Kassel - Karlshospital: Rettung oder Verunstaltung?

  • Heimdall schrieb:

    Zitat

    ...(keiner der heutigen tonangebenden Moderne-Architekten dürfte noch der NS-Kriegsgeneration angehören)

    Der einzige der mir gerade einfällt wäre der allseits beliebte Günther Behnisch, Katzenliebhaber und u. a. Architekt der viel kritisierten Berliner Kunstakademie. Er war zu Ende des zweiten Weltkrieges U-Boot Kommandant, war im Eismeer unterwegs und im Mittelmeer.

    Das "Problem" mit einigen Architekten ist, dass sie sich allzusehr als Künstler fühlen für die es, gestaltungtechnisch, kaum bis gar keine Regeln gibt, außer der Statik natürlich.

    Gesinnungsterror und Meinungmache gibt es nicht nur in den Schulen. Wer da eine andere Meinung vertritt als die Mehrheit wird ganz schnell diffamiert und ausgegrenzt. Dem Druck der Masse standzuhalten ist der wahre Mut. Deshalb kann ich nicht verstehen weshalb heutzutage so oft Entwürfe als "Mutig" bezeichnet werden die doch nichts anderes sind als die derzeitige Mode zu kopieren. Auch der "Sprengwerk"-Entwurf mit seinen versetzten Fenstern reiht sich da ein.

    Eine Bitte an Studi hätte ich noch: Es wäre interessant zu erfahren wie Du den "Sprengwerk"-Entwurf beurteilst, da du ja Architektur studierst und uns somit Einblicke in die Sichtweise der Berufsgruppe gewähren könntest die in unserem Forum so häufig kritisiert wird.

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Zitat von "Studi"

    Und: Die Einfamilienhäuser aus den 70ern sind Lichtjahre besser gewesen als die in den heutugen Neubausiedlungen von der Stange.

    Dieses Argument kann ich nun überhaupt nicht nachvollziehen. :kopfschuetteln:
    Was soll an den 70er Jahre EFHs besser gewesen sein als an den heutigen? 70er Jahre Neubaugebiete kenne ich nur als Ansammlung gleichförmiger weißer Häuser und Häuschen mit schwarzen Betonziegeln und überdimensionierten Fenstern in jedem Dorf und in jeder Vorstadt der alten Bundesrepublik, die erheblich zur architektonischen "Gleichschaltung" und Uniformität der unterschiedlichen Regionen Deutschlands beigetragen haben. Und dann noch gegen Ende der 70er Jahre die schrecklich-kitschigen "Schwarzwaldbalkone" und das vorgenagelte "Fachwerk" bei manchen dieser Häuser. Ähnlich wie die heutigen pastellfarbenen Eigenheimchen von heute auch nichts weiter als "Architektur von der Stange". Kritiker sprachen doch schon damals vom "Bausparkassenstil" usw..

  • Zitat

    Meiner Meinung nach beschäftigen sich die meisten Leute nicht richtig mit moderner Kunst und Architektur. Ich habe einige Zeit in Skandinavien gearbeitet. Dort kann man mit "dem kleinen Mann" auf der Straße vernünftig über Architektur diskutieren. Die Neubauten dort und z.b. auch in den Niederlanden sind ein ganzes Stück extremer in der Umsetzung moderner Gestaltung. Kann sicherlich auch damit zusammen hängen, dass es dort in der Schule die Fächer Architekturgestaltung und -theorie gibt und die Leute dort eine größere gestalterische Allgemeinbildung haben.

    Generell kann ich mich nur RMA's Antwort anschließen: ich kann dieses "Im Ausland ist alles "besser" und moderner" so langsam auch nicht mehr hören, zumal ich es auch für sehr zweifelhaft halte. Da du nur aus persönlicher Erfahrung urteilst, kann's auch einfach Zufall sein, wen du gerade getroffen hast.
    Im Fall Skandinaviens und der Niederlande (wie auch des größten Teils des übrigen Europas) gibt es im übrigen einen entscheidende Unterschied zu Deutschland: In Skandinavien und den Niederlanden wurde nicht wie in Deutschland der größte Teil des über Jahrhunderte gewachsenen kulturellen, historischen und architektonischen Erbes durch sinnlose Kriegsverbrechen vernichtet.
    Wenn die Betonwüsten Berlin, Köln und Frankfurt noch erhaltene Altstädte wie Amsterdam oder Stockholm hätte, hätte ich - und hätten vermutlich die Deutschen generell einschließlich der meisten Forumsmitglieder - mit moderner Architektur selbst in den Innenstädten wahrscheinlich gar kein großes Problem. Ich jedenfalls habe kein Problem mit der Anwesenheit moderner Architektur (wenn sie denn einigermaßen qualitätvoll ist - was aber bei dem meisten, was in Deutschland gebaut wird, leider auch nicht der Fall ist), sondern mit der Abwesenheit vormoderner Architektur.
    Ich würde insofern die These wagen: Erst wenn die deutschen Altstädte weitgehend wiederhergestellt sind, werden die Deutschen sich in ihrer Mehrheit mit der modernen Architektur wirklich versöhnen.
    Im Augenblick steht die moderne Architektur gegen diese Wiederherstellung; sie ursupiert die Stadträume, die eigentlich diejenigen des jahrhundertealten architektonischen Erbes sind. Sobald sie das nicht mehr tut, sobald sie nicht mehr (räumlich wie mental) in einer Frontstellung gegen das und anstelle des Überlieferten steht, wird sie auch in Deutschland wieder breitere Akzeptanz finden.
    Insofern müssten eigentlich gerade die Verfechter moderner Architektur vehement für die Rekonstruktion der Altstädte eintreten - denn ohne diese Versöhnung werden sie nie die Akzeptanz finden, nach der sie sich sehnen.
    Zu deiner Frage, wie man heute bauen soll, daher folgende Antwort:
    In den Innenstädten die Altstädte rekonstruieren ("nachgebaute Museumsdörfer") und außerhalb einen Weg zu einer menschlichen, zeitgemäßen modernen Architektur suchen.

  • Zitat

    Solche Kommentare können wirklich nur kommen wenn man moderme Gestaltung nicht verstehen kann oder will. Ich bin sehr gut in der Realität angekommen. Wäre ich das nicht, würde ich zeitgenäße Gebäude schlecht reden und mir wünschen durch nachgebaute Museumsdorf-Charakter Innenstädte zu spazieren und mich durch Türmchen und schmucküberladenen Fassaden in untergegangene Zeiten zurückversetzen zu lassen

    Ja ja, unsere Architekten sind schon klasse. Man müsste nur unsere derzeitige Bevölkerung austauschen gegen eine, die das auch einsieht :gg: :gg: :gg:

  • Zitat von "studi"

    Und: Die Einfamilienhäuser aus den 70ern sind Lichtjahre besser gewesen als die in den heutugen Neubausiedlungen von der Stange.

    Hier gehe ich insofern mit, dass die heutigen Neubausiedlungen zumindest auf gar keinen Fall besser sind als vor 30 Jahren. Was gerade in und um Frankfurt hochgezogen wird, graut den Hund.

  • Zitat von "Stephan"

    ...Gesinnungsterror und Meinungmache gibt es nicht nur in den Schulen. Wer da eine andere Meinung vertritt als die Mehrheit wird ganz schnell diffamiert und ausgegrenzt. Dem Druck der Masse standzuhalten ist der wahre Mut. Deshalb kann ich nicht verstehen weshalb heutzutage so oft Entwürfe als "Mutig" bezeichnet werden die doch nichts anderes sind als die derzeitige Mode zu kopieren...

    Ja, das ewige Gerede vom "mutigen" Entwurf nervt mich auch immer wieder. Ich verstehe auch nicht, ob die Architekten entweder nicht merken, dass gerade diejenigen Kollegen, die angeblich so mutig sind, gerade die größten Opportunisten sind, weil sie genau das Bauen, was der Mainstream-Architekt heutzutage halt zu bauen hat oder ob es eher eine Art Märtyrertum ausdrücken soll, weil den Architekten doch schon klar ist, dass die meisten ihrer Entwürfen vom größten Teil der anderen, nicht zum elitären Kreis der Eingeweihten gehörenden Bevölkerung für hässlich oder gar menschenverachtend gehalten werden.

  • Ich wollte damit nicht sagen, dass im Ausland alles besser ist. Moderne deutsche Architektur gehört qualitativ zu den besten der Welt. Es gibt meiner Meinung nach nur eine größere architektonische Allgemeinbildung in anderen Ländern. Zwar waren das nur meine persönlichen Eindrücke aber ich habe auch schon von anderen Studenten gehört, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

    Was den Sprengwerk Entwurf angeht, kann ich sagen (ohne mich intensiver damit zu beschäftigen), dass das Bauen inerhalb eines alten Bestandes zu den interessantesten und schwierigsten Aufgaben gehört und stark von der geforderten Nutzung und der erhaltenen Originalsubstanz abhängt. Eine Rekonstruktion würde in Frage kommen wenn sie 1. absolut originalgetreu ausgeführt werden kann, also alte Grundrisse und Materialien verwendet werden können. Alles andere wären peinliche Kulissen 2. müsste eine angemessene Nutzung möglich sein, d.h. ein Denkmal darf nicht zum Ausstellungsstück werden, sondern sollte den Anforderungen gemäß genutzt werden. 3. Ergänzungen sich durch Form und Material klar vom historischen Bestand abgrenzen und die Spuren der Veränderungen wenn möglich sichtbar bleiben. Das gilt natürlich für alle Rekonstruktionen.

    Wesentlich spannender finde ich ein "Weiterbauen" im alten Bestand. Es sind also Spuren eines alten Gebäudes vorhanden, in denen das neue Gebäude entsteht. Ich finde es sehr schön das alte original wie es ist (in diesem Fall nun einmal eine Ruine) zu erhalten und zeitgemäß zu ergänzen. Die so entstehenden Kontraste und Spannungen (Ich weiss diese Begriffe sind in diesem Forum wie ein rotes Tuch) machen eine Stadt erst interessant und lebendig. (Daher bin ich so großer Berlin Fan, da dort solche Situationen im Großen und Kleinen überall anzutreffen sind) Natürlich müsste sich das neue massiv vom Bestand abgrenzen und das alte in der aktuellen Form erhalten bleiben, was in Kassel scheinbar so vorgesehen ist.

    Ein sehr gelungenes Beispiel dieser Art ist die Feuer- und Polizeiwache Im Regierungsviertel in Berlin von "Sauerbruch Hutton Architekten", die an und in die Ruinen eines Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert hineingebaut ist.

  • Zitat

    1. absolut originalgetreu ausgeführt werden kann, also alte Grundrisse und Materialien verwendet werden können. Alles andere wären peinliche Kulissen 2. müsste eine angemessene Nutzung möglich sein, d.h. ein Denkmal darf nicht zum Ausstellungsstück werden, sondern sollte den Anforderungen gemäß genutzt werden. 3. Ergänzungen sich durch Form und Material klar vom historischen Bestand abgrenzen und die Spuren der Veränderungen wenn möglich sichtbar bleiben. Das gilt natürlich für alle Rekonstruktionen.

    Nimm es mir nicht übel, aber ich finde, dass dieser Beitrag weit hinter den aktuellen Stand der Debatte in diesem Forum zurückfällt. Alles schon tausendmal diskutiert, alles schon tausendmal entkräftet/zurückgewiesen/widerlegt etc. Mal wieder nur eine Auflistung dogmatischer Positionen, mal wieder ohne jegliche plausible Begründung. Da waren wir vom Niveau her schon weiter.

  • Zitat von "Restitutor Orbis"

    Nimm es mir nicht übel, aber ich finde, dass dieser Beitrag weit hinter den aktuellen Stand der Debatte in diesem Forum zurückfällt. Alles schon tausendmal diskutiert, alles schon tausendmal entkräftet/zurückgewiesen/widerlegt etc. Mal wieder nur eine Auflistung dogmatischer Positionen, mal wieder ohne jegliche plausible Begründung. Da waren wir vom Niveau her schon weiter.

    Ich weiss dass das schon mehrmals hier diskutiert wurde. Aber nur weil ihr hier eine andere Meinung habt, heisst das nicht, dass die Richtlinien und Grundsätze der Denkmalpflege damit widerlegt oder entkräftet werden.

  • Doch, sie sind beides, entkräftet und widerlegt. Aber das ist nunmal ein Kennzeichen des Dogmas, dass Kritik schlichtweg ignoriert wird.
    Leider ist der intellektuelle Stand der Denkmalpflege weit hinter den Erkenntnissen unseres (weitgehend) Laien-Forums zurück - umso trauriger...

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat von "Antiquitus"

    Doch, sie sind beides, entkräftet und widerlegt. Aber das ist nunmal ein Kennzeichen des Dogmas, dass Kritik schlichtweg ignoriert wird.
    Leider ist der intellektuelle Stand der Denkmalpflege weit hinter den Erkenntnissen unseres (weitgehend) Laien-Forums zurück - umso trauriger...

    Ist das nicht etwas zu anmaßend?

  • Zitat von "Studi"

    Ich weiss dass das schon mehrmals hier diskutiert wurde. Aber nur weil ihr hier eine andere Meinung habt, heisst das nicht, dass die Richtlinien und Grundsätze der Denkmalpflege damit widerlegt oder entkräftet werden.

    Man kann den Unsinn dieses Dogmas aber schon ohne akademische Mittel leicht belegen. Es ist doch logisch, dass von (zerstörten) historischen Gebäuden in 99 % aller Fälle keine Pläne mehr existieren, höchstens Fotodokumentationen, in glücklichen Fällen Aufmasse des Äußeren und Grundrisszeichnungen, diese selten maßstäblich genau.

    Wenn man es nun zum Anspruch für eine Rekonstruktion erhebt, dass man absolut akkurate Pläne haben muss, um diese durchzuführen, frage ich mich was das schon soll - außer eben Stimmung zu machen gegen die Rekonstruktion von Gebäuden, wie sie ja schon öfter erfolgte, und *niemals* außerhalb der selbsternannten Fachwelt Kritik auf sich zog. Ich will einen Frankfurter oder Hildesheimer Bürger sehen, der *nicht* mit dem Knochenhaueramtshaus oder dem Samstagsberg zufrieden ist!

    Dazu kommt, dass, wenn man sich einmal mit Fotogrammetrie und computergestützter Visualisierung beschäftigt hat, ebenso klar ist, dass man heute eben keine absolut exakten Pläne für Rekonstruktionen mehr braucht. Bei Fachwerkbauten sowieso nicht, aber das ist ein anderes Blatt. Spätestens die Frauenkirche hat bewiesen, dass es dafür nur das braucht, was schon immer knapp war - Geld. Insofern kann ich dir nur ans Herz legen, mal über den Tellerrand dessen hinaus zu schauen, was dir - das unterstelle ich jetzt einfach mal - im Studium bezüglich Machbarkeit erzählt wurde.

    Ich finde es zutiefst bedauerlich, dass sich junge, angehende Architekten - die ja kaum älter als ich selbst sind - offenbar weiter größtenteils damit befassen, unsere Städte mit unangepassten Bauten zu verschandeln, als es gerade als Aufgabe zu begreifen, die zerstörten Stadtbilder wieder gerade zu rücken. Leider gilt man mit derartigen Vorstellungen bei der Elite offenbar weiter als Versager, und das schnelle Geld macht man wohl auch eher mit Sichtbeton...

  • Zitat von "Studi"

    Eine Rekonstruktion würde in Frage kommen wenn sie 1. absolut originalgetreu ausgeführt werden kann, also alte Grundrisse und Materialien verwendet werden können. Alles andere wären peinliche Kulissen 2. müsste eine angemessene Nutzung möglich sein, d.h. ein Denkmal darf nicht zum Ausstellungsstück werden, sondern sollte den Anforderungen gemäß genutzt werden. 3. Ergänzungen sich durch Form und Material klar vom historischen Bestand abgrenzen und die Spuren der Veränderungen wenn möglich sichtbar bleiben. Das gilt natürlich für alle Rekonstruktionen.

    Da stimme ich Dir zu!! Den historischen Entwürfen lagen meist gut durchdachte Maßzahlen und Verhältnisse zugrunde, die genauso wichtig waren wie die Dekorationen. Und wie schwer es ist, die Originalmaße dreidimensionaler Objekte aus Photographien zu errechnen, habe ich mehrfach selbst feststellen müssen.
    In diesem Fall gibt es allerdings mit Bauzeichnungen und zusätzlich einer Photographie des alten Daches (vor dem Brand 1889) recht gute Voraussetzungen für die Dachform. Die ursprünglichen Dachfenster (bis ca. 1850) wären wohl nicht exakt rekonstruierbar, aber im Sinne einer besseren Nutzung (herrlicher Blick über die Fulda!) sind hier breitere Fenster denkbar - die dann auch als moderne Ergänzung kenntlich zu machen wären.
    Im Inneren ist das Gebäude ja in Substanz und Baudekorationen noch fast vollständig intakt (es wäre also nicht mal eine reine Fassadenkulisse).

    Die "Brüche" moderner Ergänzungen können tatsächlich reizvoll sein (es gibt da auch in Kassel mehrere gute Beispiele), aber hier wird das historische Gebäude ja zu einem Sockel des Neubaus! Und es sollte auch von der Qualität und Bedeutung des jeweiligen Baudenkmals abhängig gemacht werden, und von seinem Zeugniswert (denn das ist ja eigentlich Ziel der Denkmalpflege: architekturhistorische, geschichtliche o.a. bedeutende Zeugnisse der Vergangenheit zu schützen und der Nachwelt zu überliefern).
    Außerdem finde ich das Vorgehen dann problematisch, wenn am Ende kein einziges Gebäude (!) mehr in seiner ursprünglichen Wirkung erlebbar ist. Es ist etwas anderes, wenn eine Stadt noch über einen vollständigen historischen Baubestand verfügt, in dem einzelne, weniger bedeutende Bauten modernisiert werden (wobei sich die Modernisierungen natürlich in das Umfeld eingliedern müssen), oder wenn es um die letzten historischen Bauten einer bestimmten Epoche geht.

    Mit anderen Worten: Grundsatzdiskussionen für oder gegen Rekonstruktionen helfen aus meiner Sicht nicht weiter; ich kann nur den jeweiligen Einzelfall beurteilen. Aber eine Überbetonung des Geschichtlichen kann mit konservierten Ruinen und bewußten Brüchen genauso zu einer Musealisierung der Städte führen, wie es großflächigen Totalrekonstruktionen oft vorgeworfen wird.

    Und in diesem Fall hat das Karlshospital in seinem ursprünglichen Zustand doppelte Bedeutung: Als Beispiel für ein Erziehungs- und Besserungshaus des frühen 18. Jh. (auch sozialgeschichtlich! und ich meine, daß es nicht viele solcher Einrichtungen gab). Und zum anderen ist es das letzte originale Beispiel für einen Baustil, der einmal große Teile der Stadt prägte, das auch wieder authentisch hergestellt werden könnte.
    Man kann jetzt streiten, welchen geschichtlichen Wert spätere Umbauten und die Zerstörungen haben - aber ich halte ihn demgegenüber für nachrangig. Und hier sehe ich es auch als Aufgabe der Denkmalpflege, ein Stück Kulturgeschichte - stellvertretend - wieder erfahrbar zu machen. Dokumentationen und Photographien sind schön und gut - aber etwas real zu sehen, ist auch immer noch etwas anderes.

  • Zitat von "Hesse"

    Mit anderen Worten: Grundsatzdiskussionen für oder gegen Rekonstruktionen helfen aus meiner Sicht nicht weiter; ich kann nur den jeweiligen Einzelfall beurteilen. Aber eine Überbetonung des Geschichtlichen kann mit konservierten Ruinen und bewußten Brüchen genauso zu einer Musealisierung der Städte führen, wie es großflächigen Totalrekonstruktionen oft vorgeworfen wird.

    Das ist richtig. Bei den Ergänzungen müssten Alt und Neu idealerweise gleichberechtigt zusammenpassen. Und dass man bei Denkmahlen immer im Einzelfall und nicht generell entscheidet versteht sich von selbst. Ich stimme im Prinzip mit Deiner Meinung überein.

  • Zitat

    Eine Rekonstruktion würde in Frage kommen wenn sie 1. absolut originalgetreu ausgeführt werden kann, also alte Grundrisse und Materialien verwendet werden können. Alles andere wären peinliche Kulissen 2. müsste eine angemessene Nutzung möglich sein, d.h. ein Denkmal darf nicht zum Ausstellungsstück werden, sondern sollte den Anforderungen gemäß genutzt werden. 3. Ergänzungen sich durch Form und Material klar vom historischen Bestand abgrenzen und die Spuren der Veränderungen wenn möglich sichtbar bleiben. Das gilt natürlich für alle Rekonstruktionen.

    Ich würde gerne für diese Thesen, die mir in ihrer Gesamtheit nicht als plausibel erscheinen, Begründungen hören (bzw. lesen).

  • Zitat von "Studi"

    Solche Kommentare können wirklich nur kommen wenn man moderme Gestaltung nicht verstehen kann oder will.

    Auch wenn wir das alles schon hatten: Wann kapiert Ihr Architekten es endlich - wir (= die Bevölkerung, egal ob Akademiker oder Hauptschulabgänger) sind gar nicht interessiert an Architektur, die wir erst "verstehen" müssen (wenn ich das schon höre bzw. lese :augenrollen: ), sondern an solcher, die uns gefällt, die eine Stadt angenehm und lebenswert macht! Wir sind doch schließlich die, die in diesen Städten leben (müssen)! Ein Architekt, den das alles nicht gar nicht interessiert, der nur das baut, wofür seine Studienkollegen Beifall klatschen, der ist ein arroganter Egoist und naiv dazu!

    Was glaubst Du denn, Studi, warum alle Leute, wenn sie von einer schönen Stadt reden, immer eine Stadt mit vielen historischen Bauten meinen? Wenn von einer nicht so schönen Stadt die Rede ist, die "aber auch schöne Ecken hat" (z.B. Frankfurt), dann sind damit immer solche Stadtviertel gemeint, in denen sich Krieg und Abrißwut zum Trotz gottlob noch schöne Altbauten erhalten haben (Nordend, Holzhausenviertel, Sachsenhausen). Wie kommt es, daß all diese Menschen überhaupt gar nicht scharf darauf sind, Städte zu besuchen, wo man so toll moderne Architektur verstehen kann? Sind diese Leute alle zu blöd, obwohl sich diese Empfindungen quer durch alle Altersklassen, beide Geschlechter und durch alle Bildungsschichten zieht?

    Wir haben mehr als genug Dinge im Leben, die wir verstehen müssen - Bauwerke wollen wir einfach anschauen. Wenn sie schön sind und es dabei auch noch etwas zu verstehen gibt - bitte, warum nicht. Aber häßlich und dann auch noch verstehen müssen, nein Danke, kein Bedarf!

  • Zitat von "Schloßgespenst"


    Auch wenn wir das alles schon hatten: Wann kapiert Ihr Architekten es endlich - wir (= die Bevölkerung, egal ob Akademiker oder Hauptschulabgänger) sind gar nicht interessiert an Architektur, die wir erst "verstehen" müssen (wenn ich das schon höre bzw. lese :augenrollen: ), sondern an solcher, die uns gefällt, die eine Stadt angenehm und lebenswert macht! Wir sind doch schließlich die, die in diesen Städten leben (müssen)! Ein Architekt, den das alles nicht gar nicht interessiert, der nur das baut, wofür seine Studienkollegen Beifall klatschen, der ist ein arroganter Egoist und naiv dazu!

    Was glaubst Du denn, Studi, warum alle Leute, wenn sie von einer schönen Stadt reden, immer eine Stadt mit vielen historischen Bauten meinen? Wenn von einer nicht so schönen Stadt die Rede ist, die "aber auch schöne Ecken hat" (z.B. Frankfurt), dann sind damit immer solche Stadtviertel gemeint, in denen sich Krieg und Abrißwut zum Trotz gottlob noch schöne Altbauten erhalten haben (Nordend, Holzhausenviertel, Sachsenhausen). Wie kommt es, daß all diese Menschen überhaupt gar nicht scharf darauf sind, Städte zu besuchen, wo man so toll moderne Architektur verstehen kann? Sind diese Leute alle zu blöd, ob wohl sich diese Empfindungen quer durch alle Altersklassen, beide Geschlechter und durch alle Bildungsschichten zieht?

    Wir haben mehr als genug Dinge im Leben, die wir verstehen müssen - Bauwerke wollen wir einfach anschauen. Wenn sie schön sind und es dabei auch noch etwas zu verstehen gibt - bitte, warum nicht. Aber häßlich und dann auch noch verstehen müssen, nein Danke, kein Bedarf!

    Einem Großteil der Bevölkerung gefällt moderne zeitgemäße Architektur. Es ist ja nicht so, dass die gesamte Bevölkerung ein Gebäude nur schön findet wenn es geschmückt ist. Zumindest in meinem Freundes- und bekanntenkreis findet man Städte auch wegen der modernen Architektur schön, wie z.B. Hamburg oder Berlin. Gerade Frankfurt wird regelmäßig von Architekturstudenten besucht. (z.B. Architekturmuseum, Filmmuseum etc.)

    Man kann doch Architektur nicht so einfach und traditionell halten nur damit es auch die Leute verstehen, die keine Ahnung davon haben. Das gleiche gilt für Kunst und Malerei, wer sich dafür nicht ineteressiert hängt sich den röhrenden Hirsch ins Wohnzimmer, wer sich damit beschäfigt findet dann sogar Dinge auf der Documenta ästhetisch.

  • Zitat von "Studi"

    ...Man kann doch Architektur nicht so einfach und traditionell halten nur damit es auch die Leute verstehen, die keine Ahnung davon haben. Das gleiche gilt für Kunst und Malerei, wer sich dafür nicht ineteressiert hängt sich den röhrenden Hirsch ins Wohnzimmer, wer sich damit beschäfigt findet dann sogar Dinge auf der Documenta ästhetisch.

    Zuerst mal meinen Respekt Studi, dass du dich so in die Höhle des Löwen (d.h. das APH) traust und habe auch nichts gegen deine Polemik, weil von den anderen (nun auch von mir) auch sehr polemische Kommentare kommen :zwinkern:

    Ein Problem ist glaube ich, dass du Zustimmung zu modernistischer Architektur mit "Ahnung haben" gleichsetzt. Dies ist für mich eine typische Folge der totalitären Tendenzen eines Architekturstudiums, das keine andere als eine modernistische Sichtweise der Architektur zulässt. Gerade weil ich die Indokrination eines Architekturstudiums nicht mitmachen mußte, glaube ich noch freier über Architektur denken und mir ein eigenes Urteil bilden zu können. Dies gilt ganz allgemein für die bildenden Künste. Nichts finde ich lächerlicher, als dass man heutzutage mit einem entsprechenden künsterischen Image wirklich ALLES als Kunst verkaufen und sich des Lobes der Pseudo-Intellektuellen sicher sein kann, egal was man produziert, solange es nur nicht den spießigen Geruch von Kunstfertigkeit hat. Ich kenne auch einige dieser ach so klugen und gebildeten Leute, die bei der Documenta immer sehr interessiert vor allem stehen. Und das eigentliche Problem dieser Leute ist gerade, das sie wirklich immer interessiert vor allem stehen, solange sie vermuten können, dass das Kunstwerk "In" ist, weil es z.B. in der "richtigen" Austellung präsentiert und -besonders wichtig- vom "richtigen" d.h bekannten Künstler stammt.

  • @ studi: du merkst, dein profilname hier ist ziemlich mutig gewählt.

    dass rekonstruktionen nur in betracht kommen, wenn sie absolut originalgetreu ausgeführt werden können, sehe ich nicht so. oft wurde ja an solchen gebäuden jahrhundertelang herumgewerkelt - wer will da schon entscheiden, was "original" ist und was nicht. gerade der umstand, dass sich häuser - und städte - im laufe der zeit immer wieder verändern, gibt dann meines erachtens auch die freiheit, bei um- oder neubauten (wie früher auch) zeitgenössisches miteinzubringen.

    im idealfall entsteht auf diese weise etwas, das man wie ein buch lesen kann - wenn man a) "alphabetisiert" ist und b) wenn es leserlich ist.
    in diesem zusammenhang möchte ich auch schlossgespenst und antiquitus ansprechen: wie arm wäre die literatur, wenn es nach goethe nur noch rosamunde pilcher gegeben hätte. es gibt soviel mehr zu entdecken, dessen ästhetik und besonderheit sich vielleicht nicht auf den ersten blick erschliesst: ende des 19. jahrhunderts war es in paris der eiffelturm, der damals als stählernes monstrum galt. und heute? in den nächsten jahren wird in hamburg auf den kaiserspeicher a die elbphilharmonie gebaut, ein gläsernes ungeheuer. und in hundert jahren?

    architekur ist wie jede kunst abhängig vom sich ändernden zeitgeschmack und bringt nur in ihren spitzenleistungen zeitlose werke hervor. deswegen ist es zum beispiel auch unsinnig - und wohl auch nicht möglich - , ihren künstlerischen wert anhand ihres alters zu bemessen.
    demzufolge wurde sehr wahrscheinlich (wie zuvor und danach) auch seit 1945 bis heute viel gebrauchsarchitekur erbaut, die es nicht wert ist, für kommende zeiten erhalten zu bleiben. aber darüber stehen auch andere leistungen (wie beispielsweise der berliner fernsehturm) und daneben stehen auch andere bauten, von denen schlossgespenst und antiquitus vielleicht noch gar nicht ahnen, dass es dereinst für sie enthusiasten geben wird, wie heute für gründerzeitler oder (inzwischen auch) 20er-jahre-bauten.

    die zeit heilt alle wunden, die zeit heilt alle wunder. wie die städte sich in der vergangenheit wandelten, werden sie es auch in zukunft tun. unabhängig davon, was gerade in oder out ist...