Sonstige Meldungen aus Deutschland

  • hi antiquitus 8)

    grundsaetzlich waere deine kritik an 'oeffentlicher nutzung' ok, wenn die heile welt der sozialen marktwirtschaft und der D-Mark noch existieren wuerde... also a la: du eroeffnest nach dem studium ein Geschaeft in der innenstadt und zusammen mit deinem freund, der gerade seine eigene anwaltskanzlei gegruendet hat, kauft ihr nach 5 jahren guten arbeitens und wachstum eine kleine burg...

    also so aehnlich war das wohl noch 1950 -80 moeglich, heute laeuft es aber anders:
    dein freund und du arbeiten trotz doppel diplom und 4 sprachen ein leben lang als angestellte mit +- subsistenzgehalt + kleineren annehmlichkeiten (wohnung ueber 25 jahre finanziert und auto gekauft), da ansonsten nur noch internationale oligopole das gesamte geschaeftsleben beherrschen.

    die burg wird dann einmal samt landstrich an einen chinesischen industrie oligarchen oder einen globalen fond verkauft und der normalbuerger zahlt fortan an drei tagen der woche eintritt will er die kulturgueter sehen, oder er konsumiert im dortigen restaurant entsprechend der dauer seines aufenthaltes, ansonsten wird die immobilie zu horrenden tagessaetzen an finanzkraeftige veranstalter vermietet, die gemeinde kann zum dorffest sich die miete der burg aber vermutlich nicht mehr leisten.

    in wikipedia steht zur geschichte der burg, das diese einmal samt umliegenden doerfern und landstrichen verkauft wurde.

    back to the future.

    (wohlgemerkt ist das ueberzogen und in ostdeutschland sind wir noch nicht so weit, aber das kommt schon noch, in der schweiz oder suedfrankreich kann man diese entwicklung schon einmal miterleben...nennt sich kapitalismus)

  • Wirklich unglaublich. Man sagt immer, daß die Trends auf dem Land ankommen, wenn sie in den Städten schon längst aus der Mode sind. Das ist der traurige Beweis.

    (Das betrifft natürlich nur die Wertschätzung des Alten, nicht die Rekonstruktion von Gebäuden. Daß abgegangene Häuser in Dörfern rekonstruiert werden, dürfte noch länger auf sich warten lassen, aber man kann ja nie wissen.)

  • baukunst-nbg

    ich bin auf diese obskure "Bürgerinitiative" aufmerksam geworden, nachdem einer dieser Herren einen GB-Eintrag bei einer Internetseite eines Nachbardorfes als "Werbung" (mit Link) hinterlassen. Tatsächlich ist die Seite immer noch im Netz (aber ohne Bilder).

    Ich war entsetzt, welche Thesen dort vertreten werden. Allein der Name dieser IG "Wohndörfer statt Agrarsiedlungen" stellt m. E. eine bewußte Provokation dar. Schließlich waren (auch) die durch die IG verleumdeten Orte ursprünglich Bauerndörfer und nicht neuzeitliche Wohnsiedlungen (ergänze auch: Neubausiedlungen) waren bzw. zum (kleinen) Teil immer noch sind. Befremdlich auch die Argumentation mit Agrargenossenschaften (LPGs) in Ostdeutschland: verschwiegen wird u. a. dass diese durch eine Zwangskollektivierung unter diktatorischen Bedingungen entstanden.
    Übrigens gibt es auch in meiner heimatlichen der Gemarkung meines Heimatdorfes seit einigen Jahren einen (aus Sicht dieser IG doch so vorbildlichen) modernen "Gemeinschaftsstall" - und der ist hochverschuldet.

    Ich habe mir die HP dieser IG nur kurz angesehen, mir wurde rasch schlecht von den üblen und z. T. hasserfüllten Kommentaren gegen alles Bäuerliche und vornehmlich gegen den bäuerlich geprägten Baubestand in den alten Ortskernen. Wenn es nach diesen Leuten ginge, würde alles vor 1945 gebaute in den Dörfern plattgewalzt und durch sterile Neubausiedlungen im Legohausstil ersetzt werden.

    Es überrascht mich nicht, dass der Vorsitzende dieser IG und wohl auch die restlichen Mitglieder Einheimische sind. Diese Argumentationsweise gegen alles Alte, gegen das eigene kulturelle ("primitive bäuerliche") Erbe, ist mir aus der eigenen Gemeinde wohl bekannt. Bemerkenswert ist es aber, dass dieser Populismus, geistig auf dem Niveau von vor 30-40 Jahren stehengeblieben, sich so öffentlich und aggressiv im Rahmen einer Bürgerinitiative artikuliert. Manchmal kann man wirklich den Eindruck haben, als würde das "flache Land" sich irgendwann zum letzten Rückzugsgebiet der "Baumoderne" entwickeln... :schockiert:

  • Die UNESCO hat - wen wundert's -Heidelberg den Welterbetitel verweigert.
    Interessant sind die Reaktionen der Heidelberger Kommunalpolitik: Frust (weil der Titel aus Marketinggründen doch so nützlich gewesen wäre...) aber vor allem Erleichterung (weil man nun geplante Neubauprojekte in der Altstadt ohne Einmischnung von außen umsetzen kann).

    Siehe hierzu heutigen Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung:

    http://www.rnz.de/zusammen9/00_2…l_ist_pass.html

    Das eine für dieses Land so typische Geisteshaltung hinsichtlich des historischen Erbes. Altstädte sind als touristische Frequenzbringer akzeptiert, ansonsten stören Sie die - natürlich modernistischen - Stadtentwicklungsphantasien frustierter Kommunalpolitiker...

  • Die Ablehnung des Heidelberger Welterbeantrags haben bestimmt nicht die Heidelberger verschuldet. Die UNESCO hat eben zur Zeit einfach andere Vorlieben: Außereuropäisches, wenig bekannte Bauwerke.
    In Heidelberg mit ca. vier Millionen Touristen pro Jahr (Tendenz steigend), von denen mehr als eine Million das Schloss besuchen, hat es längst eine Abstimmung mit den Füßen gegeben. Es sind schon lange nicht mehr nur Japaner und US-Amerikaner, die die Stadt besuchen. Man begegnet hier auch immer mehr Chinesen, Inderinnen mit prächtigen Saris, sowie Franzosen, Spaniern, Südamerikanern, Koreanern und Niederländern. Begeisterte Reaktionen auf Heidelberg höre ich hier sehr oft. Die Besucher bewegen sich dabei fast ausschließlich im sehr kleinen Gebiet der Kernaltstadt, das fast nur aus historischer Bausubstanz besteht. Neubauten sind dort mittlerweile, nach Bausünden der sechziger und siebziger Jahre, nur nach strengen Auflagen möglich oder von heftigen Diskussionen begleitet. Spektakuläre neue Architektur entsteht meist außerhalb der Altstadt und findet dort bisher so gut wie kein Interesse von Besuchern. Diese Neubauten sind zwar zum Teil interessant, sie sind jedoch meist Solitäre und fügen sich in keinem Fall zu einem so harmonischen und geschlossenen Ensemble wie es die Altstadt darstellt.

    Wenn die Unesco statt der weltbekannten Heidelberger Altstadt mit Schloss lieber den Palast von Romuliana-Ganzigrad sowie die Felslandschaft Gobustan in Aserbeidschan als Welterbe aufnimmt, dann ist das Werbung für völlig unbekannte Kulturdenkmäler. Das braucht Heidelberg wirklich nicht.

    Ein umstrittener aktueller Neubau in der Altstadt ist das Arthotel, das einen restaurierten historischen Teil einbezieht. Die Glasfassade steht gegenüber der Rückfront der Neuen Universität, eines eher traditionellen Baus der zwanziger Jahre und zwischen zwei historischen Barockgebäuden. Nachts ist die Fassade auffällig beleuchtet, tagsüber fällt sie kaum auf, weil die Straße schmal ist und das Glas die historische Umgebung spiegelt.

    Unter "Bildergalerie" und dann unter "divers" bzw. "diverse Bilder" findet man hier Impressionen:

    Hotel Heidelberg, arthotel Heidelberg ****

  • Ich kann die UNESCO verstehen, denn Heidelberg besitzt auch sehr viele Schattenseiten. Gerade wenn man vom Bahnhof kommt und sich Richtung Schloß aufmacht, kommt doch sehr stark Ernüchterung auf. Heidelberg hat ein bisschen was vom heutigen Dresden. Der kleine Kern ist gesund und drumherum fault es vor sich hin. :augenkrummblau:

  • Ein paar Abstecher vom Heidelberger Hauptbahnhof zur Altstadt dürften kaum ausreichen, um diese Stadt umfassend beurteilen zu können. Im direkten Gegensatz zu Dresden hat Heidelberg fast vollständig das Gefüge seiner Altstadt auf mittelalterlichem Grundriss, teils auch auf den mittelalterlichen Kellern, bewahrt. Eine streng geschützte Naturlandschaft umgibt bis heute Schloss und Altstadt. Prächtige Bauwerke aus Barock und 19. Jahrhundert sowie weltbedeutende Kunstsammlungen wie in Dresden gibt es dagegen fast gar nicht, weil die Kurfürstenresidenz im Barock zunächst nach Mannheim, später von dort nach München verlegt wurde. Deshalb blieb auch das Renaissanceschloss als Ruine erhalten, statt einem Barockschloss zu weichen. Pläne dafür gab es schon.
    Seither verlief die Stadtentwicklung in Heidelberg viel bescheidener als in der Residenz- und Landeshauptstadt Dresden. Der heutige Hauptbahnhof lag in den fünfziger Jahren noch am Stadtrand. Seine Umgebung nimmt erst jetzt langsam mit aufwendigen Bauvorhaben innerstädtischen Charakter an.

    Der Ruf Heidelbergs als romantische Stadt und ihre Beliebtheit bei den romantischen Dichtern des 19. Jahrhunderts beruhen auch darauf, dass hier die Zeit stehengeblieben, Wirtschaftskraft und Entwicklungsdynamik abgewandert und Stadt sowie Schloss in einen Dornröschenschlaf gefallen waren - der Inbegriff der Romantik schlechthin. Diese Erwartungshaltung prägt bis heute die Verfasser der internationalen Reiseführerliteratur. Dabei ist die Heidelberger Altstadt heute eine effiziente Hochleistungsmaschinerie im europäischen Tourismusgeschäft sowie einer der führenden Wissenschaftsstandorte in Deutschland.

  • Zitat

    Heidelberg hat ein bisschen was vom heutigen Dresden. Der kleine Kern ist gesund und drumherum fault es vor sich hin.


    Na ich würde eher sagen: das Gegenteil! In Dresden ist die Peripherie noch das intakteste!

  • Eine Verordnungsänderung in Bezug auf Wärmedämmungen, die im Fall von Baudenkmalen künftig bedeutsam werden könnte:

    Zitat

    Der Bundesrat hat am 8. Juni 2007 die Zustimmung zur Verordnung der Bundesregierung u.a. mit der Maßgabe beschlossen, dass Baudenkmäler (= Einzeldenkmäler und Ensembles, § 2 Nr. 3a EnEV) von der Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises ausgenommen sind (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EnEV). Darüberhinaus wurde die Ausnahmeregelung in § 24 EnEV neu gefasst. Bei Baudenkmälern kann von den Anforderungen der EnEV ohne weitreren Antrag des Eigentümers abgewichen werden.

    Quelle: Home

  • Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat

    Nachdem heute trotz 10 000 gesammelten Protestunterschriften die meisten der alten Platanen auf den Heidelberger Friedrich-Ebert-Platz gefällt wurden, folgt morgen der Abriss der historischen Kolonnaden.

    http://www.rnz.de/zusammenhd_kre…Geschichte.html

    Ich kenne die Kolonnaden gut. Sie gaben dem Platz ein besonderes Flair. Ich wußte gar nicht, daß die abgerissen werden sollen. Besteht denn keine Absicht, sie zu rekonstruieren? Und, was genau passiert mit dem Platz? (Ich habe es noch nicht so ganz verstanden.)

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. März 2011 um 19:56)

  • Unter dem Friedrich-Ebert-Platz soll eine Tiefgarage mit 256 Stellplätzen gebaut werden. Der Platz, der bisher außerhalb der Marktzeiten an Dienstag und Freitag immer zugeparkt war und daher nur wenig Aufenthaltsqualität hatte, soll künftig autofrei werden und auch wieder eine Bepflanzung mit Bäumen erhalten.
    Die Kolonnaden stammen, auch wenn sie klassizistische Formensprache aufnehmen, aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts - also einer Zeit, in der auch in Heidelberg bereits die erste Bauhausarchitektur entstand! Schon seit Monaten sind sie wegen Baufälligkeit gesperrt; sie bestehen aus Beton (!), eine Sanierung würde daher einen weitgehenden Neubau erfordern. Daher hat das Regierungspräsidium Karlsruhe den Denkmalschutz für das Gebäude aufgehoben. Sanierungskosten in Höhe von 750 000 Euro will die Stadt nicht übernehmen, auch weil die Kolonnaden vom Platz her den Blick auf ein bedeutendes Baudenkmal der detuschen Wissenschaftsgeschichte versperren, nämlich das ehemalige Chemische Institut. Es wurde bis 1855 auf Betreiben von Robert Bunsen erbaut, der im Laboratorium des Gebäudes forschte, dort Vorlesungen hielt und in der Etage darüber auch mit Balkon zum heutigen Friedrich-Ebert-Platz wohnte. Bunsen gehört zu den bedeutendsten deutschen Wissenschaftlern, in seine Heidelberger Zeit fallen seine größten Entdeckungen, vor allem zusammen mit Kirchhoff die Entdeckung der Spektralanalyse, die die Astronomie revolutionierte.

    Ich halte daher ebenfalls das Laboratorium von Bunsen für ein wesentlich bedeutenderes Bauwerk als die sehr massiv wirkenden Kolonnaden, die das ursprünglich axial auf den Platz ausgerichtete, feingliedrig wirkende Institutsgebäude in seiner Wirkung stark beeinträchtigen.

    http://www.heidelberg.de/servlet/PB/menu/1174430/index.html
    http://www.heidelberg.de/servlet/PB/men…9_l1/index.html
    History: Laboratorium
    Robert Wilhelm Bunsen – Wikipedia
    Spektralanalyse – Wikipedia
    Geschichte der Fakultät

  • Heute wurden die Kolonnaden von 1927 abgerissen. Der Platz, der komplett von historischen Fassaden (schlichter Barock, Klassizismus, Historismus) umgeben ist, hat damit wieder seine Anbindung zur Straßenseite nach Norden und zum historischen Institutsgebäude Bunsens zurückbekommen.