Geschichte der Fassadengestaltung in der Schlosstraße - Überblick
Zunächst landete man 1530-35 einen der allerersten "großen Würfe der neuen Renaissance-Außen-Architektur" für Deutschland mit dem Georgenbau. Dieser war sehr reich mit farbig gefasster Bauplastik versehen.
Teile der Skulpturen sind heute noch vorhanden und man kann sich von ihrer Qualität überzeugen:
- am Georgentor-Bau das eigentliche Torgewände - heute Westseite Georgentor und im Stallhof-Bereich,
- in der Dreikönigskirche - Totentanz-Fries
- Madonnenkopf, zukünftig in der Ausstellung zur Schloss-Baugeschichte.

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Dann wurde unter Moritz und August von 1548-1556 die bestehende gotische Schlossanlage in ihrer Größe verdoppelt und es entstand der Große Schlosshof mit den Sgraffiten. Auch die Schlossaußenseite war komplett durch den schwarzweißen Kratzputz aufwendigst gegliedert.
Moritz war selbst mehrfach in Italien und heuerte die Künstler dort an, um seine Residenz auf den neuesten Stand der Kunst zu bringen.
Nachfolgendes Bild zeigt das Schlossmodel der Renaissance-Zeit. (Schlossstraßen-Fassade rechts, Georgenbau an der rechten Ecke fehlt)

df_hauptkatalog_0017149.jpg (1600×1372) (slub-dresden.de)
Dresden entwickelte sich in der Folgezeit zu einer der architektonisch bedeutendsten Renaissance-Residenzstädte Deutschlands.

Dresden_Stadtkarte_1634.jpg (1295×1600) (wikimedia.org)
Die Gebäude waren skulptural-plastisch eher wenig gegliedert, wie oben beschrieben. Wittenberg und Torgau geben heute noch an vielen Stellen ein mit dem Dresden der Renaissance vergleichbares Stadtbild ab.
Ob es in Dresden neben Schloss, Stallhof und Stallgebäude am Jüdenhof noch weitere Sgrafitto-Fassaden gab, entzieht sich aber weitgehend unserer Kenntnis. Durch das Abräumen aller Originalsubstanz nach dem 2. WK gibt es keine Möglichkeiten mehr, dies zu untersuchen.

Vor 500 Jahren erließ Wittenberg eine neue Kirchenordnung - DOMRADIO.DE

Wittenberger Renaissance Musikfestival: Programm, Künstler & Spielstätten - concerti.de

Torgau – Stadt der Renaissance › Landkreis Nordsachsen, Sachsen, Stadtansichten (architektur-blicklicht.de)

TIC Torgau-Informations-Center: Torgau entdecken und erleben (stadtwerke-torgau.de)

Nikolaikirche Karte - Kirche - Torgau, Deutschland - Mapcarta
Die Torgauer Nikolaikirche gibt heute noch anschaulich wieder, welche Entwicklung Gebäude der Renaissance so üblicher Weise nehmen konnten, mit An- und Umbauten, Umnutzung, Profanierung etc.
Hier sieht man exemplarisch, was
- oft letztlich an Originalsubstanz auf uns überkommen ist,
- wie man sich aus Farbbefunden die ursprüngliche Wirkung vorstellen kann und
- was man in einer Rekonstruktion der Fassadengestaltung leisten kann.
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Das Dresdener Schloss war ja ab um 1550 mit den Sgrafitten (vergleiche heute Innenhof) auch Außenseitig "opulentest" gestaltet.
Wirkung mindestens so, wohl noch prächtiger:

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Somit ist für die Schlossstraße eine Fassaden-Gliederung am Schloss NICHT durch Bauplastik sondern AUSSCHLIESSLICH durch grafische Gestaltung der Fassaden evident.
Ca. 80 Jahre später hat das Schloss dann sicher etwa diesen Eindruck gemacht.

Schloss Ober-Neundorf – Wikipedia
Und dann wurden die Sgrafitten nochmals erneuert.
Ob auch in der Schlossstraße Erneuerungen des Kratz-Putzes stattfanden entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin war diese Seite damals die unbedeutendste am ganzen Schloss.
Die Schlossstraße war nämlich seit 1556 eine Sackgasse. Damals wurde das Georgentor für den öffentlichen Verkehr geschlossen.
Erst weit nach 1719 wurde die Schlossstraße wieder für den Durchgangsverkehr geöffnet; irgendwann im Zusammenhang mit dem Bau der Hofkirche dürfte das gewesen sein, jedenfalls erst nach der Jahrhunderthochzeit, zu der das Georgentor nachweislich noch geschlossen
war.
1719 wurde für die Feier direkt vor dem Nordflügel des Schlosses der 1. Schlosshof neu angelegt. Wie muss man sich die Wirkung vorstellen? Aus der Augustusstraße kommend gelangte man geradewegs durch das sog. "Münztor" (ein erstes kleines Triumphtor in einer Mauer in der Flucht zwischen Jägertor und heutiger linker Durchfahrt des gründerzeitlichen Georgentores ) in einen von hölzernen Arkaden gesäumten Hof vor dem Nordflügel des Schlosses. Dieser neue erste Hof bildete also das barocke Entrée zum Residenzschloss. In einer 90°-Wendung fuhr man dann durch das "Grüne Tor" im Hausmannsturm in den großen Schlosshof.
Bevor man den Münzhof anlegte, gab es in etwa diesem Bereich im Jahr 1709 einen hölzernen Vorgängerbau eines Festplatzes - ähnlich dem späteren Zwingerbau.
Und wie wir sehen, gab es 1709 auf jeden Fall noch farbigen Kratzputz an den Außenwänden des Schlosses.

Schloss 1709 C.H.Fritsche - Residenzschloss Dresden – Wikipedia
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Beim großen Schlossbrand 1701 wurde
- der Georgenbau,
- der Ostflügel = Schlossstraße und
- der halbe Nordflügel bis zum Hausmannsturm
zerstört.
August träumte bis 1717 von einem riesigen Schloss-Neubau. Die Landstände versagten ihm dies und so wurden die Brandruinen erst ab 1718 bis 1719 in schlichten spätbarocken Formen wieder aufgebaut. Trotzdem gab es aber eine Gliederung der Fassaden durch Bemalung.

Deutsche Fotothek
Die Ansicht täuscht, denn eine solche Weite hatte und hat die Schlossstraße natürlich nicht. Die Fassaden waren nur auf Schrägansicht konzipiert.
Die schlichten Formen erscheinen uns im Vergleich zum zeitgleich errichteten Zwinger, der späteren Hofkirche und der Frauenkirche heute sehr einfach und etwas provisorisch.
Vergleicht man aber die nach dem Ostflügel des Residenzschloss nur wenig später entstandenen Hofbauten
- Hubertusburg (ab 1720) und
- Moritzburg (ab 1723)
ist zu vermuten, dass einfache Putzfassaden nach den neuesten französischen Vorbildern in Dresden en vogue waren.
Das Dresdener Rokoko ist außen stets schlicht und innen sehr elegant, dabei aber auch eher einfach. Süddeutsche oder Potsdamer Opulenz sucht man hierzulande vergebens.
Offensichtlich wollte man sich reiche Fassaden mit aufwändiger architektonischer Gliederung nicht mehr leisten. Man konnte wohl auch nicht, denn nach der Hochzeit mit der Kaisertochter war August der Starke mit 4 Mio. Thalern verschuldet.

Hubertusburg vor dem Umbau zur 4-Flügelanlage ab 1733, also zwischen 1721 und 1733.
Auch bei dem schlichten Umbau ab 1740 wurden die klassisch wirkenden Fassaden beibehalten

Hubertusburg Innenhof 2004 (deriv) - Hubertusburg – Wikipedia
Und das von Mantikor oben bereits gezeigt Bild macht klar, was von einer bemalten Fassade an Wirkung bleibt, wenn der Zahn der Zeit an Ihr genagt hat.

Die Wirkung der bürgerlichen Fassaden beruhte vom 18. bis ins mittlere 19. Jhd. wohl überwiegend nur auf Bemalung und den Erkern, wie Octavian darstellt.

Datei:Schloßstraße in Dresden um 1900 (Postkarte).jpg – Wikimedia Commons