Nürnberg - Rekonstruktion des Pellerhauses

  • Danke für die Bilder! Bei der Reko des Pellerhofs handelt es sich um das einzige kulturell bedeutende Bauprojekt der Stadt! Und das wird vorrangig ehrenamtlich und spendenfinanziert umgesetzt! Eine Wahnsinnsleistung!
    Über die Bedeutung des Betons würde ich auch gerne mehr wissen.

  • Sind das im Original auch steinverkleidete Ziegelmauern gewesen oder Vollsteinmauern? Und: was mache die Betonstützen auf den Fotos?


    Ich kann auf den Bildern der letzten beiden Seiten keine steinverkleideten Ziegelmauern erkennen; entweder sind es doch massiv gemauerte Wände aus Sandsteinblöcken, oder dann reine Ziegelwände, die anschliessend wohl noch verputzt werden. Im Original bestanden letztere wohl aus Bruchsteinen (dafür viel dicker), und anschliessend auch verputzt.

    Über den vielen Beton habe ich mich auch gewundert. Man wuss zwar im Auge behalten, dass es sich nicht um die Rekonstruktion eines Gebäudes handelt, sondern nur um vorgeblendete Fassaden vor bestehende Gebäude; insofern ist hier die Statik eine andere. Ausser der Westflügel, in dem die folgenden drei Fotos aufgenommen worden sind, ist ein "richtiges" Gebäude. Auf dem ersten Bild sieht man, dass die Rückwand der Galerie als massive Sandsteinwand gemauert worden ist. Das zweite Bild zeigt die Innenansicht dieser Wand, mit unmittelbar dahinter folgenden Betonstützen, die die Betondecken tragen. Beim dritten Bild erkennt man, wie die Sandsteinwand mit der Ziegelwand verzahnt ist. Dies dürfte auch im Original schon so gewesen sein; jedenfalls war dies eine gebräuchliche Methode.

    1

    2

    (aus Beitrag 471)

    3

    (aus Beitrag 474)

    Nachdenklicher machen mich die folgenden beiden Bilder, deren Standort ich nicht ausmachen kann. Hier werden neue Betonpfeiler und ein (Erker?)-Vorsprung der Hoffassade miteinander verzahnt... Ich vermute, dass es sich um den Erker des Nordtraktes gegen das Scharrer-Gymnasium handelt. Falls ich es dieses Frühjahr wieder mal nach Nürnberg schaffe, werde ich meine Reise schon so planen, um an einer der Führungen teilnehmen zu können, um hierüber mehr zu erfahren.

    4

    5

    (aus Beitrag 471)

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (12. März 2013 um 17:03)

  • Wie ich jetzt erfahren habe, ist an einigen Stellen der Einsatz von Beton notwendig geworden, da der Pellerhof nur als Fassade originalgetreu wiederaufgebaut werden kann. Für die dahinter liegenden Räume und Gebäude gilt das nur eingeschränkt, da nach Westen hin ein früher stützendes Gebäude heute fehlt, und nach Norden hin jetzt die Betonburg des Gymnasiums aus den frühen siebziger Jahren steht, und das Baukörper des Hinterhauses des Pellerhofs wie er war gar kein Platz mehr hat. Insofern hat Riegel natürlich recht: Um nun die Pellerhoffassade trotzdem errichten zu können, stand man vor zwei Alternativen: Entweder man errichtet in alten Techniken und Materialien und verzichtet auf Beton. Das hätte aber bedeutet, das verschiedene statische Elemente anders, v.a. dicker hätten gemauert werden müssen, was den Raumeindruck stark beeinträchtigt hätte. Oder man nutzt Beton, der natürlich am Ende nicht mehr zu sehen sein wird, und erreicht dadurch grundsätzlich weitgehend originalgetreue Ausmaße und Dimensionen. Die Statik ist also schuld. Ein Kompromiss.

    Ich finde das bezeichnend für die Geschichte der Altstadt. Denn auch im Mittelalter wurden viele Kompromisse eingegangen, die am Ende das wechselhafte Stadtbild ergeben haben. Hauptsache, der Pellerhof erstrahlt bald wieder. :daumenoben:

  • Ich freue mich schon sehr auf diesen Hof! Wenn der Hof endlich wieder alles überstrahlt, was so noch in Nürnberg rudimentär erhalten ist, dann wird es sicherlich auch einen Aufschrei in der Bevölkerung geben, damit man die bausündige Strassenfassade als nächsten Schritt wiederaufführen wird! Alles andere macht keinen Sinn und wäre auch nicht mehr vermittelbar - innen hui und aussen gagapfui.

  • Ich habe versucht, die Aufnahmestandorte der fünf Bilder von "noricum" aus dem letzten Beitrag der vorangehenden Seite in einen alten Grundriss des Pellerhofes vor seiner Zerstörung einzutragen. Der Grundriss zeigt das 1. Obergeschoss: unten im Süden der Hauptbau des Pellerhofes, und oben im Norden das Hinterhaus, dessen Platz nun vom Scharrer-Gymanasium eingenommen wird (hellblau).

    Vergrösserung

    Bild 1 zeigt den westlichen Galeriegang, links mit der neu errichteten Trennwand zur Raumfolge "8". Die Tür- und Fensteröffnungen sind genau nach diesem Plan rekonstruiert worden. Im Hintergrund erkennt man auch die Treppenbrüstung und das kleine Fensterchen (heute blind wegen dem Scharrer-Gymnasium) gemäss dem Grundrissplan.

    Bild 2 zeigt die Innenanssicht der Raumfolge "8". Die neue Trennand ist also effektiv aus Sandsteinblöcken gemauert! Davor bestehen Betonstützen (ob sie in die Sandsteinwand hineingreifen, ist nicht ersichtlich), die die Betondecke tragen. Die Betondecke ist offenbar losgelöst von der neuen Trennwand (im Plan hellblaue Linie) (Statik? Wärmeisolationsgrenze?). Die Betonstützen (im Plan hellblau) stehen genau dort, wo schon im Original Querwände bestanden. Je nach Nutzung des Raumes können dort die Querwände nachträglich eingefügt werden, ohne dass die Betonstützen dann noch in Erscheinung treten. Die Betonstützen sind also ganz geschickt angeordnet!

    Bild 3 zeigt die Raumfolge "8" wiederum von draussen. Dabei ist links wieder die neue Trennwand aus Sandstein zu sehen, in der Mitte die Backsteinwand gegen die Treppe im Nordwesten (im Plan rot-braun), und rechts eine wiederum neue Sandsteinwand. Bei dieser Wand könnte es sich tatsächlich um eine mit flachen Sandsteinblöcken verkleidete Backsteinwand handeln (s. Deckenauflager!). Die Rückwand der Raumfolge "8" zeigt wiederum eine Backsteinwand. Möglicherweise wird die Backsteinwand zur Treppe hin verputzt, und im Sandsteinton gestrichen.

    Bilder 4 und 5 sind im 2. Obergeschoss aufgenommen worden, aber dennoch auch im Plan des 1. Obergeschosses eingetragen. Der Sansteinerker ist ja noch bis ins 1. Obergeschoss erhalten geblieben. Bis auf die Höhe des 1. Obergeschosses besteht auch das Scharrer-Gymnasium, und rechts (Osten) der Magazinanbau. Für das 2. Obergeschoss mussten hier also neue Rückwände der Galerien erstellt werden, und diese erkennt man auf allen Bildern als Betonwände. Unmittelbar vor die Betonwand in Bild 4 und 5 wird also die neue Sandsteinfassade des Hinterhauses gestellt (im Grundrissplan schwarz), und in den Erker kommen die jetzt neu gegossenen Betonpfeiler zu stehen (im Grundrissplan hellblau). Dies hat zur Folge dass die seitlichen Fenster des Erkers blind sein werden! Ich habe aber den Eindruck, dass das ganze so konstruiert worden ist, dass bei einer allfälligen Rekonstruktion des Hinterhauses anstelle des Scharrer-Gymnasiums die Betonteile wieder entfernt werden können, ohne die jetzt noch zu rekonstruierende Hinterhausfassade zu beinträchtigen.

    Ich habe den Eindruck bekommen, dass hier sehr weitsichtig geplant und gebaut wird, und Beton nur ganz gezielt und reversibel verwendet wird.

    Als Ergänzung noch der folgende Link, der die Hoffassade des Westflügels zeigt. Rechts ragt dann die Hinterhausfassade als Wandscheibe im 2. und Dachgesschoss empor (geschnitten, Betonwand schraffiert):
    http://www.pellerhaus.de/images/01%20we…20Pellerhof.jpg

    2 Mal editiert, zuletzt von Riegel (13. März 2013 um 11:04)

  • Nein, von einer Rekonstruktion der Vorderhausfassade ist nicht die Rede. Aber ich könnte mir denken, dass sich viele eine solche wünschen würden. Rekonstruktion ist in Nürnberg halt ein Unwort, unverständlich, da die Altstadt ohne Rekonstruktionen historisch nahezu garnichts vorzuweisen hätte. Das jetzt zu verteufeln ist irgendwie grotesk.
    Die Debatte dreht sich zurzeit um die Fertigstellung der Rekonstruktion des Rathaussaals mit der Ausmalung nach Albrecht Dürer. Da fetzt man sich schon ziemlich.
    Zudem steht der Ist-Zustand der Pellerhausfassade selbst unter Denkmalschutz, das wird es noch schwieriger machen. Ich schätze vor der Fertigstellung des Innenhofs wird sich in der Hinsicht gar nichts bewegen. Aus meiner Sicht hat das auch noch die Zeit.

  • Laut einem Zeitungsartikel der NZ soll die Ostfassade des Hofes bis Ende des Jahres komplett wiedererrichtet sein biggrin:) (das Dach ausgenommen). Dazu werden momentan in fünf Steinmetzbetrieben die entsprechenden Steine behauen: http://www.nordbayern.de/nuernberger-ze…2?searched=true (Link zum Artikel mit Bild!)

    Im April soll es losgehen! Laut Karlheinz Enderle ist die Fertigstellung des Hofes nach wie vor bis zum Jahr 2015 geplant.

    Viele Grüße

    noricum

  • Ich bin ebenso wie andere hier im APH der Auffassung, dass es nur konsequent wäre, nach den Arbeiten im Hof die jetzige Fassade zu entfernen.
    Ohne großes, weiteres Palaver sollte die historische Fassade des Pellerhauses rekonstruiert werden, vollständig, originalgetreu und ohne die in gewissen Kreisen beliebten Reduktionen.

    Der "Denkmalschutz" für die jetzige Fassade wäre ohne wenn und aber aufzuheben. Bei anderen Projekten schert sich doch ebenfalls keiner über die Einhaltung des Denkmalschutzes.

    Ohne Zweifel ist der alte Pellerhof eines der bedeutendsten Bürgerhäuser Deutschlands, nicht aber mit der heutigen Straßenfassade.

  • Die heutige Straßenfassade wird sich einst nachteilig auf den wiederauferstandenen Pellerhof auswirken. Ich bin hunderte Male am Egidienplatz vorbei gefahren bis ich irgendwann mal realisiert habe, dass der sagenhafte Pellerhof, Teil des Pellerhauses, dort steht. Alles was ich in meinen Vorbeifahrten gesehen habe war die Egidienkirche, ein deutlich jüngeres Palais gegenüber und der Rest Nachkriegsarchitektur ohne Attraktivität. Leute, die sich nicht auskennen, würden den Egidienplatz in seiner heutigen Form eher nicht "einfach so" mal hochlaufen. Man befindet sich nämlich schon mehr oder weniger in der Sebalder Steppe, die überwiegend zum davonlaufen, zum durchfahren, animiert.

  • Also ich mag den 50er Jahre Bau anstelle des Pellerhauses ja auch nicht.

    Aber: woher willst du das wissen:

    Zitat

    Dieser denkmalgeschützte ( :gehtsnoch: ) 50er-Jahre Bestand kann im Empfinden der Bevölkerung nicht zufriedenstellend sein

  • Naja weil so ziemlich kaum jemand in seinem persönlichem Umfeld jemanden kennt, der das so sieht. Tatsächlich würde ich erwarten dass die Originalfassade mehr Anklang fände.