggasse (bei der Zahl "18.0" auf dem Plan unten). Der nördliche Torbogen stünde heute mitten in der Braubachstrasse, genau auf der Linie der karolingischen Stadtmauer, deren Fundamente beim Durchbruch der Strasse ans Tageslicht kamen. Ein Nebenzugang (s. Abb.) mündete westseits von der Neugasse her in den Hof.
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links: Ravenstein-Plan 1861; rechts: Merian-Ansicht 1628
Der Rebstock und sein Nachbarhaus sind grün eingefärbt. Ebenso ist der ungefähre Verlauf der späteren Braubachstrasse und Domstrasse eingezeichnet. Die Kruggasse ist die in der Mitte senkrecht verlaufende Gasse, und mündet unter dem Haus Nr. 8 in den Alten Markt. Die Neue Gasse (oder Neugasse) verläuft links und mündet in den Hühnermarkt. Der Pfeil zeigt in Blickrichtung der Aufnahme mit dem Nebenzugang zum Hof Rebstock.
Merian zeigt den Hof Rebstock in den Grundzügen, wie ihn auch Ravenstein 1861 wiedergibt. Zusätzlich führte ein gedeckter Gang vom Rebstock in das Haus Nr. 4 (welches Ravenstein mit "Rebstock" bezeichnet!) hinüber, dafür bestand das Haus Kruggasse 6 noch nicht.
Alter Markt Nr. 6, der "Grosse Rebstock", ist unten rechts am geschweiften Giebel erkennbar, und wurde erst ca. 1905 abgebrochen. Bis zum Bau des Hauptzollamtes 1927 bestand fortan just gegenüber der Goldenen Waage, Nr. 5, eine hässliche Brandmauer. Die Nr. 8, unter welcher der Durchgang zum Hof durchführte, ist erkennbar am Doppelgiebel. Das Haus, welches bis 1944 dort stand, entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts als spätklassizistischer Neubau (oder evtl. aus einem weitgehenden Umbau).