Stuttgart - Willy-Brandt-Straße

  • Sehr verehrte Forumsteilnehmerinnen und Teilnehmer, wurde dieses Thema in diesem Forum schon behandelt? Bin für Hinweise dankbar...

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • Wenn du uns genau schreibst was du meinst können wir dir sicher weiterhelfen... so kann zumindest ich nichts dazu sagen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Mein Gott! :schockiert: Was haben die da bloß einfach so vernichtet...und wieso - sollte die Straße verbreitert werden?

    Leben wir eigentlich in der 60er Jahren? Solche Bilder kennt man leider aus [lexicon='Leipzig'][/lexicon], aber hat nicht gerade Stuttgart schon mehr als genug eingebüßt?

  • Diese Stelle kenne ich - sie liegt genau gegenüber einem zeitweise geschlossenen Luxushotel in Bahnhofsnähe.

    Allerdings waren die Häuser wirklich total heruntergekommen und auch nicht sehr attraktiv - ich glaube, sie standen dort auf einer Wiese im Besitz der deutschen Bahn. Die Straße wurde aber nicht verbreitert, lediglich diese Gebäude wurden abgerissen. Einen Verlust stellt das aber meines Erachtens nicht dar...

  • ...das waren die denkmalgeschützten(!) Häuser einer ehemaligen Prachtstraße. Eines davon hatte sogar den ersten Dachgarten Stuttgarts. Obwohl sich viele Menschen für den Erhalt der Häuser aussprachen und sogar ein Unternehmer bereit war, diese zu kaufen und zu sanieren (er wollte die Häuser sogar "verschieben", hatte Petitionen im Landtag eingebracht und rechtlich alles versucht, dies zu verhindern), wurde in einer Nacht und Nebelaktion ein Abbruchunternehmen beauftragt, die Häuser zu zerstören. Ich habe Fotos von den prachtvollen Fliesen und Haustüren. ..
    Seit dieser Zeit halte ich nichts mehr vom Denkmalschutz. Zu was ist er eigentlich da, wenn so etwas passieren kann.
    Der Grund: Man wollte "Planungssicherheit" für Stuttgart 21. Der bden-württembergische Finanzminister Stratthaus war der Hauptschuldige!

    Der Tiefpunkt der Baukultur wurde in den 60er und 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts erreicht...

  • memet

    ich hatte die sache seinerzeit auch verfolgt.
    die wellen schlugen sogar so hoch, dass in
    funk und fernsehen über diesen skandal
    berichtet wurde. die häuser waren in ihrer
    substanz sehr gut und wie gesagt, letzter
    rest einer prachtallee. so etwas zu beginn
    des 21.jht. in einer geschundenen stadt
    wie stuttgart durchzuführen ist ein verbrechen.

  • Dieses Bild zeigt die Neckarstrasse Ende der 60er Jahre. Die gelb markierten Gebäude (dazwischen Bombenlücken) wurden seitdem nach und nach abgerissen, lediglich die 3 grün markierten stehen noch (wie lange?). Die einstige Schönheit der Straße ist so gut wie nicht mehr nachzuvollziehen:

    In dubio pro reko

  • In diesen Häusern befindet sich eine Polizeiwache. Die beiden Gebäude sind dafür aber recht unpassend. Sobald das Land wieder mehr Geld hat, muss man befürchten, dass diese auch noch abgerissen werden und durch einen schönen Neubau (vgl. neue PD in Kassel) ersetzt werden. Vielleicht werden sie aber schon früher abgerissen, wenn das Wahnsinnsprojekt Schrottgart 21 gebaut wird.

  • die noch stehenden Häuser scheinen auch schon teilweise entstuckt worden zu sein...

    "... es allen Recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand kann..." (Goethe)

  • Zitat von "memet"

    ...das waren die denkmalgeschützten(!) Häuser einer ehemaligen Prachtstraße.

    Das mit dem Denkmalschutz ist schon mystisch. Einerseits welch gebaute Häßlichkeit (Stuttgarter Rathaus, neue Marktplatzfassade) unter ihn gestellt wird und zweitens wie man trotzdem mit geschützten Objekten verfährt. Vielleicht kann hier jemand etwas Licht hereinbringen.

    Zitat von "memet"

    Obwohl sich viele Menschen für den Erhalt der Häuser aussprachen und sogar ein Unternehmer bereit war, diese zu kaufen und zu sanieren (er wollte die Häuser sogar "verschieben", hatte Petitionen im Landtag eingebracht und rechtlich alles versucht, dies zu verhindern)

    Das ist nur die halbe Wahrheit bzw. die der letzten Tage. Ich habe das andernorts schon kritisiert. Jahrzehntelang geschieht nichts, kein Vorschlag, kein Investor, nichts für die Gebäude! Erst als dann der lange absehbare Abriß kurz bevorsteht, werden noch schnell hektisch Pläne gemacht, deren Ernsthaftigkeit wohl umgekehrt mit der Planungszeit korrelieren dürften; ich sag jetzt nur "verschieben".

    Kurzum: Altbaufreunde sollten hieraus lernen und rechtzeitig sowie v.a. ernsthaft Pläne zur Erhaltung ausarbeiten.

    Der pikante Abschuß war dann übrigens, daß sich auch noch die Stadt Stuttgart durchgerungen hat, für die Petition zu sein. Plötzlich. Ausgerechnet die Stadt, welche für wesentlich schlechtere Bauqualität als das Land steht. Man vergleiche nur Staatsgalerie mit Kunstmuseum, Landtag mit Rathaus oder Regierungspräsidium mit dem bald entstehenden städtischen Verwaltungsbau am Österreichischen Platz. Und wie man liest, ging die Erhaltung des Neuen Schlosses schon damals am wenigsten auf die Offiziellen der Stadt zurück.

  • Das waren zum Schluß leider nur noch unschöne Ruinen, die noch dazu recht verloren herumstanden, weil der Rest schon zuvor abgerissen worden war.

    Gefunden habe ich: http://www.vonzeitzuzeit.de/index.php?temp…ma&theme_id=153

    Ein wenig Hintergrundinformationen gibt es hier: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.archite…02b43b735b.html

    Kaum vorstellbar, daß das mal eine Prachtstraße war:

    stadtbild-deutschland.org/foru…ry/index.php?image/19357/

    Nein, das waren weder unschöne Ruinen, noch standen sie herum. Das war die fast komplett erhaltene Seite eines gründerzeitlichen Straßenzugs. Mit ein wenig Phantasie hätte man diesen Teil Stuttgarts zu einem attraktiven Ort machen können, zumal dahinter der Park ist. Eine Verbindung der Häuser mit der dahinter liegenden Grünfläche håtte sicher einen Beitrag zur Reduzierung der an dieser Stelle besonders hohen Feinstaubbelastung geleistet. Die Häuser standen unter Denkmalschutz, aber in einer schon fast kriminellen Absprache der Politiker untereinander (und hier waren wirklich alle Parteien dabei) und unter Umgehung von denkmalschutzrechtlichen Gegebenheiten hat man hier wie in einer Bananenrepublik Fakten geschaffen und in einer Nacht und Nebelaktion die Häuser abgerissen. So etwas kann man eben nur in einer Stadt machen, in der 90 Prozent Provinzler leben, die weder an Kulturgūtern noch an einem attraktiven Stadtbild interessiert sind. DIESE Aktion hat auch ganz genau gezeigt, wie es möglich war (und immer noch ist), dass sich die Innenstadt von Stuttgart zu so einer Tristesse und Ödnis entwickeln konnte.

    Neckarstr.1
    Neckarstr.2
    Neckarstr,3
    Neckarstr.4
    Neckarstr.6
    Neckarstr.7
    Neckarstr.8
    Neckarstr.9
    Neckarstr.12
    Neckarstr.11
    Neckarstr.13

    12 Mal editiert, zuletzt von Beletage (6. Januar 2018 um 21:59)

  • Da die Abbruchaktion ganz schnell durchgeführt wurde, war nicht einmal die Möglichkeit gegeben, Teile der wertvollen Inneneinrichtungen zu retten. ALLES wurde zerstört, und nicht einmal die Denkmalschutzbehörde hat eingegriffen....

  • Offenbar redet Ihr von der damaligen Neckar- und jetzigen Willy-Brandt-Straße. Das Thema wurde doch bereits besprochen: Stuttgart - Willy-Brandt-Straße. Leider fehlen dort die Bilder und die Links sind auch überwiegend tot. Vielleicht ein Anlass, dieses Thema noch einmal (wenn es geht, gründlich und systematisch) darzustellen.

    Nachtrag: Diese Beiträge befanden sich zunächst im Strang Stuttgart 21. Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis auf den vorliegenden Strang zu verstehen.

  • Nein, das waren weder unschöne Ruinen, noch standen sie herum. Das war die fast komplett erhaltene Seite eines gründerzeitlichen Straßenzugs. Mit ein wenig Phantasie hätte man diesen Teil Stuttgarts zu einem attraktiven Ort machen können, zumal dahinter der Park ist.

    Zunächst einmal sollten wir die Diskussion zu diesem Bauten tatsächlich in den obigen Strang verschieben, da der Abriß nichts mit Stuttgart 21, sondern mit dem Neubau des Innenministeriums etwas zu tun hat (der durch den Tausch der Grundstücke und Bebauung zwischen Stadt und Land erst möglich wurde).

    Die Bauten befanden sich in ruinösem Zustand und lagen zudem direkt an der an dieser Stelle sechsspurigen und sehr stark befahrenen "Stadtautobahn", was einen attraktiven Ort fast unmöglich macht. Zudem war hier nichts "fast komplett erhalten", das waren vielmehr die letzten 4 von insgesamt rund 70 Häusern auf einer Länge von 500 Metern zwischen Charlottenplatz und Neckartor.

    Nur ganz wenige Gebäude haben den Krieg, vor allem aber die Bauwut der Nachkriegszeit überlebt. Waisenhaus, Wilhelmspalais, Opernhaus und Alte Staatsgalerie – diese vier stehen noch an der Konrad-Adenauer-Straße. Weiter unten haben genau zwei Bürgerhäuser, jene links neben dem Wagenburgtunnel, die Zeiten überdauert. Alle 70 weiteren sind abgerissen worden, viele erst in den 1960-er Jahren, die letzten übrigens in einer klammheimlichen Hauruck-Aktion im Jahr 2004, als das Land Platz für das neue Innenministerium an der Willy-Brandt-Straße benötigte. Klaus Jan Philipp, Professor am Institut für Architekturgeschichte, übte jetzt Kritik an der damaligen Abrisspraxis: Viele Häuser hätten den Krieg einigermaßen unbeschadet überstanden, hätten dann aber der rigorosen Verkehrspolitik der Stadt weichen müssen.

    Nach dieser unerfreulichen städtebaulichen Fehlentwicklung hin zur "autofreundlichen Stadt" mit den damit verbundenen Abrissen und dem Bau überdimensionierter Straßen war der Abriß nur der folgerichtige Abschluß und letztlich unvermeidlich. Wobei ich die Bauten nie besonders ansprechend fand, ähnliche Gebäude gibt es noch in großer Anzahl.

    Daß die Ruine der Freitreppe des ehemaligen Lustschlosses gleich hinter dem Ministerium seit vielen Jahren nur äußerst notdürftig mit einer Art von hellgrüner Plastikkonstruktion gegen den endgültigen Einsturz gesichert wird, paßt das wunderbar ins Bild.

    Eine Verbindung der Häuser mit der dahinter liegenden Grünfläche håtte sicher einen Beitrag zur Reduzierung der an dieser Stelle besonders hohen Feinstaubbelastung geleistet

    Das ist zwar reichlich OT, aber die höchsten Feinstaubbelastungen treten wohl generell in U-Bahn-Stationen aufgrund des Abriebs an Schienen und Bremsen auf, was im Ausland auch umfassend erforscht wird (siehe z. B. hier) und zum Einbau entsprechender Filteranlagen führt. Da dies aber wohl nichts in grüne Weltbild paßt, ist hiervon in deutschen Medien genauso wenig zu lesen wie vom Elektrosmog durch Oberleitungen.

    Statt dessen schießt man sich auf den Diesel ein, wobei alle Verbrennungsmotoren zusammen nur etwa 4 % des Feinstaubs erzeugen und zudem die Werte für Feinstaub und Stickoxid für Büros und Industrieanlagen höher liegen als im Freien (siehe https://www.maschinewerkzeug.de/betriebsmittel…tz-1139636.html bzw. https://www.heise.de/tp/features/Di…ll-3781177.html bzw. https://www.aerzteblatt.de/forum/120300/A…oche-zugelassen).

    P.S. Ich habe keinen Diesel und benutze schon allein aufgrund der zahllosen Staus fast nur die Stadtbahn.

  • Zunächst einmal sollten wir die Diskussion zu diesem Bauten tatsächlich in den obigen Strang verschieben, da der Abriß nichts mit Stuttgart 21, sondern mit dem Neubau des Innenministeriums etwas zu tun hat (der durch den Tausch der Grundstücke und Bebauung zwischen Stadt und Land erst möglich wurde).

    erledigt