Dresden, Altstadt - Wiederaufbau Taschenbergpalais (realisiert)

  • Frage an die absoluten Dresden-Experten im Forum:

    Was mich seit meinem ersten Besuch in DD wundert, ist die Veränderung des Taschenbergpalais seit dem Wiederaufbau.

    Vor dem Krieg sah es ja so aus:

    Quelle: http://www.dresden-pictures.com

    Die Ruine sah nach 1945 so aus

    Quelle: LICHTDRUCK Museum und Werkstatt

    und nach dem Wiederaufbau in den 1990ern so:

    Quelle: Penn State College of Engineering

    Daß das Mansarddach bei der Errichtung des Palais nur entworfen, aber nicht ausgeführt worden war, weiß ich. Offenbar wollte Kempinski dann unbedingt ein Stockwerk mehr haben.

    Aber der Ziergiebel am Dach über dem Hauptportal war offensichtlich unversehrt erhalten. Beim Wiederaufbau ist der Ziergiebel an den Nebenflügel versetzt worden. Wieso hat man das gemacht? Und was ist aus den beiden Figuren geworden, die rechts und links des Ziergiebels standen? Was sollte dieser seltsame Umbau bezwecken?

  • Auch wenn ich die Frage nicht beantworten kann: Das finde ich doch mal toll, dass mir ein Bauzustand nach der Reko deutlich besser gefällt als der Originalzustand. Die Ausführung des ursprünglich nur geplanten, aber eben nicht zur Ausführung gelangten Mansarddaches betrachte ich als eine große Bereicherung des Stadtbildes. Die Architektur wirkt viel DD-typischer. Das sage ich wieder einmal in meiner ungenierten Art, die sich nicht vorrangig von denkmalpflegerischen, sondern ästhetischen Gesichtspunkten leiten lässt - auch wenn die denkmalpflegerischen Aspekte sicherlich nicht egal sind. :)

  • Warum, weiß ich auch nicht. Ich glaube mich aber zu erinnern, daß die beiden Figuren nun den Dachsims des Innenhofes schmücken.

  • Die aktuelle Gestalt besass das Taschenbergpalais bis ins 19. Jahrhundert. Dann wurde das Mansarddach entfernt und durch ein moderneres Walmdach ersetzt. Gleichzeitig versetzte man den Figurenschmuck auf den Hauptgiebel. Diese Umbaumassnahmen wurden aber nie als besonders gluecklich empfunden. Bei der Rekonstruktion wurde also der Ursprungszustand wiederhergestellt.

    Weitere Informationen findet man in dem Buch "Das alte Dresden".

    Zitat

    Die Geschichte des Taschenbergpalais reicht zurück in das Jahr 1707. August der Starke ließ es einst für seine Mätresse Gräfin Cosel vom Architekten Pöppelmann erbauen. Wegen seiner orientalischen Innenausstattung wurde es bis 1718 als Türkisches Haus bezeichnet.

    Das Taschenbergpalais war durch einem Übergang mit dem Residenzschloss verbunden. Nachdem die Gräfin Cosel in Ungnade gefallen war und auf Burg Stolpen verbannt wurde, diente das Gebäude ab 1719 als Wohnsitz der jeweiligen kronprinzlichen Familie.

    Der westliche Seitenflügel wurde zwischen 1756 und 1763 durch Julius Heinrich Schwarze angefügt. Der aufwändige Figurenschmuck, die Statuen des Mars und der Minerva, an den Portalen wurde durch Gottfried Knöffler erschaffen. Im Anschluß wurde durch Christian Friedrich Exner der östliche Flügel angebaut. Die hohen Mansarddächer wurden 1825 durch modernere Walmdächer ersetzt.

    Ab 1919 dienten die Räumlichkeiten als Verwaltungsgebäude des Staatstheaters und wurden 1934 grundlegend saniert. Der Bombenhagel des 2. Weltkrieges zerstörte das Palais vollständig und bis 1991 lag es in Trümmern.

    Von1991 bis 1994 wurde das Taschenbergpalais durch die Frankfurter Advanta AG für 250 Millionen DM originalgetreu wieder aufgebaut. Heute beherbergt es das First-Class-Hotel "Kempinski Taschenbergpalais".


    Das beruehmte Treppenhaus von Matthaeus Daniel Poeppelmann wurde rekonstruiert. Hier ein paar Bilder:


    Auf diesem Bild sieht man den Innenhof und am rechten Bildrand die beiden Figuren, die frueher auf dem Hauptgiebel standen:

  • Und ich hätte schwören können, dass die beiden Figuren noch heute an der Fassade sitzen.
    Aber so ist das wahrscheinlich, wenn man fast jeden zweiten Tag an den Gebäuden vorbeigeht, und sie nur noch im Vorbeigehen wahrnimmt.....

  • Also ehrlich gesagt fande ich die Vorkriegsituation schöner weil durch das flache Dach die Fassade besser zur Geltung kam. Andrerseits ist die jetzige Version ja der Erbauungszustand und dresdentypisch, von daher also durchaus legitimiert. Fazit: Soll so bleiben wie es ist, danke noch mal an Kempinski (oder ist der etwa für den Advanta-Riegel mitverantwortlich?)

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Ich mag Masarddächer lieber...Aber irgendwie fehlt da doch sowas wie ein 3-Ecks-Giebel oder sowas über dem Risalit.

    Wenn der Ziergiebel in den einen Seitenhof versetzt wurde, was ist dann im anderen? Hat man den kopiert oder ist da nichts?

  • Wahrscheinlich war es wohl ähnlich wie bei der Kommandatur in Berlin.
    Zunächst mit Mansarddach erbaut und später dann der Renaissance
    angepasst. Mir gefällt eigentlich das flachere Dach besser. Es wirkt
    irgendwie kraftvoller. Das Mansarddach passt eher zu Schlössern
    weitab der Stadt.

  • Also, was das Dach angeht: Ich finde beide Versionen ganz okay, obwohl ich grundsätzlich immer dafür bin, den Zustand bis zum 2. Weltkrieg wiederherzustellen, weil Rekos nach meinem Verständnis die Verbrechen der Zerstörung im Krieg oder danach (ob durch Bomben, Dynamit oder Abrißbirne) "sühnen" sollen und nicht irgendwelche Maßnahmen vor 100 oder 200 Jahren.

    Aber mir fehlt einfach das Geschrumsel über dem Haupteingang - ich fand die Fassade des Gebäude deshalb früher insgesamt prachtvoller und schöner. Aber man kann natürlich damit leben. Das einzige, was ich den Bauherren vorwerfe, ist, daß das Dach von oben teilweise kein richtiges Mansarddach ist und häßliches grau trägt.

    Interessant in der Tat, daß derselbe Investor - Advanta - einerseits für einen Haufen Geld diesen altenm Prachtbau wieder aufbaut, das Innere auch noch penibel rekonstruiert, Dresden also ein wertvolles Baudenkmal "zurückgibt" - und anschließend direkt daneben der Altstadt mit dem "Riegel" einen Giftstachel in Fleisch treibt, der nicht nur die ganze Gegend verhunzt, sondern auch noch den Platz der Sophienkirche versperrt, so daß es nicht mehr möglich ist, z.B. durch einen Grundriß im Pflaster an die Kirche zu erinnern oder sie gar eines Tages zu rekonstruieren. Wie paßt das zusammen?

  • in der tat ein sehr interessanter vergleich.
    mir gefallen eigentlich beide versionen recht gut, tendenziell scheint mir aber das heutige dach besser zu passen. allerdings wirkt auf der alten aufnahme der stuck (oder war es damals gar stein) _wesentlich_ plastischer. bei der reko wirkt der stuck etwas platt und billig. auch hätte mir eine deutlichere betonung der mittelachse besser gefallen.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Das scheint gängig zu sein, denn beim Coselplais war es mit dem Kaplan-Bunker ja genauso. Nach dem Motto, ich geben Euch Reko, dafür ich bauen auf Nachbarplatz Ausgeburt der Häßlichkeit.

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Interessant in der Tat, daß derselbe Investor - Advanta - einerseits für einen Haufen Geld diesen altenm Prachtbau wieder aufbaut, das Innere auch noch penibel rekonstruiert, Dresden also ein wertvolles Baudenkmal "zurückgibt" - und anschließend direkt daneben der Altstadt mit dem "Riegel" einen Giftstachel in Fleisch treibt, der nicht nur die ganze Gegend verhunzt, sondern auch noch den Platz der Sophienkirche versperrt, so daß es nicht mehr möglich ist, z.B. durch einen Grundriß im Pflaster an die Kirche zu erinnern oder sie gar eines Tages zu rekonstruieren. Wie paßt das zusammen?

    Tja, das war nun mal der Wille der Politiker. Wenn man das Grundstück für eine spätere Rekonstruktion der Sophienkirche frei gehalten hätte und dahinter der alte Stadtgrundriss vorgesehen wäre, dann hätte Avanta dort wahrscheinlich was ganz anderes hingesetzt. Man sollte nicht immer die Investoren verfluchen. Die Politik hat an dieser Stelle nun mal die falschen Rahmenbedingungen gesetzt. Wie es so oft in Deutschland passiert.

  • Zitat

    Das scheint gängig zu sein, denn beim Coselplais war es mit dem Kaplan-Bunker ja genauso. Nach dem Motto, ich geben Euch Reko, dafür ich bauen auf Nachbarplatz Ausgeburt der Häßlichkeit.

    Also Zuckerbrot und Peitsche, oder was?

    Naja, in Ffm will ja der Investor MAB auch ein Zuckerbrot namens Palais Thurn und Taxis spendieren und knallt dafür direkt dahinter über 100 m hohe gläserne Hochhaus-Peitschen, die das Palais wie ein niedliches Modellbahn-Häuschen von Faller aussehen lassen (ein ähnlich verheerender Effekt wie in Berlin mit Fernsehturm und Marienkirche).
    Nur hat das Ganze in Ffm einen sachlichen Grund, denn MAB braucht genügend Nutzflächen, die auf dem relativ kleinen Grunstück eben nur unterzubringen sind, wenn man ordentlich in die Höhe baut.

    In DD hingegen halten sich sowohl Advanta-Riegel als auch Kaplan-Bau von ihren Ausmaßen her (insbesondere Höhe) brav an die historische Nachbarbebauung - nur bei der Architektur ist dem Advanta-Architekten eben eine Sicherung durchgebrannt, es ist einfach nicht nachvollziehbar, warum das Ding so aussehen muß. Büros kann man schließlich nicht nur in Rekos, sondern auch in einigermaßen angepaßten Neubauten unterbringen, wie zum Beispiel in diesem hier am Altmarkt:


    Quelle: Tour de Saxe

    Nix dolles, aber stört auch nicht groß - sowas hätte es neben dem Taschenbergpalais doch auch getan, das würde sowohl mit Palais als auch mit Zwinger einigermaßen harmonieren.

  • @ saibo

    Diese größere Gaube ist doch putzig.

    Ich möchte noch was zum Grund sagen, warum das hohe Mansarddach nicht überall ausgeführt wurde:
    M.D. Pöppelmann hat meines Wissens seinerzeit nur den Mitteltrakt des Taschenbergpalais geplant und gebaut. Einer der Flügel wurde wesentlich später im 18. Jh. angefügt, der andere sogar erst im 19. Jhdt. Möglicherweise hat am deshalb an den Gebäudeteilen, die Pöppelmann nicht geplant hatte auf das Mansarddach verzichtet.
    Persönlich gefällt mir das Mansarddach auch besser, die Statuen finde ich, hat man aber zu sehr versteckt.

  • Das Thema „Taschenbergpalais“ wurde schon vor geraumer Zeit behandelt und ist danach „eingeschlafen“. Die interessante Diskussion lief vor meiner Zeit im Forum und ich möchte gern noch ein paar ergänzende Anmerkungen beisteuern.

    Die Baugeschichte hat insbesondere Saibo schon ausführlich dargelegt, zur gedanklichen Anbindung nur noch mal die Kurzfassung (basierend auf Löffler):

    - Mitteltrakt von Pöppelmann 1707 bis 1711 („reiner“ Barock)
    - 1756: Schwarze („Hauptakteur“ des Dresdner Rokoko) erhält den Auftrag zur Erweiterung, er schuf die westlichen Flügelbereiche und die mittlere Hofanlage
    - Den Ostbau übernahm nach dem siebenjähriegen Krieg der „nüchterne“ Exner, der die Gegenseite (A: Westflügel) einfach wiederholte – ohne die Brunnen.
    Erst um 1850, nach dem Verzicht auf das Mansarddach, stellte man auf den Hauptsims des Pöppelmannschen Mittelbaues das Wappen sowie die beiden bekrönenden Statuen des Mars und der Minerva vom Mitteltrakt Schwarzes.

    Datiert vom Juni 1986 hatte man seitens der Dresdner Denkmalpflege eine fachlich fundierte „Denkmalpflegerische Zielstellung“ für das Taschenbergpalais erarbeitet, die analog der entsprechenden Ausarbeitung für das Residenzschloss nur als vorbildlich bezeichnet werden kann. Inwieweit dieses Programm unter den wirtschaftlichen Bedingungen der Spät-DDR Chancen auf Realisierung hatte, steht dabei natürlich auf einem anderen Blatt.
    Wenige Jahre später kam die politische Wende. Der Freistaat Sachsen als Eigentümer der Immobilie schloss mit dem Investor Advanta einen Vertrag über den Wiederaufbau des Palais – Es wurde aber nicht verkauft, sondern man übereignete es mit Erbbaurechtsvertrag auf 99 Jahre. Dem Investor wurde dabei als Bedingung „aufgedrückt“, die vorliegende Denkmalpflegerische Zielstellung von 1986 zu verwirklichen. Dazu Auszüge aus einem Artikel:
    Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen – Sonderheft 1997

    Auch die Einflussnahme der Denkmalpflege während des Baus war optimal:
    (Quelle noch mal das bereits genannte Mitteilungsheft)

    Zitat

    Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das mit der Funktionsplanung beauftragte Architekturbüro noch keine Erfahrungen im Umgang mit historischen Strukturen und Baudetails hatte, entschloss sich das Amt, einen Mitarbeiter weitgehend für diese Bauaufgabe freizustellen, denn es hätte zu keinem Erfolg geführt, vorgelegte Planungen nach denkmalschutzrechtlichen bürokratischen Verfahren zu bestätigen oder nicht zu bestätigen. Hier galt es, während der Planung und dann auf der Baustelle direkt mitzuwirken.

    Es bleibt festzuhalten:
    Die von den einzelnen Diskussionsteilnehmern akribisch aufgezählten baulichen Veränderungen im Vergleich mit dem unmittelbaren Vorkriegszustand sind allesamt durch zwingende Vorgaben der Denkmalpflege zustande gekommen. Man kann die Vorkriegslösung durchaus ästhetisch finden, aber zum Beispiel die zur Rokoko-Zeit von Schwarze geschaffene Bekrönung im Westflügel hat nun mal entstehungsgeschichtlich nichts mit dem Pöppelmann-Bau zu tun.

    In einem zweiten Beitrag möchte ich dann noch auf die Kapelle eingehen.

  • Zitat von "BautzenFan"

    In einem zweiten Beitrag möchte ich dann noch auf die Kapelle eingehen.

    Sehr interessante und informative Beiträge, die du in diesem Forum beisteuerst. Dafür vielen Dank. Wird immer gern gelesen. Freu mich schon auf den zweiten Teil deines Beitrags.

    Ist eigentlich geplant die Kapelle eines Tages wieder herzustellen?

  • Dem kann ich nur zustimmen. Klasse Beiträge. Danke dafür und mach weiter so!

    "Willst du eine Stadt vernichten, baue Kisten, Kisten, Kisten!"

  • Heute mein angekündigter 2. Beitrag zum Taschenbergpalais (Pardon, hat etwas gedauert, ist aber dafür lang).
    Eine Vorbemerkung noch für alle, die mit den örtlichen Gegebenheiten nicht so vertraut sind: Auf den folgenden Fotos / Abbildungen ist immer oben Norden, rechts Osten, links Westen (gilt nicht für die Innenaufnahme, aber die kann man anhand der Fenster zuordnen).

    Der Gesamtkomplex des Palais wies einen sehr hohen Zerstörungsgrad auf. Der südliche Bereich war allerdings durch die Wirkung von Sprengbomben stärker geschädigt als die nördlichen Gebäudeteile, in dem Sinne, dass schon bei den ersten Schadensanalysen (1945) für die dort erhaltene, nur optisch gleichartig erscheinende Substanz eine deutlich geringere Standfestigkeit festgestellt wurde. Dieser Sachverhalt hatte Auswirkungen auf den Erhalt der Ruine nach 1945. Das folgende Foto (Quelle: bildindex der Kunst und Architektur) belegt den Zustand 1955, das ist noch etwa der Zustand von 1945: Die südlichen Gebäudeteile sind noch überwiegend vorhanden.

    Die folgende Aufnahme zeigt das Gebäude im Zustand von 1993 aus der Anfangszeit des Wiederaufbaus (aus dem Bildband: Dresden aus der Luft, erschienen 1995).

    Im Vergleich der beiden Fotos wird deutlich, dass nach 1955 erhebliche Gebäudeteile abgebrochen worden sind. Dies erfolgte allerdings nicht im Rahmen der Wiederaufbauarbeiten (man könnte ja vermuten: Zu großer Aufwand beim Erhalten der jeweiligen Mauern), sondern in mehreren Aktionen bis Ende der 1960er Jahre (jeweils aufgrund von Einsturzgefahr). Ich habe ein Luftbild, das etwa 1979 entstand und schon die gleiche Situation wie das Foto von 1993 zeigt (Einscannen lohnte nicht wegen der unscharfen Bildqualität). Über die sukzessiven Abbrüche habe ich folgende Zeitangaben gefunden:
    (Quelle: „Das Taschenbergpalais zu Dresden“, Herausgeber: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 1995)
    1956: Abbruch großer Teile des Haupthintergebäudes, einschließlich des Kapellenbereiches (dazu gleich mehr);
    1961: Abbrucharbeiten am Südostflügel;
    1968: Größere Abbrucharbeiten im westlichen, südlichen und östlichen Teil der Ruine.

    Bevor ich auf die Kapelle eingehe, noch eine Anmerkung zu dem obigen Farbfoto. Man erkennt im Bereich des Baugeländes an verschiedenen Stellen Anzeichen der dort vorgenommenen archäologischen Untersuchungen (frei gelegte Keller). Im Zuge der Grabungen wurden Baustrukturen der ältesten Kern-„Stadt“ nachgewiesen. Der mit dem roten Pfeil markierte Keller gehört zu dem so genannten „Einsiedelschen Haus“. Das sind die Überreste des ältesten Gebäudes (von etwa 1250!) eines im Mittelalter hier befindlichen Lehnshofes. Es handelte sich gemäß Grabungsbericht (Autor: Karin Wagner) um ein mehrstöckiges, vermutlich steinernes Turmhaus. Dieser Keller wurde übrigens erhalten und in das heutige Gebäude integriert. (Und was sagt uns das – Es geht, wenn man will – bzw. wenn man „muss“; ich sagte ja schon, siehe 1. Beitrag, dass hier ziemliche Auflagen ausgesprochen worden sind, die Frau Oexle hatte noch nichts zu „melden“).

    Nun zur Kapelle. Hier zunächst ein Foto des Innenraumes:


    Quelle: bildindex der Kunst und Architektur

    Die Kapelle entstand im Zeitraum von 1763 bis 1765. Unter Kunsthistorikern besteht absolute Übereinstimmung darüber, dass die Kapelle die herausragende innenarchitektonische Leistung des Rokoko in Dresden darstellt (Zitat: Rokoko in vollkommener Form). Der Raum besaß eine Grundfläche von 13,4 m x 7,9 m (ca. 106 m2) und reichte über 2 Geschosse (1. und 2. OG). Die Innenausstattung war bis zur Zerstörung weitgehend im Entstehungszustand erhalten geblieben.
    Zur Lage hier ein Grundriss des 1. OG:


    Quelle wie oben

    Die Position der Kapelle muss ich etwas umständlich erklären, am besten so: Unter dem Grundrissfoto stehen Erläuterungen. Man gehe von dem T in Taschenbergpalais senkrecht nach oben, der erste Raum, auf den man trifft, ist die Kapelle.
    Zur „Einordnung“ des Kapellenbereiches auf dem obigen Farbfoto: Das ist der Bereich, wo rechts neben dem mit Pfeil markierten Keller die Stahlstützen stehen. Man sieht, dass von dem so genannten „Haupthintergebäude“ (in dem sich die Kapelle befand), nur die Nordwand erhalten geblieben ist, wobei auch diese Wand nicht zur eigentlichen Umrandung der Kapelle gehört (siehe Grundriss).

    Einige Angaben zur Innenausstattung:
    Auf der Nordseite ist ein Gang im Ober- und Untergeschoss vorgelagert, der sich im Obergeschoss mit sechs Bogenöffnungen zum Raum hin öffnete (siehe Grundriss). Der Hauptaltar befand sich an der westlichen Schmalseite. Rechts und links davon war an den Längsseiten je ein Nebenaltar vorhanden. Decke und Wände waren reich mit Stukkaturen geschmückt. Die Kapelle war in hellgrün und Silber gehalten, einem typischen Farbklang des Rokoko.

    Gemäß den Auflagen für den Wiederaufbau (siehe 1. Beitrag) wurde die Kapelle beim Wiederaufbau exakt in ihren geometrischen Abmessungen hergestellt, aber in schlicht-moderner Gestaltung. Der Raum wird von Kempinski ganz traditionsbewusst als Hauskapelle betitelt und wie folgt vermarktet (Zitat):
    Die Hauskapelle in der 1. Etage ist besonders für Konzerte, Ausstellungen und Empfänge prädestiniert.
    Interessant dabei: Während für alle anderen Konferenzräume (insgesamt 8 im Hotel) eine fixe Raumhöhe angegeben wird, lautet die entsprechende Angabe für die Hauskapelle: Raumhöhe 4,0 – 9,0 m. Man kann offenbar je nach Art der Veranstaltung einen ein- oder zweigeschossigen Raum anbieten (vermutlich ausfahrbare Zwischendecke).

    Leider scheinen die Hotelbetreiber eine sehr restriktive Auffassung bezüglich Foto-Rechten zu vertreten, es gibt auf -zig Internetseiten Innenfotos vom Hotel – allerdings sind das immer die gleichen, die Kapelle ist nicht dabei. Aber Dresdner und DD-Besucher haben eine gute Chance, speziell die Kapelle besichtigen zu können (ohne im Hotel einzuchecken). In unregelmäßigen Abständen finden dort hochkarätige Kunstausstellungen der Walentowski-Galerien statt, die frei zugänglich sind:

    Zitat

    Die Sonderausstellungen in der Hauskapelle des Taschenbergpalais in Dresden sind eine feste Adresse mit Bedeutung für das kulturelle Leben der Stadt Dresden geworden und beinhalten stets eine Charity - Komponente. Es ist einmalig in Dresden, dass ein privates Unternehmen, ohne Zuschüsse aus öffentlicher Hand, und ohne Eintrittsgelder zu fordern, solche umfangreichen und qualitativ hochwertigen Ausstellungen präsentiert. Zu jeder Ausstellung konnten zwischen 10.000 bis 30.000 Besucher begrüßt werden.


    Was natürlich alle am meisten bewegt, ist die Frage, ob die Kapelle jemals rekonstruiert wird. Vom Dokumentationszustand wäre das möglich. Es gibt Fotos in sehr guter Qualität, historische Pläne und Entwurfszeichnungen sowie aus verschiedener Veranlassung detailliert gefertigte Aufmasszeichnungen aus der Zeit vor 1945. Ein Problem wäre aber zum Beispiel das Altarbild. Es gibt keine Farbaufnahmen und das Original ist verbrannt.
    Allerdings: Das auf dem obigen Innenfoto erkennbare Altargemälde stammt aus späterer Zeit als die Kapelle. Hierzu eine sehr interessante Angabe aus dem schon genannten Buch („Das Taschenbergpalais zu Dresden“, Herausgeber: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 1995):
    Um 1850 wurde das Altarbild ausgewechselt. Ersatz für das Bild aus der Entstehungszeit der Kapelle („Christus am Kreuze darstellend – aus gewirktem Sammet“) war eine Kreuzigungsdarstellung von dem Dresdner Akademiemaler Peschel (gest. 1879).

    Mit diesem kunsthistorischen Hintergrund sollten doch gewisse „Spielräume“ für eine Lösung gegeben sein (ein drittes Bild?). Wie auch immer, die Rekonstruktion wird eine Entscheidung sein, die spätere Generationen für sich beantworten müssen. Aber – und das ist das Wichtigste: Wir haben ihnen die reale Chance gelassen, dies überhaupt entscheiden zu können.

  • Zitat

    Leider scheinen die Hotelbetreiber eine sehr restriktive Auffassung bezüglich
    Foto-Rechten zu vertreten, es gibt auf -zig Internetseiten Innenfotos vom Hotel – allerdings
    sind das immer die gleichen, die Kapelle ist nicht dabei.

    Tagungsplaner.de ist da freizügiger:
    http://img.tagungsplaner.de/evl/135163_j.jpg
    Wir schauen vom Altarraum nach Osten.

    Zitat

    Man kann offenbar je nach Art der Veranstaltung einen ein- oder zweigeschossigen Raum
    anbieten (vermutlich ausfahrbare Zwischendecke).

    Die Raumhöhe bezieht sich eher auf die unterschiedliche Höhe unter/auf der Empore bzw. im Schiff.
    Eine ausfahrbare Zwischendecke ist hier nicht erkennbar und ist auch mir nicht aufgefallen, als ich vor
    ein paar Jahren dort war.