Posts by noricum

    Was aber möchtest du an dem Bau als Unikat ansprechen?

    Die Rustika ist in Italien natürlich weit verbreitet, rustizierte Pilaster oberhalb des Erdgeschoss sind dagegen schon recht selten. Beisipiele dafür sind die Gartenfassade des Palazzo Pitti (ab 1485) oder die 'Zeccha' in Venedig (1536-45).

    Palazzo_Pitti_Gartenfassade_Florenz.jpg


    Venice_-_Zecca_-_Libreria_Marciana.jpg

    Gerade die Zeccha in Venedig scheint mir als Inspiration des Pellerhauses sehr plausibel, den Martin Peller hatte sich in Venedig einen Namen gemacht bevor er nach Nürnberg kam. Gerade was die Gestaltung des Erdgeschosses angeht, erinnert das schon sehr ans Pellerhaus.

    Aber nocheinmal zurück zu den Pilastern: Das Pellerhaus stellt, so weit ich es überblicken kann, das einzige Beispiel in dieser Zeit nördlich der Alpen dar, bei dem die Rustika in Form der Pilaster bis zur Traufe reicht. Denkt man sich das Chörlein weg, wirken die drei Geschosse ja schon fast klassizistisch streng (mir fällt grade kein besseres Wort ein), nur etwas aufgelockert durch das gotische Maßwerk in den Brüstungen im 2.OG.

    Also arbeiten wir uns an der Fassade langsam nach oben in Richtung Schönes Zimmer. Vorher kommt noch das nicht weniger interessante Erste Obergeschoss mit einem der architektonischen Höhepunkte der Fassade, dem Chörlein.

    Das Chörlein war ursprünglich nicht geplant, sondern wurde erst 1616, also über zehn Jahre nach Errichtung des Vorderhauses an der Fassade angebracht. Der Architekt war Jakob Wolff d. Jüngere, der Sohn des verstorbenen Pellerhaus-Architekten Jakob Wolff d. Älteren. Der Sohn ist in Nürnberg auch bekannt als Architekt des Rathauses und des Baumeisterhauses.

    Während also im Ersten Obergeschoss noch behutsam die Rustika des Erdgeschosses in Pilasterformen übertragen wird und mit toskanischen Kapitellen weiterentwickelt wird, setzt das Chörlein ein dickes Ausrufezeichen, was die Ornamente und auch die hochrangige Ordnung angeht.
    (Akanthuskapitelle + kannelierten Pilaster = ?, kennt sich da jemand aus?)

    Die Fassade wird man schon deswegen nicht vergrößert/verbreitert rekonstruieren wollen, da sonst das "Schöne Zimmer" nicht mehr an seinen angestammten Stanrdort zurückgeführt werden könnte, wegen veränderter Fenstermaße. Abgesehen davon würde es alle Ansprüche einer wissenschaftlichen Rekonstruktion völlig konterkarieren. Da mache ich mir jetzt nicht so viele Sorgen. Für diese angebaute Ecke wird sich bei Zeiten eine Lösung finde, zur Not stellt man oben einen Blumentopf obendrauf.:wink:

    Denn, um auf artagastas Frage zu antworten: Es gibt keine Steinspolien der Fassade mehr (die Altstadtfreunde haben anlässlich der Pellerhof-Rekonstruktion alles auf den Kopf gestellt, leider ohne Erfolg).
    Aber (!) es gibt noch einen bedeutenden Innenraum aus dem Pellerhaus, der vor dem Krieg ausgelagert wurde und sich heute im Stadtmuseum befindet: das Schöne Zimmer. Es befand sich ursprünglich im zweiten Stock, die rechten drei Fenster. Siehe auch hier: Schönes Zimmer.

    Für mich ist dieses Zimmer eines der stärksten, unterstützenden Argumente für eine Rekonstruktion, denn sie würden dem wiederaufgebauten Pellerhaus auch die erforderliche Tiefe und Glaubhaftigkeit geben. Man würde eben nicht nur eine leere Fasse rekonstruieren, sondern hätte neben dem gesamten Innenhof sogar noch den bedeutensten Innenraum des Hauses dazu, inklusive prächtigem Ausblick auf den Egidienplatz bis hin zur Lorenzkirche:foto:

    Beim Wiederaufbau nach dem Krieg wurde die Rustika des Erdgeschosses nach rechts hin verbreitert (so konnte man dahinter noch einen Aufzug quetschen). Auf obiger Visualisierung wurde diese Breite aber nicht "rausgerechnet" sondern im Gegenteil die Fassade so angepasst, dass sie zum Sockel passt. Deswegen stimmen da die Proportionen nicht ganz.
    Das Pellerhaus war trotzdem ein riesiger Kasten, aber von den Proportionen etwas graziler. Dadurch, dass auf den meisten Fotos aber immer die Menschen fehlen, hat man nie einen direkten Vergleich und reduziert sich die Größe dann im Kopf automatisch runter; so geht es zumindest mir.
    Zum Beispiel das Eingangsportal: das hat eben nicht 2,50 m Höhe sondern eher 5m + x, aber das kommt auf solchen Bildern einfach nicht rüber:

    N%C3%BCrnberg-Pellerhaus-Egidienplatz_23-ZI-1092-01-00-357306.jpg

    Weiter geht's mit zwei Detailbildern der linken Seite. Bei genauerem hinsehen fällt auf, dass der linke Kellerschacht etwas asymetrisch unter den Fenstern sitzt (siehe Bild oben). Die Fenstergitter sind heute noch die Originalen; sie wurden beim Wiederaufbau wieder eingesetzt. Bereits seit den 1960er Jahren sind einige der filigranen Verzierungen abgebrochen, oder wurden nur vereinfacht wieder ersetzt, vor allem beim rechten Fenster unten. Zudem ist alles mit einer seltsam weiß-goldenen Farbschicht überzogen, die ich der Wiederaufbau-Ära zuschreibe, sonst kenne ich solche Gitter nur in Grau oder Schwarz.

    Kleine Aufgabe: Versucht mal auf der Zeichnung die beiden runden Gitterelemente zu finden, die doppelt vorkommen.:zwinkern:

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    Es gibt keine, sie sind immer unterschiedlich eye:)

    Pellerhaus_Fassade_Aufriss_Erdgeschoss_Fenstergitter_links

    Pellerhaus_Fassade_Aufriss_Erdgeschoss_Kellerschacht

    Pellerhau_Erdgeschoss_Fenstergitter

    Tatsächlich war das alles eher schlicht, kein Vergleich zum Pellerhaus. In der Publikation des Stadtarchivs: "Nürnbergs Bürgerhäuser. Fotografien von Fritz Traugott Schulz 1901-1926" von 2013 sind ein paar Bilder von Innen zu sehen. Das sind aber mehr Detailbilder von Türblättern, Schlössern etc. abgebildet, als ganze Raumbilder. Im Toplerhaus ging es ja einfach sehr eng zu. Ich könnte mir vorstellen, dass man im Stadtarchiv durchaus noch mehr Bilder findet.

    Erdgeschoss
    Das Erdgeschoss des Pellerhauses zeigt sich in monumentalen Formen. Bestimmend sind die massiven Sansteinblöcke der Rustikagliederung, die ein hohes rundbogiges Eingangsportal und flankierend zwei ebenso monumentale Fensterpaare aufbauen. Die baukünstlerischen Details konzentrieren sich auf die Eingangstür und die Einrahmungen der kleinen Kellerfenster, die an Steinbänke erinnern. Erst auf den zweiten Blick fällt auch die reiche Gestaltung der schmiedeeisernen Fenstergitter auf, bei denen kein Fenster dem anderen gleicht (!).

    Pellerhaus_Fassade_Aufriss_Erdgeschoss
    (klicken + "Originalgröße anzeigen" für größere Ansicht^)

    Am 10. August 2025 jährt sich das Einzugsdatum Martin Pellers in sein Wohnhaus zum 400 Mal. Ich finde das ist Anlass genug, um die Architektur des Hauses noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. ;)

    Im Laufe des vergangenen Jahres habe ich versucht mich der Fassade und ihren vielen Details in einer Aufrisszeichnung so genau wie möglich anzunähern. Das Ziel war, die vielen Details zu entschlüsseln, die man auf den Fotos oft nur sehr verwaschen und undeutlich erkennen kann.

    Hier mal ein Teaser:
    Pellerhaus_Fassade_Aufriss_Giebel.jpg

    Ein Filmbeitrag über das äußerst sehenswerte Volksbad in Halle.
    Dabei geht es ab Minute 21:30 auch kurz um den aktuellen Stand im Nürnberger Volksbad.

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    Minute 22:40 : Eingangshalle mit freigelegter Probeachse der alten Bemalung
    Minute 25:50 : Ruheraum der Sauna mit Holzdecke

    Was mit immer noch nicht so ganz klar ist, wird bei den Deckenbemalungen in den großen Schwimmhallen das Maximum der Jugendstilbemalung und auch der Umkleidekabinen rekonstruiert oder bleibt es in der schlichten Nachkriegsversion? Die Schwimmhallen waren früher nämlich um einiges prachtvoller als heute:

    Die Portale wurden restlos abgeräumt. Im östlichen Innenhof des Imhoffhauses gab es noch ein schönes Treppenturmportal und im westlichen Hof Reste von Blendarkaden, leider hat das alles nicht die Enttrümmerung überlebt.

    Im Folgenden eine neue Zeitschicht, der Wiederaufbau von 1957. In dieser Form präsentieren sich die Fassaden bis heute.

    Interessant finde ich, dass die Zahl der Fensterachsen beim neuen Imhoffhauses nur um eins höher liegt (15), als beim alten Imhoffhaus (14). Trotzdem wirken die Fenster beim 50er-Jahre-Bau auf mich viel erschöpfender und drückender, was vermutlich am kleineren Abstand dazwischen liegt und daran, dass es insgesamt weitaus mehr sind.

    Imhoffhaus-Pellerhaus-Wiederaufbau-1957-Fritz-Walter-Mayer

    Die Ruinen von Schwarzem und Weißem Pellerhaus, wie auch des Imhoffhauses am Egidienberg nach der Zerstörung. Teile der aufragenden "Ruinensäulen" wurden in den späteren Jahren abgebrochen. Die Zeichnung zeigt noch den Zustand davor, im Jahr 1945:

    Imhoffhaus-Pellerhaus-Ruine-1945-Egidienplatz-Nürnberg