Hamburg - Baugeschehen

  • Aktueller Stand Bohnenstraße / Großer Burstah.

    Früher:


    Aktuell: Allianz-Hochhaus abgerissen, 60er-Jahre Gebäude (links) mit neuer Fassade, Neubau mit interessanter Kubatur aber etwas fragwürdiger Fassade. Insgesamt eine deutliche Verbesserung des Stadtbilds.

  • Blick in die Bohnenstraße aus der Richtung Großer Burstah / Hahntrapp:


    Fassaden der Neubauten:


    Blick zurück in die Bohnenstraße aus der Richtung Neue Burg / Trostbrücke. Mir gefällt die Pflasterung:

  • An der Trostbrücke stehen diese zwei wunderbaren Altbauten: der Laeiszhof von 1898 und das Haus der patriotischen Gesellschaft von 1847.


    Auf dem ersten Foto sieht man links eine Baustelle. Hier wurde die Commerzbank abgerissen. Früher:


    Zukünftig:

  • Das verdient ja die Bezeichnung "Stadtbild", was da entsteht oder entstanden ist...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • 73204-img-0315-jpg

    Schöne neue Welt. So stelle ich mir den Orwell-Überwachungsstaat vor. Wer im Geburtskanal steckengeblieben ist, sollte diese Straße meiden. Hier hätte Hitchcock eines seiner dystopischen Traumfragmente drehen können

  • Naja, auch wenn zu derartigen dystopischen Assoziationen bei euch zZ wirklich jeder Anlass besteht - ist das nicht weit hergeholt? Man müsste den Stadtplanern in diesem Fall den Vorwurf machen, die alte Straßenstruktur insb die Breite beibehalten zu haben - ist das in unserem Sinne? Letztlich erscheinen mir die Fassaden sehr werthaltig und das sich ergebende Stadtbild durchaus von einer beträchtlichen Monumentalität.

    Die "totale Übersichtlichkeit" ist sicher in erster Linie auf Verkehrsberuhigung zurückzuführen. Ist das wirklich ein Nachteil? Für mich hat dieses Bild eigentlich eine sehr angenehme Stimmung. Man merkt, dass es sich um eine Innenstadt handelt, und man merkt etwas vom genius loci, etwas Hamburgerisches, Hanseatisches, was wohl über die Architektur des Kontorviertels vermittelt wurde.

    "Richtig frei" war man in einer mittelalterlichen Gasse auch nicht.

    Ich bin letztlich sehr angetan davon, dass man das trostlose Umfeld der Nikolaikirche derart aufwerten konnte. Nicht jede Entwicklung muss man negativ sehen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es ist halt alles so grau und steril, ohne ein paar Bäumchen oder sonstiges "Begleitgrün". Auch wenn es das dort vermutlich eh nie gegeben hat. Keine interessanten Fassaden, an denen das Auge sich aufhalten kann. Ist das ein freundliches, urbanes Quartier im Sinne von "APH"? Eher nicht.

    In dubio pro reko

  • Ich kann das auch nicht nachvollziehen, dass Menschen bei der geballten Ladung ewig gleicher seelentötender Lochfassaden im neuen Hamburg und deren insgesamt schier gigantischer Baumasse häufig gleich in Begeisterungsstürme ausbrechen oder doch zumindest solche steinernen Wüsten als Zeichen der Prosperität des tollen Hamburgs würdigen, vergleichbarer Bebauung in anderen deutschen Städten wegen ihrer Beliebigkeit aber kaum Beachtung schenken. Entsprechend dosiert können einige solche Bauten einer Stadt durchaus gut tun, aber in Hamburg ist da die Schmerzgrenze einfach überschritten. Mal sehen wie man in 20 Jahren z.B. die Hafencity beurteilen wird.

  • Nichts spräche gegen ein paar lebensbejahendere Farben in der Abfolge, ocker fabende Klinker, roter Backstein im ja häufig grauen und nassen Hamburg . Ansonsten habe ich mit den Fassaden, gerade mit den Neueren weniger Probleme, da tatsächlich wertig und einem gewissen hanseatischen "Genius Loci" folgend. Ein bisschen Begleitgrün wäre aber wirklich gut um diese graue Strenge wenigstens über das Sommerhalbjahr aufzulockern.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

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    Schöne neue Welt. So stelle ich mir den Orwell-Überwachungsstaat vor. Wer im Geburtskanal steckengeblieben ist, sollte diese Straße meiden. Hier hätte Hitchcock eines seiner dystopischen Traumfragmente drehen könnten

    Ohne Frage fehlt da ein bisschen grün. Und die Fassaden kann man noch besser gestalten. Aber: es ist Dichte / Urbanität entstanden und die Gebäude haben eine gewisse Wertigkeit.

    Ich vergleiche Neubauten gerne mit der HafenCity. Dort reiht sich ein billiger Block an den nächsten und die Straßen sind viel zu breit. Insofern ist Hamburg zumindest in der Innenstadt auf einem ordentlichen Weg.


  • Moment mal, ich dachte man wollte nach der Kritik wieder stärker zur Gestaltung des ursprünglichen Baus zurückkehren z.B. mit Pilastern. Jetzt doch nicht mehr? Ist die Visualisierung auf der Plane vor Ort die aktuellste?

    Laut Website des Entwicklers wird man sich am Ursprungsbau orientieren: https://procomgroup.de/projekt/nikolai-insel-hamburg/ Fraglich ist, ob man sich daran halten wird oder sich doch lieber das Geld spart.

  • Aber: es ist Dichte / Urbanität entstanden und die Gebäude haben eine gewisse Wertigkeit.

    Auf diese gewisse Wertigkeit haben sich Investoren doch mittlerweile bei vielen Innenstadt-Projekten in Deutschland geeinigt. Ganz einfach weil dieser Standard bei maximaler Rendite hinreichend Akzeptanz generiert.

    Dabei ist die hier entstandene Dichte auch meiner Meinung nach zu begrüßen. Aber was Urbanität bedeutet, da gehen unsere Vorstellungen offenbar weit auseinander. Dafür braucht es nicht nur eine hinreichende Verdichtung, sondern die Nutzungsmischung machts. Bezahlbarer Wohnraum, nette Nachbarschaft, kleine Läden und Gewerbebetriebe im Erdgeschoss. Früher mal hat es das in Hamburg auch in der Innenstadt gegeben. Mit Investorenbauten, teuren Büroflächen in den Obergeschossen und vermutlich mehr oder weniger ausschließlich Luxusläden unten ist das nicht zu machen. Aber das ist ja ein Verdrängungsprozess, welcher in allen europäischen Metropolen zu beobachten ist. Nur das sich dieser Prozess z.B. in Madrid oder London hinter historischen Fassaden abspielt. (Man siehe nur die ganzen Hostels, wo früher Menschen gewohnt haben.) Alle europäischen Metropolen sterben letzten Endes den gleichen Tod.

  • Was bei dieser Architektur fehlt ist zumindest ein kleiner Touch Handwerk. Die kleine gepflasterte Straße gibt den Hauch von Hinweis, da haben Menschen Steine gesetzt und das fühlt sich etwas weniger abweisend an. Man meint fast deshalb, diese Straße mit diesem Belag gehört nicht in diesen Stadtkontext. Da: Die Fassaden stattdessen erscheinen sehr industriell trotz einiger Feinglieder.

  • Auf diese gewisse Wertigkeit haben sich Investoren doch mittlerweile bei vielen Innenstadt-Projekten in Deutschland geeinigt. Ganz einfach weil dieser Standard bei maximaler Rendite hinreichend Akzeptanz generiert.

    Dabei ist die hier entstandene Dichte auch meiner Meinung nach zu begrüßen. Aber was Urbanität bedeutet, da gehen unsere Vorstellungen offenbar weit auseinander. Dafür braucht es nicht nur eine hinreichende Verdichtung, sondern die Nutzungsmischung machts. Bezahlbarer Wohnraum, nette Nachbarschaft, kleine Läden und Gewerbebetriebe im Erdgeschoss. Früher mal hat es das in Hamburg auch in der Innenstadt gegeben. Mit Investorenbauten, teuren Büroflächen in den Obergeschossen und vermutlich mehr oder weniger ausschließlich Luxusläden unten ist das nicht zu machen. Aber das ist ja ein Verdrängungsprozess, welcher in allen europäischen Metropolen zu beobachten ist. Nur das sich dieser Prozess z.B. in Madrid oder London hinter historischen Fassaden abspielt. (Man siehe nur die ganzen Hostels, wo früher Menschen gewohnt haben.) Alle europäischen Motropolen sterben letzten Endes den gleichen Tod.

    Wir liegen bzgl. Urbanität gar nicht so weit auseinander, wie du denkst. Ich habe eben immer den Vorgängerbau im Kopf: das Allianz-Hochhaus.

    Mit dem Abriss entwickelt sich Hamburg doch in die richtige Richtung. Letztens war ich beruflich in Düsseldorf. Bin von der Königsallee zu Fuß zum Hbf gegangen. Ich war sehr überrascht, wie schäbig und heruntergekommen die Stadt doch in großen Teilen wirkt. Und dann dieser gräßliche Platz der Deutschen Einheit! Ich erzähle das nur, weil alles eben relativ ist: in Hamburg hätte man das Hochhaus der Bundesbank bereits vor längerer Zeit abgerissen.

    Ich bin grundsätzlich ganz bei dir, dass mehr Wohnraum wünschenswert wäre, ebenso kleinere Parzellen mit Ladenfläche im EG, ähnlich der Schanze.

    Du darfst aber auch nicht vergessen - bzw. vielleicht kennst du die Gegend am Burstah nicht - dass dort eben schon viele kleinere Läden sind: Restaurants und Imbisse, Kleidungsläden, Apotheken, Friseure, Supermärkte, ein Irish Pub etc pp.

    So „tot“ wie in der Bohnenstraße ist es drumherum nicht.

  • (4) Johanniswall Höhe Burchardstraße:

    Hier würden Sprossenfenster wie bei dem gegenüberliegenden Kontorhaus imeiner Ansicht nach eine weitere Verbesserung bedeuten und zudem den Zusammenhang mit dem benachbarten Kontorhausviertel weiter betonen - zumndest bei diesem Gebäudetrakt -.

    Anbei das entsprechende Foto von Sonicted aus #720 in diesem Strang:73171-img-0332-jpg

  • Würden nicht. Der Architekt hat sich was dabei gedacht. Eine Horizontalteilung dieser Fenster würde die Dynamik dieser Fassade wohl etwas beeinträchtigen. Es handelt sich eben um keinen historischen Bau, wo Sprossenfenster eigentlich immer gut wirken.

    Unter Urbanität versteht man hier wohl meistens gründerzeitliche Pracht. Aber die gibt es leider nicht mehr. Der Vorzustand sah ganz anders aus, eher als genaues Gegenteil. Es will mir scheinen, dass man sich der Gründerzeit, zumindest was den Parameter Monumentalität betrifft, wieder etwas anzunähern versucht. Auch in puncto Fassadenrhythmik wirkt dieses Quartier eigentlich "klassischer" als der "klassische Wiederaufbaustil" der Wirtschaftswunderzeit, der idR völlg amorphe Straßenräume produzierte.

    Der Verweis Sonis auf Düsseldorf ist sehr gut und nützlich. Auch diese vorgeblich so elegante Stadt, die in Wahrheit nicht mehr aus dem 19 Jh, sondern aus der Nachkriegszeit stammt, kommt nunmehr in die Jahre und wirkt nur noch schäbig und stilistisch obsolet. Man hat diesen Unstil eigentlich satt. Könnte man meinen, wobei mitunter ein leicht zwiespältiger Eindruck entstehen könnte, nicht nur was von manchen ach so heiß geliebte Städte des Frankenlandes betrifft. Ich würde jedenfalls seinem Verschwinden keine Träne nachweinen und da ist mir die kalte Monumentalität dieses Quartiers mit ihren unzweifelhaften Meriten nur recht.

    Man muss übrigens nicht immer das "kälteste" Bild heranziehen - wie wär's etwa damit:

    73205-img-0316-jpg

    Ist das nicht fast ein Ansichtskartenmotiv? Ist es nicht hocherfreulich, dass der Rest der Nikolaikirche endlich eine würdevolle städtebauliche Einbettung erfahren hat und nicht als trostloses Solitär zwischen Hochleistungsstraßen und gesichtslosen Blöcken herumsteht (wie es wohl auf der anderen Seite noch der Fall ist)? Ist dieser neue Stil nicht mit der überlebenden Restbebauung weitaus kompatibler (siehe den Gründerzeitler rechts)?

    Bei so was komm ich einfach nicht mit:

    bei der geballten Ladung ewig gleicher seelentötender Lochfassaden

    Typische Lochfassaden finden sich im ganzen Quartier nicht, und was das "seelentötend" betrifft, na ja, da ist das hier natürlich das genaue Gegenteil:

    © Christoph Bellin, bildarchiv-hamburg.de

    (Christoph Bellin, Bildarchiv Hamburg de.)

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.