Beiträge von ASCBY

    Natürlich geht es hier primär um die Fassade, die in diesem Forum den Rekonstruktionsbefürwortern nicht zusagt. Das Gebäude ist - unschwer zu erkennen - eine Kirche. Wer nur den sozialistischen Vorgängerbau mit dem Karl-Marx-Relief kennt, die Paulinerkirche aber nicht, der fragt sich jetzt, warum dort eine Kirche steht. Der Innenausbau startet ansonsten erst in diesen Tagen, der sich voraussichtlich bis Ende 2014 hinzieht. Die kultur- und geistesgeschichtliche Dimension der Kirche, wie Philon schrieb, kommt bis dahin wieder zurück.


    @ Roland,

    mit der Ensemble-Wirkung in der Leipziger Innenstadt war es schon immer schwierig. Darüber hinaus existieren noch mehr als 50 Prozent der Vorkriegsbebauung. Vor dem Zweiten Weltkrieg hingegen waren die allermeisten Gebäude in der Innenstadt entweder kaum älter als 50 Jahre oder wurden in diesem Zeitraum modern überbaut. Daraus schließt, dass der Zweite Weltkrieg und die Zeit danach nicht die größte Zerstörung historischen Bauerbes in der Leipziger Innenstadt (von Altstadt konnte man auch vor '45 nicht reden) darstellt.

    @ Philon,

    bitte richtig lesen und vor allem richtig zitieren. Ich habe klar und unmissverständlich zwischen dem architektonischen Wert und dem kulturhistorischen Wert der Paulinerkirche unterschieden. Ersteres ist nicht gegeben, weshalb eine Rekonstruktion des historistischen Umbaus von Arwed Rossbach viel zu kurz greift. Die kulturhistorische Bedeutung wird mit dem Neubau hingegen - so weit und gut es eben geht - zurückerlangt.

    Deinen letzten Absatz verstehe ich nicht. Vor allem verstehe ich nicht, was dieser mit meiner Aussage zu tun haben soll. Eine gebührende Wiedergutmachung findet doch inhaltlich statt. Aber hier geht es um rein architektonische Prämissen, wenn ich das richtig verstehe. Und da verweise ich gern auf den oberen Absatz. Der Neubau am Augustusplatz steht zudem völlig losgelöst von seiner sozialistischen Vorgängerbebauung, nichts erinnert mehr an ihn, und knüpft mit seiner Dreiteilung an die ursprüngliche Bebauung von Augusteum, Paulinerkirche und Café Fälsche an. Wenn man so will, ist das Gesamtwerk eine einzige Wiedergutmachung.

    Rekonstruktion aus touristischen Motiven ist auch so ein schwaches Argument, am Beispiel der Paulinerkirche zudem reichlich unpassend. Wo wir wieder beim Thema wären:

    In meiner Kritik ging es nicht darum, das Uni-Gebäude in den 7. Himmel zu loben. Der Neubau mag seine Schwächen haben, für manche gar zu futuristisch oder kitschig wirken. Aber die Begründung, eine Rekonstruktion sei angebracht, weil die Paulinerkirche architektonisch das Wesen der Stadt ausmachte, einzigartig, die gute Seele etc. oder gar als Wiedergutmachung für die Sprengung '68, finde ich reichlich vermessen und - letzteres betreffend - verbohrt und rachsüchtig. Der kulturhistorische Wert ist unbestritten (was ist dagegen schon die Dresdner Frauenkirche?), aber dieser wird nicht äußerlich mit der bloßen Rekonstruktion der historistischen Augustusplatz-Front wiederhergestellt. Wer die bauliche Geschichte der Universität kennt, der weiß, dass die Paulinerkirche sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ständig veränderte und sich dem aktuellen Zeitgeschmack anpasste. So auch dieser Neubau, der sich darüberhinaus qualitativ und in seiner Höhe, Material- und Farbwahl hervorragend am Augustusplatz einfügt, ihn bereichert und würdig ergänzt. Das kann sich m.E. van Egeraat wirklich als Verdienst auf die Fahne schreiben.

    Zitat

    Bei Rekonstruktionen geht es zunächst einmal darum, Bauwerke wiederzugewinnen, die Wesen, Bild und die Seele einer Stadt ausmachten.

    Und das ist ausgerechnet bei der historistischen Architektur der Augustusplatz-Front der Universität der Fall gewesen, einer Architektur, wie sie zwischen Tokyo und New York sowie zwischen London und Kapstadt en masse existiert?


    Zitat

    Dass beides in Leipzig nicht geschehen ist und stattdessen diese postmoderne Albernheit hingeklotzt wurde, bleibt eine Schande für Leipzig, die so lange währen wird, wie dieses alberne Ungetüm nicht wieder abgerissen (...) wurde.


    Das, mit Verlaub, ist lediglich die verbohrte Ansicht einer kleinen Minderheit aus Kreisen der Traditionalisten und Modernisten. Ja, ja, die in diesem Forum so geschätzten Ultra-Modernisten lehnen den Neubau mit den gleichen (Schein-)Argumenten ab. Irgendetwas muss der Neubau also genau richtig gemacht haben. Ist der Neubau nun eigentlich eine "postmoderne Albernheit" oder ein "albernes Ungetüm"?

    Zitat

    ...aber in der Abwägung mit der Universitätstradition ist das Entstandene unbefriedigend.

    Eben nicht! Dieser Neubau steht ganz in der Tradition der Universität, die sich auch in architektonischer Hinsicht im Laufe der Jahrunderte ständig veränderte. Aber was erzähle ich...