Neo-Barock-Kirchen

  • Nachdem ich euer Forum schon lange recht intensiv verfolge, nun mein erster Beitrag:

    zur Diskussion der schönsten Gebäude ist mir aufgefallen, dass es rechte viele Profanbauten des Neobarocks gibt. Allerdings fallen mir nur wenige Beispiele für sehenswerte Kirchen im Neo-Barock Stil ein. München hat z.B. zwar auch einige Neo-Barock-Kirchen, die fallen aber im Vergleich zu den Barockbauten in München weit ab.

    Sehenswerte Neo-Barock-Bauten, die ich kenne sind:

    http://www.altoetting-wallfahrt.de/pages/Kirchen/St_Anna.html\r
    http://www.altoetting-wallfahrt.de/page ... _Anna.html

    http://www.nesselwang-urlaub.de/RS/allgpark/top_highlights/kirchen.html\r
    http://www.nesselwang-urlaub.de/RS/allg ... rchen.html

    http://www.berliner-dom.de/startIe.htm\r
    http://www.berliner-dom.de/startIe.htm

    Kennt jemand andere Besipiele im deutschsprachigen Raum?

  • Hmmm, den Berliner Dom hätte ich jetzt eher der Neorenaissance zugeordnet als dem Neobarock. Spontan fallen mir jedoch auch keine bedeutenden neobarocken Kirchen ein. Im Historismus wurde ja architektonisch alles irgendwie miteinander vermischt. :zwinkern:

    Achja...
    Willkommen im Forum! :winkenkopf:

  • ich kann noch die Stadtpfarrkiche Beilngries anbieten:
    Die Ausstattung ist bis auf die zwei großen Seitenaltäre original Barock der Kirchenraum und ein Turm sind 1911 bis 1912 vom Münchner Architekten Wilhelm Spannagel erbaut worden

    Blick zum Hochaltar:

    Die zwei großen Seitenaltäre (erst vor 4 Jahren in vereinfachter Form wierderaufgestellt):

    Blick zur Empore:

    ein paar Infos zur Kirche finden sich auf dieser Seite

    In den 60ern fand eine Art eine "Renovierung" statt und große Teile der eh nicht sehr üppigen barocken Ausstattung wurden abgebaut; unter anderem wurden die Bänke, die ursprünglich farbig bemalt waren, abgebeizt, der Hochaltar um eine Sockelstufe herabgesetzt und die oben gezeigten Seitenaltäre (Bild 3 & 4) komplett entfernt[/img]

    zum Schluss noch die Patronin, die Hl. Walburga:

  • @Seraph Eleison: Hast recht. Der Berliner Dom ist eher als Neorenaissancebau zu bezeichnen. Aber aufgrund der zweifellos auch vorhandenen barocken Stilelemente habe ich ihn (mangels besserer Alternativen) auch einmal aufgeführt.

    Hat jemand eine Erklärung dafür, dass der Barockstil im Historismus (nicht nur bei Wilhelm II) zwar sehr beliebt war, aber anscheinend so extrem wenige (qualitätvolle) Sakralbauten hervorgebracht hat?

  • Zitat von "MunichFrank"

    Hat jemand eine Erklärung dafür, dass der Barockstil im Historismus (nicht nur bei Wilhelm II) zwar sehr beliebt war, aber anscheinend so extrem wenige (qualitätvolle) Sakralbauten hervorgebracht hat?

    Der Barock, und damit auch der von Dir angesprochene Neobarock, war ja im Vergleich zu den andern Stilen ein sehr üppiger Stil, ganz im Gegensatz z.B. zum Klassizismus. Das Überladene des Barocks mit wuchernden Stukaturen, Puten, Vergoldungen etc. gefällt heute gerade deshalb vielen Leuten nicht. Der Höhepunkt der Üppigkeit wurde mit dem Rokoko in der Schlussphase des Barocks Ende des 18. Jahrhunderts erreicht.

    Zur Beantwortung der Frage der Verbreitung des Barocks und des Neobarocks muss man zuerst nach dem Bauherrn suchen, ob es ein katholischer oder protestantischer Bauherr war. Die Protestanten (oder sagt ihr in Deutschland eher "Lutheraner"?) lehnten die Übertriebenheit der Ausschmückung ab; ihre Gebetsräume sind in der Regel recht karg. Und solchen wiedersprach natürlich der Barock! Ich kann mir deshalb vorstellen, dass Du im katholisch dominierten Bayern mehr qualitätsvolle Neubarockkirchen findest, als in ehemaligen preussischen Gebieten.

    Der eigentliche Kirchenbaustil des 19. Jahrhunderts war ja die Neugotik, und diese eignete sich für katholische als auch für protestantische Bauvorhaben; der Neubarock wurde eher bei weltlichen, öffentlichen Bauten wie Parlamentsgebäuden, Bahnhöfen, Schulen, sowie bei Privatvillen etc. verwendet, und dies dürfte ein Grund sein, weshalb der Neubarock im Historismus verhältnismässig wenige Sakralbauten hervorgebracht hat.

  • Dazu kommt die irrige, noch lange verfolgte und vom starken Nationalismus im 19. Jahrhundert getragene Annahme, dass die die Gotik der "wahre" deutsche Stil sei und eine Fortsetzung in der Neogotik somit das einzig richtige Bauen im vaterländischen Sinne sei.

    Nachdem man erkannte, dass die Gotik ursprünglich aus Frankreich kam, orientierte man sich dann eher Richtung Neuromanik. Barock oder Rokoko dagegen wurde nie als "deutscher" Stil angenommen, was sich natürlich auch in der Anzahl der entsprechend historistisch geprägten Bauten niederschlägt. Zumindest wenn wir von Großbauten der Zeit sprechen, die einfacheren Wohnbauten der Gründerzeit würfeln ja oft alle Stile munter durcheinander, was deren Ästhetik meines Erachtens keinen Abbruch tut.

  • Zitat von "Riegel"


    Zur Beantwortung der Frage der Verbreitung des Barocks und des Neobarocks muss man zuerst nach dem Bauherrn suchen, ob es ein katholischer oder protestantischer Bauherr war. Die Protestanten (oder sagt ihr in Deutschland eher "Lutheraner"?) lehnten die Übertriebenheit der Ausschmückung ab; ihre Gebetsräume sind in der Regel recht karg. Und solchen wiedersprach natürlich der Barock! Ich kann mir deshalb vorstellen, dass Du im katholisch dominierten Bayern mehr qualitätsvolle Neubarockkirchen findest, als in ehemaligen preussischen Gebieten.

    Hallo!

    Hierzu sei erwähnt, daß man den dt. Protestantismus nicht 1:1 mit dem schweizerischen vergleichen kann. So gibt es in lutherischen Gegenden häufig auch sehr prachtvoll ausgestattete barocke evgl. Kirchen, die auch zuvor niemals kath. waren. Als Beispiel seien hier die Markgrafenkirchen in Ansbach-Bayreuth erwähnt, oder sächsische Barockkirchen (bekanntestes Beispiel die Dresdner Frauenkirche). In reformierten Gegenden fallen die Barockkirchen allerdings wirklich schlichter aus. Sehenswert können aber auch diese sein. Ein interessantes Beispiel eines evgl. barocken Kirchenbaus befindet sich in Burghaun bei Fulda. Dort wurde eine evgl. Barockkirche aus den finanz. Mitteln des damals sehr toleranten fuldaischen Fürstabtes spendiert.

    Da Thema war zwar Neobarock, aber dieser kleine Exkurs mußt doch mal sein, finde ich.

    Ein sehr interessante Beispiel eines evgl. Neobarocksakralbaus ist die Stadtkirche von Pegnitz/Franken.

    Der deutsche Neobarock erinnert jedoch häufig an, ich sage immer, Kirmesbudenbarock. Ich finde der dt. Neobarock ist nicht sonderlich qualitativ und häufig mit dem Jugendstil vermengt.

    Für weniger Ideologie!

  • Zitat von "Sebaldt"

    ...Ein sehr interessante Beispiel eines evgl. Neobarocksakralbaus ist die Stadtkirche von Pegnitz/Franken...

    Hast du vielleicht ein paar Photos von dieser Kirche. Habe auf die Schnelle im Internet (Bildindex.de etc.) nichts gefunden.

  • So, jetzt probier ich es mal mit den Fotos....

    Die neobarocke evgl. Stadtkirche von Pegnitz/Franken (außen):

    und noch einmal von vorne:

    und von Innen:

    Für weniger Ideologie!

  • @ Sebaldt: Hat doch prima funktioniert mit den Photos. Vielen Dank. Falls ich mal in die Nähe von Pegnitz komme, werde ich die Kirche gerne besichtigen.

  • In Dresden gab es die Trinitatiskirche in der Johannstadt, entworfen von Karl Barth 1891-1894:


    Quelle: M.Schmidt, "Die städtebailiche Entwicklung von Dresden"


    Seit der Zerstörung stehen nur noch die Grundmauern und der Turm.

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    In Dresden gab es die Trinitatiskirche in der Johannstadt, entworfen von Karl Barth 1891-1894
    ...
    Seit der Zerstörung stehen nur noch die Grundmauern und der Turm.

    Wo ich das gerade so lese... Gibt es Pläne, die Kirche wieder herzurichten? Sammelt jemand Spenden dafür o.Ä.?

    Oder scheitert's wieder mal an der Antipathie der Neo-Architektur gegenüber? :augenrollen:

  • Einen wichtigen Akzent für die Belebung des Neobarock im Sakralbau war wohl auch der Brand der Hamburger Michaeliskirche - "der Michel" - im Juli 1906, trotz anhaltender Diskussionen der Fachleute pro und contra Reko wurde die Kirche bis 1912 äußerlich in originalgetreuer Form - natürlich mit den damals modernen Bautechniken der Stahl- und Betonkonstruktionen- wieder aufgebaut. Im Innenraum hingegen gibt es seither eine hervorragende Symbiose einer barocken Raumstrucktur mit Jugendstil-Auschschmückung.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Unsere süße kleine Kirche. Leider wurde sie schon abgerissen. Viele Bilder gibt es nicht.
    Bald wäre sie 200 Jahre alt geworden.

    Die Ornamente wurden aber erst Ende des 19 Jh. angebracht. Sowie auch die Uhren, welche von einer anderen Kirche stammten, und damals selber bereits fast 100 Jahre alt waren, also etwas älter als unsere Kirche selbst. Eine der Uhren gibt's noch, sie funktioniert ohne Probleme… ist jetzt über 200 Jahre alt. :)

  • Die schönste neobarocke Kirche der Welt ist hier noch nicht genannt worden. Sie steht im Mittelpunkt einer Stadt, welche ihre Existenz der Familie Krupp verdankt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Instinktiv habe ich an Essen gedacht, aber die Stadt würde auch ohne Krupp existieren. Ich glaube aber, ich habe die von Dir gemeinte Kirche gefunden, schön ist sie wirklich, allerdings will ich mich nicht festlegen, sie als schönste neobarocke Kirche der Welt zu bezeichnen, St. Anna in Altötting halte ich z.B. für nicht weniger gelungen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)