Nürnberg - realistisch in Bildern (Galerie)

  • Zitat von Peter S. Burg

    Teilweise haben sie ja Nürnberg echt gut aufgebaut,

    diese sagenumwobenen Teile würd ich gern mal sehen...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die langweiligsten Nürnberger Innenstadtteile (Teile der Lorenzer sind noch häßlicher) mit dieser zu vergleichen, ist wohl kaum "fair".

    Nothors Aussage hat aber das Dom-Römer-Areal mit der gesamten Nürnberger Altstadt in Bezug gesetzt und zu der gehören nun einmal auch St. Lorenz und die Sebalder Steppe (genau genommen machen sie über 3/4 der Altstadt aus).

  • Ich habe den Bezug zu Frankfurt hergestellt, da das dortige Rekonstruktionsprojekt brandaktuell und so beispielgebend ist. Soetwas gibts in Nürnberg nicht. Wobei: Gibt es doch, der Pellerhof ist für sich schon beeindruckend, und ganz besonders beeindruckend, wenn man sieht dass die Stadtspitze "Bauchschmerzen" damit hat, von "Rechtsbruch" faselt und sich beklagt, dass der Renaissancehof das 50'er-Jahre-Denkmal beeinträchtigen würde. Das ist der stadtpolitische Kontext, in dem bislang über 5 Mio gespendet wurden und der Hof trotzdem bald fertig sein wird!
    Zu sagen die Nürnberger scherten sich nicht um ihr Stadtbild und hier seien Hopfen und Malz verloren wird dem wohl nicht ganz gerecht. Der Nachhol- und Aufholbedarf was das Wiederbeschaffen von identitätsstiftenden Orten anbelangt ist nur nicht so groß wie in Frankfurt, und die Dynamik und Finanzen sind hier wohl auch bescheidener. Die Altstadt als Ganzes ist auch unfair groß und mit den wenigen Straßenzügen in FFM nicht zu vergleichen. Aber diese Diskussion gab es hier schon mehrmals.

    Ich persönlich hoffe dass sich der Wind dreht, wenn die heutige Stadtspitze einst verschieden sein wird. Die Stadt freut sich aktuell über jeden Zugewanderten, wir überschreiten demnächst die 540.000 Einwohner. Und jeder der zuwandert ist potenziell einer mehr, der die Meinung vertritt Nürnberg müsse schöner werden. Ich kenne keinen einzigen Neunürnberger, der meint dass es gut so ist wie es ist. Wenn mir die Meinung begegnet "unser Nemberch, des is so schee" sind das meist jene, die die Stadt noch in Trümmern sahen. Die Jüngeren haben vielmehr das Gefühl, dass es immernoch viele "Trümmer" gibt. Das nicht wieder aufgebaute Pellerhaus ist z.B. so eins.

    Übrigens, sowohl die Kulturreferentin Lehner als auch der OB Maly treten bei der kommenden Kommunalwahl wieder an. Darüber muss man nicht traurig sein, die mittlerweile jahrzehnte alte Groko kann kaum etwas anderes zulassen. Ich bin sogar fast froh drum, weil es das Frustpotenzial stetig erhöht und ihr Versagen was die Zukunft des Nürnberg Stadtbildes anbelangt immer deutlicher wird. Und ihre politische Zukunft wird m.E. nicht unwesentlich am Projekt Kulturhauptstadt 2025 hängen. Und da sehe ich schwarz. Das Ende dieser destruktiven Allianz ist nur noch eine Frage der Zeit, und dann kann es wirklich was neues geben, sei es weitere Rekos oder eben auch hochwertige Architektur im Neubaubereich. Das was z.B. an der Maxtormauer 50 geplant ist macht mich fassungslos. Soetwas darf es nicht geben.

  • Philon:

    Ich finde Erbses Beiträge trotzdem immer sehr gut! Sie haben halt etwas vom Motto "immer feste druff". ;) Also mich jedenfalls motiviert so etwas. Man muss die Balance finden zwischen Optimismus und Realismus. Die positive Energie ist mir lieber, als in Selbstmitleid und Tränen ob der Vernichtung unserer Kultur zu versinken (tu ich oft genug! Siehe meinen Frustbeitrag von gestern, grade im Bezug auf Nürnberg). Ich plädiere übrigens dafür, Herrn Erbse in "con fuoco" umzunennen.

    Ernsthaft: Ich verstehe sehr gut, dass du frustriert bist. "Ich habe es versucht", dieser knappe Satz sagt alles aus und man weiss sofort, was du meinst.

    Aber was ist die Alternative? Wollen wir nur weinen? Erst gestern schrieb ich einen Frust-Beitrag, weil die Bilder von Franka einfach unglaubliche Scheusslichkeiten zeigten. So etwas triggert in mir immer die Traurigkeit über das Verlorene. Gott sei dank bekam ich am Schluss die Kurve und sagte: NEIN ich mache weiter!

    Manchmal wird gerade aus der als Ohnmacht empfundenen Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit plötzlich das Gegenteilige geboren, plötzlich erwacht der Mut, zu sagen: Ich will es ändern. Ich habe mich entschieden: Ich muss mit dem Schmerz leben - ich kann mit dem Schmerz leben. Unsere Vorfahren hatten 1945 in den Ruinen ganz andere Probleme - vielleicht geht es uns zu gut, dass wir uns Luxusgedanken über 'Voluten und Satteldächer machen können? In den Ruinen gab es nichts zu essen, man wusste nicht, wo sind die Kinder, kommt der Ehemann lebend zurück? Die hatten nicht die Freiheit, sich um so etwas zu kümmern wie wir es tun - wer morgens als erstes fragt "wo krieg ich heute ein Stück Brot für meine Kinder her", der hat keine Zeit dafür. Er ist mit dem Überleben beschäftigt.

    Die Dresdner haben es auch Jahrzehnte versucht und erst seit einigen Jahren kommt Bewegung in die Sache. GUTTA CAVAT LAPIDEM. Ich komme aus Frankfurt, mehr muss ich nicht sagen, oder? Hurrah Wolkenkratzer? Tote 60er Jahre Altstadt und "My Zeil"-MacDonalds Verblödung? Nee danke. Bin dort bereits 1987 weg, und hatte damals gesagt: Solange die Frankfurt so ignorant sind und ihre wunderschöne Altstadt nicht aufbauen, weigere ich mich zurückzukehren. Nun,das Warten hat möglicherweise gelohnt - wir werden sehen.

    Ja, so wie Du das schilderst sind die Nürnberger wohl ignorant und selbstgefällig (es ist erstaunlich was ein voller Kühlschrank ausmacht, der Finanzexperte Andreas Popp sagte "satt geht nicht auf die Strasse". Auch nicht für Rekonstruktion, wie es scheint).

    Wenn Du keinen "bock" mehr hast auf gut Deutsch, dich für ignorante und tumbe Kulturbanausen einzusetzen - mir ging das mit meiner Heimatstadt Frankfurt so - dann mach eine Pause. Akzeptiere (vorläufig!) die Realität der selbstgefälligen , ignoranten Nürnberger. Sag dir - OK, die sind so. Aber bereits morgen kann alles anders sein. In Frankfurt war das so!

    Gönne Dir eine Auszeit, und lass die Dinge laufen. Ich bin überzeugt davon, die werden langfristig besser - auch in Nürnberg.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Wenn für die große Masse der Alteingesessenen das größte Glück auf Erden Nürnberger Schäufele mit Kloß und Soß und Nürnberger Rostbratwürste (blaue Zipfel oder Nackerte) auf Kraut mit Bier sind, sonst allenfalls noch der örtliche Fußballclub interessiert, dann ist es schwer, solche Leute für Rekonstruktionen zu begeistern. Aber das Blatt kann sich eines schönen Tages wenden.

  • Es reicht schon wenn sie sich nicht dagegen stellen. Es kann heutzutage hilfreicher sein einen Einzigen zu überzeugen, der an einer entscheidungsrelevanten Stelle sitzt, als 100 andere, die am Ende nichtmal zu einer entsprechenden Info-Veranstaltung kommen würden. Ist ja nicht so dass unsere heutigen Stadtbilder ein Abbild gelebter Demokratie wären und durch Volksabstimmungen geprägt werden. Im Gegenteil, die meisten Prozesse finden im Verborgenen statt, im Rahmen von sog. "Wettbewerben", die von öffentlichkeitsscheuen Gremien und Einzelpersonen gesteuert werden, legitimiert von verwirrenden und komplexen Verfahren, Verordnungen, Bebauungsplänen usw., begleitet von einer Presse, die leider zu gerne die Fußballergebnisse des lokalen Vereins viel intensiver und kritischer begleitet als die Prozesse, die eine Stadtlandschaft verändern. Über den verstauchten Fuß des Torwarts erfahre ich alles, aber wenn ich wissen will was nun am City-Point gebaut werden soll - keine Chance. Man schaue sich mit entsprechendem Suchbegriff (meine Heimatstadt) mal auf einschlägigen Magazinen um, was man dort zu lesen bekommt. Transparenz ist was anderes.

  • Ich muß zu Frankas Fotos wieder das wiederholen, was ich schon vor einigen Monaten schrieb: Während zu anderen Städten wie Frankfurt (Strang "Neue Altstadt") oder Stuttgart ("Königsbau") und auch anderen Nürnberg-Themen meist die Sonnenseiten mit besten Licht und Winkel sowie Ausschnitt gezeigt werden, postet Franka hier eher unvorteilhaft; nicht wie vor Monaten aus dem Fenster eines Autos bei roter Ampel an einer Kreuzung, aber trotzdem unvorteilhaft.

    Dennoch: Natürlich gibt es diese öde Bebauung der Sebalder Steppe. Doch es gehört auch zur Wahrheit, daß in Frankfurt z.B., weil diese Stadt hier genannt wurde, große Teile der ehemaligen Altstadt noch viel schlimmer ausschauen. Das neue Areal ist schön, aber winzig klein. Es ist ein unpassender Vergleich zum Sebalder Osten.

    Ich kenne mich in Nürnberg im Detail zu wenig aus, aber soweit ich weiß, war um das Tiergärtnertor herum auch einiges zerstört. Dort hat man z.B. wieder einen sehr harmonischen und urbanen Raum hinbekommen.

    Frankfurt war ein Glücksfall, da Stadtoffizielle hinter dem Neuaufbau her waren und der Leidensdruck als ehemalige Fachwerkhauptstadt gigantisch gewesen sein muß.
    Dresden, eine schöne Stadt, hatte ein riesiges "Loch" im Zentrum, das nach der Wiedervereinigung auch symbolhaft wieder historisiert wurde. Um dieses herum liegen x-Sebalder Steppen.

    Unverständlich finde ich, Nürnberg das Bürgerengagement absprechen zu wollen. Wo gibt es so etwas wie die Altstadtfreunde in dieser Zahl, dazu wachsend? Diese haben nicht ein großes Projekt verwirklicht, sondern sind unendlich viele kleine Schritte gegangen. Deshalb fällt es vielleicht nicht so ins Auge.

    Mich stört an Nürnberg: Die brutale Lorenzer Mitte, die öde Sebalder Steppe, der zu weite Autoverkehr samt Asphaltbelag (aber im Vergleich zu anderen Städten immer noch relativ wenig, s. Frankfurt oder Stuttgart). Und: Die einfachen Möglichkeiten der Verschönerung, die großflächig vieles bewirkten.
    Der Vorteil an Nürnberg ist für mich: Es besitzt immer noch eine breite Flur insgesamt relativ gut erhaltener Altstadtteile, die sehr bürgerlich-authentisch sind. Die oben genannten Nachteile lassen sich häufig umgehen.

    Abschließend also zu Frankas "realistischen Bilder": Ja es gibt diese Ödnis. Allerdings ist diese eher wenig wohlwollend dargestellt. Solche Fotos ließen sich in allen anderen größeren bundesdeutschen Städten schießen; dazu auch z.B. in Wien, das Flair und schöne Ecken, allerdings auch zunehmend mehr Schmuddliges besitzt (kein Vergleich zu Prag).
    Welche Bundes-Großstadt besitzt heute noch eine so große, urbane Innenstadt wie Nürnberg, die nicht nur von den üblichen Shoppern funktional verwendet wird? Welche andere bundesdeutsche Großstadt bietet noch so viel historisches Gefühl und teilweise Realität? Es sind wenige, alle mit schwerem Verlust.

  • Ich könnte Dir von Frankfurt einen ganzen Strang mit nur phantastisch schönen Ecken zeigen, so dass du auf die Idee kämst es sei eine wunderschöne Stadt. (Und das wäre sogar vor 2018, ohne Altstadt , gegangen).

    Und ich könnte das genaue Gegenteil tun, nämlich nur hässliche und tote Ecken, so dass der Betrachter denkt: Um Gottes Willen, weg hier. Man kann selektive Bildinformation fast immer so gestalten, dass das Gesamtbild den eigenen Wünschen entspricht - vorausgesetzt, man hat genügend Material.

    Da Nürnberg ja einen eher guten Ruf hat - Ursus C. sucht noch immer die schönen Ecken - fand ich es gut, dass Franka uns hier einen "Zahn" gezogen hat, und uns zeigt, dass dort nicht alles eitel Sonnenschein ist. Eine realistische Gegendarstellung , um den Postkartenmotiven ein bischen den Wind aus den Segeln zu nehmen, finde ich sinnvoll und richtig.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Wenn für die große Masse der Alteingesessenen das größte Glück auf Erden Nürnberger Schäufele mit Kloß und Soß und Nürnberger Rostbratwürste (blaue Zipfel oder Nackerte) auf Kraut mit Bier sind, sonst allenfalls noch der örtliche Fußballclub interessiert, dann ist es schwer, solche Leute für Rekonstruktionen zu begeistern. Aber das Blatt kann sich eines schönen Tages wenden.

    Ein leider gängiges Problem in vielen (west)deutschen Städten: Fehlendes Problembewusstsein. In Bremen ist das auch so, erst kommt Werder, dann kommt, äh, Werder. Dann kommt vielleicht der Marktplatz, und dann? Wer seine Häuser in Massen so umbaut:

    wer soll da ein Gefühl für eine untergegangene Altstadt bekommen?

  • diese sagenumwobenen Teile würd ich gern mal sehen...


    Kannst du doch. Wenn ich wahllos einige Stellen herausnehme, komme ich zu dem Schluss, dass das besser ist als was so manche deutsche Großstadt nach 1945 ihren Bürgern zumutet. Ausser dem turmartigen Kopfbau sehe ich auf diesem Foto hauptsächlich Neubauten. Gemessen daran dass die Innenstadt fast völlig zerstört war, sind sie nicht schlecht.

    Mit "teilweise" meinte ich nicht die 60er Jahre Fassaden, sondern vor allem Grundriss und Dachlandschaft. Hast du dir mal die "Dachlandschaft" und Grundrisse weiter Teile des Dresdner Zentrums angesehen? Eine Katastrophe, und hat mit "Stadt" überhaupt nichts mehr zu tun. Dass ich nicht naiv bin, sondern weiß dass es auch in Nürnberg absolut hässliche Stellen gibt schrieb ich bereits im Bezug auf Frankas Fotos und muss es nicht wiederholen.

    Dass die heutige Schmucklosigkeit mit dem, was Nürnberg vor 1945 war, nicht zu vergleichen ist, ist mir ebenfalls klar.

    Ich kann es aber leider nicht ändern. Und da ich nicht ständig weinen und klagen will, versuche ich mich über einige positive Dinge zu erfreuen.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • https://www.google.be/maps/@49.45668…!7i13312!8i6656

    https://www.google.be/maps/@49.45519…!7i13200!8i6600

    Früher gab es hunderte vergleichbare Ecken in Nürnberg, heute vielleicht noch ein Dutzend, allerhöchstens. Es ist zum Heulen... Problem ist nur: auch Rekonstruktionen werden hier idR. (was eher "einfache" Bürgerbauten betrifft) nie so "authentisch" aussehen wie die richtigen Altbauten! Also, in diesem Sinne scheint das alte Nürnberg schon für immer verloren gegangen zu sein. Oder gibt's hier doch noch einen Ausweg!?

    Einmal editiert, zuletzt von Niederländer (7. März 2019 um 23:32)

  • Petersburg: Ich schätze deine Kommentare, weil sie ausgewogen sind. Ich erachte Frankfurt a.M. für besser als seinen Ruf. Dennoch: Ausgehend von der Tatsache, daß es einst eine sehr historische Stadt mit viel Fachwerk gewesen ist, ist davon im Bereich der ehemaligen Altstadt nur noch wenig zu sehen. Die "Neue Altstadt" ist schön und ein löbliches Signal, aber sie ersetzt keine echte Altstadt.
    Freilich gibt es darum herum vielen schönen Historismus.
    Deine Bilder zu Nürnberg um das Nassauer Haus halten ich für ein gelungenes Beispiel. Das Areal war stark kriegszerstört, die umgebenden Häuser sind keine Rekonstruktionen, dennoch "in Ordnung und besser".
    P.S. Nicht auf "Ursus carpaticus" reagieren. Er ist nur ein Netztroll, der gelegentlich stänkern will; u.a. indem er mit lateinischen Begriffen und Satzbruchstücken aufwartet (die er allerdings allzu oft falsch flektiert).

    Niederländer: Deine Fotos zeigen eine erhaltene und restaurierte Altstadt. Vor 1945 war diese häufig versifft, schmutzig und das Fachwerk nicht freigelegt - das heißt, sie war nur potentiell so schön.
    Relativ zum Vorkriegszustand ist Nürnberg natürlich viel schwächer - welche Stadt ist das nicht? Relativ zu anderen Städten, die ähnlich geschichtsschwer sind, z.B. Frankfurt a.M. oder Köln, besitzt Nürnberg dennoch eine wesentlich attraktivere und größere Innenstadt, die viel eher noch zumindest partiell ein Altstadtgefühl aufkommen läßt.

    Einmal editiert, zuletzt von Eduard (7. März 2019 um 23:51)

  • Das ist alles missverständlich. solche Stellen werden immer herangezogen, um den Wiederaufbau zu rechtfertigen:
    https://www.google.be/maps/@49.45668…!7i13312!8i6656

    ich mein damit nicht natürlich Niederländer, der das hier verlinkt hat, weil der hat's kapiert.
    Aber diese Ecke ist einfach deshalb noch schön, weil viel stehen geblieben ist. wir sehen, Blickrichtung Süden, also hinunter, links vielleicht ein oder zwei ganz gelungene Anpassungsbauten, rechts davon aber nur Schrott.
    Nürnberg ist mit einem hohen Einsatz von Sprengbomben zerstört worden, es gab keinen Feuersturm, weshalb die Zerstörungen zwar im Detail horrend waren, indes überhaupt im am 2.1. 45 noch verschont gebliebenem Burgviertel die eine oder andere kleine Insel ausließen. das ist alles andere als eine Errungenschaft des Wiederaufbaus, ja, man kann, muss gerade angesichts der malerischen und bedeutenden Lage dieser Gasse konstatieren, dass die Neubauten völlig ungenügend sind...
    Hätte man sich nicht etwa beim Eckhaus zwischen den beiden Krämersgassen wenigstens EIN BISSCHEN bemühen können? Einen Sandsteinbau in tradionellen Formen und traditioneller Fensteranordnung?
    so ist auch diese Ecke im Ganzen kaputt. Man kann immer nur die eine Hälfte der Einmündung photographieren.


    Und was ist das Bild von der Weißgerbergasse anderes als ein städtebauliches Sakrileg. Die modernen Füllbauten sind nur das eine: modern, aber sie füllen nicht, sondern zerstören. Wo der alte Bestand aufhört, hört alle Ästhetik auf, es wurde kein Versuch unternommen, auf den Fundamenten wenigstens die Kubatur der alten Häuser wiederherzustellen und die alte Gassenflucht wenigstens zu verlängern. Man beachte des hässlichen Klotz am Weinmarkt (manche hier werden begeistert sein ob seines hohen Daches...) , der die Türme von St. Sebaldt verdeckt und erfolgreich verhindert, dass zwischen dem Kirchplatz und diesem bedeutendsten Restling Alt-Nürnbergs auch nur ein Hauch von Altstadtstimmung aufkommt. Ich meine: brutaler konnte man kaum vorgehen.

    Und Peters Verweis auf die Umgebung des Nassauerhauses ist halt auch so eine Sache. Vielen gefällt's, ich find's grauenhaft. Kein Haus wahrt tatsächlich so etwas wie die alte Proportionalität. alles nur mittels Sandstein und Satteldächer auf alt getrimmt, aber völlig ohne Stil- und Formgefühl. Eine unsagbar plumpe und, jawohl, disneyhafte Verunglimpfung dessen, was mal das Altfränkische Bürgerhaus war. Das vis-à-vis von Sankt Lorenz! Wie es gehen hätte können, beweisen die Sandstein-Neubauten der Zwischenkriegszeit in der Königsstraße, von denen das Stadtbild auch heute noch zehrt. Nicht einmal zur Weiterführung dieser im grund höchst bescheidenen Ästhetik war der Wiederaufbau bereit, ja, er musste in diese großartige Straßenflucht noch den Karstadt hineinquetschen...
    Hört mir auf mit Nürnberg und öffnet lieber die Augen...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Noch mehr Handbuchwissen also.
    Derlei nennt man mitunter tiefsinnig: Betreutes Denken.
    die crux liegt darin, wie Philon geschrieben hat:
    .... erläutern, warum das alles Blödsinn ist, aber irgendwie ist mir meine Zeit dafür zu schade.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wir könnten aber auch wieder zurück zum Thema kommen. Unglaublich, wie schnell die Forumsdiskussionen im APH oft auf so eine merkwürdige, vom Thema entrückte Ebene geraten!

    Zu ursus carpaticus:
    Ich stimme ihm in seiner Analyse des Ist-Zustands vollständig zu. Aber ich komme dennoch zu einer ganz anderen Beurteilung der Lage, und finde dass er gekonnt die jüngere Geschichte der Stadt ausblendet. Wenn wir davon ausgehen, dass die Altstadt von Nürnberg rund um das Nassauerhaus so zerstört war wie die Innenstadt Dresdens, Hannovers oder wasweisich, dann möge man mir mal irgendwo ein Kaufhaus zeigen, das sich so ganz offensichtlich gewollt in eine Altstadtsilouette einpassen sollte. Vor Kurzem war ich in Goslar, eine mittelalterliche Bilderbuchstadt ohne Kriegszerstörungen. Trotzdem hat man es nicht hinbekommen auf der Hauptachse zwischen Bahnhof und Altstadt ein Kaufhaus hinzustellen, dass sich in die Altstadt einpasst. Stattdessen steht dort ein Waschbetonmonster.

    Worauf ich hinaus will: Jetzt kann man freilich darüber sinnieren, ob man überhaupt hätte ein Kaufhaus errichten müssen, oder ob man nicht besser die Altstadt in ihrer Struktur wieder hätte vollständig aufbauen sollen. Aber ein bisschen Realismus wünsche ich mir auch, sonst müssen wir hier nicht ernsthaft diskutieren sondern können Traumbilder malen.
    Nürnberg hat im 2. WK nicht nur Altstadthäuser verloren, sondern auch viele Menschen und gesellschaftliche Strukturen. Und nicht alle Nürnberger waren damals oder sind heute Fachwerkfans und wollen in soetwas leben oder arbeiten. Auch in Nürnberg gibt es heute Menschen, die sich wünschen hier würden mehr Hochhäuser gebaut - wie in Frankfurt. Nürnberg und seine Bewohner sind eben keine homogene Fachwerk-Community, sondern eine ganz normale Stadtbevölkerung.

    So wie es in der Nachkriegszeit normal war die Stadtzentren zu reinen Geschäftszentren zu machen - diesen Prozess hat es auch in Nürnberg gegeben, ist es heute normal auch Rekonstruktionen wichtiger verlorener Baudenkmäler anzugehen. So wie das eine in Nürnberg mit Karstadt, Kaufhof und diversen anderen Großstrukturen passiert ist, so fordere ich aber auch ein dass man heutzutage weitere Rekonstruktionen angeht - wie in einer ganz normalen Stadt. Eine Stadt ist schließlich niemals fertig. Nürnberg vorzuwerfen, seine riesige Altstadt sei keine 1:1-Reko des Vorkriegszustandes ist völlig daneben, weil es gesellschaftliche Realitäten ignoriert, die ganz Deutschland, Ost und West, geprägt haben. Selbst wenn Nürnberg nicht zerstört worden wäre, würde es heute an bestimmten Ecken fürchterlich aussehen. U-Bahn-Bau, autogerechte Stadt, Investoren wie Banken, Kaufhausketten, städtische Verwaltungsgebäude und ihr Modernisierungswahn, das alles wäre auch über ein unzerstörtes Nürnberg hereingebrochen.
    Vor diesem Hintergrund finde ich ist der Karstadt das altstadtkompatibelste Kaufhaus, das ich kenne. Ich fürchte mich vor dem Tag an dem es aufgegeben und drüber diskutiert wird was dort gebaut werden könnte. Vorher sollten doch bitteschön ganz andre Ungeheuerlichkeiten fallen.

  • Schau, erbse, ich ja nix gegen jeglichen Optimismus. Auch wenn es den "Optimismus an sich" nicht geben kann. das hat Schostakowitsch geschrieben. Absoluter Optimismus ist Blödsinn. Ich bin vielleicht was meinen linken Nachbar betrifft, Optimist, und bei meinem rechten nicht. Aber du darfst ja in Sachen Nürnberg optimistisch sein, das ist wunderschön.
    Wogegen ich hingegen anargumentiere ist: das Schönreden Nürnbergs, wofür es hier regelrechte Spezialisten gibt. Unter dieser Prämisse KANN einfach nichts Schönes entstehen. Erst das Erkennen des Ist-Zustandes kann einen Prozess auslösen, hinsichtlich dessen man gerne auch optimistisch sein dürfte...

    @nothor
    Klar, in Niedersachsen hat man mit den Kaufhöfen gewütet, noch schlimmer Hameln und Celle. Aber keiner wird das schönreden, wie es immer bei N. geschieht.

    Zitat

    Nürnberg vorzuwerfen, seine riesige Altstadt sei keine 1:1-Reko des Vorkriegszustandes ist völlig daneben

    das hat aber niemand gemacht. der Vorwurf lautet: dass es keinen noch so kleinen Fleck gibt, wo dies ansatzweise versucht worden ist. Und das ist etwas anderes. An allen halbwegs erhaltenen Stellen, die gibt es, die Krämersgassenecke, den Unschlittplatz, die Königsstraße, Weißgerbergasse und, vor allem, Tiergärtnertorplatz, gibt es etwas, was einem in die Suppe spuckt. Das unterscheidet Nürnberg (wie auch übrigens die fränkische Schwester Würzburg) in der Tat von anderen zerstörten Städten, neben einem anderen, noch gewichtigeren Punkt: Null-Rekoquote bei Bürgerbauten. Kein einziges Bürgerhaus ist ex nihilo neuerrichtet worden (anders als sogar Würzburg). Nicht einmal teilerhaltene Glanzpunkte wie das Pellerhaus.
    Fehlendes Ensemblebewusstsein, fehlender Rekonstruktionswille, dazu ein Wiederaufbau, der im Ganzen nur als übel bezeichnet werden kann, auch wenn man, als einziges Element, zugegeben um die Bewahrung der Dachlandschaft halbwegs bemüht war. Aber das ist einfach zu wenig.


    Zitat

    Auch in Nürnberg gibt es heute Menschen, die sich wünschen hier würden mehr Hochhäuser gebaut - wie in Frankfurt. Nürnberg und seine Bewohner sind eben keine homogene Fachwerk-Community, sondern eine ganz normale Stadtbevölkerung.

    Von homogenen FW ist N ein bisschen weit entfernt, oder? Was das "normal" betrifft, hat sich die Achse in der Wahrnehmung verschoben. Ich war mal mit ein paar Gleichaltrigen in N. Einer von ihnen frage einen Einheimischen, wo denn das Zentrum sei. Das war so am Kornmarkt, Hallplatz. Der Angesprochene meinte, hier sei doch das Zentrum, die Altstadt, und mein Landsmann fühlte sich richtig gehend veräppelt. Es war zwar kein Streit, aber eine beträchtliche Missstimmung. Der Nürnberger konnte so eine dumme Frage nicht verstehen, und mein Landsmann kam nicht auf die Idee, dass das N.er Zentrum heute eben so aussieht, wie es aussieht. Was "ganz normal" ist, beurteilt jeder anders. Daher sind diese Argumente nicht sehr tauglich. All das könntest du mit viel mehr Recht auch über Florenz oder Prag vorbringen. auf dieser Basis hört sich Stadtbilddiskussion auf. Klar wir leben im XXI. Jh. aber wieviel % macht die Altstadt von einer Großstadtfläche aus? Und es geht doch eher um ganz bestimmte, kleine Teile davon. Niemand erwartet rekonstruktionen am Kornmarkt oder in der Färberstraße oder sonstwo in der südlichen Lorenzstadt. dass die hinüber ist, dürfte wohl jedem klar sein.

    Zitat

    wenn Nürnberg nicht zerstört worden wäre, würde es heute an bestimmten Ecken fürchterlich aussehen.

    Tut zwar nichts zum Thema, glaub ich aber ehrlich gesagt nicht. Nürnberg wäre DER Touristenknüller und sehr sorgsam erhalten. Eine riesige touristische Achse mit Rothenburg etc, eine Art deutsche Toscana.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Erst das Erkennen des Ist-Zustandes kann einen Prozess auslösen, hinsichtlich dessen man gerne auch optimistisch sein dürfte.

    Dann sind wir diesbezüglich ja auf einer Wellenlänge. Ein Problembewusstsein ist sehr wichtig, genau richtig was du sagst. Der Erfolgreiche sieht viele ungelöste Probleme - doch er jammert eben nicht drüber, sondern sieht darin Chancen, denkt in Lösungen und handelt. Dieser Prozess hat in Nürnberg als ganz zartes Pflänzchen dank der Altstadtfreunde begonnen, braucht jedoch noch deutlich mehr Schwung.

    Deswegen finde ich das Pellerhaus als Anker-Großprojekt so wichtig. Ohne einen solchen "Magneten" schafft man's kaum über die Wahrnehmungsschwelle. Es wurden eben viele kleine Maßnahmen in der Stadt gemacht, die allesamt großartig sind, doch es braucht einen echten Alpha-Leitbau. Und der wird kommen, mächtig gewaltig!

  • Nürnberg wäre DER Touristenknüller und sehr sorgsam erhalten. Eine riesige touristische Achse mit Rothenburg etc, eine Art deutsche Toscana.

    Interessant ist, dass es in der Wahrnehmung auch aktuell genau das ist. Die Übernachtungsquote eilt von Rekord zu Rekord, Presse und Stadt jubeln darüber, wie beliebt Nürnberg bei den Touristen sei.
    Bitte verstehe mich nicht falsch, inhaltlich teile ich über weite Teile deine Einschätzung. Der Kornmarkt ist furchtbar. Würde man in dieses Ensemble die gigantische Chemnitzer Karl-Marx-Büste hineinsetzen, es wäre vom sozialistischen Karl-Marx-Stadt kaum zu unterscheiden, und es hat mit Nürnbergs Altstadt wirklich nichts gemein. Ich bezweifle aber, dass es irgend eine Chance gegeben hätte ein nicht untergegangenes Nürnberg in der Nachkriegszeit vor größeren Eingriffen völlig zu bewahren. Eigentümer, die ihr mittelalterliches Haus einfach verfallen ließen, eine Stadtpolitik, die ihre Prestigeprojekte sucht, allein das hätte auch so einiges an Substanz gekostet. Nürnberg hat für meine Begriffe damals eine recht gute Wiederaufbaustrategie hinbekommen. Sie ist nicht perfekt, v.a. im Detail aus der Straßenperspektive nicht, und viel schlimmer, sie ist weder flächendeckend durchgeführt noch lange genug durchgehalten worden. Mittlerweile wurde sie völlig aufgegeben, und dem muss man konkrete Reko-Forderungen entgegensetzen. Das Pellerhaus ist richtig, wichtig, notwendig und anhand der Umstände auch wirtschaftlich geboten. Ich finde es nur schade wenn dieses Schlaglicht darauf aufgrund von individuellem Frust gestreut wird und man meint die ganze Altstadt sei sowieso ein Scheiß, denn dann muss man sich ja nicht aufs Pellerhaus konzentrieren. Dann könnte man auch weniger strittige Sachen angehen, z.B. die Brache daneben. Das würde aber genau so verpuffen in der Breitenwirkung wie eine renovierte Einzelfassade. Das Pellerhaus ist ideal, weil es die Auseinandersetzung mit konkreten Fehlern der Wiederaufbauzeit erforderlich macht. Eine Brache historisch zu bebauen kann im Prinzip jeder, der Geld hat. Das bewirkt keine gesellschaftlichen Diskussionen.

  • Vor 1945 war diese häufig versifft, schmutzig und das Fachwerk nicht freigelegt

    Äh. nein, versifft und schmutzig war sie nicht, wie Fotos aus den 30'iger Jahren zeigen. Vielmehr sehr gepflegt und bürgerlich. Und was das Fachwerk angeht: das ist in vielen erhaltenen Städten (z.B. Tübingen) auch oft nicht freigelegt und die entsprechenden Straßenzüge sind trotzdem schön.