Ja, leider war die Trümmerräumung in Lübeck wirklich sehr schnell und sehr gründlich. Laut dem sehr guten Buch "Bomber gegen Lübeck", dass den Luftangriff und die zerstörten Bauten ausführlich dokumentiert, aber auch auf die Trümmerräumung und den Wiederaufbau (letzteres allerdings nur sehr knapp) eingeht, begannen die Aufräumarbeiten unmittelbar nach dem Luftangriff und dem Löschen der teils noch tagelang schwelenden Brände und waren im Wesentlichen bis Ende 1942 abgeschlossen - also zu einem Zeitpunkt, als die meisten anderen Städte noch nicht mal zerstört waren.
Die Enttrümmerung war dabei so gründlich, dass nur wenige erhaltene Fassaden stehen blieben, vor allem die Löwenapotheke, das 20er-Jahre-Kaufhaus am Klingenberg, die Fassaden Fischstraße 15-19 und vielleicht ein halbes Dutzend Portale und zwei Handvoll weitere Fassaden (z.B. Kohlmarkt 13, dessen Giebel erst 1946 einstürzte und dessen Fassadenrest inklusive Statius-von-Düren-Terrakotten und Portal dann bis Anfang der Fünfziger verschwand). Bis auf das ans neue Schabbelhaus Mengstraße 50 translozierte Portal von Fischstraße 34, das allerdings im Wesentlichen aus Backstein bestand, sind alle erhaltenen Portal- und Fassadenreste in den Nachkriegsjahren beseitigt worden. Von einigen der Portale, befinden sich Reste im Depot der Denkmalpflege, ebenso wie zahlreiche weitere Spolien von bereits vor dem Krieg abgebrochenen Häusern, ich weiß allerdings nicht, ob die alle mal sukzessive dokumentiert wurden und ob bei den meisten die Herkunft bekannt ist.
Soweit ich weiß, hat die BIRL (Bürgerinitiative Rettet Lübeck) sich vor Beginn der Neubebauung des Gründungsviertels mal dafür eingesetzt, dass die Spolien aus dem Gründungsviertel auch wieder dorthin zurückkehren, aber da ich davon später nie wieder etwas gehört habe, ist das wohl im Sande verlaufen.
Wobei es ja nicht unmöglich ist, auch im Nachhinein noch ein altes Portal zu rekonstruieren und an einem bereits fertigen Neubau anzubringen, falls der Bauherr das will und noch genügend originale Bauteile vorhanden sind.
P.S.: Dass sich ein Portal selbst aus relativ wenigen Spolien zumindest einigermaßen sicher rekonstruieren lässt, habe ich in einem Beitrag in unserem Jahresbereicht "Archäologie in Lübeck 2022" aufgezeigt, der sich inzwischen auch online findet: https://www.luebeck.de/files/stadtleb…icht%202022.pdf ("Die Ladies aus der Breiten Straße", S. 47-64). 2022 wurden zahlreiche Bruchstücke eines Spätrenaissanceportals aus Sandstein im Straßenraum vor dem Haus Breite Straße 27 gefunden, die wahrscheinlich bei der Erneuerung der Fassade um 1820 in den Boden gelangten. Die Fragmente wurden natürlich geborgen, dann gereinigt und ich habe sie schließlich 3D-gescannt und virtuell wieder zusammengepuzzelt: