• Flensburg ist aber ein Phänomen. Ich bin ehrlich gesagt beeindruckt von der Vielseitigkeit seiner Gründerzeit. Bin im Zuge des Abrisses in Rendsburg mal wieder auf Reisen gegangen mit der Straßenansicht von Applekarten. Ich hatte Flensburg immer als so eine typische, leicht runtergekommene Stadt in Schleswig-Holstein abgespeichert, für die man sich schämt, wenn man aus der Sauberkeit und Prosperität Dänemarks nach Deutschland kommt, wie dieser Zigarettenrauchgeruch, der überall ist und der einem nur auffällt, wenn man zurückkommt aus dem Ausland.

    Nur drei Schnappschüsse, will hier nicht übertreiben und es sollen ja eigentlich eigene Bilder gezeigt werden:

    Vieles ist leider etwas runtergekommen, aber das ist ein wie ich finde sehr abwechslungsreicher und urbaner Gründerzeitstil für eine Stadt der Größe Flensburgs. Und das sind wie gesagt nur drei Bilder. Die Stadt hat definitiv ein großes Potenzial (natürlich und v.a. auch in der Innenstadt) - wenn man sich mal um die elenden Fenster kümmern würde, wäre schon viel erreicht.

    Musste meine Vorurteile mal wieder revidieren, auch über Kiel, von dem ich auch ein paar Bilder zeigen möchte.

  • wie dieser Zigarettenrauchgeruch, der überall ist und der einem nur auffällt, wenn man zurückkommt aus dem Ausland

    Ich weiß ja nicht, wo Du Dich so "im Ausland" aufhältst, aber das klingt fast schon neurotisch... :lachentuerkis: :lachentuerkis:

  • Ich weiß ja nicht, wo Du Dich so "im Ausland" aufhältst, aber das klingt fast schon neurotisch... :lachentuerkis: :lachentuerkis:

    Typisch für einen ex-Raucher eben ;).

    Aber im Ernst, es ist schon so, dass mich manche Dinge an Deutschland kolossal nerven, v.a. ist das der schlechte Zustand seiner öffentlichen Infrastruktur, das merkt man eben immer ganz besonders, wenn man aus Ländern, wo das anders ist, zurückkehrt nach Deutschland, also zum Beispiel Dänemark oder die Schweiz. Bahnhöfe sind dort top in Schuss, Autobahnraststätten einladend und modern gestaltet. Meine Schwester berichtete gerade von ihren Erlebnissen auf dem Frankfurter Flughafen bei der Rückkehr mit einer Schülergruppe, sie meinte, das sei untragbar. Ich war seit 20 Jahren nicht mehr dort, aber es scheint sich nicht viel verändert zu haben, schon damals hatte der Flughafen den Charme der 70er. Einfach vollkommen, unrettbar verbaut, unheimliche Wege, und in der Summe maximal peinlich als wichtigster Flughafen des wirtschaftlichen stärksten Landes in Europa. Da würde nur Abriss und vollkommene Neukonzeption helfen. So einen zerschossenen, runtergekommenen, nachgerade peinlichen Flughafen gibt es auf der Welt nicht nochmal.

    Das mit dem Rauchen ist nur so ein Symptom für diese Unfähigkeit Deutschlands, sich zu modernisieren. Es gibt kein entwickeltes Land auf der Welt mehr, in dem Plakatwerbung für Zigaretten erlaubt ist. Dazu überall dieser Gestank auf Bahnsteigen und die Kippen auf dem Boden. Das ist für mich Deutschland, v.a. wenn ich aus Ländern zurückkomme, wo das seit 20 oder 30 Jahren schon anders ist.

  • Die Altstadt sieht auch sehr nett aus, ist natürlich tlw. Fußgängerzone und deshalb für das Kameraauto nicht so zu erreichen gewesen:

    Sehr dänisch in der Architektur. Ich hatte eine Urgroßtante in Flensburg, die sehr alt geworden ist und irgendwann Ende der 80er Jahre über 100jährig gestorben ist, sie sprach "Petuh", das ist eine Art Mischung aus Niederdeutsch, Hochdeutsch und "Sönderjysk", einem süddänischen Dialekt gewesen, wurde in unserer Familie immer "Plattdänisch" genannt.

    Die Frauen, die diese Sprache sprachen, wurden "Petuhtanten" genannt, es gibt sogar einen Wikipedia-Artikel dazu:

    Petuh – Wikipedia

    Ich konnte sie kaum verstehen auf unserem einzigen Besuch, an den ich mich erinnere. Weiß noch, dass wir im Hafen waren und ich unbedingt eine Butterfahrt machen wollte, aber niemand anders. In jedem Falle gehört nun auch Flensburg zu den Städten, die ich anscheinend deutlich unterschätzt habe, dachte immer, das wäre so eine Art zweites Rendsburg, nur am Wasser. (In Rendsburg wohnten auch Verwandte, da waren wir sogar häufiger, die Schwebefähre und die Brücke über den Nordostsee-Kanal sind natürlich der Kracher).

    Es fällt schon auf, dass die Stadt kaum kriegszerstört war. Und anders als in vielen anderen deutschen Städten sieht man das auch, bei meinen "Fahrten" durch die Stadt habe ich im Kern kaum Nachkriegsbauten entdeckt, natürlich gibt es ein paar, und weiter draußen auch mehr, aber das Stadtbild wirkt ziemlich geschlossen. Und diese geschlossenen Gründerzeitstraßenzüge mit ihren plastischen Fassaden und Balkonen zur Straße habe ich dort am allerwenigsten erwartet.

  • Das ist ja fast ein Wahnsinn, dieses Gründerzeitviertel, da wähnt man sich direkt in Marienbad oder sonstwo.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Grauenhaft diese Plastikfenster und die blaue Farbe...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Blaue Häuser finden sich meines Wissens im Norden häufiger. Das hätte dort durchaus eine gewisse Tradition. (Hier mal ein Haus mit einem allerdings kräftigeren Blau aus Hamburg-Blankenese; Hier mal ein blaues Reetdachhaus aus Born in Mecklenburg-Vorpommern) Mir gefällt es eigentlich auch ganz gut, zumal es ja ein pastellener Ton ist. Ob das wirklich Plastikfenster sind, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht kann sich zu beiden Punkten ein Norddeutscher bzw. Fensterexperte äußern.

    Ich finde positiv, dass die Häuser saniert wurden. Vorher sahen sie, dem Foto nach zu urteilen, nach einem ziemlich unbewohnbaren Zustand aus.

  • Worüber sich manche Teilnehmer echauffieren können. Und was ist damit?

    61480-csm-bs-hotel-hafen-flensburg-04-306-web-d147a006d4-jpg

    Der Füllbau musste wohl unbedingt sein. Ging einfach nicht anders als in dieser Form, oder? Ensemble ruiniert.

    In dubio pro reko

  • Natürlich ist das nicht schön. Ensemble ruiniert ist ein bisserl zu hart, denn immerhin wurde es als solches erhalten, was angesichts des Vorzustandes nicht so klar schien. Dazu sprengt das nicht so sehr den Rahmen, es gibt ein Dach und Fensterachsen, auch das dunkle Rot ist sozusagen hanseatisch.

    Es kann aber durchaus sein, dass ich, was dunkle Farben betrifft, leicht manipulierbar in Richtung größerer Duldsamkeit bin.

    Muss ich zugeben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die Fenster sind nicht harmonisch und nehmen dem Ensemble die Ruhe und die norddeutsche Gelassenheit.

    Auch ist der gewählte Fassadenfarbton viel zu aggressiv. Es fehlen Bauschmuck und Verzierungen.

    Sehr positiv wirken aber die roten Dachziegel der beiden rechts befindlichen Gebäude, welche dadurch als sehr gelungen gelten können.

  • Natürlich ist das nicht schön. Ensemble ruiniert ist ein bisserl zu hart

    Finde ich nicht, auf mich wirkt das wie ein eigentlich erfreulicherweise wiederhergestelltes, makelloses Ensemble mit einem faulen Zahn mittendrin. Und das eigentlich traurige daran ist, dass das wohl so gewollt ist. Nur keine vollkommene Harmonie, irgendwas muss diese immer "aufbrechen" und "provozieren", ein Grundprinzip des Modernismus. Und somit weicht die eigentlich berechtigte Freude einem ebenso berechtigten Ärger, was nicht hätte sein müssen.

    In dubio pro reko

  • Damit geh ich d'accord.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Grauenhaft diese Plastikfenster...

    Wie kommst Du auf Plastikfenster??? Ich habe noch nie Plastikfenster mit so dünnen Rahmenprofilen gesehen, die zudem noch nach aussen öffnen. Das sind doch eindeutig Holzprofile. Im Unterschied zu historischen Fenstern hat man hier leider spiegelglattes Glas gewählt, anstatt leicht unebenes (es muss ja nicht gerade mundgeblasenes Glas sein).

  • https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Schiffbr%C3%BCcke_H%C3%B6he_Herrenstall_%28Hochwasser_am_6._Januar_2012_in_Flensburg%29%2C_Bild_02.JPG

    Hier sieht man also ganz gut, dass die mittlere Fassade, wo heute das rostig-moderne Entrée ist eine klassizistische Fassade war die geopfert wurde bewusst für diesen „Bruch“. Komisch dass man beim rechten Nachbarn das Zwerchhaus aber rekonstruieren ließ…

    Naja schwierig ingesamt haben mehrere Baudenkmäler davon profitiert nur leider die zentrale Fassade wurde abgeräumt :aufdenkopf: