Display MoreMeine, im Ergebnis eher positive, Bewertung zum Wiederaufbau Nürnbergs:
Ich kenne die Stadt jetzt doch schon ziemlich lange. Wie schon mal geschrieben, war es für mich als Kind ein fast schon traumatisches Erlebnis, als ich (nein, nicht "realisierte") begriff, daß das, was ich sah, alles neu und wiederaufgebaut ist und es das nicht mehr gibt, was ich in den alten Büchern angesehen hatte.
Als kleinsten Nenner kann man wohl sagen, daß Nürnbergs Altstadt heute kein häßliches Stadtbild hat. Ebenso bezweifelt niemand, daß Nürnbergs alles andere hat als eine gut erhaltene Altstadt.
Nürnberg - die Metropole der Mittelmäßigkeit. Paßt gut zu diversen Klischees, die die Franken über sich selber haben, und die Nürnberg aufgrund der perfekten Durchschnittsbevölkerung zum Mekka der Meinungsforscher machen.
Ich denke, meine wohlwollende Tendenz kommt daher, daß es wohl kaum einen Wiederaufbau einer so stark zerstörten Großstadt gegeben hat, bei dem man versucht hat, dem bequemen Weg zu widerstehen und im großen Stil die neue Zeit zu feiern. Gut, in Franken macht man alles im kleinen Stil ... Allerdings sind natürlich auch viele, viele Fehler gemacht worden beim Wiederaufbau der Altstadt.
Für eine positive Bewertung des Wiederaufbaus spricht:
- Abzielen auf den Erhalt des Stadtbildes trotz Flächenzerstörung
- Gesamtwirkung der Altstadt durch prägende Großdenkmäler Burg, Kirchen, Mauer usw. kaum durch Neubauten beeinträchtigt
- Vergleichsweise starke Orientierung am ursprünglichen Stadtgrundriß
- Beibehaltung traditioneller Bauformen (Satteldächer, Traufständigkeit, Bauhöhen) mehr oder weniger bis heute
- Beibehaltung des Stadtgrundrisses und der Straßenzüge im ganz wesentlichen Teil
- Schneller Wiederaufbau bzw. Rekonstruktion der größten historischen Gebäude (Burg, Sebaldus-, Lorenz-, Frauenkirche; Mauthalle, Rathaus, bestimmte Stadtmauerelemente) hat Entwicklung begünstigt
Kritik am Wiederaufbau :
- Autogerechte Verbreiterung, Anlage neuer Schneisen: sind heute die am wenigsten ansehnlichen Ecken der Stadt (Spitalgasse/Bischof-Meiser-Str., Waaggasse, Tetzelgasse, Grasersgasse.
Daß die autogerechte Verbreiterung ein Fehler und ziemlich kurzsichtig war, zeigt die heutige Nutzlosigkeit der Pisten. Auch wenn ich gerne Auto fahre und mich nicht für einen Öko halte, meine ich doch, daß die Schaffung der Verkehrswege es oft nicht wert war, städtebauliche Werte zu opfern. Aber da war halt die Gewichtung früher anders.
- Beibehaltung traditioneller Bauformen leider ab ca. 1960 extrem aufgeweicht mit grausamen Ergebnissen (v. a. Lorenzer Seite, aber auch Dresdner Bank, Plobenhof, Johannes-Scharrer-Gymnasium, Parkhaus Hauptmarkt, ...
- Parzellierung: Da hat Philon natürlich recht, aber nur zum Teil. Es ist auch hier wieder eine Frage des Maßes. Gottseidank gab es keine Enteignungen im großen Stil. Und die "Zeilenbauten" sind ja nicht auf einer grünen Birkenwiese schräg gestaffelt, sondern an den Straßen entlang. Sie sehen nur ziemlich gleichförmig aus. Das war im Vorkriegsstadtbild anders, aber ich unterstelle mal, daß innerhalb von 10 Jahren gebaute Häuser auch im 15. oder 16. Jahrhundert sich ziemlich stark geähnelt haben. Man hätte jedenfalls wohl kaum erhoffen können, daß jemand nach dem Krieg ein handtuchbreites Haus auf seinem Grundstück wieder neu baut. Aber die Parzellierung hat viel mit dem Pragmatismus im Wiederaufbau zu tun gehabt.
- Die Überzeugung, alles richtig gemacht zu haben, ist natürlich ein Problem. Der Franke ist da ziemlich störrisch.
Allerdings unterstelle ich auch mal, daß dieses Beschwören des "Richtig-gemacht-Habens" eine Übersprungshandlung ist, um das Verlusttrauma zu verdrängen. Dabei müßte man dem Wiederaufbautrieb doch nur nachgeben
Fortsetzung folgt
Wurde eigentlich ganz gut von Baukunst zusammengefasst.