Köln - Stadtarchiv eingestürzt

  • RMA, danke für Deine Antwort. Dann wären in den Stahlschränken die Schriften wenigstens vor mechanischer Zerstörung etwas geschützt. Das Grundwasser dürfte demnach die größte Schadensquelle darstellen.

    Gestern kam auf ARD nach den Tagesthemen eine Sondersendung zum Einsturz, die aber hauptsächlich das Schicksal der betroffenen Anwohner schilderte. Einige durften nochmals in ihr dem Abriß geweihtes Haus um die wichtigsten Sachen rauszuholen. Aber das war lange nervenaufreibend nicht klar gewesen. Als Ersthilfe wurden von der KVB 250 Euro pro Person verteilt. Über 140 Wohnungsangebote sind eingegangen. Die KVB hat weitere 10000Euro pro Person an Starthilfe zugesagt!

  • Eine sehr interessante Fotostrecke über die Bergung des Archivgutes (mit Detailinfos):

    http://www.wdr.de/themen/panoram…agerhalle.jhtml


    In Köln hat sich mittlerweile eine Bürgerinitiative zur Rettung des Archivs gegründet, die bereits (so wörtlich in der Presse) einen "Ansturm" von Hilfsangeboten erlebt. Per 11.03. sind bereits 30.000 Arbeitstage verbindlich zugesagt worden, darunter viele von Spezialisten:

    http://www.koelner-stadtarchiv.de/news.html

  • Gerade im Deutschlandfunk wurde vom ehrenamtlichen Einsatz der Studenten und Dozenten von der Marburger Archivschule berichtet, die das geborgene Archivmaterial, das die Feuerwehrleute in Kisten herantransportieren in einer großen Halle sortieren: in Archivmaterial, privates Material, trocken und naß, nach Beschädigungsgrad etc.. Junge engagierte Leute, die darin eine sinnvollen, praktischen Einsatz sehen. Toll!!!
    PS: Ah ja, meine Nachricht bezieht sich auf den von Bautzenfan mitgeteilten Fotolink, wie ich gerade gesehen habe...!

  • Die Bilder sind allerdings genauso entsetzlich, wie man es in den schlimmsten Alpträumen nur vermuten konnte. Da ist alles zermalmt und durcheinander. Die Verantwortlichen gehören lebenslang weggesperrt, mir fehlen echt die Worte bei sowas. Durch düsterste Zeitalter hat man diese Schätze gerettet, und jetzt landen sie auf dem Müll, wegen dem Bau einer U-Bahn. Von wegen düsteres Mittelalter, das hier und jetzt ist sowas von düster, düsterer geht's nicht mehr.

  • Wie man in
    http://www.express.de/nachrichten/region/koeln/_artikel_1235811361979.html?fotolineid=1235811361587&now=1\r
    http://www.express.de/nachrichten/regio ... 1587&now=1
    sieht, gehen die Abbrüche nun am Georgsplatz weiter!

    In meinen Augen eine Katastrophe, die der der Zerstörung des World Trade Center nicht nachsteht. Meine Einschätzung liegt wohl auch daran, dass mir Köln als deutsche Stadt deutlich näher ist als New York.

  • Zitat von "Heimdall"


    [...]
    So ich mich richtig erinnere, gibt es neben der Gymnasiumwand mit der Figur in der Severinstraße noch den (klassizistischen) Portikus eines historischen Gebäudes. Ich habe aber Vergessen, welchen baugeschichtlichen Hintergrund dieser Bauteil hat. Weiß einer der Kölner näheres? Weiß er, ob dieses historische Gemäuer auch noch einsturzgefährdet ist?


    ( http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?p=82556#p82556">viewtopic.php?p=82556#p82556, 07.03.2009, 13.06 Uhr)

    In http://www.focus.de/panorama/welt/koelner-einsturz-unglueck-zusammenhang-zwischen-haeusereinsturz-und-u-bahn-bau-bestaetigt_aid_378006.html\r
    http://www.focus.de/panorama/welt/koeln ... 78006.html lese ich gerade:
    "Teile des „Preußischen Tores“ neben dem Friedrich-Wilhelm Gymnasium würden wegen akuter Standunsicherheit durch nachrutschende Schuttmassen komplett abgetragen."
    Das könnte dieser Portikus sein.

    Generell:
    Informationen zur Vorgehensweise bei den Rettungsarbeiten:
    http://www.stadt-koeln.de/1/presseservice/mitteilungen/2009/03045/\r
    http://www.stadt-koeln.de/1/presseservi ... 009/03045/

  • Wenn sich wirklich schon längere Zeit vorher Risse im Stadtarchivgebäude gebildet haben, dann ist das ein Riesenskandal. Anna Amalia Bibliothek, Nürnberger Verkehrsmuseum, Kölner Stadtarchiv; alles in letzter Zeit passiert. Gibt es noch weitere Beispiele? Wer paßt da eigentlich auf?

  • Laut einem Bericht einer Radiosendung des WDR 2, soll jetzt die Bergung des Archivmaterials nur noch tagsüber geschehen. Am kommenden Sonntag werden die Arbeiten erstmals ruhen.

    Eine gute Übersicht über einige Archivmaterialien bietet der allseits bekannte Bildindex.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Zitat von "Oliver"

    In meiner Stadt hat man das auch nicht gemacht. Es gibt nur ein Repertitorium aller Urkunden im Staatsarchiv Münster, eine Kopie davon im Archiv meiner Stadt und einen Digitalscan davon bei mir auf dem Rechner. Ich habe das Ding nämlich vor etwa einem Jahr zum Großteil kopiert. :D

    Seit dem Einsturz des Archivs in Köln, denke ich immer mehr daran, auch die Originalurkunden einzuscannen. Mal sehen. Die Archivare kommen erstaunlicherweise nicht auf sowas, obwohl die den ganzen Tag im Archiv arbeiten. Zeitungen lesen und Artikel ausschneiden scheint wohl deren Hauptbeschäftigung zu sein. Leider. :zwinkern:

    Naja ist ja blödsinn. Digitalisierung ist eine Kostenfrage, und leider gilt die Bewahrung des schriftlichen Kulturgutes in Deutschland nicht so viel wie es sollte... - ergo kein Geld für Digitalisierungen...

  • Eben auf WDR gab es eine Diskussionsrunde zum Kölner Stadtarchiv...

    Interessant wurde es, als der Moderator die Frage aufwarf, ob ein Unglücksfall in einem schönen Gebäude wie der Herzogin-Amalia-Bibliothek nicht mehr Helfer zu mobilisieren vermag, als wenn ein unansehnliches Bauwerk wie in Köln betroffen ist - selbst dann, wenn der Inhalt des hässlichen Gebäudes vielleicht der wichtigere ist.

    Eine interessante Frage. Leider war die Runde nicht in der Lage, sie auf hohem Niveau zu diskutieren, im Gegenteil, man kam schnell wieder von diesem Thema weg.

    Später stellte der geistig leicht überforderte Moderator sogar die Frage, ob man im Falle der wiederaufgebauten Herzogin-Amalia-Bibliothek nicht von "Disneyland" sprechen müsste.

    Der anwesende Leiter der Bibliothek verneinte dies. Allerdings wäre er völlig gegen eine Rekonstruktion der Bibliothek gewesen, wenn sie zu mehr als 80% zerstört worden wäre.

  • Bisher wurden 30 Prozent des Archivbestands gerettet. Die Urkundensammlung, die offenbar nicht mit in die Grube fiel, dürfte uns ganz überwiegend erhalten bleiben. Auch die übrigen bisher geborgenen Einheiten sind wohl ganz überwiegend zu retten - auf Bildern sehen wir häufig Objekte, die mitunter lediglich ein wenig verstaubt aus dem Schutt gezogen wurden. Richtig übel dürfte es werden, wenn immer weiter in die Grube vorgedrungen wird, wo leider mit massivsten Wasserschäden zu rechnen ist. Hoffentlich gehen so wenig mittelalterliche und frühneuzeitliche Quellen wie nur irgendwie möglich verloren. Der in den Medien immer wieder erwähnte Nachlass von Heinrich Böll oder gar die Fotografiensammlung sind vor diesem Hintergrund, so brutal das auch klingen mag, absolut sekundär.

    Interessanter Artikel zur kulturellen Schieflage des Nachkriegskölns im Allgemeinen: Köln, erst jetzt eine Stadt ohne Seele?

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat von "Restitutor Orbis"

    Allerdings wäre er völlig gegen eine Rekonstruktion der Bibliothek gewesen, wenn sie zu mehr als 80% zerstört worden wäre.

    Damit wollte er doch wahrscheinlich nur andeuten, dass das eingestürzte Kölner Stadtarchiv auf keinen Fall rekonstruiert werden sollte...:zwinkern:

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat

    Der anwesende Leiter der Bibliothek verneinte dies. Allerdings wäre er völlig gegen eine Rekonstruktion der Bibliothek gewesen, wenn sie zu mehr als 80% zerstört worden wäre.

    Besser kann man die Abstrusität der offiziösen Denkmalschutzdoktrin nicht mehr präsentieren: Bei 79% Zerstörungsgrad ist die Rekonstruktion erlaubt, bei 81% nicht mehr ... gaga. Wenn's nicht so traurig wäre, müsste man laut losprusten ob soviel Blödheit.

  • Zitat von "Philon"

    Besser kann man die Abstrusität der offiziösen Denkmalschutzdoktrin nicht mehr präsentieren: Bei 79% Zerstörungsgrad ist die Rekonstruktion erlaubt, bei 81% nicht mehr ... gaga. Wenn's nicht so traurig wäre, müsste man laut losprusten ob soviel Blödheit.

    Ist es gemäß Denkmalschutzdoktrin eigentlich zulässig, die Kulturschätze zu bergen und zu restaurieren ?

  • Neueste Entwicklungen: http://www.derwesten.de/nachrichten/20…539/detail.html

    Zitat


    Künstler klagen Verantwortliche in einem Brief an

    Zahlreiche Künstler, Galeristen und Kulturschaffende haben in einem offenen Brief ihr Unverständnis über die Reaktionen der Verantwortlichen nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs geäußert. Sie seien «persönlich und als Vertreter von Institutionen von dem Einsturz und dem unermesslichen kulturellen Verlust, der damit verbunden ist, bestürzt», heißt es in dem Schreiben.

    Zu den Unterzeichnern gehören dem Zeitungsbericht zufolge unter anderen der Sohn von Heinrich Böll, René Böll, sowie die Künstler Jürgen Klauke, Rosemarie Trockel, Marcel Odenbach und Curtis Anderson. Auch Architekten unterzeichneten den Brief.

    Die Stadt Köln wird aufgefordert, sich endlich zu ihrem Mitverschulden an der Katastrophe zu bekennen. «Unsere Empörung», so die Unterzeichner, «ist aber auch darauf zurückzuführen, dass der Einsturz symptomatisch ist für die Art und Weise, wie die Stadt Köln in den letzten Jahren mit ihrer vergangenen und gegenwärtigen Geschichte und Kultur umgegangen ist».

    Fotostrecke zum Einsturz ( Bild 51 ist besonders schmerzlich :( )
    http://www.derwesten.de/nachrichten/na…811/detail.html

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Also ich kann diese Menschen gut verstehen. Als Besucher von Landes- und Stadtarchiven kann ich keinem potentiellen Nachlassgeber empfehlen, diesen an staatliche Behörden abzugeben. Der Staat ist pleite und er lässt es besonders die Kultureinrichtungen spüren !