Dresden, Neumarkt - Quartier III

  • Wie berichten denn generell die lokalen Zeitungen in Dresden über das bauliche Geschehen in der Stadt? Gibt es Tendenzen für oder wider Rekonstruktionen? Wenn es Freunde von Rekonstruktionen in der Redaktion gibt, gäbe es eventuell auch Alternativen zum Schalten einer Anzeige. Zeitungen haben ja auch ein Interesse an Aufklärung der Bevölkerung über Machenschaften der Politik. Man müßte die Zeitung eben auf das Geschehen/ den Skandal aufmerksam machen. Eventuell könnte jemand von der GHND ein Interview geben. Oder bin ich da zu naiv?

  • Hallo alle zusammen,

    seit einigen Monaten verfolge ich alle aktuellen Details zum Thema Neumarkt speziell hier im Forum. Jetzt, als sich herausgestellt hat, dass die Baywobau auch Glasfassaden am Neumarkt verbauen will, habe ich mich angemeldet, um mit zu diskutieren und mich entschlossen für historische Architektur einzusetzen und Stahl und Glas zu verhindern.

    Ich bin mit eurer Meinung in allen Punkten einverstanden, habe auch schon zu etlichen Stellen e-Mails geschrieben.

  • Mir geht das Neumarkt-Untergangs-Geschrei (Elbflorenz ist tot usw.) eindeutig zu weit. Natürlich ist Kritik in jedem Falle anzubringen - aber an der richtigen Stelle! Das pauschale Verwerfen des gesamten Projektes als Billig-Investorentor, gepaart mit merkwürdig beleidigt klingenden Drohungen, das Forum zu verlassen oder Dresden nicht mehr zu besuchen... das führt doch zu nichts!

    Ich selbst habe zwei Hauptkritikpunkte an dem Projekt: Die Böttcher-Fassade, die eindeutig die Gestaltungssatzung verlässt - Glas-Stahl-Fassaden haben am Neumarkt wirklich nichts zu suchen -, sowie die Spiegelung der Leitbau-Fassade Neumarkt 4, die zu einem nie existenten Phantasie-Gebäude führt und das Thema Rekonstruktion - nachdem die Keller und die historischen Grundrisse bereits aufgegeben wurden - der Beliebigkeit preisgibt. Diese Beliebigkeit im Umgang mit zu rekonstrierender Architektur halte ich für dramatischer als die Böttcher-Fassade, denn diese Beliebigkeit disquzalifiziert das Neumarkt-Projekt und unterminiert das Anliegen eines weitestgehend nach historischem Vorbild wiederaufgebauten Neumarkts auf weitaus drastischere Weise als es eine misslungene modernistische Fassade tun könnte (die ist, ganz im Gegenteil, Wasser auf die Mühlen der Traditionalisten)!
    Was die anderen modernistischen Gebäude anbelangt: Den W&P-Entwurf halte ich für einen Glücksfall, die drei anderen (meines Wissens allesamt von der IPRO geplanten Fassaden) für zwar langweilig, aber wenigstens einigermaßen satzungskonform. Ich bitte die besonders erbosten Diskutanten, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass weder eine Total-Reko noch ein durch und durch traditionalistischer Neumarkt jemals erklärtes stadtplanerisches Ziel war. Insofern kann hier nicht pauschal von Betrug und skandalösem Geschehen gesprochen werden, sondern es muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die beiden größten Schwachpunkte des Projektes (siehe oben) gearbeitet werden. Hier sehe ich gute Chancen, etwas zu erreichen.

  • Hallo an alle,

    ich lese hier auch schon einige Zeit mit, einfach nur aus Begeisterung vom Wiederaufbau der Frauenkirche und dem historischen Neumarkt. Bin selber auch oft in Dresden und schau dann dort auch gern mal vorbei. Hier auch von mir mal ein Foto von dieser Woche:


    und nun stelle ich mir gerade vor die Fassaden hinter dem Denkmal wären aus Glas & Stahl oder einer häßlichen Platte wie die jetzt an der Töpferstraße...

    Also wenn das Forum oder die GHND Unterstützung braucht bin ich auch auf jedenfall dabei und ich denke sicher auch noch einige andere die hier noch mitlesen.

    Harmonica
    Gelegentlich verfolge ich auch die regionalen Medien und komme zum gleichen Schluß. Man wird eher nur scheibchenweise informiert und oft auch erst zu Spät, dann wenn eh alles schon beschlossen worden ist. Am Donnerstag kam ein kurzer Bericht im MDR SachsenSpiegel anläßlich der Eröffnung des Hotel de Saxe. Informationen zum Baugeschehen am Neumarkt gab es dann von einer Frau Schlicke von der IPRO Dresden, Zitat:"Es soll ja kein Freilichtmuseum werden...ein Wechselspiel zwischen alt und neu zeigt die Entwicklung der Stadt..."usw. Bei Interesse kann ich den Bericht ja mal zurechtschneiden und den kurzen Film hier einstellen.

    Im übrigen bin ich der Meinung das die Architekten am Ende am wenigsten für diese Miesere können, eher mehr die wenigen Auserwählten welche dann unter den möglichen Alternativen gerade die Glas/Stahl & Betonklötze zur Nummer 1 küren.

    PS: Kennt jemand vielleicht ein gut besuchtes Dresdener Regionalboard, da könnte man vielleicht auch aktiv werden?

    Grüße,
    Jacuma

  • Zitat von "Thomas Filip"

    Diese Beliebigkeit im Umgang mit zu rekonstrierender Architektur halte ich für dramatischer als die Böttcher-Fassade, denn diese Beliebigkeit disquzalifiziert das Neumarkt-Projekt und unterminiert das Anliegen eines weitestgehend nach historischem Vorbild wiederaufgebauten Neumarkts auf weitaus drastischere Weise als es eine misslungene modernistische Fassade tun könnte (die ist, ganz im Gegenteil, Wasser auf die Mühlen der Traditionalisten)!

    Das sehe ich auch so!
    Das "Elbflorenz ist tot"-Geschrei wie du es nennst ist zwar etwas drastisch aber ein wenig ist da durchaus dran. Das Quartier III ist ein sehr markanter Punkt den man behutsam bebauen sollte. Mich stören daher auch die Häuser A.d.F. 18/19 und der gläserne Passageneingang da sie das rekonstruierte Barockgebäude total in den Hintergrund treten lassen. Eigentlich finde ich sie sogar noch schlimmer als das Böttcher-Gebäude. Sorry, aber die geplante Bebauung ist in meinen Augen nichts als Mist. Für diese Lage sollte man schon bereit sein mehr zu bauen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Sofern die Gestaltungssatzung nicht verabschiedet ist, gibt es da wirklich
    Chancen auf eine Überarbeitung des Böttcherentwurfs? Läßt Herr Dietz da
    mit sich reden? Immerhin gibt es ja bei Prisco schon eine Stahl-Glas-
    Fassade, ja sogar ein Glas-Stahl-Dach (Staffeldach)...


    Die gespiegelte Fassade von Neumarkt 4 halte ich für unglücklich.
    Ich verstehe den Bauherren nicht, warum er hier auf die gespiegelte
    Fassade setzt und sich nicht am schlichteren Vorgänger orientiert.
    Im Hinblick auf die Kleinteiligkeit halte ich diese Vorgehensweise auch
    von ihrer optischen Wirkung her für besonders plump.

    Ein Glücksfall würde ich "An der Frauenkirche 22" nicht bezeichnen,
    allenfalls wenn man bedenkt, dass der Bauherr Brüche wollte...
    Da gab es sicher wünschenswertere Entwürfe, aber selbstverständlich
    auch banalere und schlimmere.

    Sollte eine Glasfassade für Landhausstraße 6 (Böttcherentwurf)
    zwingend gewünscht sein, müßte man dafür sorgen, dass der banale
    Entwurf mit viel Fantasie entsprechend überarbeitet wird...
    Eine Glas-Lochfassade mit matten Glaselemente...wenn überhaupt.


    Mal von mir ein Lob für die GHND: Die aktualisierten Informationen zum
    Projekt sind sehr interessant, auch die Gegenüberstellung mit den
    nachrangigen Entwürfen ist sehr aufschlußreich. Viel Erfolg für die
    Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Gewandhausproblematik.

  • Meine Hoffnung ist, dass die Baywobau bewegt werden kann, den mit dem 2. Preis ausgezeichneten Entwurf umzusetzen. Ähnliches wurde ja auch in der Töpferstraße erreicht, wo die ursprünglichen Entwürfe von Tanja Diemer verworfen und stattdessen die Arbeiten von Rohdecan umgesetzt wurden.
    Wenn dann noch die Spiegelung der Eckfassade verhindert werden kann, Neumarkt 3/4 also wieder in ihrer ursprünglichen Kleinteiligkeit erscheinen, wäre die zur Landhausstr. gelegene Seite des Areals m.E. in trockenen Tüchern. Neumarkt 6 würde sich gut einfügen, und die etwas triste, aber trotzdem gut proportionierte Landhausstr. 1 stellt als nicht mehr direkt am Platz gelegene Fassade ohnehin kein wirkliches Problem dar.

    Hier der mit dem 2. Preis dotierte Entwurf:


    Bildquelle: Architektur klassisch: Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V.

  • Thomas Filip

    ich hoffe auch, dass sich die BayWoBau zu dieser Änderung bewegen läßt! Wobei mir die von Architekten Trux entworfene Fassade noch besser gefallen würde.

    Extrem bedauerlich finde ich jedoch die Tatsache, dass genau vis-a-vis der Frauenkirche zwischen "An der Frauenkirche 16/17" und "An der Frauenkirche 20" keine sich harmonisch einfügenden Bauten geplant sind! Ich habe so sehr gehofft, dass wenigstens die Ost- und Südseite des Neumarktes ohne "Brüche" auskommen wird.

    Das QIII wird nun leider das schwächste Quartier werden, obwohl ich nach der ursprünglichen Aussage: "Dieses Quartier wird ein Juwel werden", mir eben ein solches erwartet habe.

    Vielleicht kann man noch einiges retten, aber einer der schönsten Plätze Europas wird er nun wohl leider nicht mehr werden.

    Viel erhoffe ich mir von der Vorstandssitzung der GHND am 27.04. Nächste Woche wissen wir dann mehr. Wirklich Leid tut mir Stefan Hertzig, der sich wie kein anderer für den Neumarkt aufopfert. Hoffen wir, dass er dieses auf und ab der Gefühle noch lange mitmacht! An dieser möchte ich mich endlich einmal sagen: Ich danke Ihnen, dass es Sie gibt!!!

  • Zitat

    Meine Hoffnung ist, dass die Baywobau bewegt werden kann, den mit dem 2. Preis ausgezeichneten Entwurf umzusetzen.
    ....
    Wenn dann noch die Spiegelung der Eckfassade verhindert werden kann, Neumarkt 3/4 also wieder in ihrer ursprünglichen Kleinteiligkeit erscheinen, wäre die zur Landhausstr. gelegene Seite des Areals m.E. in trockenen Tüchern. Neumarkt 6 würde sich gut einfügen, und die etwas triste, aber trotzdem gut proportionierte Landhausstr. 1 stellt als nicht mehr direkt am Platz gelegene Fassade ohnehin kein wirkliches Problem dar.

    Hier der mit dem 2. Preis dotierte Entwurf:


    Bildquelle: Architektur klassisch: Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V.

    Zustimmung!

    Wenn man das erreichen könnte, wäre das Q III sozusagen "mit einem blauen Auge davongekommen", und mit einer solchen Lösung könnten letztlich die meisten einigermaßen leben.

    Was mich aber wirklich befremdet in dieser Angelegenheit: Wir haben hier ja oft über "die" Architekten geschimpft, die rücksichtlos modern planen ohne Rücksicht auf den Standort und denen es scheinbar nur um Anerkennung unter Kollegen und gute Kritiken in Architekturfachzeitschriften geht. Und da ist definitiv auch etwas dran.

    Aber wenn ich mir jetzt ansehe, was Architekten so alles eingereicht haben bei diesem Wettbewerb, dann muß ich die Zunft schon wieder ein wenig in Schutz nehmen. Es gibt augenscheinlich mehr vernünftige Architekten, als man denkt - aber sie landen mit ihren (teilweise guten, teils zumindest akzeptablen) Entwürfen durchgehend auf den Plätzen 2 bis 4 oder unter "ferner liefen". Der Vorwurf geht in diesem Fall also eindeutig an die Baywobau, die sich trotz ausreichend Alternativen für die provozierende Glasfassade entschieden hat.

    Die Fassaden für AdF 18/19 finde ich im übrigen auch ziemlich lausig (erinnern mich an die KSP-Engel-Skizzen für den Hühnermarkt in Ffm), aber immer noch besser als Böttcher, und außerdem werden diese Häuser ja auch nicht an einer so exponierten Stelle stehen wie Böttcher, so daß sie ohnehin weniger Schaden anrichten.

    @ Thomas

    Was Du als wirksamere Methode propagiert hast - stille Diplomatie statt lauter Aufschrei - klingt nicht schlecht, aber ich habe so meine Zweifel, ob das erfolgversprechend ist, wenn man bedenkt, daß Stefan Herzig immerhin schon in der Jury saß und nicht verhindern konnte, daß in einem Fall der mit Abstand schlechteste und im anderen Fall der bei weitem nicht passendste Entwurf gewonnen hat.

    Trotzdem hat ein solches Verhandeln vor Ort vermutlich - hoffe ich - mehr Aussicht auf Erfolg, als wenn Leute aus anderen Bundesländern sich bei Dietze beschweren. Ein Investor, der in Wiesbaden bauen würde wahrscheinlich auch nicht verstehen, warum er sich ausgerechnet von einem wütenden Dresdner sagen lassen soll, was er bauen darf. Von einem Wiesbadener vermutlich schon eher (auch wenn Dresden natürlich eine viel größere überregionale Bedeutung hat).

    Ich denke, hier sind vor allem die "Eingeborenen" (und natürlich die zugezogenen Dresdner) gefordert - und genau die sollte die GHND auch informieren und zur Not mobilisieren, wenn auf dem Verhandlungsweg nichts zu machen ist. Ich wünsche Euch viel Erfolg!

  • Ich weiss nicht mehr was ich denken soll. Ich bin heute im GHND homepage reingeschaut. Die neue Bilder von Baywobau :kopfwand:

    http://www.neumarkt-dresden.de

    Tut mir leid Thomas Filip, aber die Baywobau ist einfach hässlich. hässlich hässlich. Nichts ist gut mit dem Vorschlag. :wuetenspringen:

    Es ist tatsächlich ironisch, das Baywobau wirbt dass Neumarkt wird eine die schönste Plätzen Europa. Gerade die gleiche haben diese Zielseutzung abgeschlachtet. Es ist furchtbar und geschmacklois. Die Kombiantion von Modern und Alt ist tatsächlich superunästethisch. Was soll Haus 1 sein? Was ist der Sinn damit? Und haus 3? :aufdenkopf:

    Wenn diese Entwurf von 5 Häuser wird umgesetzt hat GHND leider gescheitert....

    ...und es tut mir wirklich leid, mit all dieser Zeit und Energie dass die Leuten in Neumarkt investiert haben.

  • Ich denke auch, dass die GHND jetzt in allererster Linie den Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht voranbringen müsste. Die Gestaltungssatzung muss rechtswirksam werden, dann hätten wir das Füllbautenproblem erst gar nicht, weil eh nur die bessere Hälfte der Entwürfe in Frage gekommen wäre.

    Und ja, es liegt doch an Politik und Investoren: Was sollen die Architekten sich um Anpassung oder Bezüge zur Geschichte kümmern, wenn die modernsten Fassaden die besten Preise erhalten? Übrigens bin ich von FK 18,19 sehr enttäuscht. Diese Häüser stehen sehr wohl direkt gegenüber der Frauenkirchen, im Gegensatz zu Neumarkt 6! Sie bestimmen den Blick in die Rampische Gasse, DER Blick durch RG zum Kurländer Palais, den wir von CANALLETTO bestens kennen. Und während VVK hier alles in der ursprünglichen barocken Gestalt wiederherstellt, plant BayWoBau hier 2 Häuser die nur wenig einfühlsamer als Böttcher sind! Wie gesagt: Mischmasch Architektur.

    Wir haben alle für den Wiederaufbau der Rampischen Gasse gespendet und ich würde es wieder tun, aber trotzdem finde ich, dass die Rampische jetzt nicht mehr an erster Stelle stehen darf. Die RG 29 wird kommen, es ist mir wirklich egal, ob ein Jahr früher oder später, dass die vorbildlich wird wissen wir, da kann ich beruhigt warten. Aber das Bürgerbegehren, die MEINUNG DER BÜRGER kann nicht warten!

  • Zitat

    Was Du als wirksamere Methode propagiert hast - stille Diplomatie statt lauter Aufschrei - klingt nicht schlecht, aber ich habe so meine Zweifel, ob das erfolgversprechend ist, wenn man bedenkt, daß Stefan Herzig immerhin schon in der Jury saß und nicht verhindern konnte, daß in einem Fall der mit Abstand schlechteste und im anderen Fall der bei weitem nicht passendste Entwurf gewonnen hat.

    Solches Vorgehen ist als flankierende Maßnahme sicherlich sinnvoll, aber die Aktivität kann sich darin nicht erschöpfen.

    Und Diskussion? Mit wem denn? Wir reden hier von modernistischen Architekten, worüber will man denn mit denen diskutieren? Sie finden Glas und Stahl toll, "wir" nicht, sie finden Brüche und Kontrast toll, "wir" nicht, sie meinen an den Neumarkt müssen modernistische Bauten, "wir" meinen das Gegenteil. Das sind Geschmacksfragen, Ansichtssachen. De gustibus non est disputandum.

    Das Selbstverständnis eines Künstlers braucht Druck, soll es nachgeben, freiwillig oder in der Diskussion geht da gar nichts.
    Wenn "wir" wollen, dass modernistische Auswüchse am Neumarkt verhindert werden, dann geht das nur, indem "wir" für Druck auf die Architekten sorgen. Wie ist das zu schaffen?
    Es gibt genau zwei Stellschrauben, an denen man drehen kann, um Druck auf einen Architekten zu erzeugen: über die, die den Bau finanzieren, sprich Bauherr, und über die, die den Bau genehmigen, sprich Politik. Via diese beiden müssen wir mittelbaren Druck aufbauen, das bringt etwas - intellektuelle Diskurse, Wunschvorstellungen oder Appeasement bringen überhaupt gar nichts.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Ich möchte - ich formuliere es einmal milde - die "Nachbesserungsbedürftigkeit" der Baywobau-Planung in keinerlei Weise bagatellisieren. An diesen Entwürfen muss nachgebessert werden, keine Frage. Doch selbst wenn das jetzt so 1:1 umgesetzt werden würde (was ich nicht hoffe!) - der Neumarkt als Projekt wäre dadurch nicht seines Charakters als einer der schönsten Plätze Europas beraubt. Hier möchte ich Exilwiener entschieden widersprichen. Das Raumgebilde des Neumarkts mit seiner Dominante Frauenkirche bleibt ein städtebauliches Juwel von erstem Rang, das wird weder Herr Dietze noch Frau Böttcher ändern. Einzelne missglückte Fassaden werden, auch wenn sie dem geschulten (traditionsverliebten) Betrachter ein Dorn im Auge bleiben, den Gesamtcharakter des Neumarkts nicht zerstören. Der historische Charakter des Platzbildes wird dominieren, dafür sorgen die bislang realisierten bzw. geplanten Quartiere. Das letzte große Fragezeichen ist und bleibt das Gewandhaus-Areal, denn: Bei aller berechtigten Kritik im Detail sind doch die bislang gebauten bzw. geplanten Quartiere in solcher Dichte mit rekonstruierten Fassaden besetzt, dass der historische Charakter des Neumarkts überwiegt. Dies würde sich mit einem komplett neu interpretierten Gewandhausareal drastisch ändern. Also: Das Scheitern des Projektes "historischer Neumarkt" sollte nicht zu früh verkündet werden. Solange die Gewandhausfläche nicht bebaut ist, kann davon m. E. keine Rede sein!

  • Zitat von "Antiquitus"


    Trotzdem könnte man sie fragen, warum sie ihre Entwürfe am abgerissenen Polizeianbau orientieren und nicht an der Frauenkirche...

  • Das tut mir wirklich Leid Thomas Filip, aber das sehe ich doch etwas differenzierter. Wenn ich mir rekonstruierte Altstadtbilder a la Danzig, Warschau, Rothenburg, teilweise Salzburg, St. Malo, et cetera ansehe, muss mein mittlerweile geschultes Auge feststellen, dass Komplettrekonstruktionen durchaus wünschenswert und auch notwendig sind. Ganz Dresden ist ein Bruch für sich und da bracht Dresden keine weiteren.

    Die wirklich einzige blühende Branche in Dresden ist nun einmal der Tourismus, der in der Stadt schon jetzt mehrere tausend Arbeitsplätze schafft. Und diese Branche braucht weltbekannte, spektakuläre Anziehungspunkte - einen qualitativ und architektonisch hochwertigen Neumarkt, in dessen Nebenstrassen und anderen Teilbereichen sich die Menschen drängen wie am Hauptbahnhof von Tokio. Mit den Entwürfen, so wie man sie nun vorgelegt hat, wird man dies jedoch nicht erreichen.

    Ich erinnere Dich daran, dass die GHND sich seinerzeit gegründet hat, damit eine solche Architektur (Coselanbau, Tesarriegel) an so sensibler Stelle, sich nicht weiter multipliziert. Dafür ist dieser Platz zu schade. Wenn Du Dich damit zufrieden gibst, bitte, akzeptiere jedoch, dass es hier im Forum auch Leute gibt, die ihre Ansprüche nicht so leicht befriedigt sehen. Wir brauchen nicht noch weitere missglückte Fassaden und gerade durch diese wird ein Gewandhausbau begünstigt, wenn nicht ermöglicht.

  • Thomas Filip:

    Kannst du noch weiteres zu den Gebäuden "An der Frauenkirche 18/19"
    berichten? Gab es für diese auch einen Wettbewerb mit nachrangigen
    Preisen und Alternativen? Wäre interessant, wenn es hiervon Bilder/
    Zeichnungen gib.

    Bestünde da auch noch die Möglichkeit, im Zuge der Gespräche
    bezüglich des Böttcherbaus auf eine leichte Überarbeitung hinzuwirken?
    Die Fassaden sind wohl zulässig als Füllbauten, aber sie wirken aus
    meiner Sicht "etwas" einfallslos und fad.

  • @ Exilwiener

    Ich finde, man braucht gar nicht in Vorbildstädte wie Rothenburg, Salzburg oder Warschau zu gehen um eine im ganzen einigermaßen harmonisch aufgebaute Altstadt zu finden. Es reicht Nürnberg!
    In Nürnberg hat man zwar sehr wenig rekonstruiert, aber die vielen Füllbauten haben alle ortstypisches Material, Farbe, Dächer, usw. Es gibt in Nürnberg kaum mehr als ein Dutzend Bausünden und diese sind auch meist an den Rändern der Altstadt. Nürnberg hat es in den vergleichsweise armen 50er Jahren geschafft, eine wesentlich größere Artstadt mit ortstypischen Füllbauten - eigentlich mehr als nur Füllbauten - wiederaufzubauen. Dort mußte ein Füllbau keine übermäßig modernistischen Elemente haben, es mußte auch kein Bruch zwischen zwei Rekos stehen!
    Daher: Die Gestaltungssatzung muß verbindlich werden! Nur sie garantiert Neubauten von der Qualität Nürnbergs.

  • Jojojetz

    Ja, da gebe ich Dir Recht! Als ich das letzte Mal in Nürnberg war, ist mir auch aufgefallen, wieviel Menschen sich um den schönen Brunnen aufhielten oder am Fuße der Burg standen. Aber, wenn man bedenkt, dass vor dem Krieg Deutschland das beliebteste Reiseziel US - Amerikaner in Europa war, dann kann man sich leicht vorstellen, was sich in N und auch in DD im jetzt und heute abspielen würde...