Das Kaiserreich im Rückblick

  • Denke nicht, dass die These von Pagentorn richtig ist. Das mangelhafte Architektur auf mangelndes Sicherheitsgefühl zurückzuführen ist bezweifele ich.

    Ich möchte an dieser Stelle sogar noch einen weiteren Aspekt zur Diskussion hier einwerfen: Immer wieder werde ich in Deutschland darauf angesprochen, dass die Wiener und hier vor allem auch die Jugend so auffallend "schick" angezogen ist, wie es heute in D nimmermehr der Fall ist (Anm von mir: ev noch in HH oder M?). Ich antworte dann meistens, dass das vermutlich daran liegt, dass es an dem - aus meiner Sicht - noch weitgehend intaktem historischen Stadtbild und der eigentlich seit der Monarchie mehr oder weniger unverändert bestehenden Gesellschaftsstruktur liegen könnte (abgesehen von den leider Gottes vertriebenen Juden, die aber zu einem Teil auch wieder zurück kamen bzw konnten). In einer schönen Umgebung passe ich mich vielleicht eher dem Umfeld an als in einer zB Plattenbauwüste, wo man hier eher als ungewollter Bruch wahrgenommen werden würde. Just food for thinking, aber ev ist ja doch daran etwas Wahres dran?

  • Durchaus richtig. Das mündet ja auch in die Broken-Windows-Theorie. Beziehungslose Architektur und "Angsträume" laden zu Zerstörungswut ein und einem dadurch bedingten - zumindest subjektiven - Empfinden von Unsicherheit.

    Ich kenne die Broken Windows Theorie bisher nicht, aber ich kann aus Nachwende-Erfahrung sagen, dass hier die Zerstörungen einsetzen, wenn bauliche Objekte einen ungenutzten, verlassenen Eindruck hinterlassen, ungeachtet ihrer Ausführung.

  • Dass die Architektur unser Sicherheitsgefühl beeinflusst, stimmt zweifellos. Die Angsträume, die durch die Nachkriegsstadtplanung und -architektur entstanden sind, all die Unterführungen, tunnelartigen Zuwegungen zu Mehrfamilienhäusern, die verlotterten halböffentlichen Räume vor den Häusern, die letztlich vollkommen dem Zweck (Müllentsorgung, Tiefgaragenzufahrt etc.) untergeordnet wurden, all dies beeinflusst das Sicherheitsgefühl. Das gleiche gilt für die gut gemeinten, aber häufig runtergekommenen und dusteren "Grünstreifen", die zwischen den Siedlungen angelegt wurden, häufig autofrei, abends leer und mit starker Neigung zu Verkotung durch Hunde und mit ihren Sitzgelegenheiten einladend für "fragwürdige Elemente", die abends dort "herumhängen".

    Die Blockrandbebauung der Kaiserzeit hingegen kennt diese "Hinterräume" nicht, zumindest nicht als Teil der öffentlichen Wege (es gab natürlich Hinterhöfe, aber das ist eine andere Geschichte, soziologisch und kriminalhistorisch). Das Leben und der Verkehr verliefen zusammen an den Straßen, die direkt vor den Häusern entlangführten, keine horizontalen Trennungen der Verkehrsträger (Fußgängerebenen, abends leer und unheimlich), keine Grünstreifen hinter den Häusern entlang. Letztlich alle Funktionen der Straße direkt beieinander, was enorm zur Belebung und zum Sicherheitsgefühl beiträgt.

    Davon abgesehen sollte man jedoch nicht Versuchung unterliegen, die Kriminalitätsrate im Kaiserreich zu unterschätzen. Nichts deutet darauf hin, dass es damals "sicherer" war, Mordraten etc. lagen z.B. eher höher als heute. Es gibt traditionell eine große Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung und objektiven Daten, das war übrigens vor 120 Jahren nicht anders.

    Hier mal ein Zitat aus einer Bachelorarbeit für den Studiengang Geschichte an der LMU München, Titel

    Im Blick der Polizei – Kriminelle Lebenswelten in München um 1900

    "All dies trug schließlich mit dazu bei, dass sich vor allem in den bürgerlichen und mittleren Kreisen der Gesellschaft in den Jahren um 1900 vielfach ein diffuses Bedrohungsgefühl ausbreitete. ... In der gesellschaftlichen Wahrnehmung nahm die Vorstellung der Gefährdung durch kriminelle Formen im urbanen Raum so einen bedeutenden Platz ein, was durch die mediale Öffentlichkeit noch gefördert wurde. Im Gegensatz dazu stellt sich das Bild deutscher Städte um die Jahrhundertwende in der Perspektive von außen, also beispielsweise in den Bemerkungen ausländischer Besucher in Deutschland, sehr positiv und, gerade auch was kriminelle Bedrohungen angeht, äußerst sicher dar. So bewertete etwa ein amerikanischer Journalist im Jahr 1901 deutsche Städte als „safer for strangers, perhaps, than any other in the world."

    Und genau so stellt sich die Situation wohl auch heute noch dar. In der Außenwahrnehmung gilt Deutschland weiterhin als sehr sicher, während sich zumindest in manchen Kreisen das oben beschriebene "diffuse Bedrohungsgefühl" ausbreitet, welches wohl - ebenso wie in der Zeit um 1900 - eher gespeist wird durch die enorme gesellschaftlichen Umbrüche unserer Jetztzeit (auch das war damals nicht anders, die Veränderungsgeschwindigkeit damals wohl fast ähnlich hoch).

  • Es gibt traditionell eine große Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung und objektiven Daten, das war übrigens vor 120 Jahren nicht anders.


    ...

    Und genau so stellt sich die Situation wohl auch heute noch dar. In der Außenwahrnehmung gilt Deutschland weiterhin als sehr sicher, während sich zumindest in manchen Kreisen das oben beschriebene "diffuse Bedrohungsgefühl" ausbreitet, welches wohl - ebenso wie in der Zeit um 1900 - eher gespeist wird durch die enorme gesellschaftlichen Umbrüche unserer Jetztzeit (auch das war damals nicht anders, die Veränderungsgeschwindigkeit damals wohl fast ähnlich hoch).

    Wir müssen aber feststellen, dass Menschen, die das Kaiserreich persönlich erlebten, heute nicht mehr verfügbar sind. Der Krieg und die nicht mehr kaiserliche Nachkriegszeit schufen wieder neue Verhältnisse. Deshalb hatte ich ja als Zwischenstufe die DDR ins Spiel gebracht. Dunkle Tunnel und Waldstücke gab es hier genug, aber der Unterschied zu heute ist nicht nur diffus, sondern extrem.

  • Es gibt zwangsweise einen direkten Zusammenhang zwischen Architektur und der Art des Zusammenlebens. Großblockwohnungen führen zur Anonymität, zun Nebenherleben. Natürlich auch bedingt durch häufigen Mieterwechsel. Das krasseste Beispiel ist der seit 8 Jahren tot in seiner Wohnung liegende Bürger, an dessen grün bemoostem PKW auf dem Parkplatz niemand Anstoß nahm. Und in dieser Anonymität und Teilnahmslosigkeit kann natürlich die Kriminalität wachsen. In der Kaiserzeit war das in einem solchen Ausmaß nicht möglich. Man war wesentlich mehr aufeinander angewiesen. Vor allem in ärmeren Regionen.

  • Interessane Lektüre zum Kaiserreich - Finanzen und Steuern 1914 von Karl Theodor von Eheberg

    Zitat

    In den 25 Jahren, die seit dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. verflossen sind, haben sich im Finanz- und Steuerwesen des Reichs, der Einzelstaaten und der Gemeinden bedeutungsvolle Wandlungen vollzogen. Überall macht sich eine unaufhaltsame Steigerung der Ausgaben bemerkbar. Sie ist im Reiche und in den großen Stadtgemeinden stürmischer als in den Einzelstaaten, erreicht aber auch hier einen bemerkenswerten Umfang. Dort, im Reiche, sind es in erster Linie die Rüstungsausgaben, die teilweise unter dem Druck gleichartiger Bemühungen des Auslandes in den 25 Jahren sich mehr als verdoppelt haben; in den Stadtgemeinden treten die großen Ausgaben für das Schul-, das Armen-, das Straßenwesen, für Kanalisation und Hygiene im weitesten Sinne beherrschend in den Vordergrund; in den einzelstaatlichen Budgets hat der Aufwand für die Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, für Gesundheitswesen, Rechtspflege, Unterricht, Kunst und Wissenschaft eine stets wachsende Höhe erreicht, die nicht nur durch das Anwachsen der Bevölkerung, sondern auch durch die weit größeren Ansprüche bedingt ist, die heute an die Staaten in Erfüllung solcher Aufgaben herantreten. In allen drei Gemeinwirtschaften, aber wieder weit mehr im Reich und in den großen Stadtgemeinden als im Haushalt der Einzelstaaten, sind die Schulden zu beängstigender Höhe gestiegen.Dieses Steigen der Ausgaben, das sich in der Zeit seit 1888 nach Milliarden berechnet, wäre nicht möglich gewesen, wenn sich nicht, trotz zahlreicher Rückschläge im einzelnen, im ganzen ein Aufschwung des Wirtschaftslebens, eine Mehrung der Einkommen und Vermögen vollzogen hätte, die noch um 1870 außerhalb aller Wahrscheinlichkeitsrechnung lag...

    Zitat

    ...Aber, mit verschwindenden Ausnahmen, haben die deutschen Staaten den Übergang zur Personalbesteuerung im Prinzipe vorgenommen und sind damit, was das direkte Steuerwesen betrifft, an die Spitze der Kulturstaaten getreten. Nur für die Lösung des schweren Problems der Gemeindebesteuerung ist der Schlüssel noch nicht gefunden. Und die unzweifelhaften Fortschritte, die auch hierin die letzten 25 Jahre gebracht haben, können über ihre Mängel nicht hinwegtäuschen. Es wird Aufgabe der Zukunft sein, ihrer Weiterbildung sich zu widmen...

    Zitat

    ...Für die anschwellenden Mengen von Waren mußten Absatzgelegenheiten im Auslande gesucht werden. Die Zunahme der Einkommen und Vermögen gab den Mut, höher verzinsliche Anlagen im Auslande aufzusuchen. Wählend die Menschenausfuhr allmählich zurückging, wuchs die Ausfuhr von Waren und Kapitalien. Erst mit Staunen, dann mit wachsendem Mißbehagen sahen andere Staaten, allen voran England, den Einbruch in alte Reservate. Zwar war auch früher der deutsche Kaufmann seinem Erwerb auf der ganzen Welt nachgegangen; aber mehr unauffällig, mit bescheidenen Gewinnen sich begnügend, häufig in dienender Stellung, ohne Nationalbewußtsein, ohne den Rückhalt eines starken und ansehengebietenden Heimatlandes. Mit der Gründung des Reiches war dies anders geworden. Das Bedürfnis, im Ausland festen Fuß zu fassen, an den Handelsgewinnen anderer Völker teilzunehmen, auf unverteilte Gebiete der Erde Hand zu legen, den Schutz seiner überseeischen Interessen auszubauen, brachte den Deutschen in Gegensatz zu dem führenden Handels- und Seefahrtsvolk der Welt. Angst um den Verlust der alten Weidegründe und die Schmälerung der Welt- und Seeherrschaft haben England zu einer gewaltigen Steigerung seiner Seewehr und zu dem Bündnis mit Frankreich und Rußland geführt, dessen Wirkungen wieder auf uns zurückfielen. Mochte das Deutsche Reich noch so oft die Friedfertigkeit seiner Gesinnung betonen –, man hatte sich draußen gewöhnt, es als Störenfried mit Mißtrauen und Übelwollen zu betrachten. Unter solchen Verhältnissen blieb nichts übrig, als den Aufwand für Heer und Flotte in steter Entwicklung zu steigern, wenn anders das Reich nicht seine Existenz aufs Spiel setzen will...

    Zitat

    ...im Jahre 1875 war das Reich noch schuldenfrei. Dann begann das Schuldenmachen, anfangs in mäßigen Beträgen, dann in immer größeren. Die 8 Jahre 1887–94 brachten allein eine Schuldenvermehrung von 486 auf 2081 Mill. M., was eine jährliche Zuwachsrate von rund 200 Millionen bedeutet. Es geschah dies in einer Zeit, in der über 500 Mill. M. „Überschüsse“ an die Bundesstaaten abgeführt wurden. Von da bis 1898 wuchs die Schuld mäßig, jährlich um etwa 35 Millionen, so daß der Schuldenstand sich damals auf 2223 Millionen belief. Davon entfielen 1848 Millionen auf die Landesverteidigung, nämlich 1502 auf das Heer, 346 auf die Flotte. Der Rest verteilt sich mit 117 Millionen auf die Reichseisenbahnen, 75 auf die Post- und Telegraphenverwaltung, 105 auf den Nordostkanal, 52 auf die Kosten des Zollanschlusses von Bremen und Hamburg, 46 auf das Münzwesen. Nur ein recht kleiner Teil der Schulden ist demnach für werbende Anlagen verwendet worden. Im Jahre 1900 betrugen die Schulden mit Einschluß von 80 Mill, langfristiger Schatzanweisungen 2395 Millionen. Dann setzt neuerdings eine Periode starker Verschuldung ein, so daß 1907 mit Einrechnung von 100 Millionen langfristiger Schatzanweisungen von 1904 der Schuldenstand 4004 Millionen betrug. Allerdings fallen in diese Zeit die Kriegsausgaben für Ostasien und Südwestafrika mit 717 Millionen, deren Übernahme auf Anleihen unvermeidlich war. Am 31. März 1912 war der Stand der Reichsanleihen 4,802 Milliarden M., darunter 220 Mill. M. verzinsliche Schatzanweisungen. Etwa 600–700 Millionen der Schulden entfallen auf werbende Anlagen, davon wieder über 300 Millionen auf die Eisenbahnen. Seit dem Jahre 1888, in dem 721 Mill. M. Schulden vorhanden waren, stieg also die Schuldenlast um rund 4,1 Milliarde oder 170 Millionen im Jahr. Entsprechend dem Anwachsen der Schulden ist auch die Zinsenlast gestiegen: 1888 erforderte die Verwaltung und Verzinsung 29 Millionen, 1913 stehen dafür 178,5 Millionen im Voranschlag...

    Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Finanzen_und_Steuern_(1914) (den Link mit geschlossener Klammer nach 1914 in das Browserfenster kopieren - ein Direktzugriff geht nicht, weil das Klammerzu-Zeichen nicht erkannt wird vom Forum)

    4 Mal editiert, zuletzt von Henry (2. Oktober 2019 um 21:13)

  • Mal etwas zur Architektur der Kaiserzeit; Bürgerliche und Militärs wie meine Vorfahren (zu des Kaisers Zeiten) lebten für die damalige Zeit nicht so übel, es waren große Räume mit Parkett und Stuck so wie lichtdurchfluteten Fenstern.
    Es gab allerdings auch die "Anderen" - jene welche der Arbeiterschaft angehörten....deren Wohnverhältnisse waren weniger gemütlich: in den Hinterhäusern mit engen dunklen Höfen, meist nur Stube und Küche zur Verfügung, das Kloo befand sich irgendwo außerhalb. Die Wohnungen waren feucht und Kinder starben oft infolge dessen an der Schwindsucht.
    Ich habe damals als kleiner Bub noch einige solcher Hinterhaus "Siedlungen" kennenlernen dürfen, bevor sie nach und nach abgerissen wurden.
    Es hatte sicherlich eine gewisse Romantik - ob es die Arbeiter, welche da mit 5 und mehr Kindern darin hausten, auch so sahen, entzieht sich meiner Kenntnis.

  • Das Problem dieser Wohnungen war vor allem die Überbelegung, ein Resultat des starken Zuzugs in die Städte und des rasanten Bevölkerungswachstums. Die Verschuldung müsste man in ein Verhältnis zum wachsenden Bruttosozialprodukt jener Jahre stellen. Das wäre interessant.

  • Mal etwas zur Architektur der Kaiserzeit; Bürgerliche und Militärs wie meine Vorfahren (zu des Kaisers Zeiten) lebten für die damalige Zeit nicht so übel, es waren große Räume mit Parkett und Stuck so wie lichtdurchfluteten Fenstern.
    Es gab allerdings auch die "Anderen" - jene welche der Arbeiterschaft angehörten....deren Wohnverhältnisse waren weniger gemütlich: in den Hinterhäusern mit engen dunklen Höfen, meist nur Stube und Küche zur Verfügung, das Kloo befand sich irgendwo außerhalb. Die Wohnungen waren feucht und Kinder starben oft infolge dessen an der Schwindsucht.
    Ich habe damals als kleiner Bub noch einige solcher Hinterhaus "Siedlungen" kennenlernen dürfen, bevor sie nach und nach abgerissen wurden.
    Es hatte sicherlich eine gewisse Romantik - ob es die Arbeiter, welche da mit 5 und mehr Kindern darin hausten, auch so sahen, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Für die weniger Begüteten waren deshalb solche Konzepte, wie hier vor Ort von Mies v.d.Rohe, Minihäuser mit Kleingärten und Selbstversorgung, durchaus brauchbar. Die Häuser sind heute zwar völlig umgebaut, aber noch gern bewohnt.

  • Man hat aber diese Probleme nicht unterm Teppich gekehrt. Deshalb möchte ich zu Preußen auch paar Eckdaten zum Besten geben. Es ist schon einige Jahre her, als ich damals einen guten Draht zu einem Wohnungsauflöser hatte, der mir immer vorab Kisten über Kisten aus dem 19. Jahrhundert zum sortieren und aussuchen überließ, da ich damals die Einbände so hübsch fand. (Sie machen sich wirklich gut im Regal). Einige Bücher behandeln auch den preußischen Staat. Da ich keine Historikerin bin, kann ich die Informationen nicht gegenprüfen und bewerten. Auf alle Fälle sind die Quellen aus dieser Zeit.
    Wenn das stimmt, was in diesen Büchern steht, dann muss ich sagen, wäre es meine Aufgabe einen Staat einzurichten und aufzubauen, dann nur so wie es in Preußen in den Anfangsjahren beschrieben wurde.

    Im 19. Januar 1871 wurde das deutsche Kaiserreich zu Versailles proklamiert.

    Einleitung der Verfassung vom 16. April 1871

    „Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine Majestät der König von Württemberg, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main gelegenen Theile des Großherzogtums Hessen, schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und wird nachstehende Verfassung haben.„


    Es gab viele Herausforderungen zu meistern, durch die Industrialisierung, wachsender Städte, entstand ein zusammengedrängtes Proletariat. Es musste ein Ausgleich gefunden werden, zwischen den Forderungen des Einzelnen und Forderungen des Ganzen.

    1881 wurde von der kaiserlichen Botschaft die „deutsche soziale Hülfsgesetzgebung“ angekündigt, die in den nächsten Jahren durchgeführt worden sind:

    1883 Krankenversicherungsgesetz
    1884 Unfallversicherungsgesetz
    1891 Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz


    Weitere Gesetze zur
    Steuer- und Schulpflicht
    Frauen- und Kinderarbeit
    Arbeitsdauer und Nachtarbeit
    Sonntagsruhe und Ladenschluss
    gesundheitsschädliche und lebensgefährliche Beschäftigung;
    Wohnungswesen
    geordnete Armenpflege

    Gründung der evangelischen Diakonissen und den katholischen Barmherzigen Schwestern für die: Krankenpflege, Kleinkinder- und Waisenfürsorge, für Unterricht und Erziehung, für die Rettung seelisch und leiblich Notleidender. Zum Beispiel die Anstalten des Pastors von Bodelschwingh sind zu nennen.
    Weitere Gründung von Vereinen: das Blaue Kreuz, Roten Kreuz
    Umwandlung des Polizeistaats in einen Rechtsstsaat (so haben es die Menschen es damals empfunden)
    Bauernbefreiung (das war allerdings schon vorher)
    Verkehrswesen
    Auch galt das Prinzip, dass man fremdsprachigen Minderheiten berücksichtigt

    Verstaatlichung der Eisenbahnen

    Betriebe, die mit Straßenbahn, Gas und Elektrizität zu tun hatten, waren im Staatsbesitz

    Finanz und Schutzzölle wurden eingeführt, (vorher herrschte der Freihandel)

    Steuern:
    Bei der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurden die direkten Steuern den Einzelstaaten, die indirekten Steuern (Zölle, Verbrauchssteuern) dem Reiche überlassen

    Das Steuerwesen war übrigens Gegenstand der heftigsten innerpolitischen Kämpfe. „direkte oder indirekte Steuern“?
    Die direkten Steuern betrafen damals nur einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung, der 10 bis 15 Prozent seines Einkommens an Staat, Stadt und Kirche zahlen musste. Die indirekten Steuern wurden auf die Massenartikel gelegt. Da durch die Schutzzölle die Löhne stiegen und die arbeitenden Klassen durch sozialen Einrichtungen der Kranken- , Unfall und Altersversicherungsgesetze geschützt wurden und mehr bekamen, als sie zahlen mussten und auch sie zum großen Teil von jeder direkten Steuer befreit waren, nahm man die Verteuerung der Lebensmittel damals wohl in Kauf.
    Andere Quelle:
    Die Einkommensteuer wurde progressiv gestaltet (von 2/3 Prozent für ein Einkommen von 900-1050 Mark bis zu 4 Prozent für ein Einkommen von 100 000 Mark und mehr)
    Die kleinsten Einkommen bleiben steuerfrei

    Pflicht der Steuereinschätzung

    Dazu kommt eine Vermögenssteuer (½ pro mille des Vermögens)

    Stark betont wurde die innere Freiheit des Glaubens und Denkens, das nicht angetastet werden darf. Denn darauf beruht alle Kultur. Auch im wirtschaftlichen Leben soll jeder möglich seine Anlagen entfalten. Kaufleute müssen konkurrenzfähig bleiben. Es hieß „Maßhalten“, damit die Lasten nicht zu drückend werden.

    Wie Henry beschrieben hat, wurde leider leider alles Gute wieder übertrieben und missbraucht, der zum berühmt berüchtigten deutschen Größenwahnsinn führte. Man sprach von Erweiterung „unseres Wirtschaftsgebiet“, etc...


    Beispiel Zitat von Hasse:
    „Wir nehmen das Testament Peters des Großen, den Imperialismus Großbritanniens, die Monroedoktrin Amerikas als geheiligte Kundgebungen des Willens großer fremder Völker mit Ehrerbietung entgegen.“

    Darüber erboste man sich. "Warum solche übertriebene ängstliche Zurückhaltung? Weshalb sollte man nicht ähnliche Ziele aussprechen dürfen? Warum nicht auch imperialistisch sein?"
    Später: "Warum hat 1909 England so eine geradezu lächerliche Panik, als „uns“ der Bau einiger großer Kriegsschiffe gelungen ist?"

    Wenn ich so etwas lese, dann denke ich mir, wäre Deutschland nur ein Flickenteppich geblieben, dann wären uns diese Kriege vielleicht erspart geblieben. Ich weiß es nicht.


    Zum Schluss noch ein paar Bilder aus meinem Bismarck-Buch.

    16. Juni 1871 (Nach dem Gemälde von Camphausen)

    Na, erkennt ihr die Kirche?

    Beauty matters!

  • Was aus den Kriegen geworden wäre, wissen wir nicht, aber Frankreich hätte sich sicherlich für die Niederlage 70/71 revanchiert. Den Flickenteppich haben wir heute wieder, besonders verhängnisvoll im Bildungswesen. Und: schon der Kaiser kassierte Straßenausbaubeiträge von den Anliegern. Aber nie in solcher Höhe, dass der Anlieger ruiniert war. Die Schaumweinsteuer für seine Flotte zahlen wir leider heute noch.

  • Wenn ich so etwas lese, dann denke ich mir, wäre Deutschland nur ein Flickenteppich geblieben, dann wären uns diese Kriege vielleicht erspart geblieben. Ich weiß es nicht.


    Wäre Deutschland ein Flickenteppich geblieben (also ein Staatenbund a la Deutscher Bund), wäre es zum Einen auf dem wirtschaftlichen und sozialen Stand der Vormoderne stehen geblieben. Es hätte nur eine unzureichende Verkehrsinfrastruktur-Planung, mangelhafte Stadtentwicklung, schwierige Handelsbeziehungen gegeben. Denn, wie hätte es mit der Zollunion ausgesehen? Hätte ich z.B. hohe Zölle zu zahlen gehabt, wenn ich Waren von Baden nach Mecklenburg hätte transportieren wollen? Wie hätte es mit der Freizügigkeit innerhalb der deutschen Grenzen ausgesehen? Hätte ich mich als Arbeiter des Fürstentums Waldeck einfach nach Berlin auf den Weg machen können, um dort in einer Fabrik anzuheuern? Auch militärisch wäre das Gebilde schwach gewesen. Das Fürstentum Lippe hätte eine ganz andere Außenpolitik betreiben können als das Großherzogtum Oldenburg. Vom demokratischen Willen jener Jahre reden wir schon gar nicht. Die Fürsten hätten in ihren Ländereien das maßgebliche Sagen behalten.

    Zum Anderen wäre ein solches Gebilde in der Mitte Europas auf dem Stand eines 3. Welt-Landes natürlich zum Spielball der umliegenden aufstrebenden Kolonial-Großmächte geworden. Es wäre eine Art China zur Zeit des letzten Kaisers Pu Yi in Mitteleuropa geworden.

    Wir haben heute immer nur den 2. Weltkrieg als Trauma vor Augen. Damals war das Trauma des 30-jährigen Krieges viel gegenwärtiger. Als nämlich raumfremde Mächte auf deutschem Boden ihre außenpolitischen Spiele austrugen. Ebenso Napoleon, der a la "teile und herrsche" Deutschland teils einverleibte, teils in Vassallen-Kleinstaaten des "Rheinbunds" verwandelte.

    Hätte sich Deutschland nicht geeinigt, wären dem Land Kriege ganz und gar nicht erspart worden. Sie wären als Vasallen zum Waffendienst gezwungen und dann unter französischen oder russischen Fahnen verheizt worden. Ähnliches hätte später auch im Kalten Krieg passieren können. USA und UdSSR hätten auf deutschem Boden ihre Claims abstecken können, Bundeswehr und NVA hätten sich dafür gegenseitig abgeknallt, somit die Verluste von Amerikanern und Russen minimiert.

    Wenn das den Deutschen lieber ist, dann hätten sie auf souveräne Selbstbestimmung verzichten müssen.

  • Zollschranken fielen in Deutschland bereits seit 1834 mit Gründung des Deutschen Zollvereins, innerhalb dessen Grenzen Waren zollfrei blieben und der nach außen Handels- und Zollverträge abschloss. Damit wurde die Industrialisierung entscheidend gefördert. Dies lange bevor Preußen gewaltsam seine Grenzen ausdehnte (Hannover, Hessen etc.) und bei weitgehender Gleichberechtigung der beteiligten Länder. Von einem 3.-Welt-Land zu sprechen ist doch recht gewagt (um nicht zu sagen Blödsinn).
    Der Dreißigjährige Krieg war auch im 19. Jahrhundert schon 200 Jahre her und beherrschte keineswegs das Denken der Deutschen. Das nationale Trauma war vielmehr der Verlust der Reichseinheit durch Napoleon, die verlustreichen Kriege und natürlich insbesondere die "Befreiungskriege" 1813-1815. Nach dem 30jährigen Krieg krähte kein Hahn mehr...
    Geschichte im Konjunktiv ist immer so eine Sache - natürlich war der Zollverein Teil der preußischen Hegemonialpolitik. Aber wenn man sich anschaut, wie er funktionierte, erinnert er in vielem an die Europäische Union, die ebenfalls wesentlich besser als ihr Ruf ist. Und ein Deutschland, das sich ohne Gewalt einigt, wirtschaftlich erfolgreich und friedlich ist, wäre auf Basis des Zollvereins durchaus denkbar gewesen.
    Zur Weißwaschung der preußischen Geschichte ("Sie hatten ja keine andere Wahl!") taugt das 19. Jahrhundert jedenfalls nicht.

  • Nach dem 30jährigen Krieg krähte kein Hahn mehr...

    Zitat:

    Zitat

    Als kollektives Trauma der Deutschen bekam der Dreißigjährige Krieg erst seit der Entstehung kultureller Zusammengehörigkeitsvorstellungen politische Relevanz; das war seit dem späten 18. Jahrhundert der Fall.(...) So entstand ein kollektives Trauma, das nicht im Gebet zu bearbeiten war, sondern aus dem man politisch zu lernen hatte: dass niemals wieder ein solcher Krieg, der ein Konfessionskrieg und ein Hegemonialkrieg zugleich war, auf deutschem Boden geführt werden dürfe. Ersteres lief auf die Entpolitisierung der konfessionellen Gegensätze hinaus, letzteres auf die Forderung nach einem starken Deutschland, das alle Feinde von seinem Territorium fernzuhalten in der Lage war. Dieser Imperativ wurde durch die napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkt. (...) Die Präsenz des Krieges im kollektiven Gedächtnis der Deutschen hatte zur Folge, dass jede Debatte über die sicherheitspolitischen Herausforderungen des Landes durch die Konstellationen des Dreißigjährigen Krieges und die bei Beendigung des Krieges entstandene Ordnung Europas geprägt war.

    Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/sharing…n/22697718.html

    Kikeriki....

    Nachtrag:
    Wenn die Deutschen lieber klein und am Rockzipfel von fremden Mamas und Papas bleiben möchten, sollen sie es doch tun. Ich empfehle die komplette Auflösung der BRD als Nachfolgestaat des unseeligen Bismarck-Reiches in Kleinstaaten und Protektoratszonen ausländischer Akteure. Die am besten möglichst neutrale Namen ohne Deutsch-Bezug erhalten sollten, z.B. Zone A, B, C, D, E. Steuerpolitik dürfen die Kleinländer ein bisschen selbst gestalten. Die Außen- und Militärpolitik sollen China, Russland, die USA, Indien und Südafrika bestimmen. Konflikte werden auf dem Territorium der betreffenden Zonen ausgetragen. Es würde bestens zu den Deutschen passen. Sie wären endlich von sich selbst erlöst. :zwinkern:

  • Und ein Deutschland, das sich ohne Gewalt einigt, wirtschaftlich erfolgreich und friedlich ist, wäre auf Basis des Zollvereins durchaus denkbar gewesen.

    Nicht so lange der deutsche Dualismus von Österreich und Preußen weiterbestand. Der wiederum konnte nur entweder durch einen Krieg, in dem eine der beiden Mächte die Oberhand gewinnt (wie 1866 geschehen) oder eine Revolution in Österreich mit der Folge der Auflösung der Union zwischen Österreich und Ungarn aufgehoben werden (was 1848/49 mal kurz in Aussicht war, im Ganzen aber unrealistisch).

    Es hat insofern einen ganz nachvollziehbaren realpolitischen Hintergrund, dass Friedrich Wilhelm IV. 1849 die ihm von der Paulskirchenversammlung angebotene "kleindeutsche" Kaiserkrone nicht angenommen hat. Das war nicht nur sein persönliches Ressentiment gegen die Demokratie, sondern der Umstand, dass Österreich und Russland in dem Fall über Preußen hergefallen wären - so wie Österreich 1848/49 über Piemont-Sardinien hergefallen ist, das in einer vergleichbaren Situation versucht hat, ein italienisches Königreich zu etablieren.

    Aus demselben Grund musste auch Preußen seinen Versuch abbrechen, 1849/50 in Form der Erfurter Union eine friedliche "kleindeutsche" Reichseinigung herbeizuführen: Hätte Preußen das weiterverfolgt, wäre es schon 1850 zum Krieg gekommen. Preußen war damals militärisch auf einen solchen Krieg noch nicht vorbereitet, 1866 dann schon.

  • Und genau so stellt sich die Situation wohl auch heute noch dar. In der Außenwahrnehmung gilt Deutschland weiterhin als sehr sicher, während sich zumindest in manchen Kreisen das oben beschriebene "diffuse Bedrohungsgefühl" ausbreitet, welches wohl - ebenso wie in der Zeit um 1900 - eher gespeist wird durch die enorme gesellschaftlichen Umbrüche unserer Jetztzeit (auch das war damals nicht anders, die Veränderungsgeschwindigkeit damals wohl fast ähnlich hoch).

    Wenn mindestens einmal pro Woche einer Oma durch einen kapuzetragenden Radler die Handtasche geraubt wird, ist das Sicherheitsgefühl real beeinträchtigt. Im Kaiserreich war dem Bürger aber jedes Mittel zur Selbstverteidigung zugestanden, wie alte Kataloge beweisen. Heute schreien die Politiker über die Zunahme von Schreckschusswaffen, die allerdings tatsächlich der Oma nichts nützen. Die Überfälle ereignen sich vorwiegend auf offener Straße. Die Frage ergibt sich, wie man dem architekturmäßig begegnen könnte. Es wird immer unbelebte Straßen geben, und hinter angrenzenden Fenstern sitzt kaum jemand ständig. Es wird also durch noch so ausgeklügelte Baumaßnahmen ohne höhere Polizeipräsenz nicht machbar sein.

    Mod(Franka)Elbegeist, bitte nicht auf die Off-topic - Nebensätze eingehen. Ich habe nichts dagegen, dass in einem Nebensatz solche Themenbereiche angeschnitten werden, aber bitte daraus keine Diskussion starten.
    Interessant wäre es, welche Parameter damals gesetzt waren, dass ein besseres Bauen möglich war, als heute.

    Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass Stadtplanung Kriminalität begünstigen kann. Dazu müsste man einen extra Strang mit fundierten Erkenntnissen aufmachen.

  • Die Architektur für die ärmere Bevölkerung war in der Kaiserzeit sicherlich wenig lebensfreundlich. Hinterhöfe, teilweise winzige Wohnungen.

    Erstmal gilt es festzuhalten, daß es in der Kaiserzeit strukturell nicht vorgesehen war, für die ärmere Bevölkerung eine minderwertige Bebauung bereitzustellen. Die Hinterhöfe der Mietskasernen sollten ursprünglich begrünt sein und ein gesundes Lebensgefühl vermitteln. Die Situation in den Großstädten, vor allem in Berlin, war aber durch den massiven Zuzug vom Land noch angespannter als heute. Daher bekamen die Spekulanten die Oberhand, es herrschte trotz der vielen neu entstandenen Wohnviertel akkuter Wohnungsmangel.
    Dazu mal einige Zahlen: "In dem Zeitraum von 1882 bis 1907 stieg die Zahl der Arbeiter von 9,3 Millionen, das entspricht einem Anteil von 34,8%, auf 14,7 Millionen, was einem Anteil von 42,2% entspricht. Ein Zuwachs von 7,4%. Damit stellte die Arbeiterschaft die größte Gruppe der Beschäftigten. Damit die Entwicklung der Industrialisierung noch deutlicher wird, lassen sich einige Zahlen aus dem primären Sektor, also aus der Landwirtschaft liefern. Der Anteil an Landwirten in der Beschäftigungsstruktur ging von 10,5 Millionen (41,6%) auf 7,6 Millionen (28,4%) doch recht rapide zurück. Ein Minus von 13,2%."

    "Im deutschen Reich setzte sich neben der Industrialisierung auch ein erhebliches Bevölkerungswachstum durch. 1816 betrug die Einwohnerzahl des deutschen Reiches 25 Millionen Menschen und die Zahl steigerte sich bis 1913 auf 66 Millionen.[6] Auch und gerade in den Städten machte sich diese Entwicklung bemerkbar. Manche junge Menschen, die zur Zeit der Reichsgründung in dörflichen Verhältnissen groß geworden sind, arbeiteten anfangs des 20. Jahrhunderts in einer mittleren Stadt. Das zeigt den sehr schnellen Bevölkerungsboom in den Städten und Gemeinden.[7] Mit diesen rasanten Bevölkerungsentwicklungen ging auch eine rapide Bauentwicklung einher. Denn es musste der Bedarf besonders an neuen Wohnungen gedeckt werden. Jedoch darf man vor dem Hintergrund der Bevölkerungsdichte, die auf 43,4% gestiegen ist, nicht zwangsläufig auf eine automatische Verschlechterung der Wohnverhältnisse überall schließen. Zu den Baumaßnahmen zählten zunächst auch Gebäude- und Wohnungssanierungen. Es lässt sich jedoch bei genauerer Betrachtung eine enorme Wohnungsdichte in den Ballungsgebieten, besonders in Berlin, feststellen. In Bremen, mit 214.861 Einwohnern, betrug die Zahl der Einwohner pro Haus zwischen einem und zehn. In Berlin, mit 2.040.148 Einwohnern, betrug die Zahl der Einwohner pro Haus über 60. Ähnliche Städte mit ähnlich hohen Einwohnerzahlen pro Haus sind Chemnitz, Hamburg, Königsberg, München, Hamburg usw. Aber auch in Berlin lassen sich regionale Unterschiede feststellen. Es gab einige Stadtteile, die weniger stark bewohnt waren und Stadtteile, die eine sehr hohe Bewohnerzahl pro Haus hatten."


    Quelle: https://www.grin.com/document/144625

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • (Mod-Hinweis Franka): Interessant wäre es, welche Parameter damals gesetzt waren, dass ein besseres Bauen möglich war, als heute.

    Ein ganz entscheidendes Problem hierbei sind die im Gefolge an die Feuerstürme und Flächenbombardements des zweiten Weltkriegs veränderten Bauordnungen, die -unterstützt von der modernistischen Verkehrs- und Stadtplanung nach dem Krieg- insgesamt zu einem breiten Verlassen der Blockrandbebauung führten.

    Nun ist dies nicht alleine erklärend, es gibt von Köln bis Hamburg genug Wiederaufbaubereiche, v.a. in den Innenstädten, die trotzdem im Blockrand wiederaufgebaut wurden und ebenfalls schwerste ästhetische Defizite aufweisen, dies hat aber maßgeblich zum Verlust der städtischen Textur beigetragen und selbst innerstädtischen Bereichen wie in Bremen dem alten Westen oder in Dresden tlw. bis in die Altstadt hinein dieses "Vorstadtflair" gegeben, das damals ja gerade erwünscht war, die durchgrünte Stadt mit quer zur Straße stehenden Bauriegeln und breiten, boulevardartigen Straßen.

    Wie schwer es noch heute ist, im Blockrand neu zu bauen, zeigen einige Beispiele aus Hamburg, wo der von mir im entsprechenden Strang gezeigte Block in Hammerbrook nur unter Biegung der bestehenden Gesetze (Mindesabstände etc.) realisiert werden konnte. Auch die Frankfurter Altstadt konnte ja nur mit dem Trick wiederaufgebaut werden, dass das ganze Ensemble baurechtlich EIN Gebäude darstellt.

    Man müsste also auch am Baurecht etwas ändern, hin zu mehr Urbanität und Mut zu einer dichten Blockrandbebauung, in der man nebenbei ohnehin viel mehr Menschen unterkriegen kann als in diesen aufgelockerten Nachkriegssiedlungen mit Hochhäusern.

  • Na, erkennt ihr die Kirche?

    Das dürfte die noch unzerstörte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin sein.


    Gruß aus Berlin.


    P. s.: Ich bitte um Entschuldigung, sollte ich mich irren.