Spaß beiseite: Deine Argumente, Rakete, sind für mich nachvollziehbar, auch wenn ich sie nicht teile. Für den Abriss der FE 81 gibt es kein Pardon. Was hälst Du eigentlich vom Stadtumbau a la Weißenfels?
Weißenfels
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Hat zufällig jemand Fotos von den Gebäuden in Weißenfels,
die abgerissen werden sollen? -
Nein, aber ich glaube, es handelt sich um äußerlich relativ schlichte Barockhäuser. Aus der Epoche sollte man eigentlich schon gar nicht abreißen, sooo viel haben wir da auch nicht mehr.
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Kurz zu Weißenfels:
Auf meinem letzten Umsteigeaufenthalt in Weißenfels bin ich mal durch die Innenstadt geradelt.
Und muß sagen, Weißenfels ist wohl das, was sich viele Westdeutsche unter "dem Osten" vorstellen.
Verwöhnt von meinen vielen Besuchen in Dresden, [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Jena, Erfurt usw. habe ich gar nicht gewußt, oder verdrängt, dass so etwas Realität ist.
Ich war so froh, als ich wieder in den Zug eingestiegen bin, selten habe ich eine so traurige Atmosphäre erlebt wie in Weißenfels.
Und den größten Teil dazu haben wohl die Weißenfelser selbst beigetragen, die Menschen haben eine üble Unzufriedenheit ausgestrahlt,
mehrere Kleingruppen von kahlrasierten Jugendlichen sind dosenkickend vor verfallenen Gebäuden herumgehangen,
andere haben in den 2-Euro-T-Shirt-Truhen von vietnamesischen "Flohmarktfilialen" herumgewühlt, am Marktplatz verfallene Fassaden,
in der Fußgängerzone ein Billigladen neben dem anderen, finstere Mienen, aus der Bahnhofskneipe (des verfallenen Bahnhofes)
hat jemand etwas über sein Arbeitslosengeld herausgegrölt,
es war wirklich absolut fürchterlich. -
Das Gefühl kenne ich. Ich habe mal – ist jetzt schon wieder ein paar Jahre her – ein Au Pair zu Bildungszwecken zu einem Kunden nach Bernburg mitgenommen, da habe ich ihm (war ein männliches Au Pair) unterwegs ein Stück naturbelassene DDR zeigen können. Ich war selber entsetzt. Es ist ein grundstürzender Unterschied, ob man von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] aus nach Süden Richtung Erzgebirge fährt oder eben in Gegenrichtung ins Anhaltinische. Völlig anderer Menschenschlag. (Hoffentlich schmeißt der Admin mich jetzt nicht wegen rassistischer Äußerungen raus.) Rückzu dachten wir, wir könnten einfach irgendwo halten und was essen – Trugschluß! Da kriegen das Gaststäten direkt an der Bundesstraße (in Zerbst) fertig, zur Mittagessenszeit Mittagspause zu machen! Wir haben dann in einem Containerbau (so ein Ziehharmonikabau aus den Siebzigern, falls die noch jemand kennt), wo sich die Arbeitslosen (mittags!) das Bier hinter die Binde geschüttet haben, noch ein Fertiggericht bekommen. Da haben sie mich aber wegen meines Lodenmantels für einen Wessi gehalten und waren recht unfreundlich. Es war wie im Film.
Na ja, wir sind hier sowieso hoffnungslos Off Topic. -
spacecowboy: 5.01 uhr - da bin ich gleich darauf mit ein paar auwärtigen freunden auf ein dach in der inneren westvorstadt gestiegen, um den sonnigen sonnabendmorgen zu geniessen...
weissenfels ist echt die härte. wenn ich nach freyburg radle, mache ich jedesmal vor der stadt eine pause, um mich innerlich vorzubereiten.
die ehemalige residenzstadt (wenn auch nur vorübergehende albertinische sekundogenitur) hatte und hat allerdings wirklich viel pech. nicht nur, dass sie nach dem krieg in der ddr lag und nach der wende zum klammen sachsen-anhalt kam - auch die wirtschaft ging in die brüche und nichts neues konnte angesiedelt werden. hinzu kommt noch, dass man anfang der 90er die blechlawinen aus der altstadt herausnahm, in dem man nördlich davon eine neue saalebrücke für die bundesstrasse errichtete - mit dem effekt, dass sich auch die üblichen discounter und filialisten am stadtrand ansiedelten. bei glechzeitig stetigem einwohnerverlust beschleunigte dies natürlich den verfall der innenstadt. der wohl noch weiter gehen wird: neuansiedlungen von unternehmen sind nicht in sicht und mit der verwaltungsreform in sachsen-anhalt wird die verwaltung des dann grösseren burgenlandkreises im benachbarten schmucken naumburg angesiedelt werden. es ist das alte problem - es wird nicht jedes haus, jede strasse, ja nicht mal jede stadt zu retten sein.
da man die leute aber auch nicht dazu verpflichten kann, in der altstadt oder überhaupt in weissenfels wohnen zu bleiben, weiss ich auch nicht, wie man diese entwicklung wirklich hätte verhindern können. auch bei sanierungen von häusern in der innenstadt hätten die bewohner ja erst mal ausziehen müssen. und arbeitslose können sich dann kaum einen rückumzug in barocke bürgerhäuser leisten. sofern sie überhaupt noch in weissenfels wohnen. (wenn ich in diesem zusammenhang ein weiteres ostproblem ansprechen darf: in städten dieser grössenordnung sind im westen hauseigentümer und -nutzer vielfach identisch. im osten ist dies nach sozialistischer mittelstandsverscheuchung in den westen leider weit seltener der fall, wodurch eben heute die natürlichen nutzer fehlen.) -
Weißenfels: Nur mal schnell nach Bildern gegoogelt, Stadtperforation vom "Feinsten":
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ls_Luftbild.jpg
Im Vergleich:
http://www-public.tu-bs.de:8080/~wittram/reise…egs/sal2_04.jpg
Müsste im ersten Bilder in der Mitte sein, links von der Kirche.
Was soll auch aus so einer Stadt werden, wenn man aus der Altstadt einfach ein halbes Dutzend prägender Gebäude reißt? Aber das scheint wohl erst der Anfang zu sein, wie ihr schreibt.
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Es wurde irgendwann sehr negativ über Weissenfels berichtet. Dort hat man sehr viele Plattenbauten saniert wobei die barocke Altstadt weiter zerfiel.
Auf http://www.weissenfels.de/bas_stadtteilzeitung.html gibt es jetzt Infos zum Stadtumbau in der Altstadt. Sehr viele interessante Beiträge. Es gibt schlechte und gute Nachrichten. Schlecht ist, dass weitere barocke Häuser abgerissen worden sind (Marienstrasse). Positiv ist, das eine Trendwende zu erkennen ist: es gibt jetzt viele Projekte in der Altstadt, und die Stadt versucht die wichtigsten Bauten zu retten.
http://www.weissenfels.de/bas_projekte_projekt24.html
http://www.weissenfels.de/bas_projekte_projekt38.html
Es gibt aber noch viel zu tun:
http://www.weissenfels.de/bas_lerrstansdsboersealtstadt.html -
Ich finde bedenkenswert, was rakete zu dem Thema geäußert hat. Manchmal bekommen im Forum die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte von Architektur nicht die Beachtung, die sie verdienen. Weißenfels hat seit 1990 ein Fünftel seiner Bevölkerung verloren, seit 1980 sogar ein Viertel, und ist jetzt wieder etwa auf dem Stand von 1900 angekommen. Kühl berechnend darf man auch davon ausgehen - dies bitte nicht als Zynismus auffassen - daß es die Jüngeren, Begabteren, Engagierteren waren, die die Stadt verlassen haben. Was soll man mit Bürgerhäusern ohne Bürger machen? Wir werden künftig noch sehr häufig mit derartigen Problemen konfrontiert werden, fürchte ich. Selbst größeren Städten im Osten, die momentan von der Entleerung kleinerer Orte profitieren, könnte Ähnliches bevorstehen.
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"Was soll man mit Bürgerhäusern ohne Bürger machen?"
Hätte man die Fördermillionen statt in die Platten in die Altbauten gesteckt, dann wären diese jetzt sehr wohl bewohnt.
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Volle Zustimmung zu der Feststellung, daß die Fördergelder in die Altstadt hätten fließen sollen. Die Förderung und Sanierung der Plattenbauten muß aufhören, wenn wir die Innenstädte retten wollen.
Meine Anmerkung war in dem Sinne gemeint, daß selbst unter dieser Voraussetzung die Dinge in einigen Städten den Bach runtergehen können. Es ist ja nicht getan mit einer einmaligen Sanierung der Häuser (wobei damit schon viel gewonnen wäre), es geht ja auch um die Aufrechterhaltung dieses Zustandes und die allgemeine Belebung einer Stadt. Mieter kümmern sich in der Regel eben schlechter um ihre Wohnung oder ihr Haus als Eigentümer, ganz zu schweigen von der Überflüssigkeit mancher Funktionsbauten wie z. B. Kirchen. Wenn die Einwohner einer Stadt kein Interesse an ihrem baukulturellem Erbe haben, kann dieses nur schwierig und zeitlich begrenzt durch Subventionen aufrechterhalten werden. Außerdem ist die wirtschaftliche Situation in vielen Städten, so wahrscheinlich auch in Weißenfels, so dramatisch, daß Investoren auf der Grünen Wiese (leider) hochwillkommen sind.
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Investoren auf der grünen Wiese sind das Beste, was Weißenfels und seiner Altstadt passieren kann - abgesehen von steigendem Tourismusumsatz, den die Stadt allemal verdient hat. Kräftige Gewerbesteuereinnahmen kommen nicht selten auch denkmalgeschützten Altstadtensembles zugute.
Selbst ein Kernkraftwerk kann mit seinem Gewerbesteueranteil (als drastisches Beispiel) Auslöser einer erfolgreichen Altstadtsanierung sein, wie das Beispiel Stade in Niedersachsen zeigt.
http://www.greenpeace-magazin.de/magazin/reportage.php?repid=10
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Man vergisst das der Bevölkerungsschwund einiger ostdeutscher Städte so hoch ist das selbst mit einer vorbildlichen Sanierung der Innenstadt bei gleichzeitiger Passivität bezüglich der Sanierung der Plattenbauten die Innenstadt wahrscheinlich leerstehen würde. Wenn die Einwohnerzahl auf Werte sinkt wie sie eine Stadt zuletzt zu Beginn der Gründerzeit verzeichnete gibt es einfach zu viel Wohnraum.
Außerdem möchte ich, auch wenn diese Ausführungen vom Mod leider gelöscht wurden, noch anmerken das Weißenfels mit seiner deprimierenden Aura keineswegs allein steht. Es ist auch nicht so das diese deprimierende Aura eine Eigenart eher nördlicher Landstriche ist. Das gibt es sehr wohl auch in Sachsen. Mich zumindest deprimiert eine einst stolze Stadt wie Schneeberg im Erzgebirge durchaus ebenso. -
Zitat von "Mathias"
Investoren auf der grünen Wiese sind das Beste, was Weißenfels und seiner Altstadt passieren kann - abgesehen von steigendem Tourismusumsatz, den die Stadt allemal verdient hat. Kräftige Gewerbesteuereinnahmen kommen nicht selten auch denkmalgeschützten Altstadtensembles zugute.
Jede Stadt hat wohl Bedarf an Investoren auf der Grünen Wiese, z.B. für Industrieansiedlungen. Das kann städtebaulich auch verträglich gestaltet werden. Was ich in diesem Fall meinte, sind Investitionen, die Funktionen aus der Stadt drängen, die besser dort bleiben sollten, z. B. ein Einkaufszentrum.
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auf weissenfels (wie jede andere stadt) trifft ebend zu, dass in der freien marktwirtschaft stadtplanung gar nicht über die möglichkeiten verfügt, einen stadtumbau, -ausbau oder abbau tatsächlich zu planen. dazu nur einige beispiele:
- was nutzt es, einen bahnhofsvorplatz oder einen markt zu sanieren, wenn kurz darauf die bahn den zugverkehr einstellt oder dass einzige kaufhaus der stadt geschlossen wird?
- was hilft es, keine einkaufszentren oder eigenheimsiedlungen am stadtrand zu genehmigen, wenn diese dafür jenseits der stadtgrenzen in den nachbargemeinden errichtet werden?
- was können pläne für einen "geordneten stadtrückbau" von aussen nach innen bewirken, wenn man weder die plattenbaueigentümer dazu zwingen kann, diese abzureissen, noch eigentümer von altbauten dazu zwingen kann, ihre häuser zu sanieren? ganz zu schweigen von den menschen, die aus wirtschaftlichen gründen auf billigen wohnraum angewiesen sind oder die stadt ganz verlassen müssen?sind aber deswegen alle stadtplanerischen gedanken umsonst? das denke ich nicht. es flossen und fliessen ja viele mittel, um stadtzentren und altbauquartiere attraktiver zu gestalten (und nicht jeder bahnhof und jedes kaufhaus machen dicht). was im osten dank dieser hilfen bisher erreicht wurde, ist für mich durchaus mit dem westdeutschen wirtschafts"wunder" vergleichbar - wenngleich vielerorts allerdings das "wirtschafts"wunder ausblieb. und fördermittel können halt auch nur für diejenigen sanierungsbedürftigen altbauten gezahlt werden, für die anträge gestellt werden. doch dabei ist eines wohl auch wahr: selbst städte wie weissenfels sähen ohne die wende noch trostloser als heute aus.
mit anderen worten: die von antiquitus lässig dahingeschriebene formel "hätte man die fördermillionen statt in die platten in die altbauten gesteckt, dann wären diese jetzt sehr wohl bewohnt." ist viel zu einfach, um damit die komplexen ökonomischen, sozialen und planungsrechtlichen probleme der stadtentwicklung (grade im osten) erfassen zu können. erst wenn man sich von solchen illusionen verabschiedet, wird der blick auf die erreichten erfolge und die realen defizite frei.
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Ein "Wirtschaftswunder ohne Wirtschaft" - wie wahr, wie wahr! Es war wohl eher ein Subventions- als ein Wirtschaftswunder, das im Osten so viele hübsch sanierte Altstadt-Marktplätze geschaffen hat. Aber ohne nachhaltiges Wirtschaftswachstum werden diese Maßnahmen zur bloßen Augenwischerei, zu Fassaden, die über das gigantische Ausmaß von Deindustrialisierung, Abwanderung und Arbeitslosigkeit hinwegtäuschen (sollen?). Die beste Städtebaupolitik für den Osten wäre eine nachhaltige und effiziente Wirtschaftspolitik. Alles andere kann nur unterstützend wirken.
Dabei sollte auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie nicht schrankenlos gelten, wenn Egoismen einzelner Kommunen ohne Rücksicht auf Nachbargemeinden durchgesetzt werden und zu Verdrängungswettbewerb führen. -
Zitat
mit anderen worten: die von antiquitus lässig dahingeschriebene formel "hätte man die fördermillionen statt in die platten in die altbauten gesteckt, dann wären diese jetzt sehr wohl bewohnt." ist viel zu einfach, um damit die komplexen ökonomischen, sozialen und planungsrechtlichen probleme der stadtentwicklung (grade im osten) erfassen zu können. erst wenn man sich von solchen illusionen verabschiedet, wird der blick auf die erreichten erfolge und die realen defizite frei.
Dass diese Aussage vereinfachend war, gebe ich sofort zu. Allerdings ist sie nicht falsch. Fakt ist doch, dass trotz allem dort noch Menschen wohnen. Ja und wo wohnen viele von ihnen? In den sanierten Platten. Hätte man die Platten abgerissen und die Bürgerhäuser saniert, hätten sich diese Menschen dann in Luft aufgelöst? Wohl kaum. Naheliegenderweise würden sie jetzt in den sanierten Bürgerhäusern wohnen.
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mathematisch gesehen ist die aussage ja auch richtig. falsch ist aber die annahme, dass solche planspiele unter den bedingungen von freiheit, marktwirtschaft und rechtsstaat realität hätten werden können. der letzte europäer, der über menschen und häuser so uneingeschränkt verfügen konnte, war ceausescu. zum glück.
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Aber das ist doch Unsinn, Rakete. Es sind doch gerade die Kommunen und ihre Wohnungsgesellschaften, die den Trend von der Platte am Stadtrand in die urbanen Innenstädte mit aller Macht und allen Mitteln umzukehren versuchen. Diese Planspiele, wie Du sie nennst, werden von staatlich subventionierten Wohnungsgenossenschaften gespielt, die im Geiste noch immer an der sozialistischen Stadt festhalten (wie Ceausescu damals). Gäbe es wirklich freien Wettbewerb auf dem ostdeutschen Wohnungsmarkt, hätten die überdimensionierten Wohnungsgesellschaften die Wende nicht überlebt.
Lies dir das mal durch: http://www.welt.de/data/2006/05/27/892310.html
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Zitat
Weißenfels übt Stadtumbau
Nach den Flächenabrissen im Zentrum hofft man auf neue Bewohner für die Altstadt
von Günter Kowa, 19.05.06, 19:32h, aktualisiert 19.05.06, 19:39hSuburbia statt Barock: die geplanten Reihenhäuser im Zentrum von Weißenfels. (Abbildung: Multimedia Hoffmann)
Weißenfels/MZ. In die halb abgeräumte Weißenfelser Innenstadt soll wieder Leben einziehen. Geplant ist eine Reihenhauszeile für zehn junge Familien, daneben ein Altersheim mit 48 Plätzen. Sogar auf der Höhe der Zeit will man sein und die Wohnhäuser mit einem "Niedrigenergie"-, das Heim mit einem "Wohngruppen"-Konzept bauen. Ansehnliche Summen fließen in diese Vorhaben: Die Wohnungsbaugesellschaft WBG investiert 1,85 Millionen, das Deutsche Rote Kreuz drei Millionen Euro.Jahrelanger Niedergang
Das Vorhaben hat fast schon Modellcharakter für den vielberedeten Stadtumbau. Denn der Bauplatz in zentraler Lage ist das Ergebnis des jahrelangen Niedergangs der Altstadt mit dem Verlust ganzer Straßenzüge aus dem Barock. An deren Stelle versucht man nun den Neuanfang mit genau dem Klientel, in dem Theoretiker den letzten Rest Zukunftschance für die "Schrumpfenden Städte" sehen: bodenständige junge Familien (wenige) und Senioren (viele).
Für deren Ansiedlung ist man zunehmend bereit, Altbauten zu opfern, um vorstädtische Lebensqualität ins Zentrum zu übertragen. Auch die Städtebauförderung wird auf dieses Ziel ausgerichtet. Im Fall Weißenfels kommen 30 Prozent der Investitionssumme der Reihenhäuser, 13 Prozent beim Altenheim, aus entsprechenden Töpfen. Bevor man fragt, ob das der richtige Weg ist, wird man zurückschauen auf die Ursachen für den Niedergang der Altstadt von Weißenfels.
Die Gründe - Bevölkerungsverlust und Arbeitsplätzemangel - sind nicht ortsspezifisch. Warum aber scheint es, als sei hier weniger saniert und mehr abgerissen worden als anderswo? Antworten gibt es etliche. Eine banausenhafte Verwaltung verkenne den Wert der Häuser, hört man aus dem Altstadtverein - und man merkt, dass der Streit stark auf einer persönlichen Ebene geführt wird. Andere wissen, dass die Altstadt am Durchgangsverkehr litt. An die spekulativ aufgekauften Restitutionsansprüche der Nachwendejahre erinnert Stadtrat Martin Neumann, zugleich Vorstand der WBG, und Oberbürgermeister von 1990 bis 1992: "Als die Wirtschaft einbrach, blieben die Häuser liegen und verfielen."
Neumann in seinen verschiedenen Funktionen verkörpert viel vom Weißenfelser Dilemma. Als Kommunalpolitiker kritisiert er, dass Weißenfels die notwendige Verkehrsberuhigung nicht konsequent zu Ende führt, weshalb es innerstädtische Lagen wie die Klosterstraße gibt, die leer stehen. Dort werden drei weitere historische Häuser abgerissen, weil man den künftigen Bewohnern der dahinter liegenden Reihenhäuser keinen Verfall zumuten, sondern "neues Lebensgefühl" vermitteln will. Der Dichter Novalis kann dazu nichts mehr sagen: Sein Palais bekommt die Vorgärten zum neuen Gegenüber. Es sind auch Indizien wie der Streit um 12 000 Euro für die Bergung einer Stuckdecke in einem der Abbruchhäuser, die tief blicken lassen, welchen Stellenwert das gebaute Erbe in Weißenfels genießt.
Sanierung und Abriss
Bald sind es nur noch die herausragenden Einzelfälle, die von der einst geschlossenen barocken Altstadt überleben. Die Wohnungsgesellschaften könnten daran etwas ändern, würden sie Stadtumbau gemäß Ideal als "Schrumpfen von außen nach innen" betreiben: Doch den zehn Reihenhäusern der WBG stehen 2 700 Plattenbau-Wohnungen gegenüber, die die Gesellschaft trotz mancher Abrisse saniert. Weil viele Mieter verwurzelt sind oder sich den Umzug nicht leisten können, sagt Neumann.
Machen denn die Wohnprojekte wenigstens Boden gut, wo es um die gestalterische Aufwertung der Innenstadt geht? Da muss man die Erwartungen doch herunterschrauben. Die Häuser sind in der Form konventionell, das Altersheim trumpft mit einem pseudo-barocken Mansarddach auf. Kritischer noch ist die Einfallslosigkeit in städtebaulicher Hinsicht. Die gigantische Brache wird nur auf der Südseite und streng linear bebaut. Die Chance, eine neue Mitte im Schatten von Rathaus und Marienkirche zu schaffen, wird nicht aufgegriffen. Aber, sagt der Architekt des Altenheims, Rudolf Schulz, man soll doch froh sein, dass in der Stadt überhaupt etwas geschieht.
quelle:MZ-web
Hier gibt's weitere Infos:
http://www.marienstrasse-wbg.de/index.html
Die neuen Häuser sehen schön aus, aber warum muss man gleich eine ganze Strasse dafür abreissen?
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