Potsdam - Garnisonkirche

  • Die Sache nahert sich einem ziemlichen Stillstand. Die Stiftung bekommt den Turm wg. fehlender Spenden nicht fertig, was in der Abentszeit nach der Ausrüstung offensichtlicher denn je wird. Vom Bund gibt es jatzt nichts mehr, von der Stadt sowieso nicht.

    Parallel macht die Stadt mit einem knappen Votum und einer halben Millionen Euro haushaltsmittel an einem "Haus der Demokratie" rum, das sie sich nie wird leisten können. Das Herzstück des HdD, den Plenarsaal der Statverordneten, wird derweil im Rathaus-Campus geplant. Das ist natürlich grober Unfug, weil die Stiftung das Areal gar nicht zu einer Beplanung freigegeben hat. Im übrigen kann Potsdam die 30-40 Millionen Euro für ein solches Haus gar nicht finanzieren.

    Beim Rechenzentrum ist allen klar, dass unmittelbar nach Änderung des B-Planes für eine Sanierung des RZ - in welcher Form auch immer - ca. 50 Millionen Euro aufgebracht werden müssten. Das hat Potsdam auch nicht.

    Insofern sind alle Seiten heiß gelaufen - die Zeit läuft aber weiter. Schon die anstehende Nutzungaufnahme des Turmes wirft viele baurechtlichen Fragen auf, die die Stadt noch nicht beantwortet hat. Da die Haushaltslage der Stadt mit jedem Monat schlechter wird und der Ob noch für keines seiner Projekte eine Finanzierung auch nur ansatzweise beschaffen konnte (Stadtkanal) spricht viel dafür, das in 2023 ein Projekt nach dem anderen beerdigt werden. Und ehe die Stadt die Fördermittel für den Abriss des RZ auslaufen läßt wird 2024 eben abgerissen. Die Augen richten sich jetzt ohnhin erstmal auf den Staudenhof, der Mitte 2023 unter die Abrißbirne kommt. Da werden wir wieder alles erleben: Besitzung, Proteste, Festkleben usw. Wenn der Staudenhof Ende 2023 weg ist ist schonmal viel erreicht.

  • Ein großes Problem ist es, dass der Garnisonturmbau zu purem Gift geworden ist, dem man sich als Spender nicht aussetzen möchte. Erst recht größere, öffentliche Spender werden sich davon eher fernhalten, weil sie ja sonst gleich in eine unschöne Ecke gedrängt werden. Da haben die Turmgegner wirklich ganze Arbeit geleistet. :(

    Wenn ich das richtig verstanden habe, reicht das Geld, was man vom Bund erhält, nicht für die Haube...aber würde es nicht für den Schmuck (Säulen und Vasen) reichen? Insofern das Geld nicht Zweckgebunden ist, fände ich es vielleicht klüger, den Tum ohne Haube aber mitsamt allem Schmuck aufzubauen, und zu hoffen, dass der schöne Turm doch irgendwann in der Bevölkerung den Wunsch erweckt, auch die Haube aufzusetzen.
    Eine unfertige Haube und unfertiger Schmuck sehen wahrscheinlich nicht so ansprechend aus...

  • Mit dem Fördergeld des Bundes ist es wohl nicht abschliessend möglich die Turmhaube MIT der schon fertigen Wetterfahne zu montieren. Wie weit die Stiftung mit dem Geld kommt, wird sich erweisen.

    Der Bauschmuck (Säulen, Trophäen obere und mittlere Etage, Flammenvasen untere Etage (bis auf ein Original)) waren nie vollständig finanziert. Für die mittlere Etage gibt es schon die Modelle (Bild), auch für das Geschoß der Aussichtsplattform (Modelle habe ich mit eigenen Augen gesehn, bis auf ein Original, das eigentlich als solches wiederaufgestellt werden soltte). Nach dem Spendenkatalog summiert sich der Bauschmuck nochmal auf gut zwei Millionen Euro.

    Zudem fehlen noch die Ziffernblätter der Uhr (viermal 125.000 Euro).

    Die Tropaia auf der Aussichtsplattform waren aus Gewichtskründen eine Kupfertreibarbeit. Kriegszerstörtes original (ganz unten) und Modell für eine der anderen Trophäen der obersten Etage.

  • Ein großes Problem ist es, dass der Garnisonturmbau zu purem Gift geworden ist, dem man sich als Spender nicht aussetzen möchte. Erst recht größere, öffentliche Spender werden sich davon eher fernhalten, weil sie ja sonst gleich in eine unschöne Ecke gedrängt werden. Da haben die Turmgegner wirklich ganze Arbeit geleistet. :(

    Das trifft ja nicht nur für die Kirche zu, sondern zunehmend auch für das Berliner Schloß. Der ursprüngliche Deal zwischen Spendern und Wiederaufbauern war Geld gegen Sozialrenomée: so war es mit Reemtma beim Pomonatempel, mit dem Versandhauskönig Otto beim Pfingstberg, mit der Messerschmidt-Stiftung beim Belvedere auf dem Klausberg, mit Günther Jauch beim Fortunaportal und Hasso Plattner beim Stadtschloß, Barberini und Minsk.

    Alle werden heute angegriffen, weil sie sich angeblich keinen demokratischen Voten gestellt haben sondern als Millionäre vorgeblich den Menschen irgendetwas aufzwingen. Die lange Reihe von eindeutigen Meinungsumfragen oder Bürgerfragungen, die das Gegenteil beweisen, werden ignoriert und beiseite geschoben.

    So hat sich die Gesellschaft ändern lassen und niemand aus den bürgerlichen Parteien und der SPD haben sich gewehrt.

  • So hat sich die Gesellschaft ändern lassen

    Das finde ich nicht. Die Menschen sehen es ja ganz überwiegend immernoch alles positiv, wenn sich das Stadtbild in dieser Art verbessert. Es ist einfach eine mediale Inszenierung, die da stattfindet.

    Und wenn all die Spender auf Lorbeeren vom Feuilleton und auf Vernissagen gehofft haben, muss man wohl sagen, dass das von Anfang an eher naiv war. Mäzenatentum, Bauvorhaben, Rekonstruktionen, all das kommt doch schon seit Ewigkeiten überwiegend schlecht weg in der in ihrer Bedeutung ohnehin schwindenden Presse. Falls es überhaupt je von der Mehrheit der Journalisten positiv aufgenommen wurde - höchstens bei kleineren Lokalredaktionen in der Provinz.

  • So hat sich die Gesellschaft ändern lassen und niemand aus den bürgerlichen Parteien und der SPD haben sich gewehrt.

    Die Gesellschaft wird schon spätestens seit 1968 sehr konsequent und kontinuierlich verändert. Nur merken das manche erst sehr spät. Und die jetzigen Probleme der bürgerlichen Reko-Spender sind nur ein ganz kleiner Polyp einer Entwicklung, die gesellschaftlich weit umfassender ist.

    Mäzenatentum, Bauvorhaben, Rekonstruktionen, all das kommt doch schon seit Ewigkeiten überwiegend schlecht weg

    Eben. Die Entwicklung währt schon so lange, dass sie für viele zum "Normalfall" bzw. zur "Ewigkeit" geworden ist.

  • ^ Das ist eine sehr ideologische Sicht der Dinge, 1968 hat damit im Jahr 2022 gar nichts zu tun. Das sind Weltverschwörungstheorien. Der ungeheure Erfolg der genannten Spender von Kaufhaus-Otto bis Software-Plattner sprechen gegen diese These von der schleichenden Änderung, auch die über 100 Millionen Euro, die Boddien gesammelt hat.

    Bis vor zehn Jahren war es noch geradezu ein Wettrennen unter reichen Deutschen, sich gegenseitig mit der Unterstützung von Bauprojekten zu übertreffen.

  • Problematiken nicht erfassen

    Es ist aber da nichts zu erfassen, wo nichts ist. Wie Konstandindergeer zu Recht ausführt: Deine Sicht ist sehr oft eine ideologische. Die kannst Du selbstverständlich haben, aber solltest es halt auch akzeptieren, wenn andere das erfassen und darauf hinweisen.

  • Mir ist die Mäzenenkultur vor zehn Jahren aber auch irgendwie entgangen. Natürlich ist es großartig, was geleistet wurde.

    Aber das ist doch eher die Ausnahme als die Regel, für dieses reiche Land.

    In meiner Zeit in Amerika erlebte ich da ganz andere Dimensionen. Da wurde einem Künstler auch eine Stradivari geschenkt, wenn er überzeugte. Opernhäuser, Konzerte, alles wird von Mäzenen gesponsert. Das beeindruckte mich.

    Beauty matters!

  • Hier sind sich zwei Teilnehmer ganz massiv im Clinch. Wer von beiden hat wohl recht?

    Alle werden heute angegriffen, weil sie sich angeblich keinen demokratischen Voten gestellt haben sondern als Millionäre vorgeblich den Menschen irgendetwas aufzwingen. Die lange Reihe von eindeutigen Meinungsumfragen oder Bürgerfragungen, die das Gegenteil beweisen, werden ignoriert und beiseite geschoben.


    So hat sich die Gesellschaft ändern lassen und niemand aus den bürgerlichen Parteien und der SPD haben sich gewehrt.

    1968 hat damit im Jahr 2022 gar nichts zu tun. Das sind Weltverschwörungstheorien. Der ungeheure Erfolg der genannten Spender von Kaufhaus-Otto bis Software-Plattner sprechen gegen diese These von der schleichenden Änderung, auch die über 100 Millionen Euro, die Boddien gesammelt hat.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wann denn und wo?

    Schau mal diese Liste an. Wir stehen am Platz vier. Und das nicht erst seit gestern.

    Richtig. Ich beziehe mich auf eine Zeit, in der Deutschland noch eine deutlich niedrigere Staatsquote hatte und nicht alles mit vorher abgeschröpften Steuergeldern zugeschüttet hat.

    Der Reichtum zur Hochindustrialisierung führte in vielen deutschen Städten zu einem stolzen Bürgertum und brachte viele Mäzene hervor. Die haben Kulturinstitutionen, Verbände, Stiftungen, Schulen, Denkmäler (z.B. fast alle Bismarckdenkmäler) usw. gesponsort. Viele Stiftungen und Vereine stammen noch aus dieser Zeit. Selbst der Verkehrsausbau erfolgte oft noch mit privaten Investitionen, etwa bei Eisenbahnstrecken und öffentlichem Nahverkehr.

    In manchen Städten war dies verbreiteter als in anderen. Frankfurt hat sich z.B. besonders viele Bauprojekte durch Mäzene und Sponsoren spendieren lassen, wie die Alte Oper:

    Zitat

    "Am 14. Dezember 1869 regte der vom preußischen König bestellte neue Oberbürgermeister Daniel Heinrich Mumm von Schwarzenstein den Neubau eines Theaters an. Am 23. Dezember 1869 versammelte sich daraufhin eine Gruppe von 67 vermögenden Bürgern im Saalbau und gründete einen Förderverein für den Theaterneubau. Bis zum 12. Januar 1870 kamen Spenden in Höhe von 480.000 Gulden zusammen. Das Opernhaus steht damit am Anfang einer Reihe repräsentativer Bauprojekte der Gründerzeit nach dem Frieden von Frankfurt 1871, mit dem die Stadt ihren politischen Bedeutungsverlust kompensierte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Oper…neues_Opernhaus

  • Achso, Du meinst das Kaiserreich ;) . Missverständnis.

    Ich bin von meiner Lebensspanne und paar Jahrzehnte davor ausgegangen.

    Und ja, es gab ein paar erstaunliche Bauprojekte die letzten 20 Jahre, aber das ist eigentlich minimal, was es geben könnte. Irgendwie hat es sich nicht etabliert.

    Beauty matters!

  • Ein großes Problem ist es, dass der Garnisonturmbau zu purem Gift geworden ist, dem man sich als Spender nicht aussetzen möchte. (...)

    Vielleicht interessieren sich die meisten Reichen auch einfach nicht für Architektur, sondern kaufen lieber Autos, Yachten und Schmuck.

    Wenn ich ein großes Geldvermögen hätte, würde ich für alle möglichen Rekonstruktionsprojekte größere Summen spenden. Ganz egal, was irgendwelche Modernisten und Feinde der guten Architektur sagen. Ganz einfach, weil es eine Herzensangelegenheit ist.

  • Mir ist die Mäzenenkultur vor zehn Jahren aber auch irgendwie entgangen. Natürlich ist es großartig, was geleistet wurde.

    Aber das ist doch eher die Ausnahme als die Regel, für dieses reiche Land.

    In meiner Zeit in Amerika erlebte ich da ganz andere Dimensionen. Da wurde einem Künstler auch eine Stradivari geschenkt, wenn er überzeugte. Opernhäuser, Konzerte, alles wird von Mäzenen gesponsert. Das beeindruckte mich.

    Kleiner Anstoß mal Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, und nicht mit Birnen... ;)

    Ich denke deutsche Staatsbürger sind - wenn auch vielleicht nicht ganz freiwillig - ziemlich "spendenbereit". Wir zahlen nämlich mit der demokratischen Entscheidung für das deutsche Steuer-System automatisch vergleichsweise sehr hohe "Spenden" für unsere Gesellschaft.

    So ganz nebenbei:
    Während bei uns untere Einkommen steuerfrei sind, muss in den USA schon geringes Einkommen vergleichsweise hoch versteuert werden. Sozial gerecht?
    Trotzdem höre ich bei uns immer nur, dass unser System sozial ungerecht wäre und "die Reichen" mehr Steuern zahlen müssten...

  • Das trifft ja nicht nur für die Kirche zu, sondern zunehmend auch für das Berliner Schloß. Der ursprüngliche Deal zwischen Spendern und Wiederaufbauern war Geld gegen Sozialrenomée: so war es mit Reemtma beim Pomonatempel, mit dem Versandhauskönig Otto beim Pfingstberg, mit der Messerschmidt-Stiftung beim Belvedere auf dem Klausberg, mit Günther Jauch beim Fortunaportal und Hasso Plattner beim Stadtschloß, Barberini und Minsk.

    Alle werden heute angegriffen, weil sie sich angeblich keinen demokratischen Voten gestellt haben sondern als Millionäre vorgeblich den Menschen irgendetwas aufzwingen. Die lange Reihe von eindeutigen Meinungsumfragen oder Bürgerfragungen, die das Gegenteil beweisen, werden ignoriert und beiseite geschoben.

    So hat sich die Gesellschaft ändern lassen und niemand aus den bürgerlichen Parteien und der SPD haben sich gewehrt.

    Ich frage mich, wie man nach dem Wahldesaster (30 Mio Schaden) im Berliner Raum überhaupt noch das Wort Demokratie in den Mund nehmen kann, ohne vor Schamröte in den Löchern zu versinken. Dieser Begriff ist genau so eine leere Worthülse, wie früher in Ostdeutschland die Bauten "des Friedens" oder der "Freundschaft zur Sowjetunion". Ein Haus der Demokratie wäre lediglich vor Angriffen der Medien geschützt, ohne jeden praktischen Wert. Aber das ist in Berlin einschl. Speckgürtel nichts Besonderes. Hieß es doch schon immer:

    Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin. Wo die Verrückten sind, da gehörst du hin!

    Wo die Verrückten sind, da gehörst du hin.