Posts by Heinzer

    Ich kannte auch tatsächlich einige der Ansichten nicht. Trotzdem handelt es sich eben entweder um eher "schickere" Gebiete mit einer weniger dichten Bebauung fast in einer Art Bonner Stadtvillen-Stil (erste Beispiele) oder um einzelne Straßen wie zum Beispiel die Ewaldstraße. Die lässt ahnen, wie das alte Köln außerhalb der Altstadt aussah vor dem Krieg. Sich umdrehen oder um die Ecke gehen sollte man jedoch trotzdem oft lieber nicht.

    In jedem Falle danke dafür!

    Ich mag an Köln einfach die Lebendigkeit. Es ist die einzige wirkliche Metropole in Westdeutschland (also wirklich Westdeutschland, nicht Westdeutschland als Gegenpart zu Ostdeutschland) und ich habe die Stadt als hässlich, aber herzlich in Erinnerung. Wir waren im Sommer da, und in der Südstadt war das richtig nett mit vielen Kneipen und Restaurants, ich kann da nicht meckern.

    "Gründerzeitliche Stadtteile" gibt es allerdings wirklich praktisch gar nicht. Selbst die wirklich besterhaltenen Gegenden (abseits von schon fast suburban gelegenen Reihenhausstadtteilen aus der Zwischenkriegszeit) kommen kaum auf >50% Vorkriegsarchitekturanteil, vielleicht mal mit viel Glück in einer halben Straße auch mehr. Praktisch alle deutschen Großstädte, auch die kriegszerstörten haben ja dann doch irgendwo noch zumindest einen halbwegs erhaltenen solchen Stadtteil, aber Köln und ein paar Ruhrstädte liegen da wirklich nochmal schlechter. Man erkennt an diesen Städten, dass sie die ersten waren, die wiederholt auch von größeren Bomberverbänden erreicht wurden UND dass sie ab ca. 1943 zunehmend zu einer Art "Abwurfhalde" für rückkehrende Bomberstaffeln wurden, die von größeren Bombardierungen weiter im Osten übers Ruhrgebiet zurückflogen und nicht alles abgeworfen hatten.

    Die Menge an abgeworfener Bombentonnage/qkm oder meinetwegen pro Einwohner über den gesamten Kriegsverlauf war in diesen Städten tlw. um ein Vielfaches höher selbst als in den weltweit ikonisch gewordenen Mahnmalen gegen den Bombenkrieg wie Dresden oder Berlin oder sogar Hamburg.

    Mir ist das damals in Norwegen extrem aufgefallen, dass die nordischen Länder abseits vielleicht von Dänemark und Südschweden sowie wenigen Zentren weiter nördlich im Prinzip wie die "Neue Welt" daherkommen. Jenseits des 19. Jahrhunderts ist da einfach (fast) nichts. Man ist dann immer sehr schnell in der Wikingerzeit, wenn es um alles vor 1850 geht, dann geht es um Schiffe und irgendwelche Wikingerfreiluftmuseen, fast so ein bisschen, wie Amerikaner die Dürre in ihrer Geschichte jenseits des Bürgerkriegs dann auch immer mit den Ureinwohnern füllen.

    Norwegen ist (neben Finnland) sicherlich das extremste Beispiel für dieses fast amerikanische Gefühl, das ich fieserweise auch immer ein bisschen auf das Osteuropa jenseits der ehemaligen Habsburgermonarchie, Polen und die baltischen Staaten projiziere. Da gibt es in großen Teilen der Ukraine, Russlands und Weißrusslands auch sehr wenig, was älter als 200 Jahre ist.

    Italien ist vielleicht das andere Extrembeispiel, da hat jedes piefige Dorf Wohnhäuser, die älter als 500 Jahre sind, Deutschland ist so dazwischen schon mit einem erkennbaren Nordost-Südwestgefälle. Ich mag das aber schon, dass praktisch jedes Dorf in Deutschland Gebäude aufweist, die zumindest einen mittelalterlichen Kern haben. Einzige Ausnahmen wären auch hier dann viele der ehemals slawisch besiedelten ländlichen Gegenden zum Beispiel Brandenburgs und Vorpommerns, in denen es auch oft wenig gibt, das älter als 200-250 Jahre ist.

    Ist vollkommen ok. Ich habe eine Schwäche für diese Symbiosen, wenn sie nicht allzu plump daherkommen. Und ich fand den Bestand dort immer etwas unpassend-piefig, wenn ich das mal so unverschämt sagen darf. Der Wert dieser Häuser besteht hauptsächlich darin, dass es dergleichen im Umfeld kaum bis gar nicht mehr gibt. Sie sind sozusagen ein Relikt, noch zudem eines, das früher in einer ganz normalen Straße stand und nicht an diesem fürchterlichen Nachkriegsprodukt der Domsheide ohne Gegenpart.

    Ich kann also mit der Aufstockung gut leben und auch mit der Gestaltung derselben. Aber wie gesagt, das bin ich, der auch gar nicht erwartet, dass das alle so sehen. Die Finanzierung ist ja auch alles andere als sicher, zudem darf man nicht Bremens Gabe, es auch im späteren Verlauf noch zu verbocken, unterschätzen. Kann also gut sein, dass hier gar nichts passiert und die Glocke weiter dahindämmert.

    Ich muss sagen: Ich find's gut. Die momentane Situation ist in der Glocke nicht mehr tragbar, das ganze Gebäude leidet unter Platzmangel und einem erkennbaren Sanierungsstau. Ich finde diese Lösung auch optisch wirklich okay auf den ersten Blick. Hier noch ein Video von butenunbinnen:

    Entwürfe für Umbau: So könnte die Bremer Glocke bald aussehen - buten un binnen
    Das Konzerthaus soll umgestaltet werden. Architekten aus Köln und Barcelona haben den europaweiten Wettbewerb für sich entschieden. Die Juryentscheidung war…
    www.butenunbinnen.de

    Kleine Anekdote: In Basel hat die linke Regierung vor etwa 7 Jahren das Bettelverbot aufgehoben. Folge: Die ganze Innenstadt war voller daraufhin eingereister „Sinti und Roma“, die penetrant auf einen zukamen und überall in der Stadt ihr Lager aufschlugen. Ein albanischstämmiger Freund, der hier Polizist ist, sagte mir darauf: „Eine Schande, nun sind es hier Zustände wie in meiner Heimat“. Es war übel, sie campierten in der ganzen Stadt. Das Bettelverbot wurde durch einen Vorstoß der äußeren Rechten wieder eingeführt, die Polizei ging daraufhin hart vor. Folge: Man wird nun tatsächlich nur noch von ganz wenigen Einheimischen angebettelt (denen ich mitunter auch etwas gebe, oft wollen sie ja nur eine Zigarette und wenn jemand freundlich im heimischen Dialekt auf mich zukommt, gebe ich auch mal einen Franken). Es gibt kaum noch Bettler hier, sie zogen weiter, wahrscheinlich nach Deutschland. Dass man diese offensichtlichen Zusammenhänge leugnen möchte, zeugt m.E. von massiver Realitätsverweigerung.

    Es mag seltsam klingen, aber das klassische Betteln wird durch die schlichte Tatsache, dass immer weniger Leute Bargeld op Täsch haben, immer unattraktiver werden. Bei uns vorm Supermarkt stehen auch oft so zwei, drei Gestalten und betteln, manchmal ein junges deutsches, anscheinend obdachloses Pärchen, manchmal eher osteuropäische Alkoholiker.

    Früher habe ich denen durchaus mal was gegeben. Bei mir häufen sich nun aber die Situationen, in denen ich schlicht kein Bargeld dabei habe außer etwas Kupfergeld, das ich seit Jahren im Portmonee rumtrage. Dies wird gerade den nochmals jüngeren Generationen (bin schon fast 50 und sicherlich kein "Innovator" oder Vorreiter beim bargeldlosen Zahlen) immer mehr so gehen. Neulich habe ich im Supermarkt extra mit einem etwas angestaubten 50er bar bezahlt, um draußen die Obdachlosenzeitung kaufen zu können. An dem Typen war ich zuvor wochenlang vorbeigelaufen, weil ich nie Kleingeld in der Tasche gehabt habe.

    Just my literal two cents ;).

    Ich habe sicherlich auch eine Neigung, mich etwas davontragen zu lassen. Bei mir überwog die Erleichterung, dass es nicht der andere Entwurf geworden war. Sicherlich hast Du Recht, wenn Du sagst, dass der Idealfall immer eine kleinteiligere und dabei gemischte Bebauung besser ist, diese kann ja trotzdem durchaus großstädtisch dimensioniert sein. Leider ist sowas aber in deutschen Innenstädten weiterhin die absolute Ausnahme.

    Es ist in der Tat fast schade, dass man das Gebäude praktisch nur von der Nordseite richtig wird sehen können. Die anderen Seiten sind zumindest im Moment noch zugebaut durch die überdachte Passage im Osten und Süden und den "Tunnel" der Hundestraße. Im Moment hat das einen protektiven Effekt, da so niemand weiß, wie hässlich das Parkhaus wirklich ist.

    Ich bin ohnehin kein großer Freund dieser überdachten Einkaufspassagen und könnte mir durchaus vorstellen, dass die Lloydpassage trotz ihrer fast ikonischen Stellung in Bremen irgendwann zu einer ganz normalen Fußgängerstraße rückgebaut wird.

    Ich sehe Staffelgeschosse im Übrigen sonst auch oft kritisch, hier sorgen sie aber für eine bessere Besonnung der Pelzerstraße. Man kann sich ohne Ortskenntnisse nicht vorstellen, was für ein dunkles, hässliches Loch diese Straße heute ist. Ein klassischer Unort, den man nur möglichst schnell verlassen will. Der Blick auf die heutige Parkhauseinfahrt von Norden aus der Carl-Ronning-Straße:

    Bildschirmfoto-2025-02-05-um-09-36-51.png

    (Apple Karten Straßenansicht)

    Bereits über der Etage, in der rechts die Jalousien runtergelassen sind, würde die leichte Staffelung einsetzen und zumindest im Frühling und Sommer spürbar mehr Sonne auf die Straße lassen als heute. Hinzu kommt die brutale Hässlichkeit des anscheinend mal in den 1990ern sanierten Komplexes. Hier der Blick in Richtung "Horten" am westlichen Ende dieser Straße, links über die gesamte Strecke begleitet vom "Parkhaus Mitte":

    Bildschirmfoto-2025-02-05-um-09-42-30.png

    (Quelle Apple Karten Straßenansicht)

    Das gegenüberliegende Backsteinhaus (auf beiden Bildern rechts angeschnitten) aus der frühen Nachkriegszeit steht ebenfalls unter Denkmalschutz und würde gut zum geplanten Neubau passen. Die ganze "Straße" ist heute eher eine Diagnose als ein Stück Stadt. Entscheidender noch als der Ersatzbau fürs Parkhaus Mitte ist aber - wie auf dem Bild oben erkennbar - der Umgang mit dem Hortengebäude. Eine (Wieder)herstellung der Pelzerstraße durch den Komplex hindurch Richtung "Hanseatenhof" wäre das Mindeste neben der vollständigen Wiederherstellung der Kleinen Hundestraße (die dann auf vielen Planungen auch über die Lloydpassage hinweg Richtung Obernstraße durchgeschlagen werden müsste (dort steht nun ein ohnehin und seit Jahren zur Disposition stehender Anbau an das Karstadtgebäude).

    Ein letztes Bild in etwa auf der Perspektive der oben gezeigten Visualisierung der Fassade Pelzerstraße:

    Bildschirmfoto-2025-02-05-um-09-42-03.png

    (Quelle Apple Karten Straßenansicht)

    Auch hier sieht man sehr gut, wie sogar dieser schon lange nicht mehr von mittelalterlichen Traufhöhen geprägte Bereich von diesem Trumm komplett dominiert und zerstört wird. Ich kann Majorhantines' grundsätzliche Kritik schon nachvollziehen, es wird ein wirklich hässlicher, überdimensionierter Klotz durch einen neuen, immerhin weniger hässlichen und überdimensionierten Klotz ersetzt.

    Das ist aber leider das Beste, was an dieser Stelle realistisch möglich war. Und es ergeben sich hier durch die geplanten Maßnahmen und den städtischen Ankauf der beiden größten "Eyesores" des Bereichs Möglichkeiten zru Stadtreparatur wirklich am Herzen der alten "Shopping"-Stadt Bremen, von der manch andere Stadt nur träumen kann. Wenn das jetzt nicht verbockt wird, kann hier wirklich eine nachhaltige Verbesserung einer seit Jahrzehnten und großflächig untragbaren Situation erfolgen über die nächsten 10 Jahre.

    Aber da wir in Bremen sind, sollte trotz des vielversprechenden Beginns natürlich niemals die Möglichkeit außer Betracht gelassen werden, dass das ganze gerade deshalb grandios verbockt wird ;).

    Es geht immer besser, aber eine kleinteilige Neuplanung auf diesem Areal war nie auch nur am Horizont. Bremen ist schon in den Zeiten des Kaiserreichs stark überformt worden mit Großkomplexen (Lloydgebäude, Justizareal, Baumwollbörse), so dass es an dieser Stelle auch einfach keinen richtigen Anknüpfungspunkt für kleinere Parzellen geboten hätte.

    Und auch wenn für meine Begriffe in Norddeutschland bei Neubauten mittlerweile zu oft "Anleihen an den Backsteinexpressionismus" zitiert werden auch bei den banalsten Klinkerentwürfen, so muss ich bei diesem Bau doch sagen, dass diese ganz zweifellos vorhanden sind und obendrein eine Anknüpfung an mehrere solcher Gebäude im erweiterten Umfeld, die in den letzten 40 Jahren entstanden sind, besteht. Die Fassade ist sehr plastisch und extrem strukturiert, wirkt deutlich weniger rasterig, als die meisten modernen Entwürfe. Obendrein hatte diese Architektur auch vor hundert Jahren schon Rasterfassaden, ohne dass sie deshalb als minderwertig wahrgenommen würden.

    Vielleicht ist das ein Nord vs- Süd-Ding, vielleicht unterschätzt du auch die Größe Bremens mit knapp 600.000 Einwohnern. Dass eine solche Stadt im zentralen "City/Shoppingbereich" auf einem Abrissgrundstück plötzlich an die tlw. schon vor dem Zweiten Weltkrieg aufgegebene mittelalterliche Parzellierung anknüpfen würde, obwohl auch die unmittelbare Umgebung von Großkomplexen aller Altersklassen dominiert ist, ist vielleicht wünschenswert, wäre aber auch nirgends anders der Fall. Das "Bestmögliche" wäre eine künstliche Unterteilung gewesen, also eine Planung aus einem Guss mit zum Beispiel durch Fassadenfarben- oder Material variierenden Ansichten. Und sowas wirkt dann leicht künstlich.

    Insofern kann ich mit diesem Entwurf, der ganz klar in einer für norddeutsche Städte etablierten historischen Kontinuität von Kontorhäusern steht, gut leben. Das ist ein der Größe der Stadt und der Lage durchaus angepasster Entwurf.

    Ja, gerade die Seite zur Pelzerstraße sieht echt gut aus, finde ich auch:

    Portraitdoc7z80h7zif2oan4vr2lg-png.webp

    (Quelle: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/br…uerfe-100&pid=1 (Hild und K))

    Viel mehr kann man von solcher Innenstadtneubauarchitektur in einer Stadt wie Bremen kaum erwarten. Hier sieht man mal die Lage im städtischen Gefüge der Gegend, ganz links sind Rathaus, Liebfrauenkirche und sogar der schon besagte Neubau der Bremer Landesbank am Domshof angeschnitten (Blickrichtung ist hier etwas atypisch Richtung Südwesten/Weser):

    Bildschirmfoto-2025-02-04-um-18-34-57.png

    (Quelle: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/br…uerfe-100&pid=2 (Hild und K))

    Direkt "oben"/südlich jenseits der überdachten Lloydpassage sieht man das denkmalgeschützte Karstadtgebäude, "rechts"/westlich-nordwestlich den riesigen, hier schon (teil)rückgebauten Horten/Kaufhofkasten mit neuem Innenhof und freigelegter "Kleinen Hundestraße" zwischen dem Neubau und dem Hortengebäude (aktuell noch überbaute Parkhausausfahrt). Man ahnt durchaus, wie hieraus etwas werden könnte. Allerdings scheint es eine Vorfestlegung auf Umnutzung/Umbau des Hortengebäudes zu geben statt eines Abrisses und einer kompletten Neuplanung, was ich für einen Fehler halte.

    Immerhin: Hild und K setzen sich im Wettbewerb um die Neubebauung des Parkhauses Mitte durch:

    So wird der Neubau am Parkhaus Mitte in der Bremer City aussehen - buten un binnen
    Das Bauressort hat die Pläne für das neue Gebäude in der Innenstadt vorgestellt. Das Zentrum des Neubaus soll ein großer Innenhof werden.
    www.butenunbinnen.de

    Damit gewinnt ein sogar halbwegs gefälliger Klinkerentwurf. Die Alternative (oben gezeigt) wäre ein vollkommen gesichtsloser Glasbunker gewesen.

    Ja, es gibt nur wenige dieser Anlagen, zumindest aus der Frühphase des genossenschaftlichen Bauens ab ca. 1900. Ab den 1920er Jahren wurde Bremen dann immer "normaler" baulich gesehen und hat an der Expansion der nachfolgenden Entwicklungen des Mietwohnungsbaus dann mehr und mehr teilgenommen, auch wenn weiterhin sehr viele Reihenhäuser gebaut wurden.

    Ich fand den Breitenbachhof immer wenig beeindruckend, obwohl er in Bremen jedem, der sich ein bisschen für Architektur interessiert, ein Begriff ist. Selbst Göttingen hat zum Beispiel mit dem Komplex Liebrechtstraße in diesem "Genre" Größeres zu Stande bekommen, von Hannover natürlich ganz zu schweigen. In jedem Falle aber ist die denkmalgerechte Sanierung eine gute Nachricht.

    Unorte der Moderne. Neben den Abrissen fällt aber auch die Verbreiterung des Straßenraums ins Auge. Der Bürgersteig ist so schmal, dass man da mit einem Kinderwagen schon Probleme bekommt. Wer möchte in so einer Straße leben, spazieren gehen, einkaufen?

    Das alles geht Hand in Hand, aber ein Thema (Architektur) ist hier Konsens und das andere (MIV) aus irgendwelchen Gründen hochkontrovers. In der Zerstörungswirkung nehmen sich aber beide nichts.

    Sanierung Breitenbachhof:

    Breitenbachhof in Bremen: Historische Wohnanlage wird modernisiert
    Die Planungen laufen schon länger, jetzt soll es losgehen: Die Espabau saniert die historische Wohnanlage Breitenbachhof. 15 Millionen Euro sind dafür ...
    www.weser-kurier.de

    Es handelt sich beim Breitenbachhof um eine relative typische Genossenschaftswohnanlage aus den 1910er Jahren. In Bremen findet man diese wegen der Dominanz von Reihenhäusern aber seltener. Sie steht seit 1978 unter Denkmalschutz, hat aber die typischen 80er/90er Jahre ungeteilten Kunststofffenster bekommen.

    In mehreren Schritten soll der Komplex nun für immerhin 15 Mio Euro denkmalgerecht saniert werden und u.a. die alten Sprossenfenster wiederbekommen:

    Quelle: Weserkurier

    Danke für die Bilder aus Boston, Back Bay ist in der Tat der Stadtteil, der mich fast am meisten interessiert hat. Das muss wirklich grandios dort sein und auf demselben, evt. sogar (zumindest auf einem dann aber kleineren Gebiet) noch schöner als die schönen Brownstone-Gebiete New Yorks.

    Was man auf den Bildern wieder sehr schön sieht, ist diese allgemeine Geringschätzung von gründerzeitlicher Bebauung in vielen Städten Westdeutschlands. In wirklich gutem Zustand haben diese Häuser nur in den richtig "guten" Gegenden überlebt. Ob die gründerzeitlichen Stadterweiterungen auch in der Fläche eine Wertschätzung erhielten, ist dann leider oft dem Vorhandensein entsprechender sozioökonomischer Strukturen ab den 1970er Jahren geschuldet. Wenn diese Milieus fehlten (Studenten, Künstler, "Pioniere"), sackten die oft relativ dicht bebauten und in schlechtem baulichen Zustand befindlichen Viertel weiter ab mit dem Ergebnis, das man heute in vielen westdeutschen Industriestädten sehen kann.

    Dies hat auch nichts mit der zunehmenden Migration zu tun, auch wenn diese Viertel oft zu migrantisch geprägten Stadtteilen geworden sind, sondern mit der primären Geringschätzung durch die autochtone Bevölkerung. Dass diese Viertel heute oft migrantisch geprägte "Problemviertel" sind, ist nicht die Ursache für den heutigen Zustand, sondern das Ergebnis von Jahrzehnten von Geringschätzung, Sanierungsstau und Abstieg im Vorfeld.

    So hat man in Westdeutschland oft recht gut erhaltene Villenviertel, dann mit etwas Glück noch ein paar "bessere" Mietshausviertel, aber die breite Masse der ehemaligen Arbeiter- und einfacheren Angestelltenviertel befinden sich in einem beklagenswerten Zustand. Einzige Ausnahmen sind wie gesagt Städte mit einer in der entscheidenden Phase ausreichenden Pionierbevölkerung, die Lust auf Stadt, niedrige Mieten und alte Häuser hatte. Dies waren fast ausschließlich schon von vorneherein wirtschaftlich starke Städte und/oder Universitätsstädte.

    Wenn beides fehlte, sieht es so aus wie in Mönchengladbach. Oder Hamm. Oder Bremerhaven. Oder Ludwigshafen.

    Großartige Gebäude, großartige stilechte Renovierungen, großartige Bilder, Heinzer. Ich war nach dem Buten un Binnen Bericht schon am wanken, ob das Ganze sich jetzt etwa wieder rückwärts entwickelt. Stilllegungen, Lehrstand, Abrisse....wie früher. Aber die Renovierungen scheinen nicht aufzuhören, es scheint voranzugehen, wenngleich auch nur langsam. Und mit jedem fertiggestelltem Haus steigt der Attraktionspegel des Viertels mit an. Die Mittelschicht bekommt Lust, an Sonntagnachmittagen hier spazieren zu gehen, geben ihren positiven Eindruck weiter - wenn noch mehr Gebäude renoviert werden, die Renovierungen die Zahl der unrenovierten Häuser übersteigt, könnte es einen Run auf das Viertel geben. Sowas wie beim Ostertor-Viertel in Bremen.

    Was man auf jeden Fall merkt, ist die Aufwertung der nördlichen Goethestraße. Hier könnte jetzt tatsächlich so eine Art Nukleus der - ich sage das jetzt mal so - Gentrifizierung entstehen, den dieses Viertel dringend braucht. Größtes Problem bleibt, dass Bremerhaven die Leute weitgehend fehlen, die meistens diesen ersten Schritt bei der "Entdeckung" solcher Viertel gehen: Künstler, Studenten, die ganze artsy-fartsy Baggage, auf die auch hier sonst gerne herabgeblickt wird, die aber eben den Mut und die Entspanntheit haben, auch mal eine Zeitlang nicht optimal wohnen zu wollen und nichts gegen leere Flaschen in Hauseingängen haben und mit fragwürdigen Gestalten abends auf der Straße leben können.

    Es ist auch richtig von den Machern und Investoren, sich -anders als ursprünglich gedacht - auf diesen Bereich zu konzentrieren, Thörner hat in einem etwas abgelegenen Haus, das er mit als erstes gekauft hatte, seitdem noch nichts gemacht, weil es einfach schwieriger wäre, das in so einen "aufstrebendes Umfeld"-Ding zu integrieren, auch in den Parallelstraßen hat unter anderem die Stadt/STAEWOG weitere Häuser gekauft, lässt die aber erstmal so stehen/bzw macht nur Notsicherung, weil dieser zentrale Teil für das Viertel wichtiger ist.

    Wenn das tatsächlich anfangen sollte, zu laufen, wird sich die Entwicklung dann von selbst langsam in die Seitenstraßen ausbreiten. Trotzdem muss auch ich ganz klar sagen: Die Renovierungsdynamik ist jetzt nicht beeindruckend und viele der sonst eingerüsteten Häuser, die ich auch wieder fotografiert habe, sind es kaum wert, gezeigt zu werden, die meisten bekommen weiterhin diese Art "Lehe-light"-Sanierung, vielleicht einen Anstrich, maximal ein neues Dach und ein paar unpassende Fenster. Also: Das Viertel ist noch nicht übern Berg, da kann noch viel schiefgehen, ganz klar. Trotzdem ist es erstmal eine schöne Sache.

    Weitere renovierte Häuser, das erste hatte ich bislang auch nur teilrenoviert gezeigt:

    Ein Platz im Viertel:

    Eine Abrisslücke, das Haus hatte ich in meinem ersten Beitrag zu Lehe mal vor dem Abriss abgebildet:

    Insgesamt sind weiterhin viele Häuser in einem schlechten Zustand und nicht wenige stehen erkennbar leer. Es ist also keineswegs irgendetwas "über den Berg" oder so, trotzdem geht es eben (langsam) eher voran, als dass es schlechter würde.... ein weiteres großes Eckhaus in der Goethestraße wird jetzt renoviert:

    Weitere renovierte Häuser:

    Dieses schöne Eckhaus ist auch erst kürzlich fertiggestellt worden:

    Der Versuch, die Erdgeschosszonen mit Läden etc. zu beleben, hakt noch etwas, was der allgemein schwierigen Wirtschaftslage geschuldet sein dürfte. Interessant war auch an diesem Haus, dass die Klingelschilder voll waren, das Haus also vollbewohnt ist - und die vollkommene Abwesenheit von Grafitti, nicht nur hier, sondern allgemein im Viertel. Kaum "Tags", wenig Geschmiere. Die renovierten Häuser sind allesamt vollständig grafittifrei.