Posts by Niederländer

    Die gesamte südliche Hälfte der Braunschweiger Innenstadt könnte tatsächlich mit nur relativ wenig Aufwand wieder sehr schön werden! Schon krass, wie viele tolle Fachwerkhäuser dort trotz Bombenangriffen immer noch stehen. Dafür ist der vollständige Verlust der nördliche Innenstadt, wo bis 1944 die wohl größte zusammenhängende Sammlung spätmittelalterlicher Fachwerkhäuser der Welt stand, aber umso schmerzhafter… Aber da muss man leider realistisch bleiben, und das gesamte Areal bis auf weiteres einfach abschreiben.

    Dass es gelungen ist, die Nachkriegsbebauung am Marktplatz zu verdrängen, ist für mich ein kleines Wunder.

    Tatsächlich, der Schrott hätte heute 100% sicher unter Denkmalschutz gestanden. Die beiden Erker des Wedekindhauses wurden ja in moderner Formensprache "zitiert"... Schau mal an:

    https://www.hildesheimer-allgemeine.de/fileadmin/news_media/methode_386a19dd94-01ae7366-952c-11ea-a610-45dbc8cc73e3-54ad8152-952b-11ea-a610-45dbc8cc73e3.jpg

    Ich war vor einigen Wochen zusammen mit Fachwerkliebhaber in Hildesheim, und war eigentlich ziemlich überrascht dass es zwischen Domberg im Westen und Logenhaus im Osten doch noch sowas wie ein zusammenhängendes Stadtbild gibt! Nur 100 Meter gen Norden endet die “heile Welt” aber überall ganz abrupt, und gibt es außer Marktplatz und Kirchen fast nur noch Tristesse zu “bestaunen”. Einige Anmerkungen:

    -Bis auf einige Solitäre aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert (tatsächlich die besten Fachwerkbauten, die vermutlich je existiert haben) war das Hildesheimer Fachwerk gar nicht so überladen wie in einigen anderen Orten in der Nähe, dazu fallen merkwürdigerweise auch schon einige fränkische Einflüsse auf. Die Vorliebe für Erker, geschmückt mit Elementen aus der späten Weserrenaissance (Utlucht!) ist aber bemerkenswert und etwas ganz typisches für diese Stadt gewesen.

    -Der Andreasplatz muss irgendwann mal vollständig rekonstruiert werden, da gibt es gar keine andere Lösung. Der heutige Zustand dieses Platzes ist eine Schande, und dessen “Unterschutzstellung” einfach nur absurd. Auch zwischen Andreasplatz und Marktplatz, und östlich des Marktplatzes gab es noch einige herausragende Bauten die einfach wiederaufgebaut werden müssen!

    -Wenn es irgendwann mal gelingt, den einstigen Kernbereich der Altstadt um den beiden Plätzen herum ähnlich wie in Dresden zu rekonstruieren, dann wäre es vielleicht auch möglich den rekonstruierten Bereich mit den erhaltenen Teilen der Stadt zu verbinden - auch unmittelbar östlich des Domhügels gab es ja einige herausragende Fachwerkbauten! Für die Viertel ganz im Osten, Norden und Westen sehe ich dagegen leider kaum noch eine Chance, einerseits weil dort einfach (nahezu) nichts mehr vorhanden ist, aber auch weil es dort schon vor der Zerstörung kaum noch Nennenswertes gab, was man heute rekonstruieren könnte. Trotzdem sehe ich für diese Stadt als Ganzes (und auch für Braunschweig!) immer noch Chancen, während Städte wie Nürnberg oder Köln mE. hoffnungslos verloren sind.

    Wesel wirkt auf mich vor allem so komisch, weil bis auf die genannten 2 Rekos einfach nichts mehr da ist! Sogar die Neustadtkirche, eine zweite große gotische Kirche, ist restlos verschwunden - kein Vergleich zu Nürnberg oder Köln also. An und für sich ist vor allem Nürnberg da weitaus “erkennbarer” geblieben als viele Städte in NRW. Aber, dort handelt es sich eben nicht nur um eine vormals nette Altstadt, sondern um eine der ehemals großartigsten Städte Europas, also wirkt das heutige Nürnberg auf mich dennoch weitaus bedrückender als Wesel. Da bin ich also voll bei dir, aber diese Diskussion hatten wir hier schon öfter. ;)

    Die beiden schön rekonstruierten Gebäude haben in diesem trostlosen Umfeld tatsächlich eine komische Wirkung! Dasselbe gilt aber auch für Duisburg, und in Düren ist sogar alles weg. Emmerich ist kaum besser, aber diese Stadt hat zumindest noch eine schöne Rheinpromenade, während in Wesel sich ein Stadtautobahn zwischen Altstadt und Rhein befindet (die Altstadt liegt dort leider nicht direkt am Fluss)…

    Franka
    Rothenburg, Dinkelsbuehl und Teile der Bamberger Altstadt habe ich 2015 allerdings ganz ähnlich empfunden, wie dieser Adalbert Stifter damals Nürnberg empfunden haben muss. Ein fränkisches Meisterwerk eben, nur noch größer (und teilweise auch bedeutender) wie die heute noch erhaltenen Städten. In Deutschland fand ich ansonsten auch Quedlinburg, Stolberg/Harz und Meersburg total märchenhaft. Eigentlich unglaublich, dass auch richtige Großstädte diese Qualität mal gehabt haben müssen!

    Ja, schon Mozart gefiel Prag deutlich besser als Nürnberg. Mir gefallen die Bilder des alten Nürnbergs aber mindestens genau so gut wie das heutige Prag, einfach weil die Stadt mE. doch ein klein wenig einzigartiger war - vorbarocker Substanz gibt’s ja heute in dieser Fülle wohl nur noch in Italien, und dort ist der gängige Baustil überall ganz anders als im “Norden” (im Gegensatz zum “nordischen” Nordfrankreich, wo bis auf Troyes auch keine einzige mittelalterliche Großstadt wirklich gut erhalten geblieben ist)…

    Ja, was Fachwerk betrifft ist die südliche Altstadt von Goslar vermutlich das großartigste erhalten gebliebene Ensemble überhaupt, mal von einigen deutlich kleineren Städten in dieser Gegend (Osterwieck!) abgesehen. Trotzdem gefiel mir das farbenfrohe Quedlinburg in der Summe deutlich besser, vor allem aber auch weil dort die ganze, einzigartige Stadtanlage fast vollständig erhalten geblieben ist. Ich glaube sogar, dass Quedlinburg schon vor 1944 die am besten erhaltene Stadt der Region gewesen sein muss - Braunschweig war ja noch viel stärker gründerzeitlich überformt als Hildesheim, während Halberstadt außerhalb der beeindruckenden Kernzone eher mit Wernigerode als mit Goslar oder Quedlinburg vergleichbar gewesen sein muss. Aber jetzt wieder zurück zum eigentlichen Thema hier: Hildesheim!

    Natürlich ist es das, deswegen behaupte ich ja, es hatte auch vor dem Krieg mehr geschichtlich-architektonisches Gewicht als Hildesheim.

    Vor den Abrissen der Gründerzeit war Hildesheim aber eindeutig großartiger als das doch etwas düstere (Schiefer!) und um 1700 halb abgebrannte Goslar! Nur Rouen, Braunschweig und Frankfurt waren damals in ganz Europa als Fachwerkstädte insgesamt noch großartiger, und vor dem späten 17. Jahrhundert wohl auch London und Paris.

    Heute ist Goslar tatsächlich die großartigste Fachwerkstadt Europas, zusammen mit dem viel dichter bebauten, aber von der Architektur her auch etwas langweiligeren Troyes (wurde im 16. Jahrhundert nach einem großen Stadtbrand sehr einheitlich wiederaufgebaut!).

    das ist ja ein (gar nicht so) kleines Tübingen... dh von der Qualität der Bebauung her sogar absolut gleichrangig. Und nicht einmal kleinstädtisch.

    Schade, dass es so etwas nicht "in Nürnberg" gibt.

    Kenne beide Städte, Herrenberg ist tatsächlich sehr schön aber nie und nimmer mit Tübingen vergleichbar - nur Esslingen kommt da im Raum Stuttgart zT. immer noch mit! Ansonsten würde ich das alte Stuttgart nicht unterschätzen, denn dort gab’s bis 1944 immer noch ziemlich viele dicht bebaute mittelalterliche Gassen, nur waren die meisten Häuser verputzt, und diese sind deshalb auf alten Bildern oft nicht sofort als sehr alte Fachwerkhäuser erkennbar.

    Das hier:

    IMG_3206_sil.jpeg

    wäre sogar eine ziemlich "störungsfreie" Ansicht Altnürnbergs. Weiß man, warum die Steinsichtigkeit bei den beiden Häusern eigentlich aufgegeben worden ist? Beinahe wirken sie "verpackt"? Doch nicht ...., das kann doch nicht sein bei gotischen Häusern?

    Ja, schon sehr steril, kaum vergleichbar mit dem “patinierten” Stadtbild auf alten Bildern. Schon deshalb vermute ich, dass Nürnberg auch ohne Zerstörung heute vielleicht nicht mehr ganz so schön gewesen wäre. Salzburg zB. ist heute auch so eine Stadt die etwas “totsaniert” wirkt (auf mich zumindest), wenn auch immer noch weitaus besser als deutschen GroßStädte, weil unzerstört.

    Das hier:

    IMG_3206_sil.jpeg

    wäre sogar eine ziemlich "störungsfreie" Ansicht Altnürnbergs. Weiß man, warum die Steinsichtigkeit bei den beiden Häusern eigentlich aufgegeben worden ist? Beinahe wirken sie "verpackt"? Doch nicht ...., das kann doch nicht sein bei gotischen Häusern?

    Ja, schon sehr steril, kaum vergleichbar mit dem “patinierten” Stadtbild auf alten Bildern. Schon deshalb vermute ich, dass Nürnberg auch ohne Zerstörung heute vielleicht nicht mehr ganz so schön gewesen wäre. Salzburg zB. ist heute auch so eine Stadt die etwas “totsaniert” wirkt (auf mich zumindest), wenn auch immer noch weitaus besser als deutschen GroßStädte, weil unzerstört.

    Und genau diese komplett zerstörte Ecken sehen heute meist auch gar nicht mehr so schön aus! Zum Beispiel die Hauptstraße von Burtscheid:

    Hauptstra%C3%9Fe%2C_Aachen-Burtscheid.JPG

    Fast ein Totalverlust also. Kein Vergleich zum schönen Domviertel, wo rein zufällig noch einiges stehengeblieben ist, und der Wiederaufbau schon deshalb eine leichtere Aufgabe war!

    Ja, wegen den Straßenkämpfen im Oktober 1944 und den vielen kleineren Bombenangriffen. Ein riesiger Flächenbrand hat’s dort aber nie gegeben, so dass überall zumindest noch etwas Brauchbares stand, im Gegensatz zu Städten wie Köln, Nürnberg oder Frankfurt.

    Aachen ist halt eine Mischung aus Belgien (das ehemalige Fürstbistum Lüttich insbesondere - siehe der fast überall für die Tür- und Fensterrahmen verwendete Blaustein aus Namur) und dem Rheinland und ist schon deshalb ein ziemlich einzigartiger Sonderfall in der europäischen Städtelandschaft. Auch wurde Aachen trotz Bombenangriffe nicht wirklich von einem richtigen Großangriff getroffen, so dass sehr viel Altbausubstanz 1945 einfach noch vorhanden war, im Gegensatz zu den Städten wo nur noch so wenig vorhanden war, dass man bis auf gewisse Einzelbauten einfach Tabula Rasa machen konnte.

    Sehr interessant sind übrigens auch die hier nicht gezeigten Vororte Burtscheid und Laurensberg, und etwas außerhalb auch Kornelimuenster und das niederländische Vaals!