Sehschule - Banalität des Alltags

  • Blumenkästen finden Ausländer übrigens immer sehr schön in Germany. Obwohl sich in der Aufnahme die Hausbesitzer wohl einen Wettbewerb liefern. Am schlimmsten finde ich ehrlich gesagt die Farben. Das sieht alles so nach 60er- Jahre Wirtschaftwunder aus.

  • Zitat von "Stefan"

    Auch das und vor allem ist Deutschland, Südwestdeutschland...:zwinkern:

    Was wollt ihr? Die Geranien und das jodelnde Holz zeugen immerhin von kleinbürgerlichem Bemühen um ein schmuckes Erscheinungsbild. Ich könnte euch abertausende Ortsbilder vom mittleren Neckarraum bis zur Kölner Bucht vorführen, wo auch dieses unterbleibt, wo die Moderne pervertiert ist zu ausufernden Ensembles von Wohncontainern mit Satteldach, garniert von Baumarktschnickschnack und gezeichnet von der elenden Angst, nur ja nicht auch durch den leisesten Anflug von Extravaganz oder Gestaltungslust aufzufallen. Hier hat die ideologisierte Moderne ihren Offenbarungseid abgelegt, indem sie weiter nichts geleistet hat als dem deutschen Menschen noch den letzten Rest von Formbewusstsein auszutreiben. Hier hat sich die "allerletzte Sachlichkeit" festgefressen, die der englische Architektursatiriker Osbert Lancaster eigentlich nur in den Weltkriegs-Gefechtsständen auszumachen meinte. Von hier aus muss endlich auch in Deutschland die Einsicht reifen, dass die funktionalistisch-karge Moderne jeden Kredit verspielt hat!

  • Zeno

    Die Gegenüberstellung ist ausgezeichnet; auf der einen Seite muß man laut lachen, weil die Nachkriegsbalkone so lächerlich häßlich im Vergleich zu ihrem leicht französisch anmutenden Gründerzeitpendant daherkommen; auf der anderen Seite möchte man brüllen vor (Seh-)Schmerz.
    Auf jeden Fall löst das Betrachten einen Sturm der Gefühle aus und bestätigt ganz klar die Worte von Wilhelm von Boddien, als er 1993 die Schloßplane vorm Ballast der Republik anpinnte:

    "Wer nicht hören will, muß sehen"

    Aus solchen Beispielen gehört ein Buch gemacht, echt mal!

    P.S.:

    Habe mir die Fotos noch einmal angeschaut; bei Bild 1 erscheint uns der Balkon ruhig und würdig, die Formensprache stimmt vollständig, er wird von ansprechenden Konsolen getragen, die Proportionen sind stimig, die Gitter Schutz und Zierde zugleich;
    die Dinger auf Bild 2 sind gar keine Balkone, sondern eigentlich Wunden, der Betrachter gewinnt den Eindruck, daß da mit einem großen Messer das Haus rechteckig ausgehöhlt und einfach nur die Wand zurückversetzt wurde; außerdem gehört das nicht direkt an die Seitenwand, da traut man sich gar nicht die Hand anzulehnen, aus Angst, ins Freie durchzubrechen;
    die windigen Teile auf Bild 3 wirken wie aus dem Steckkasten, nachträglich in die Fassade eingezwängt wie in vorpräparierte Rasterschlitze; die Dinger wirken so instabil, daß man sich nicht draufwagen möchte.

  • Das mit dem zweiten Beispiel siehst du völlig falsch, Yasmin. Weil, ausgehölt is nich', sondern in spannungsvollem Spiel mit dem äußeren Relief ein stückweit vorgelagert - d.h. eine dezente Betonung einer zeitlosen Form...

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Stefan"

    Endlich hat/haben sich der/die Besitzer des Hauses durchgerungen das alte Haus nach modernstem Wissen und ohne Gewissen zu sanieren...

    Gebäude In der Au 64/66, Rottweil


    Zustand Mai 2005


    Umbau November 2009

    Quelle: http://www.rwbilder.de\r
    http://www.rwbilder.de

    Wenn ich so etwas sehe, weiß ich, warum ich gegen die Änderung des sächs. Denkmalschutzgesetzes bin. Stefan, das is gruselig.

    Gruß DV

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Zitat von "Wissmut"

    Das mit dem zweiten Beispiel siehst du völlig falsch, Yasmin. Weil, ausgehölt is nich', sondern in spannungsvollem Spiel mit dem äußeren Relief ein stückweit vorgelagert - d.h. eine dezente Betonung einer zeitlosen Form...

    Merci, Monsieur, jetzt weiß ich endlich, wie autogene Gehirnwäsche funktioniert. :P

    DarkVision

    Analog zu Wolf Jobst Siedlers 'Gemordeter Stadt' kann man hier ohne weiteres vom 'Gemordeten Haus' sprechen. Eigentlich auch von den Toten Seelen, denn wer so handelt, verrät uns, wie es in seinem Inneren aussieht.

  • Man vergleiche die Qualität der Baustile, vermutlich 1950er Jahre Bauhaus und 1880er Jahre Gründerzeit, welch ein gewaltiger, gar grotesker Unterschied! Welches Haus mag wohl länger an diesem Standort verweilen dürfen und welches fällt beim nächsten Wimpernschlag? Obwohl, heutzutage ist alles möglich, wahrscheinlich werden die Nachkriegsbauten noch als Ensemble unter Denkmalschutz gestellt, wenn sie es nicht schon längst sind, und der alte Schmuckbau muss wegen mangelhafter finanzieller Mittel einem funktionalen Parkplatz weichen. Dann drückt der Denkmalschutz sicher gerne auch mal ein Auge zu....

  • Man stelle sich vor, alle Häuser in der Altstadt würden so ausschauen...

    Nun, die Nachbarhäuser links und rechts davon weisen vergleichbare Mängel auf. Ob das der Gesamteindruck von Kelheim ist, vermag ich nicht zu sagen.
    Die dilettantischen Lösungen bei der Gestaltung von Fenstern fallen mir darüber hinaus nach Durchsicht zahlreicher bayrischer Orte stets besonders ins Auge.
    Das mag daran liegen, dass die Häuser in den bayrischen Klein- und Mittelstädten ursprünglich häufig schlicht gehalten sind (was mir im Grunde entgegen kommt), jedoch infolge von Sanierungen ihr wesentliches Element, die Fenster, durch unzureichend versprosste ersetzt und/oder Fensterläden nicht wieder angebracht werden. Solch ein Ergebnis ist in Zenos Beispiel zu sehen, wo auch die Farbigkeit der Putze nicht darüber hinwegtäuscht, dass dieser in vielen Fällen wie bei Neubauten üblich ins Lot gebracht wurde. Spuren der Geschichte, Unebenheiten, sie scheinen den Hausbesitzern ein Dorn im Auge zu sein.

    Die neueren, zweiflügeligen Fenster im Giebel scheinen in diesem Zusammenhang gegenüber den einflügeligen eine Verbesserung zu sein, tatsächlich wären hier im Rahmen eines Austausches jedoch ordentlich versprosste Fenster die Lösung gewesen.

  • Das habe ich nie verstanden warum bei dieser historischen Bausubstanz später Fenster eingesetzt wurden welche den Anschein erwecken es wären keine Fenster darinnen. Auf diese Art und Weise wirken die Häuser irgendwie ruinös. Abgesehen da von, handelt es sich bei solcherart von Fenster um sogenannte "Thermofenster", welche hervorragend da zu geeignet sind die Schimmelbildung in den Altbauten zu fördern.

    Viele Grüße

    Strandfliese

  • dieses, wie ich doch annehmen darf, forumsbekannte Haus


    Das war natürlich Ironie, denn jeder [lexicon='Leipzig'][/lexicon] kennende Forumer kennt wohl auch das Königshaus und deswegen habe ich unterstellt, dass es jeder beim Öffnen des Bildes sofort erkennt.