• Reliquien von Heiligen sind meistens verteilt, in Monstranzen, Kästchen, Medaillons...

    Ein befreundeter Geistlicher ist ein leidenschaftlicher Sammler, seine wertvollste Reliquie ist winzig klein. Er erzählte mir, dass viel getauscht wird, aber auch geteilt. Vermutlich wurde die gestohlene Reliquie durch eine weitere Sammlung ersetzt.

    Ich denke, dass die Tat bewusst gegen den Glauben begangen wurde. Reliquiensammler haben nämlich meist auch eine Verehrung gegenüber dem Heiligen, welches die Reliquie auch ausstrahlt. Ich glaube nicht, dass übertriebene Sammler oder "Kulturguträuber" am Werk waren, sondern eher Satanisten. Am 31.10. Halloween ist ja der Gedenktag des Heiligen Wolfgang, dessen Reliquie entwendet wurde und an diesem Tag finden meines Wissens ( um das Klischee zu bestätigen) viele satanische Rituale statt. Um in solchen Gruppen aufzusteigen, muss man solche Dinge als Beweis für bestimmte satanische Ergebenheit tun (steigert sich von Rang zu Rang..).

    Beauty matters!

  • Ich hatte nicht gedacht, dass es derart aktive wirkliche Satanisten hierzulande gibt. Für mich war das immer nur ein "Kleines-Mädchen-Getue", bei dem der Pentagramm-Kettenanhänger zum Rockfestival herausgepackt wird. Aber Ihr werdet es vermutlich besser als ich wissen.

  • Naja, es gibt sicherlich schon satanistische Gruppen welche Tiere "ofern", sich nachts auf Friedhäfen rumtreiben und Reliquien stehlen...

    als ich jedoch gestern in dem recht beschaulichen Örtchen Regensburg war, wundert es mich eigentlich daß es dort vorkommen kann.

    Polizeistreifen waren da recht rege unterwegs.

    Was ich in Regensburg jedoch sehr "sportlich" fand - obwohl es von der Anzahl der Menschen die draußen waren, außerordentlich überschaubar war...überall Maskenpflicht.

    Auch die Zugverbindung von München Hauptbahnof nach Regensburg ist nicht die angenehmste - ICE gibt es wohl keinen und 1,5 Stunden im RB Bummelzug mit Maske ist (gerade wenn man schon ohnehin etwas angeschlagen ist) alles andere als ein Vergnügen.

  • Regensburg ist alles andere als ein beschauliches Örtchen. Mit 150.000 Einwohnern ist die oberpfälzische Bezirkshauptstadt die mit Abstand einwohnerstärkste Stadt Ostbayerns (Niederbayern & Oberpfalz) und dementsprechend ist auch das Einzugsgebiet Regensburgs immens.

    Die "Ostbayerische Technische Hochschule" zählt mit 11.000 Studenten zu den grössten Fachhochschulen Deutschlands.

    An der Regensburger Universität sind wiederum 21.000 Studenten eingeschrieben.

    Und an einem lauen Sommerabend kann man durch die malerische und überaus belebte Regensburger Altstadt von Cafe zu Cafe flanieren, wie es mE in München nicht möglich ist.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • ich jedoch gestern in dem recht beschaulichen Örtchen Regensburg

    In Regensburg war ich auch schon mal. War schönes Wetter. Die Menschen waren nett. Satanisten habe ich keine bemerkt. Habe aber auch nicht danach gesucht. Viele Polizisten habe ich auch nicht wahrgenommen. Es waren allerdings viele Fußballfans unterwegs. Das lag sicher daran, dass ein WM-Spiel mit deutscher Beteiligung beim Publik Viewing übertragen wurde. Die Deutsche Mannschaft hatte gewonnen. Angereist bin ich übrigens mit dem Auto. Auf der Autobahn waren keine Staus. Auch die Parkplatzsuche war kein Problem, weil ich mein Auto in der Tiefgarage des Hotels abstellen konnte. Dies Stadt habe ich mir auch angesehen. Ist sehr schön da.

  • Ich kenne mich nicht mit Regensburg aus, und hatte noch nie die Gelegenheit die Stadt zu besuchen, ihr guter Ruf und ihre Einzigartigkeit in Sachen erhaltene Architektur in Deutschland eilt ihr jedoch voraus, besonders natürlich durch den UNESCO Weltkulturerbe-Titel.
    Nun wurde heute ein Rundgang durch die Altstadt bei Youtube hochgeladen...und nach betrachten von diesem, muss ich ehrlich gesagt gestehen, dass ich ziemlich enttäucht und entzaubert bin. Da steht aber jede Menge Nachkriegsschrott in der Altstadt herum. Sie wirkt nicht, wie eine gar nicht oder kaum vom Krieg berührte Stadt, sondern erinnert mich mit ihren zahlreichen Nackriegseinsprengseln, teils extrem unsensibel, eher an teilzerstörte Städte, wie meine Heimatstadt, Trier.
    Es ist auch besorgniserregend wie radikal hier anscheinend saniert wird. Jede Menge totsanierte, sterile Fassaden, modernistische Stadtmöblierung, und was hat man mit der Steinernen Brücke gemacht? Die Fahrbahn (es wird ja eigentlich nicht darauf gefahren) ist doch komplett neu und total steril. Ist das wenigstens Stein und nicht vielleicht sogar Beton/Kunststein? Man hat noch nicht mal verfugt, denn man kann durch die Lücken zwischen den Steinblöcken gucken. :unsure:
    Hier das Video, auf dass ich mich beziehe:

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  • Nein, Regensburg ist schon großartig. Zwar vermag es auf ersten Blick tatsächlich etwas zu enttäuschen, denn es fehlen spektakuläre Dinge wíe Fachwerk oder Volutengiebel. Aber die Altstadt hat ihre eigene, ganz genuine Qualität, die vielleicht erst bei eingehenderer Betrachtung hervortritt. Natürlich hat die BRD-Wirtschaftswunderzeit da und dort brutal zugeschlagen, aber die Kernaltstadt zählt zum Bedeutendsten und Geschlossensten, das D aufzuweisen hat.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Nun wurde heute ein Rundgang durch die Altstadt bei Youtube hochgeladen...und nach betrachten von diesem, muss ich ehrlich gesagt gestehen, dass ich ziemlich enttäucht und entzaubert bin. Da steht aber jede Menge Nachkriegsschrott in der Altstadt herum. Sie wirkt nicht, wie eine gar nicht oder kaum vom Krieg berührte Stadt, sondern erinnert mich mit ihren zahlreichen Nackriegseinsprengseln, teils extrem unsensibel, eher an teilzerstörte Städte, wie meine Heimatstadt, Trier.

    Ihr habt beide recht. Ich war gestern zufällig mal wieder in Regensburg und kann deinen Eindruck durchaus ein Stück weit nachvollziehen. Zur Enttäuschung gibt es allerdings keinen Grund, denn:

    die Kernaltstadt zählt zum Bedeutendsten und Geschlossensten, das D aufzuweisen hat.

    Die größten Lücken sind am Neupfarrplatz/Umgebung und am St.-Georgen-Platz/Donaumarkt und im Vergleich zur Gesamtaltstadt trotz der herben Verluste doch vom Anteil an der Gesamtsubstanz her (nicht jedoch vom visuellen Eindruck) eher vernachlässigbar.

    Das Problem m.E. in Regensburg ist, das man bereits seit den 30ern bis in die 60er und womöglich sogar darüber hinaus versucht hat, die Fassaden in der Altstadt erst zu "entschandeln" also auf einen vermeintlichen Originalzustand (das ging soweit, dass man in der Vorkriegszeit Spitzbögen in die Fassaden eingebaut hat) zurückzuführen, später dann, in den 60er ist das dann unter Label Modernisierung gelaufen. Man hat also den Stuck aus Barock, Biedermeier und Gründerzeit auf den mittelalterlichen Häusern (und den Gründerzeitlern außerhalb der Altstadt) radikal abgeräumt und dementsprechend haben heute viele Häuser einen eher herben Charme. 60er-Jahre-Kratzputz und ungeteilte/zweigeteilte Fenster finden sich sehr oft insbesondere in den vielen Gassen. Dazu kommt dass von dem ehemals reichen Bestand an Fassaden mit Fensterläden (erkennt man an den oft noch vorhandenen Einhängehaken) so gut wie nichts übrig ist (also die Häuser stehen noch, aber von den Fensterläden ist nichts übrig). Als Gegenbeispiel finde ich da Bozen immer recht passend, dass hat ja auch einen mittelalterlichen Kern, aber dort wirkt das in vielen Bereichen doch etwas freundlicher. Dort hat es offensichtlich keine "Entschandelungen" und keine Wohlstandsmodernisierungen a la Früh-BRD gegeben.

    Das beschreibt freilich nur grobe Tendenzen in meiner Wahrnehmung, in Regensburg gibt es auch den wunderbaren Haidplatz wo man nicht ganz so stark gewütet hat und in Bozen dafür das unsäglich Diözesanzentrum und das Pfarrheim unmittelbar neben dem mittelalterlichen Dom sowie den Dominikanerplatz ...

  • Man hat also den Stuck aus Barock, Biedermeier und Gründerzeit auf den mittelalterlichen Häusern (und den Gründerzeitlern außerhalb der Altstadt) radikal abgeräumt [...].

    Das wäre mir aber neu, dass es in Regensburg eine breitflächige und bedeutende Entstuckungsgeschichte gegeben hätte. Hier ein beispielhafter Vergleich der bedeutenden Donauansicht von 1860. Man sieht nahezu ausschließlich kahle, einfache Fassaden (auch ohne Fensterläden), wie man sie eben heute von vielen Ecken Regensburg so kennt. Man entschuldige die Auflösung, um die Perspektiven in Einklang zu bekommen, musste ich viel schneiden.

  • @Major, diese Häuser zeigen ja auch alle mehr oder weniger den "Rücken" und nicht die Hauptfassade. Das Bild ist deshalb m.M.n nicht so aussagekräftig. Grundsätzlich habe ich diese Info aus einer kleinen Reportage, die vor Jahren mal im BR gelaufen ist, dort war es ein (Kunst?)Historiker, der das formuliert hat. Wenn mich nicht alles täuscht, ging es da eben genau um diese sogenannten "Entschandelungen". Dazu wurden auch Beispiele gezeigt. Ob das nun "breitflächig und bedeutend" - wie du schreibst - passiert ist, weiß ich nicht, aber es gibt in der Altstadt eben tatsächliche viele Fassaden, die mir viel zu kahl für ihre Lage und Größe vorkommen. Ich halte es für sehr schlüssig, dass die Händler, Kaufleute, Patrizier im Barock und später ihre Fassaden reicher dekoriert haben, auch wenn die große Zeit der Stadt da längst vorbei war. Genauso schlüssig halte ich es, dass man den Stuck später entfernt hat.

    Ich versuche mal, ein paar Beispiele zu bringen.

    (Im gründerzeitlichen Bereich außerhalb der Altstadt war es ganz sicher so, ein Beispiel welches mir immer wieder ganz besonders aufgefallen ist und auffällt ist direkt neben dem alten Posthof am Galgenberg (im Bild rechts zu sehen), dort gibt es mehrere radikal entstuckte Gründerzeitler. Auch der Bahnhof ist ein prominentes Opfer der "Säuberung". Auch sonst findet man etliche Gründerzeitler, die leergeräumt wurden.)

    Wie gesagt ich halte es für absolut schlüssig, dass im Zuge dieser "Modernisierungs- und Purifizierungswellen" auch einige Fassaden in der Altstadt zum Opfer gefallen sind. Wo ich mir auch ganz sicher bin, ist bei den fehlenden Fensterläden, weil man bei vielen Häusern eben die Haken noch sehen kann. Zusammen mit besser gegliederten Fenstern wäre eine Wiederanbringung schon mal eine enorme Aufwertung für viele Häuser.

    Edit: Ein Beispiel, dass ich auf die schnelle finden konnte: Das Goldene Kreuz heute, in der Vergangenheit mit Stuck, in der Vergangenheit mit Stuck und Fensterläden. (die Fassaden gegenüber sind auch alle etwas vereinfacht worden)

    Beim gelb gestrichenen Haus rechts nebenan sieht man schön die vereinfachte Fenstergliederung und die fehlenden Fensterläden.

    Dieses Haus (wohl aus der ersten Hälfte des 19. Jh) am Neupfarrplatz ist ebenfalls vereinfacht.

    Man vergleiche mal die reiche Rokoko-Fassade (Restaurant "Weiße Rose") am Neupfarrplatz links im Bild einst:

    499px-Regensburg_Neupfarrplatz_1892.jpg

    und heute. Wohl ein frühes Opfer in der Gründerzeit und später nochmal zu seinem Ungunsten verändert. Auch das Eckhaus rechts der Mitte ("Engel-Apotheke") wurde zwar nicht komplett entstuckt, aber doch vereinfacht. Von den zwei Abrissen und deren mediokren Ersatzbauten ganz links und ganz rechts in diesem Bildausschnitt wollen wir gar nicht reden.

  • Gut, der Neupfarrplatz ist eine Katastrophe, angesichts dessen man an R. verzweifeln könnte. Generell könnte es sich bei diesen Entstucken um eine Art deutsches Gründlichkeits-Sauberkeits-Phänomen handeln, das mir auch schon in bezug auf Sachsen aufgefallen ist. Freiberg ist eine schöne alte Stadt, aber ich glaube, dass hier viel an Fassaden vereinfacht und "auf Renaissance" getrimmt und ihrer barock-gründerzeitlich gewachsenen Haut beraubt worden sind. Weniger bedeutende Stadtbilder wie Glauchau sind dadurch förmlich marginalisiert worden.

    Aber auch im Ausland gibt es ähnliche Entwicklung, drastisch zB der Hirschberger Markt mit dem Haus zum Goldenen Schwert.

    Im Falle dieses einstiges Regensburger Rokokohauses liegt der Sündenfall wie du schreibst wohl lange zurück. Der deutsche blanke-Fenster-Wahn tut sein Übriges. Alles in allem bliebe nur eine Fassadenreko, was immerhin möglich scheint.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das Problem m.E. in Regensburg ist, das man bereits seit den 30ern bis in die 60er und womöglich sogar darüber hinaus versucht hat, die Fassaden in der Altstadt erst zu "entschandeln" also auf einen vermeintlichen Originalzustand (das ging soweit, dass man in der Vorkriegszeit Spitzbögen in die Fassaden eingebaut hat) zurückzuführen, später dann, in den 60er ist das dann unter Label Modernisierung gelaufen.

    Ich kenne mich in der Restaurierungsgeschichte Regensburg nicht aus, aber in Kunstdenkmälerbänden in den 1960er/70er Jahren spielt Regensburg oft eine Rolle, und man findet dort auch baugeschichtliche Forschungshinweise. So denke ich, dass die Denkmalpflege damals eher darauf erpicht war, ein Gebäude oder Gebäudeteile möglichst auf ihren Urzustand oder früher nachweisbaren Zustand zurückzuführen. Regensburg war damals schon als mittelalterliche und spätmittelalterliche Altstadt bekannt, und so kann ich die damalige Denkmalpflege nachvollziehen, möglichst diese Stadtbildepoche herauszustreichen. Die heutige Denkmalpflegedoktrin ist davon abgerückt (das extreme Gegenbeispiel war das Wirken Violet le Ducs).

    Ich halte es für sehr schlüssig, dass die Händler, Kaufleute, Patrizier im Barock und später ihre Fassaden reicher dekoriert haben, auch wenn die große Zeit der Stadt da längst vorbei war.

    Diese 'Zutaten' wiederspiegelten auch nicht mehr die grosse Zeit der Stadt, und das 19. Jh. hatte noch nicht den denkmalpflegerischen Stellenwert wie heute. Somit war die Entscheidung zu einer Rückführung in einen 'Urzustand' nachvollziehbar. Ich weiss nicht, wann die Restaurierung des 'Goldenen Kreuzes' stattfand, aber wenn ich die Bilder im folgenden Zitat betrachte, finde ich es fast eine Wohltat, was dort gemacht wurde. Mit diesem neugotischen Zierrat erinnert mich das Gebäude vielmehr an eine Kaserne aus den 1860er Jahren als an ein mittelalterliches Stadtpalais:

    Edit: Ein Beispiel, dass ich auf die schnelle finden konnte: Das Goldene Kreuz heute, in der Vergangenheit mit Stuck, in der Vergangenheit mit Stuck und Fensterläden.

    Man muss daher unterscheiden, ob so eine Entstuckung oder Entschandelung eine denkmalpflegerische Entscheidung war oder eine rein kommerzielle.

    Zur Rokoko-Fassade (Restaurant "Weiße Rose") kann ich mangelnden Wissens nichts sagen. War es vielleicht auch neubarocker Stuck, der eher geopfert wurde? Und vor allem, wann fand dort die Entstuckung statt?

    Fensterläden - nicht in jeder Stadt haben Fensterläden Tradition (siehe Nürnberg, wo ich nur bei Fachwerkbauten in früheren Abbildungen ab und zu Fensterläden bemerke, bei den Steinbauten praktisch nie). Es mag sein, dass es in Regensburg im 19. Jh. mal ein Phase gab, während der Fensterläden on vogue waren. Genau wie die Sonnen-Rafflamellenstoren in den 1870/90er Jahren. Eine Tradition von Fensterläden erkenne ich aber nicht.

    Wenn ich ein kurzes Fazit nach der Betrachtung weiterer historischer Abbildungen zu schreiben wage, so denke ich, dass es in der Altstadt vor allem denkmalpflegerische Entscheidungen waren, die zur Vereinfachung von historischen Fassaden führten. Die negative Folge davon, dass Hauseigentümer in und ausserhalb der Altstadt mit Vereinfachungen nach ihrem Geschmack nachzogen, war nicht voraussehbar.

  • Ich bin kein Regensburg-Experte, aber ich hab mal eine Stadtführung mit Matthias Freitag, einem der größten Kenner der Geschichte Regensburgs, mitgemacht, bei der wir auch auf die etwas nackt und steril wirkenden Fassaden zu sprechen gekommen sind. Er hat gesagt, dass auch zu den Glanzzeiten der Stadt die Fassaden größtenteils schlicht und glatt waren, man aber einige wichtige, an den Hauptachsen gelegene Häuser bemalt hat, berühmtestes Beispiel Goliathhaus (Fresko von 1573). Es ist halt eine mittelalterlich gebliebene Stadt, die in der Neuzeit den Hauptteil ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung eingebüßt und sich dementsprechend nicht wirklich weiterentwickelt hat - der Reichtum fand in Bayern dann woanders statt, zunächst in Landshut, dann in München. Von daher glaube ich nicht, dass es im Regensburg der Renaissance und des Barock sonderlich viele reich verzierte Fassaden gab, die von Thommystyle gezeigten Beispiele dürften eher Ausnahmen gewesen sein. Vielleicht hat man im 19. Jh, wie Riegel vermutet hat, eine Phase gegeben, wo man die Stadt "aufwerten" wollte, aber ein Wunder an Ornament war Regensburg sicherlich nie.

    Das eigentliche Problem der heutigen Altstadt Regensburgs liegt meines Erachtens darin, dass die Fassaden nach dem Krieg auf zu moderne und unsachgemäße Weise renoviert wurden, nämlich mit Zementputzen und Dispersionsfarben statt Kalk. Das hat den Häusern viel von ihrer Ausstrahlung genommen und gibt vielen von ihnen fast schon das Aussehen von Nachkriegsbauten. So eine mittelalterliche Stadt braucht eine Aura und die wurde, wie Ursus richtig angemerkt hat, mit dem deutschen Sauberkeitsfimmel gründlich ausgemerzt.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Bitte nicht falsch verstehen, mir gehts nicht darum, aus dem Vor-WKI/WKII Regensburg ein vermeintliches Bamberg zu machen von den Verhältnissen der Architekturdekoration. Aber es gibt für mich doch ein paar Indizien, die dafür sprechen, dass es in vielen Ecken so ausgesehen haben könnte, wie es am Fischmarkt heute noch aussieht, oder hier. Also gar keine große Stuckateurskunst, sondern hier Lisenen, dort Fensterprofile, am übernächsten Haus Fensterläden etc etc.

    Ein weiteres Beispiel hier, am Krauterermarkt:

    Wenn man dieser Lithographie von Samuel Prout von 1833 glauben darf, wurde hier ebenfalls eine reiche Rokoko-Fassade zerstört:

    Lithographie_-_Regensburg_-_Krauterermarkt_-_Prout_-_1833.jpg

    gemeinfrei, wikimedia commons

    Man erkennt auch links am Haus Heuport noch weitere Architekturdekoration, die Spiegel; um 1910 ("J. Dietl Fleischhacker") war das alles schon wieder weg bzw. vereinfacht:

    AK_-_Regensburg_-_Kr%C3%A4utermarkt_mit_Stra%C3%9Fenbahn_-_um_1910.jpg

    dafür sehen wir rechts Häuser mit gründerzeitlicher Dekoration, die wiederum heute nicht mehr existiert:

    1024px-Wei%C3%9Fe-Hahnen-Gasse_4,_Ansicht_Krauterermarkt_Regensburg_20180515_001.jpgTilman2007, CC BY-SA 4.0, wikimedia commons

    Lustigerweise hat man bei dem grünen Gründerzeitler (furchtbare Farbe eye:) ) die Dekoration auf der anderen Seite zur Goliathstraße hin auf der Fassade belassen.

    aber ein Wunder an Ornament war Regensburg sicherlich nie.

    Das eigentliche Problem der heutigen Altstadt Regensburgs liegt meines Erachtens darin, dass die Fassaden nach dem Krieg auf zu moderne und unsachgemäße Weise renoviert wurden, nämlich mit Zementputzen und Dispersionsfarben statt Kalk. Das hat den Häusern viel von ihrer Ausstrahlung genommen und gibt vielen von ihnen fast schon das Aussehen von Nachkriegsbauten. So eine mittelalterliche Stadt braucht eine Aura und die wurde, wie Ursus richtig angemerkt hat, mit dem deutschen Sauberkeitsfimmel gründlich ausgemerzt.

    Auch meine Sicht der Dinge. Ich möchte die Aufmerksamkeit nochmal auf diese Ansicht der Franziskanergasse von Bozen lenken. Auch absolut kein "Wunder an Ornamenten", Standardware, möchte man fast sagen, wahrscheinlich 19 Jh. Aber es verleiht der Gasse doch etwas malerisches, etwas was in Regensburg oft abgeht, trotz der immer noch vorhandenen Substanz.

    Ein weiteres Beispiel, bitte nicht auf das Hauptmotiv, die historische Wurstkuchl achten, sondern die beiden Häuser im Hintergrund:

    heute und damals, das weiße Haus direkt dahinter ist an der Fassade komplett abgeräumt, das Haus rechts daneben (nicht der Salzstadel ganz rechts im Bild) ist aber noch interessanter: es hat heute immer noch Stuck, aber auf dem historischen Bild kann man - wenn man genau hinschaut - oberhalb der Fenster Festons erkennen - womöglich also Zopfstil, ausgehendes 18. Jh. - und auch direkt unterhalb kann man ein Gliederungselement erkennen, wobei ich nicht mehr erkenne, um was es sich genau handelt, vielleicht ein Fassadenspiegel, und ein Stockwerk darunter sieht man eine Fensterbedachungen, das fehlt heute alles.

    Nächstes Beispiel: Zieroldsplatz. Dort hat eine Fassadenbemalung überlebt. Ich nehme stark an, dass man diese aufgrund von Befunden wiederhergestellt hat. Gleich links im verlinkten Bild sieht man einige "mittelalterliche" Fassaden, die mir aber verdächtig nach diesen Vorkriegssanierungen aussehen, als man die deutsche Gotik stärker hervorheben wollte und an gar nicht so wenigen Fassaden Fensterlaibungen aus Stein oder wie schon erwähnt sogar Spitzbögen eingefügt hat.

    Oftmals sind es auch kleine Details, die eine große Wirkung erzielen: Ein Haus am Neupfarrplatz Richtung Bachgasse war auch vor 100 Jahren schlicht, bis auf zwei Details: Fensterlaibungen aus Stein in den Obergeschossen und ein gegliedertes Erdgeschoss. Die steinernen Fensterlaibungen sogar samt Sprossenfenster existieren auch heute noch. Die simple, "in Streifen" (ich weiß den Fachbegriff gerade nicht) gegliederte Erdgeschosszone wurde "geglättet", blanke Fläche und ungegliederte Schaufenster. Das Haus schaut, obwohl wirklich nicht viel verändert wurde, heute irgendwie "nackt" aus. So sehr, das ich eben vermutet hatte, da sind größere Veränderungen daran vorgenommen worden, was nicht der Fall war. Die ursprüngliche simple Gliederung in der Erdgeschosszone lässt das Haus aber einfach wesentlich stimmiger aussehen.

    So denke ich, dass die Denkmalpflege damals eher darauf erpicht war, ein Gebäude oder Gebäudeteile möglichst auf ihren Urzustand oder früher nachweisbaren Zustand zurückzuführen.

    Genau, insbesondere in den 30er bis 60er war das der Fall. Das Beispiel Haus Heuport findet sich hier mit zwei Vergleichsaufnahmen vor und nach '35, als "gotische" Zutaten hinzugefügt wurden, auf der letzten Seite. Gut, da ist die Frage, ob das tatsächlich nachweisbar war. Wobei auf der Aufnahme, die mit vor '35 datiert ist, auch sonst kein Schmuck mehr zu erkennen ist, anders als auf der Lithographie oben.

    Umgekehrt kann ich mir gut vorstellen, das beim Goldenen Kreuz diese Pseudotudorgotik des frühen 19. Jh entfernt wurde, ebenfalls als denkmalpflegerische Maßnahme.

    Ich weiss nicht, wann die Restaurierung des 'Goldenen Kreuzes' stattfand, aber wenn ich die Bilder im folgenden Zitat betrachte, finde ich es fast eine Wohltat, was dort gemacht wurde

    Das ist ein wenig auch Geschmackssache. Die Gliederung, alles ein bisschen schief, schenkt dem Haus aus meiner Sicht noch ein bisschen mehr Charakter. Ich denke auch nicht, dass hier der Eindruck einer Kaserne entstanden ist. Dafür war der Bau von Haus aus zu unregelmäßig und die Fassadengliederung aus dem 19. Jh auch recht unregelmäßig, wenn man in das Foto von meinem letzten Beitrag reinzoomt, kann man das schön erkennen. Dass das nicht bauzeitlich und auch nicht die große Stuckateurskunst war, versteht sich von selbst. Solcherlei Analyse geht mir aber schon zu sehr in die akademische Denkweise. Oft ergibt sich der malerische ("romantische") Eindruck bei Häusern, die selbst recht "schief" und schon uralt (mittelalterlich) sind und zusätzlich dann eben in späteren Epochen nochmals versucht wurde, sie im Barock oder Biedermeier mit Stuck "aufzuhübschen".

    Eine Tradition von Fensterläden erkenne ich aber nicht.

    Das mag so sein oder auch nicht, (woran erkennt man eine Tradition von Fensterläden? viele Haken sind ja noch vorhanden...) Der Eindruck von Häusern mit Fensterläden ist jedenfalls wesentlich freundlicher und gliedert die Fassade auch noch mal. Muss es dazu dann unbedingt eine Tradition geben, wenn etwas passt? Aus denkmalpflegerisch-akademischer Sicht vielleicht schon, aus einer städtebaulichen Sicht der Dinge, die von Harmonie und Schönheit geleitet sein sollte, doch nicht wirklich, bzw dann kann man ja eine neue Tradition begründen... :wink:

    Vielleicht rührt ja auch daher auch ein wenig die Enttäuschung von Treverer, dass man eben dieses Malerische unterbewusst in der Erwartungshaltung hat, wenn man so eine alte und größtenteils erhaltene Stadt wie Regensburg besucht und sie an nicht wenigen Stellen dann doch recht überformt und überhaupt nicht mehr "romantisch" oder alt wirkt.

    Aber damit will ich es bewenden lassen. Die große Misere in Regensburg wurde ja schon angesprochen: viele, wenig sensible Sanierungen nach dem 2. WK (der deutsche Reinheitswahn war halt da immer noch omnipräsent in den Köpfen) und zusätzlich kommt dann noch - wie so oft - an vielen Stellen eine unpassende Straßenbelags- und Straßenmöblierungsgestaltung hinzu. Mit diesem Anblick am Eingang zur Altstadt kann halt auch ein Weltkulturerbe keinen Blumentopf gewinnen. Aber seien wir froh, sehr sehr viele Häuser stehen noch und vielleicht erbarmen sich die Besitzer und führen in Zukunft sensiblere Sanierungen durch. Und vielleicht steigt auch bei der Stadt in Zukunft wieder die Sensibilität in Hinblick auf die Straßengestaltung, nach der kleinen Katastrophe in der Max.straße, die ja auch von den dort ansässigen Händlern mittlerweile massiv kritisiert wird...

    (Über das Hotel Karmeliten, auch eigentlich ehemals in der Altstadt gelegen, brauchen wir uns nicht mehr unterhalten, das durfte vor wenigen Jahren abgerissen werden, trotz gut erhaltener Substanz. Entstuckter Anblick vor dem Abriss und zur Entstehungszeit. Beim Nachfolgebau hätte man mit ein wenig mehr (Qualität) viel erreichen können, aber da ist die Stadt viel zu willfährig gegenüber den Investoren gewesen…)

  • Ich versuche mal, ein paar Beispiele zu bringen.

    Danke für die Sensibilisierung für das Thema. Das wäre ja schon ein starkes Stück, wenn man als denkmalpflegerische Maßnahme hunderte Jahre alte Fassadendekoration aus Rokoko oder Barock für eine (scheinbare) Kosistenz entfernt hätte. Entsprechend verwunderlich, wenn es sich nicht nur um Rückbau von ,,unauthentischen" historistischen späteren Ergänzungen gehandelt hätte, dass man im Gegensatz zu anderen Städten, wo sogar Historismus wiederbestuckt wird, quasi überhaupt keine Wiederbestuckung auch weit über Regensburg hinaus in Erwägung zieht.

    Durch so eine Kontinuität einer urspünglich intendierten Konsistenzmachung entstehen erst die gut bekannten Misskonzeptionen gerade auch in der breiten Bevölkerung, wie z.B. dass Burgen kahle dunkle Bruchsteingemäuer waren, die Menschen in der frühen Neuzeit alle in rauen schmucklosen Häusern gelebt hätten, überwiegend in Brauntönen, ganz so wie es auch Hollywood darstellt. Oder eben dass es in Süddeutschland weniger Fassadenschmuck gegeben haben muss. Da fällt mir auch immer als weiterführendes Beispiel Augsburg ein, wo man weiß, dass es eben sehr viel Fassadenbemalung gab, die sich schlechter erhält und so womöglich den Eindruck verzerrt im Kontrast zu Städten, die in Epochen wuchsen, welche mehr mit Putz arbeiteten.

  • Ein äusserst wertvolles Baudenkmal in der Regensburger Altstadt wird saniert: der während des 30-Jährigen Kriegs bei der Dreieinigkeitskirche angelegte Gesandtenfriedhof.


    Zitat

    Beinahe 100 verstorbene europäische Gesandte des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg (1663-1806) liegen dort begraben. An sie erinnern teils einfache Grabplatten, teils pompöse Monumente. Sie wurden von 1633 bis 1805 errichtet, vor fast 400 Jahren - und sie beginnen zu bröseln und zu bröckeln.

    Gesandtenfriedhof kann saniert werden


    Gesandtenfriedhof Regensburg

    HH58, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

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    Rege ich mich unbegründeter Weise auf bezüglich der getroffenen Aussagen? Wie kann man als Architekt auf so einem Haus stehen, und dann von der Flachdach-Dachterrasse mit Blick in eine Altstadtszenerie davon schwafeln, dass man diesen Raum schützen muss.

  • Zitat aus dem Videobeitrag:

    Zitat

    Viele sind da ja reingezogen, um diese Atmosphäre zu geniessen, in einer der schönsten Städte der Welt wohnen zu dürfen. Und da sollte man behutsam damit umgehen.

    So eine Heuchelei... Wenn er auf seine Dachterasse steigen will, muss er den Elektromotor anwerfen, damit sich der Ausstieg automatisch öffnet. Hat der Typ noch nie einen alten Dachausstieg mit Gegengewicht erlebt, in welchem man die Ausstiegsabdeckung mit wenig Muskelkraft öffnen kann? Ja ja, und für das braucht es eben eine Photovoltaikanlage.

    Hier eine Flugaufnahme seines Wunderwerks. Natürlich ist er der einzige, der sich nicht an die Dachlandschaft gehalten hat. Aber er selber kann von seiner Dachterasse aus - wie er im Videobeitrag selbst sagt - "[um] diese Atmosphäre [zu] geniessen". Egoismus pur! Vielleicht konnte er sich beim Bewilligungsverfahren mit seinem Turmhaus durchsetzen, indem er an die (vergangene und nur in zentralen Bereichen der Altstadt vorkommende) Tradition der Geschlechtertürme anknüpfte.

    Flugaufnahme aus der Altstadt mit Wohnturmansammlung.