Beiträge von Mathias

    Hier das Pendant aus dem späten 18. Jahrhundert: The Dunmore Pineapple, heute in der Obhut des National Trust of Scotland. Die weitaus meisten derartigen Follies, die das 18. Jahrhundert so liebte, sind längst einem späteren Geschmackspurismus zum Opfer gefallen. Große Qualitätsunterschiede in Entwurf und Ausführung gab es damals wie heute. (Das Autohaus dürfte eher am anderen Ende des Qualitätsspektrums einzuordnen sein.)

    http://en.wikipedia.org/wiki/File:The_Pineapple.jpg

    http://en.wikipedia.org/wiki/Dunmore_Pineapple

    Natürlich ist die Heidelberger Stadthalle als öffentlicher kultureller Veranstaltungsort ein Zuschussbetrieb, eine "Kommerzialisierung" der öffentlichen Kultur oder drastische Anhebung der Eintrittspreise nicht gewollt. Dass die Parallelnutzung als Kongresshaus, um Einnahmen zu generieren, heute nicht funktioniert, ist nicht weiter verwunderlich, da die Stadthalle nie für diesen Zweck gebaut wurde. Schon aus Denkmalschutzgründen stoßen Umbauten im Innern der Stadthalle an enge Grenzen. Die historische Bausubstanz mit üppiger Inneinrichtung im Stil von Neorenaissance mit Anklängen an Neobarock ist bemerkenswert gut erhalten. Höhepunkt ist eine der wenigen vollständig erhaltenen Konzertorgeln der Spätromantik in Deutschland, die heute ein Schattendasein führt.
    Die Chancen, einen Investor für ein modernes und funktionales Kongreszentrum an anderem Standort zu finden, dürften dagegen wegen der aktuell entstehende Bahnstadt, die zu den größten städtebaulichen Projekten in Deutschland gehört, deutlich gewachsen sein. Die Befreiung der Stadthalle von der heutigen unbefriedigenden und unwirtschaftlichen Doppelnutzung könnte sich für alle Beteiligte als Segen erweisen.

    Von den Bürgern, die beim Bürgerentscheid abgestimmt haben, hat eine deutliche Mehrheit von 67,1 % den Anbau abgelehnt, nur 32,8 % stimmten für den Anbau. Vor dem Bürgerentscheid hatte die Stadtverwaltung (aus den Steuermitteln der Bürger) die Stadt mit Werbeplakaten für ihre Position geradezu gepflastert. Auch das offizielle Mitteilungsblatt der Stadt war rechtzeitig zur Werbebroschüre für den Neubau umfunktioniert worden. Die wenigen Plakate der Bürgerinitiative gingen dagegen unter. Von Waffengleichheit im Kampf um die Stimmen der Bürger, wie sie im Ausland teils gesetzlich vorgeschrieben ist, konnte keine Rede sein. Die Unbestechlichkeit der Bürger und das breite Bürgerengagement durch alle Schichten verdienen desto mehr Respekt.

    http://www.rnz.de/zusammen19/00_20100726060000_Heidelberger_kippen_Stadthallenanbau.php\r
    http://www.rnz.de/zusammen19/00_2010072 ... nanbau.php

    Das Bürgerbegehren war erfolgreich, am 25. Juli wird der Bürgerentscheid durchgeführt. Mit großer Mehrheit (25 Stimmen dafür gegen sieben ablehnende Stimmen und sieben Enthaltungen) hat der Heidelberger Gemeinderat das Bürgerbegehren jetzt am 20. Mai für zulässig erklärt, nachdem 18 000 Unterschriften gegen die geplante Stadthallenerweiterung abgegeben worden waren. Auch 3000 Unterschriften von Unterstützern, die, da sie keine Heidelberger Bürger sind, nicht abstimmen durften, stärken den Protest der Bürger gegen das Bauvorhaben.

    http://www.rnz.info/RNZ_HDKreis/00_20100521060000_Am_zweifuenf_Juli_haben_die_Buerger_das_Wort.php\r
    http://www.rnz.info/RNZ_HDKreis/00_2010 ... s_Wort.php

    Besonders erfreulich ist, dass die Englische Treppe wieder zentrale Zugangsfunktion übermehmen soll. Barocke Schlosstreppenhäuser wie das Dresdner sind faszinierende Rauminszenierungen, deren starkes Raumerlebnis sehr bewusst geplant wurde, am genialsten vermutlich bei Balthasar Neumanns Treppenhäusern in Würzburg, Bruchsal und Brühl sowie bei Schlüters Gigantentreppe. Als strahlende "Ouvertüre" eines Schlossbesuchs und Vermittler zwischen Außen- und Innenbereich sind sie unverzichtbar. In Dresden hat man dies richtig erkannt.

    Nach dem Beschluss des Gemeinderats zum Erweiterungsbau der Stadthalle ist jetzt das Bürgerbegehren gegen diesen erfolgreich angelaufen. Infostände mit Unterschriftenlisten gibt es auf dem Bismarckplatz, dem Uniplatz, am Anatomiegarten und auf dem Neuenheimer Marktplatz. Jeder Heidelberger Bürger ab 18 Jahren kann unterschreiben. Zum Herunterladen gibt es die Unterschriftenlistenformulare neben vielen aktuellen Informationen zum Thema hier:

    http://www.biest-hd.de/begehren.html\r
    http://www.biest-hd.de/begehren.html

    Danke für den aktuellen Bericht aus Zerbst! Das russische Projekt war sehr mysteriös und die Investoren waren offensichtlich nie an einem Dialog mit den Bürgern interessiert. Es stimmt, Wiederaufbau um jeden Preis darf es nicht geben. Die geduldige Arbeit des Fördervereins, die sich immer um Transparenz bemüht und die Bürger einbezieht, verdient daher umso mehr Respekt.

    In einer Umfrage der Regionalpresse überwiegen bei den Bürgern die ablehnenden Stimmen mit 57%.

    http://www.rnz.de/RNZ_HDKreis/00_20091211094500_Mehrheit_gegen_Anbau.php\r
    http://www.rnz.de/RNZ_HDKreis/00_200912 ... _Anbau.php

    Die offizielle Informationsveranstaltung zum geplanten Stadthallenanbau mit Vorstellung des Siegerentwurfs am 15. 12. war gut besucht und lohnend. Es war eine Veranstaltung der Befürworter, das Podium daher ausschließlich mit Befürwortern einer Stadthallenerweiterung besetzt. Bei den Fragen und Kommentaren aus dem Publikum überwogen dagegen eindeutig die ablehnenden Stimmen, oft mit sehr deutlichen Worten. Der vorgebrachte Vergleich mit Speer wurde dabei vom moderierenden FAZ-Redakteur als ehrenrührig zurückgewiesen.
    Unter den prämierten Wettbewerbsentwürfen stehen mehrere in schärfstem Kontrast zum Heidelberger Altstadtensemble, im Vergleich zu diesen hält sich der Siegerentwurf zurück. Dessen Urheber bemühte sich auch, Anknüpfungspunkte an die historische Stadthalle aufzuzeigen wie gleiche Trauf-, Geschoss- und Sockelhöhe, Buntsandstein und Fassadenrelief durch zurücktretende Fenster. Allerdings steht die strenge Formensprache des Anbaus in großem Kontrast zum kleinteiligen Altstadtensemble sowie zum reich gegliederten Neorenaissance-Altbau, der übrigens seinerseits Giebel vom Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses zitert. Bei der Dachgestaltung zeigte der Architekt Bereitschaft zu einer Überarbeitung.
    Der Bedarf an einer Stadthallenerweiterung generell wurde übrigens gerade damit begründet, dass man an der bestehenden Stadthalle als Standort festhalten möchte und diese durch die Erweiterung funktionsfähig erhalten will. Von den Gegnern der Erweiterung, die teilweise einen anderen Kongresshallenstandort am Hauptbahnhof vorschlagen, kamen dagegen leider kaum verwertbare Vorschläge zur Zukunftssicherung des denkmalgeschützten Altbaus.
    Die kritischen Berichte der Lokalpresse sowie die überwiegende Ablehnung im Umfrageergebnis wurden übrigens von einem der Mitglieder des Architekten-Preisgerichts als nicht objektiv und nicht repräsentativ bezeichnet.

    Hier der offizielle Bericht aus Sicht der Stadt Heidelberg:

    http://ww2.heidelberg.de/stadtblatt-online/index.php?artikel_id=6280&bf=\r
    ww2.heidelberg.de/stadtblatt-onl ... d=6280&bf=

    Als Argument für das für die Altstadt ganz untypische Flachdach wurde aus den Reihen des Preisgerichts vorgebracht, das Flachdach würde beim Blick auf die Altstadt die dahinter liegenden Bürgerhausdächer nicht verdecken. Die strengen Formen des Baus wurden als "zurückhaltend" gegenüber der angrenzenden historischen Stadthalle gelobt. So wird ein mit dem Altstadtensemble stark kontrastierender Baukörper ausgerechnet mit denkmalpflegerischen Argumenten gerechtfertigt.

    Der Siegerentwurf des Wettbwerbs zum Stadthallenanbau steht jetzt fest. Der Eingriff ins Heidelberger Stadtbild und vor allem die Auswirkung auf die Schauseite zum Neckar hin sind erheblich. Als Alternative kann ein ausreichend großes Konferenzzentrum immer noch außerhalb des Altstadtensembles gebaut werden. Die Bürgerdiskussion ist eröffnet!

    http://www.heidelberg.de/servlet/PB/menu/1203275_l2/index1154525479246.html\r
    http://www.heidelberg.de/servlet/PB/men ... 79246.html

    Hier ein Blick auf Heidelbergs berühmte Schauseite zum Neckar, am Ufer die um 1900 erbaute Stadthalle in rotem Sandstein (auf dem ersten Foto in der Bildmitte, auf dem zweiten am rechten Rand). Direkt links neben ihr soll der umstrittene Anbau entstehen.

    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/cat/4826/display/16449775\r
    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/cat/4 ... y/16449775
    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/cat/4826/display/11218434\r
    http://www.fotocommunity.de/pc/pc/cat/4 ... y/11218434


    Die Presse titelt zu den aktuellen Plänen "Konferenzkiste mit Neckarblick", Leserbeiträge sind erwünscht!

    http://www.rnz.de/RNZ_HDKreis/00_20091112212600_Konferenzkiste_mit_Neckarblick.php\r
    http://www.rnz.de/RNZ_HDKreis/00_200911 ... rblick.php

    Wenn man sich den Verfasser anschaut, dann kann man ausschließen, dass hier Schlossgegner Verzögerungstaktik betreiben. Dieter Hoffmann Axthelm hat als Mitarbeiter von Stimmann beim Planwerk Berlin Mitte dazu beigetragen, dass der historische Stadtgrundriss und Berliner Bautypologien die Stadtplanung für die Innenstadt prägen (oder prägten?). Er weiß daher genau, wie sehr das Schloss mit seinen so unterschiedlich gestalteten Fronten und der Durchgangsfunktion seiner Höfen die angrenzenden Stadträume verklammerte.

    Zitat

    Die ganzen Rekos wären gar nicht nötig wenn die BDA-Mitglieder in der Lage wären, vernünftige regionalbezogene Bauten zu errichten.

    Das Argument hört man oft bei Bürgerdiskussionen. Kunsthistoriker werden der Aussage kaum zustimmen. Für viele engagierte Bürger dürfte aber genau dieses Argument der entscheidende Beweggrund sein, um sich für Rekonstruktionen einzusetzen. Und Bürgerinitiativen tragen wesentlich dazu bei, Rekonstruktionen durchzusetzen.

    Aus dem Pressezitat vom 12. 8. 2009 aus der Volksstimme ergibt sich, dass die beiden letzten Turm-Etagen als nächstes gebaut werden sollen. Die Finanzierung scheint jedoch derzeit noch nicht geklärt zu sein.

    Zitat

    (Die Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt, Sachsen-Anhalt) Petra Wernicke zeigte sich ebenfalls beeindruckt, "das Geld wäre hier wirklich sinnvoll angelegt". Fördermittel kann sie den Sandauern allerdings auch nicht versprechen, denn es liegen weit mehr Anträge vor als Geld bewilligt werden kann. Insgesamt 330 000 Euro werden für den Bau der beiden letzten Turm-Etagen - sie beherbergen Wirtschaftsbereich und Glockenturm - benötigt. Alternativ steht ein Rohbau bis zur Traufhöhe zur Wahl, der lediglich 150 000 Euro kosten würde.

    http://www.kirchturm-sandau.de/vst%2012.8.jpg

    Seit 1996 setzt sich in Sandau, Sachsen-Anhalt, eine Bürgerinitiative für den Wiederaufbau des 1945 zerstörten Turms der um 1200 erbauten romanischen Pfarrkirche ein. Die eindrucksvolle Sandauer Kirche entstand in der Nachfolge des Klosters Jerichow, das zu den ältesten und wertvollsten Backsteinbauten Norddeutschlands gehört. Seit 2002, dem Baubeginn der Wiederaufbauarbeiten, hat die Bürgerinitiative, die mit großem Einsatz Spenden sammelt, schon viel erreicht: Der Turm hat wieder mehrere Geschosse und wird für Veranstaltungen genutzt. Der Aufbau des oberen Geschosses und das Aufsetzen des Turmhelms sollen folgen.

    Sandau im Kreis Stendal gehört zu den kleinsten Städten in Deutschland. Es wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört, weil eine Waffen-SS-Einheit die Übergabe der Stadt an die Amerikaner unterbunden hatte. Durch die 1993 angelegte Straße der Romanik, an deren Nordroute Sandau liegt, ist die kleine Stadt heute verbunden mit vielen weiteren bedeutenden mittelalterlichen Kirchenbauten u. a. in Halberstadt, Quedlinburg, Naumburg und Magdeburg. Die Straße der Romanik wurde auch deshalb eingerichtet, damit solche wertvollen, aber wenig bekannten und abseits gelegenen Kulturdenkmäler wie die Sandauer Kirche mehr Aufmerksamkeit bekommen als bisher. Eine Wiederaufbauinitative wie die Sandauer verdient deshalb besondere Anerkennung, gerade in einer Zeit, in der es schwieriger wird, Fördermittel zu bekommen.

    http://www.kirchturm-sandau.de/index.html

    http://www.kirchturm-sandau.de/vst%2012.8.jpg

    http://de.wikipedia.org/wiki/Sandau_%28Elbe%29

    http://www.romanikstrasse.de/

    Klipp geht weitgehend vom Leitbaukonzept aus, das Mitteschön vorgeschlagen hat. Damit zeigt er Respekt gegenüber Bürgerengagement und sachkundiger Vorarbeit. Aber seine angekündigten Kürzungen dieses Leitbautenkonzepts erscheinen willkürlich und wenig stimmig. Man vergleiche nur einmal die beiden Leitbauten am Beginn der Friedrich-Ebert-Straße. Das verhältnismäßig schlichte Hotel zum Einsiedler schlägt er zum Wiederaufbau vor, die viel aufwendiger gestaltete und markantere Kommandantur direkt gegenüber lehnt er dagegen ab. Dabei war die Kommandantur eines der Potsdamer Wahrzeichen. Außerdem sind die barocken Attikafiguren vollständig erhalten und könnten als Originalsubstanz in die rekonstruierte Fassade eingebaut werden. Indem Klipp die überbreite Friedrich-Ebert-Straße als Hinderungsgrund für den Wiederaufbau der Kommandantur nennt, übernimmt er die Argumente, mit denen die SED-Funktionäre ihren Abriss der ausgebrannten, aber fast vollständig erhaltenen Fassade der Kommandantur begründeten. Mit der Verbreiterung der Verkehrsschneisen Breite Straße und Friedrich-Ebert-Straße mitten durch das historische Potsdamer Zentrum hatte man damals die passende Ausrede, um den Turm der Garnisonkirche, die Schlossruine und die Kommandantur loszuwerden. Klipp sollte wissen, welche Argumente er hier wieder aufgreift.

    Die wiederaufgebaute Alte Post von Unger könnte zum Schmuckstück für die Potsdamer Innenstadt werden und zusammen mit dem rekonstruierten Kanal davor und der nach links anschließenden historischen Häuserzeile in der Yorckstraße den Ensemblecharakter der Altstadt entscheidend stärken. Die Chancen, die der Abriss des DDR-Baus an dieser städtebaulich so wichtigen Stelle bietet, sind enorm. In der jetzigen Diskussion sollte man deshalb die Wiederaufbaubefürworter in der Politik und unter den engagierten Bürgern mit Leserbriefen unterstützen.

    http://www.pnn.de/leserbriefe/\r
    http://www.pnn.de/leserbriefe/