Hallo Leute,
als Neu-Dresdner melde ich mich jetzt nach langer Zeit auch mal wieder im Forum mit einem kleinen Bericht zum Bausymposium der GHND. Hans Kollhoff, auf den sich sicherlich alle gefreut haben, ist leider erkrankt und konnte nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Zu den bekanntesten Rednern zählten Hans Stimmann, Christoph Mäckler, Rob und Leon Krier sowie Wolfgang Tiefensee. Moderator der Veranstaltung war Dankwart Guratzsch, Architekturkritiker und Journalist von der WELT.
Zu Beginn hielt die Oberbürgermeisterin einen ganz allgemeinen Vortrag über Dresden, der kaum aufs Bauen bezogen war und mehr nach Wahlwerbung für die kommende Stadtratswahl klang als nach einer Einführung einer Tagung. Offiziell sollte sie nur ein Grußwort sprechen, es wurden aber eine halbe Stunde hohler Phrasen daraus.
Das erste thematische Referat hielt Andreas Wurff vom Stadtplanungsamt Dresden. Hier ging es überwiegend um die drei städtebaulichen Schwerpunkte Prager Straße, Postplatz und Neustädter Markt. Die Prager Straße soll im Norden und Süden verengt werden, sodass in der Mitte der (halbwegs) geschlossene Platz entsteht, der Rest soll auf die historische Straßenbreite von 18m reduziert werden. Am Postplatz kann nach Grundstücksaufteilung recht zeitnah mit der Ausschreibung der Grundstücke begonnen werden. Im Verlauf des Tages gab es dazu noch erhitze Diskussionen besonders zwischen den Gebrüdern Krier und dem Baubürgermeister Marx zum bestehenden Bebauungskonzept. Am Neustädter Markt wird angeblich auch in naher Zukunft etwas passieren, so dass die Rähnitzgasse und die Heinrichstraße wieder an den Platz angebunden werden. Leider soll, aber was ist bei dieser Regierung auch anderes zu erwarten, die Hauptverkehrsstraße auch weiterhin den Platz zerschneiden.
Darauf folgte Jörn Düwel, Architekturhistoriker aus Hamburg, mit einem Beitrag über die Entwicklung einer europäischen Stadt am Beispiel Hamburg. Hier zeigte er Beispiele von der Verdichtung der Stadt im 19. Jahrhundert und die Elendsverhältnisse der damaligen Zeit über die radikale Abkehr von der bisherigen Stadtplanung der Verdichtung hin zu der aufgelockerten, in Funktionen eingeteilten Stadt der 20. Jahrhunderts. Hier zeigte er beeindruckende Bilder, mit welcher Radikalität gegen bestehende Stadtstrukturen schon zu Beginn des Jahrhunderts vorgegangen waren. Das Europäische Denkmalschutzjahr brachte eine langsame Wende im Denken hin zu behutsamerer Stadterneuerung unter Beibehaltung der historischen Struktur, deren historischer Wert und Wohnwert im Vergleich zum Neubau erst damals langsam erkannt wurde.
Hans Stimmann, der sich viele Verdienste um die Wiederherstellung der Europäischen Stadt in seiner Zeit als Senatsbaudirektor in Berlin erworben hatte, folgte als nächstes. Er zeigte äußerst interessant, wie in Berlin das überlieferte Straßennetz an vielen Stellen wiederhergestellt wurde und wird, zB in der Ritterstraße schon zu Beginn der 80er Jahre, in der Friedrichstadt nach der Wende, im Friedrichswerder in der letzten Jahren und wie sich der Schwerpunkt der Stadtentwicklung jetzt auf die ehemalige Altstadt von Berlin verlagert, den Bereich um den Molkenmarkt, wo die Stadtautobahn verkleinert werden und der Stadtgrundgriss in seinen Grundzügen (leider nicht immer exakt) wiederhergestellt werden soll. Auch machte er den provokativen Vorschlag, das Marx-Engels-Forum zwischen Stadtschloss und Fernsehturm wieder zu bebauen. Auf dem Plan, den er zeigte, war, wenn ich das richtig gelesen habe, selbst der Fernsehturm infrage gestellt (madmellow und denk_mal oder die andern Anwesenden, wie habt ihr des gesehen??)
Darauf erzählte Jürgen Bruns-Berentelg einiges über die Versuche, aus der Hafen City in Hamburg eine gemischte Stadt aus Wohnen und Gewerbe zu machen. 12000 soll das Gebiet einmal haben, bei 40000 Arbeitsplätzen. Positiv ist sicherlich der Verkauf der Grundstücke an verschiedene Investoren, auch wenn die Blöcke noch viel zu groß sind und kaum spannungsreichen urbanen Raum formen können. An einem Beispiel hat er gezeigt, dass die Verkaufsfläche eines Einkaufszentrums auf die Erdgeschosszonen vieler Gebäude verlagert wurden, auch das, wenigstens in der Tendenz, richtungsweisend.
Von vielen am heißesten erwartet waren sicherlich die Vorträge von Rob und Leon Krier, die beide einen Vortrag hielten. Rob Krier referierte emotionsgeladen über die Exzesse moderner Architektur und moderner Stadtplanung und speziell über die Planungen am Postplatz in Dresden, für den er selbst auch einen Entwurf eingereicht hatte. Dem Neumarktverein zollte er großen Respekt und Sympathie für den unermüdlichen Einsatz für den menschlichen Maßstab in der Architektur. Er stellte einige seiner Städtebauprojekte in den Niederlanden vor, die sich die Vorzüge der kurzen Wege und des traditionellen Formengutes und Materials zu Nutze machen.
Leon Krier stellte sein Projekt Poundsbury in Südengland vor, das er für Prinz Charles geplant hat und das nun nach und nach wächst. Das Prinzip der beiden Brüder ist, dass sie jeweils die Generalplanung machen und die Fläche in kleine Parzellen teilen, die dann von dutzenden verschiedenen Architekten bebaut werden. Eine interessante Theorie ist die des Oilpeaks, die besagt, dass die vom Öl seit 100 Jahren abhängige Welt eine unnatürliche, sozusagen auf Öl basierende Architektur errichtet. Mit dem Versiegen des Öls in den kommenden Jahrzehnten wird die Architektur zwangsweise wieder kleinteiliger, menschlicher und aus natürlichen Materialien bestehen.
Der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler zeigte, wie sich neue Gebäude durch passende Materialität und definierte Raumkanten mit moderner Formensprache vorhandenen historischen Bauten anpassen können. Als Beispiel brachte er den Opernturm in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon]. Hier hat er in der „Sockelzone“ einen sechsstöckiges Gebäude errichtet, das den vorher diffusen Raum fasst und den historischen Straßenzug wiederherstellt, aus dem ein sandsteinverkleidetes 160 Meter hohes Hochhaus erwächst. Für ihn wichtig ist auch die Beschäftigung mit dem Ort, er kritisierte, dass bei vielen Architekten der Ort eines Gebäudes und die Aura des Ortes vollkommen ausgeblendet wird, z.B. beim Kunstmuseum in Graz und dem dank Volksentscheid gescheiterten „Bauhaus Europa“ in Aachen zwischen Dom und Rathaus.
Zum Schluss gab es noch eine hitzige Debatte, bei dem sich der Baubürgermeister Marx den Fragen des Publikums stellen musste. Angeregt durch eine im Hintergrund laufende Diashow mit Bausünden in Dresden kam es zu einem Streit zwischen Leon Krier und Marx um die Hässlichkeiten, die die Stadt produziert, z.B am Postplatz (Kubus und Altmarkt-Galerie).
Alles in allem eine Wahnsinns-Veranstaltung mit einigen neuen Erkenntnissen. Vor allem war in gewisser Weise eine Aufbruchstimmung zu spüren, Dankwart Guratzsch hat gar von einem neuen Historismus gesprochen. Zum Schluss hin hat die Veranstaltung leider jeden Rahmen verloren, was dann schließlich auch zur Beendigung der Diskussion durch Hans Stimmann geführt hat. Zu den Hauptforderungen der meisten Beteiligten zählten vor allem die Teilung großer Grundstücke in viele kleine und die individuelle Bebauung. Auch ich glaube, dass dies ein Lösungsansatz ist für mehr Lebendigkeit im Stadtbild, ob es nun so gelöst wird, wie die Brüder Krier vorschlagen oder nach Hans Stimmanns Plänen für Berlin. Es war mehrfach deutlich ersichtlich, dass Herr Marx arg in der Klemme steckt zwischen den Forderungen der Bürger und denen der Wirtschaft, die natürlich schnellere Gewinne abwerfen, wie etwa beim Riesenblock Centrum Galerie, im Gegensatz zu dem langsamen Wachsen etwa der Townhouse-Siedlung in Berlin-Friedrichswerder oder der Kleinstadt Poundbury.
So, das wars erstmal, Tiefensee hat natürlich auch gesprochen, aber natürlich nichts, was sie Diskussion vorantreiben würde, aber das kann man ja auch nicht erwarten.
11 Leute vom aph-Forum waren da? Ich habe zwei getroffen, madmellow und denk_mal. Jetzt schießt los, wo habt ihr euch versteckt und wer war alles da?