Dresden, Neumarkt - Quartier VI - Blobel

  • Ich halte mich nur "kurz", sonst driften wir zu weit vom Thema ab.

    Wenn ich die beiden entzerrten Bilder hier für Präsentation nochmals aufarbeiten müsste, kostet mich das mindestens nochmals eine bis zwei Stunden. Wenn ich einen solchen Vergleichsvorgang für mich mache, ist das ein Prozess auf dem Bildschirm, wo ich die Bilder hin und her schiebe, übereinanderkopiere, eine Ebene ausschneide, Konstruktionslinien einzeichne... Die Front des Erkers wird ja bei der Entzerrung gegenüber der Fassade immer noch grösser dargestellt, also müsste man diese für die Darstellung auch noch verkleinern und verschieben. Eine solche Darstellung, die für jedermann plausibel wäre, erspare ich mir für meine persönliche Arbeit, weil ich darin Übung und auch keinen Auftraggeber habe, dem ich Rechenschaft ablegen muss. Auf dem Bildschirm ist zudem ein Taschenrechner geöffnet, damit ich allfällige Proportionen wie Goldener Schnitt etc. nachprüfen kann.

    Ich poche vielleicht zu fest auf das Vertrauen in meine Arbeit, aber am Beispiel des Gasthauses "zum Roseneck" in Frankfurt a. M. kannst du dich vielleicht von einer solchen Arbeit, für die mir keinerlei Planmaterial zur Verfügung stand, überzeugen (21 Beiträge!).

    Dass die Bilder bei Rampische Str. 9 fehlten, dürfte eigentlich nicht sein. Für diesen Hoster (Hostpoint AG) zahle ich seit 2005, und diesen hatte ich ausgehend vom APH eingerichtet und benutze ihn jetzt auch für anderes. Wenn dort mal wegen Wartungsarbeiten kurz etwas abgestellt werden muss (ausschliesslich während der Nacht!), wird man per Email informiert. Da muss es sich um einen kurzfristigen Ausfall gehandelt haben; wenn ich jeweils einen Blick auf die Bilder warf (wie auch jetzt), waren sie immer vorhanden.

    Beim Dom-Römer-Projekt in Frankfurt habe ich tatsächlich zwischendurch Kritik geübt, vor allem bei zwei Fachwerkbauten (von insgesamt vier). Die Einzelfassaden, die Dachlandschaft und die Höfe sind in Frankfurt insgesamt aber besser ausgefallen als am Neumarkt in Dresden. Als Stadträume sind die beiden aber nicht vergleichbar, darum geht es ja nicht. Es geht auch nicht um die Technik des Entzerrens, sondern was man daraus herausholt und aus weiteren Fotos herauslesen kann. Im letzten Beitrag verzichtete ich absichtlich auf einen Hinweis auf den Samstagsberg in Frankfurt (Rekonstruktion 1981/83), der auf einer noch höheren Stufe als das jetzt rekonstruierte Altstadtquartier in Frankfurt ist. Frankfurt hatte halt den Vorteil, dass bei beiden Rekonstruktionsprojekten Investorenheinis wie in Dresden von vornherein ausgeschlossen waren. Der Samstagsberg (Ostzeile) wurde in den letzten 15 Jahren ungerechtfertigt von vielen Seiten verrissen und als Disneyland hingestellt (nicht hier im Forum). Ich sah mich dann wirklich genötigt, hier im Forum vor 13 Jahren mal eine Gegendarstellung, aber auch mit Kritikpunkten, zu verfassen. Siehe 1. Beitrag und 2. Beitrag.

    Die einzigen Gebäude am Neumarkt, die von privater Hand rekonstruiert wurden, sind An der Frauenkirche 16 und 17 (nebst Rampische Str. 29), und man sieht es Ihnen an, dass sie mit viel Liebe wiedererrichtet wurden. Aber auch dort wurde seitens der Stadtverwaltung dem Bauherrn vor Baubeginn eine um 30 cm zu hohe künftige Strassenkote mitgeteilt, sodass der Bauherr umangreiche Änderungen vornehmen musste. Ich getraue mich fast nicht mehr, meinen aus viereinhalb Worten bestehenden Ausruf zu wiederholen.

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (30. April 2019 um 16:29)

  • Genau diesen Ausruf solltest Du Dir auch einfach sparen, lieber, Riegel, finde ich. Und ein paar andere Foristen hier offensichtlich auch, denn den einen oder anderen "Like" hatte ich ja schon auf mein sarkastisches Machwerk... :)

    Alles andere ist unbenommen.

    Sicher hätte man im Detail einiges am Neumarkt verbessern können. Mit dem nötigen " Keingeld".
    Aber im Unterschied zu z.B. den Projekten in Frankfurt hat die Stadt Dresden leider kein Geld für die Umsetzung der Hochbau-Maßnahmen investiert.

    Konkret:
    In Frankfurt wurde der Hochbau (also die Rekos und Neubauten der neuen Altstadt) auf etwa 1ha Fläche mit fast 200 Mio Euro Öffentlichem Geld mitfinanziert. (Die Gesamtinvestition war deutlich höher, der benannte Betrag ist der "Verbleibende Rest", der aus Steuergeldern gezahlt wird, also dauerhaft als Schulden bei der Stadt F verbleibt.

    In Dresden haben PRIVATE Investoren nach aktueller Darstellung der Stadt auf ca. 13ha Fläche bisher 660 Mio Euro investiert. Weiteres Geld folgt für die beiden noch zu bauenden Quartiere.
    Die Stadt Dresden hat 22 Mio - für Straßen und Erschließung (18) und Planung (den Rest) ausgegeben. Davon waren 2/3 Fördermittel.

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    Es ist evident, dass ein privater Investor bei derzeit maximalen Mieterträgen von 12,- Euro kalt am Neumarkt eben nur bei um die 4.000,- Euro pro qm Herstellungskosten rauskommen muss.
    Sonst ist ein solches Projekt nicht privat finanzierbar.

    Und dann ist halt irgendwann Schluss und man muss z.B. bei den Forderungen der Wärmeschutzverordnung die veränderten Fensterprofile akzeptieren.
    Oder eben auch die Notwendigkeit, dass eine Planung irgendwann nur noch 95% der kunsthistorisch-rekonstruvistischen Maximal-Wünsche erfüllt.

    Mich würde bei aller hier geäußerten Kritik mal eine Erläuterung interessieren, wie man das besser machen soll? Bauträger müssen Rendite erwirtschaften, die Versorgungswerke als neue Eigentümer der Immobilien ebenfalls. Architekten und Kunsthistoriker arbeiten nicht kostenfrei... "Riegels" ja offensichtlich auch nicht.

    Ich finde in Dresden ist das vorhandene Kapital sehr gut eingesetzt worden.

    Ich bin wieder mal polemisch und postuliere:
    Rechnen wir die Kosten der Erneuerung des Kulturpalastes mit seinem phantastischen Konzertsaal und der tollen Bibliothek finanziell zu den 660 Mio bereits investiertem "Privatgeld" hinzu, dann haben wir in Dresden die vergleichbaren 880 Mio. der Hamburger Elbphilharmonie auf 150 Mio. öffentliches Geld reduziert, einen vergleichbaren Konzertsaal und "nebenbei" 13 ha Stadterneuerung, statt ein Glashäubchen auf einem Backstein-Kühlhaus...

  • Mutierst du jetzt noch zum Rechenkünstler? ;) Was haben der Kulturpalast und die Elbphilharmonie mit der Thematik und den Baukosten der rekonstruierten Dresdener Bürgerhäuser zu tun?

    Alle von mir kritisierten Details, auch an den andern Bauten, die ich erwähnte, haben nichts mit Mehrkostenfolgen zu tun. Wenn bemängelt wird, dass man auch bei der Aussenhülle lieber Ziegelstein hätte anstatt ein Wärmedämmsystem, dann gibt es Mehrkosten (siehe Rampische Str. 29, wo tatsächlich finanzielle Problenme entstanden). Als Architekt hat man aber auch die Pflicht, auf die langfristige Nachhaltigkeit hinzuweisen, und diese Rechnung spricht eindeutig für Mauerwerk, was bei diesem Gebäude zum Glück der Fall ist.

    In Dresden kommt noch hinzu, dass die Stadt und der Freistaat den Boden jeweils an den Meistbietenden veräusserten, um die Stadt- und Staatsfinanzen zu sanieren. Wieviel haben aber diese für den Boden einst bezahlt?? Wahrscheinlich ein Häppchen. Also ist es logisch, dass nur noch diese unsympathischen Grossinvestorenheinis zum Zuge kamen. Wie sieht es in Frankfurt aus? Wie in Lübeck? In Frankfurt war es ein Generalunternehmer, der alle 40 Bauten ausführte, die nach Fertigstellung dann an die einzelnen privaten Eigentümer übergingen. In Lübeck treten sogar Einzelpersonen schon als Bauherren und künftige Bewohner auf. Zudem sind dort massive Aussenhüllen vorgeschrieben. Schon rein aus diesen Unterschieden wird in Frankfurt und Lübeck ein anderer Geist wehen als in Dresden.

    Nun kommen wir wieder zu meinen Kritiken der ungenügenden Detailsausführung zurück. Diese verbinde ich gerade mal mit Augenübungen, ohne dass man entzerrte Fotografien vor sich haben muss. Hierzu öffnet die beiden Bilder in separaten Fenstern:
    (das geht jetzt mit dieser neuen Bildregelung leider auch nicht mehr) Dann halt so:
    Diesen Link öffnen und mit dem folgenden Zitat vergleichen:
    https://www.dresden.de/de/stadtraum/b…Quartier-VI.php

    Betrachtet die vier Pilaster am 1. Obergeschoss (die wurden im 19. Jahrhundert durch den Umbau des 1. Obergeschosses und Einbezug ins Eckhaus nicht verändert). Sie sind alle gleich breit. In der Rekonstruktion sind die äusseren beiden Pilaster breiter als die beiden am Erker. Dies bedingt auch zwei unterschiedlich breite Kapitelle >>> Mehrkosten! Hätte man die äusseren Pilaster wie beim Original schmaler gemacht, wäre mehr Platz für die Regenwasserrohre geblieben, und das verkröpfte Gesims über den Kapitellen hätte nicht so unbedarft einfach abgeschnitten werden müssen, sodass die Verkröpfungen so einseitig ausgefallen sind. Das sieht jetzt doch einfach beschissen aus! Genau gleich wie wie beim verkröpften Sims über dem Erdgeschoss.

    Zur Ausladung der Gesimse über dem 2. und 3. Obergeschoss am Erker: in der Frontalansicht greifen die Gurtsimse mit ihren äussersten Kanten seitlich nicht über die Fenster der Fassade hinaus. Bei der Rekonstruktion hingegen schon... Ich spreche da von einem Mass von 30 cm. Dadurch kollidieren die zu weit ausladenden Simsen mit den Fensterschlusssteinen. Also macht man einfach die Schlusssteine schmaler, oder verschiebt sie samt den Fenstern darunter... eines beisst das andere - nur weil die Grundmasse vom Planer nicht verstanden wurden.

    Die Verkröpfungen der Erkersimsen: das Hauptsims (also die höhere senkrechte Fläche, und nicht der "Architrav") hatte in der Breite gemessen ein Verhältnis von 1:1,6:1, also Zahlen des goldenen Schnittes. Die Rekonstruktion hat das Verhältnis 1:1,1:1 - also irgendwelche zufälligen Zahlen.

    Sehr breite seitliche Fensterrahmen am Erker: der Planer hatte Angst wegen einer Kollision mit den Kapitellen. Also machte er die Fensterrahmen einfach breiter. Freilich sind die heutigen Fenterrahmen wegen den Wärmedämmvorschriften breiter dimensioniert als früher; die Fensterrahmen werden aber hinter die Erkerpfosten gesetzt, und nicht neben sie. Diesbezüglich ist auch dieses missratene Detail keine Folge der Wärmedämmvorschriften!

    Ich stelle mir gerade vor, wie der Planer der Fassade am Pult ins Schwitzen gekommen ist, weil auf dem Plan einfach nichts aufging, er aber trotzdem ein Resultat abliefern musste. Ich hoffe, dass einige Leser hier diese Sehübungen auch ohne entzerrte Bilder verstanden haben.

  • In Frankfurt wurde der Hochbau (also die Rekos und Neubauten der neuen Altstadt) auf etwa 1ha Fläche mit fast 200 Mio Euro Öffentlichem Geld mitfinanziert. (Die Gesamtinvestition war deutlich höher, der benannte Betrag ist der "Verbleibende Rest", der aus Steuergeldern gezahlt wird, also dauerhaft als Schulden bei der Stadt F verbleibt.

    Das stimmt so nicht. Die Kosten für den Rückkauf des Technischen Rathauses kann man nicht einrechnen, da dieser so oder so erfolgt wäre. Insofern werden heute Gesamtkosten für das Projekt von ca. 200 Millionen Euro angegeben. Diese sind aber keinesfalls "dauerhaft als Schulden bei der Stadt F" verbucht. :lachentuerkis: Etwa die Hälfte kam durch Verkäufe von Wohnungen wieder herein, so dass ca. 100 Millionen Euro verbleiben. Für dieses Geld hat die Stadt aber neue Immobilien im städtischen Besitz, aus denen sie teils wieder laufende Mieteinnahmen bezieht. Zudem wirkt sich die Attraktivität der Investition auf die touristischen Besucher aus, die wiederum in der Stadt (und dem betreffenden Areal) konsumieren, also übernachten, kaufen, essen und trinken. Und dies führt wieder teils zu Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt.

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (2. Mai 2019 um 01:05)

  • Ich denke schon, dass man ganz gut erkennen kann, dass am rekonstruierten Bau die Gesimse weiter überstehen als auf dem Foto. Dementsprechend ist beim zweiten Erkergeschoss die die Kartusche, welche die Fensterkante mit der vorderen Gesimskante verbindet, auf dem historischen Foto senkrecht, am rekonstruierten Bau schräg. Und die Dachgauben wurden übrigens auch nicht rekonstruiert....

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Jetzt haben wir eine Diskussion auf hohem fachlichem Niveau, wie man sie sich nur wünschen kann (für ein Forum, wie das unsrige). Eine solche ernsthafte Diskussion führt dann auch schnell weg von pauschalen Äußerungen à la "Sie können es nicht." Wir haben ein bisschen was über Bildaufbereitung erfahren, wesentliche Vergleichsaspekte zum Frankfurter Projekt wurden angesprochen und der Einfluss sozialökonomischer Rahmenbedingungen auf das Baugeschehen thematisiert.

    Die Links zu den früheren Diskussionen sind gleichfalls sehr nützlich. In den historischen Tiefen des Forums kann man immer wieder wahre Schätze entdecken. Riegels Kompetenzen in der Bauforschung sind bekannt und ich werde mich auch ernsthaft mit seiner Argumentation auseinandersetzen. Das braucht aber etwas Zeit. Im Moment will ich mich nicht inhaltlich zu den verschiedenen Aspekten der obigen Diskussion äußern. Schnellschüsse mag ich nicht.

  • @UrPotsdamer

    Selbstverständlich messe ich vergrösserte Ausschnitte von entzerrten Fotos aus, oder ich überblende zwei Fotos und gebe dem einen mehr Deckkraft und dem andern weniger und umgekehrt, damit man die Unterschiede sehen kann.

    In meiner "Augenübung" sechs Beiträge weiter oben versuchte ich lediglich zu schildern, wie jedermann solche Unterschiede ohne auszumessen erkennen kann. Das Ziel einer Entzerrung ist ja immer eine Planansicht, aus der dann ein Plan gewonnen werden kann.

    Schwierig wird es, wenn eine Fassade aus verschiedenen Ebenen besteht, im Beispiel hier also die Fassade und die Erkerfront. Die Erkerfront ist ja ein bisschen näher beim Betrachter und erscheint deshalb auch grösser (demnach müssten auf der Foto von Bert die beiden Pilaster des Erkers breiter erscheinen als die beiden Pilaster an den Fassadenkanten; aber es ist ja gerade umgekehrt! Aus dieser Tatsache kann man mit Augenmass sehen, dass die Pilaster der Rekonstruktion unterschiedlich breit sind).

    Ich verweise auf ein sehr schwieriges Beispiel in der Frankfurter Altstadt, bei dem die Fassade aus drei Ebenen (auskragende Fachwerkgeschosse) bestand:
    Fachwerkbauten in Frankfurt
    Bei der vierten Bildergruppe kann man sehen, wie ich die einzelnen Geschosse jeweils ausschnitt und in der Grösse zueinander anpasste und durch Verschieben in die richtige Position brachte. Diese Vorgänge machte ich anhand zweier historischer Fotos und kam auf dasselbe Resultat.
    (Es handelt sich übrigens just um jenes Haus in der rekonstruierten Altstadt, wo zwischen dem Alten Markt und der Kunsthalle 'Schirn' heute ein U-Bahn-Abgang besteht, den die Stadt Frankfurt gerne auch noch irgendwie überbauen möchte, aber selbstverständlich nicht mit einem so hohen Haus. >>> Beitrag mit Link zu einer umfassenden Arbeit über dieses Haus.)

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (1. Mai 2019 um 15:54)

  • Ich möchte ja nicht stören....

    Einfach nur wieder mal zu bedenken geben, dass sowohl
    - das hier ab und an abfällig als "Blobelbude" bezeichnete Eckgebäude,
    - als auch das danebenliegende Haus an dem sich Riegel jetzt hier gerade mehr oder weniger professionell abarbeitet,
    Gebäude sind, die der Bauherr in Anlehnung an die Vorbilder geschaffen hat.
    Es gab keinerlei Verpflichtung, hier irgendwas zu rekonstruieren. Der Stadt Dresden war es herzlich egal und das Stadtplanungsamt hätte sicher lieber moderne Gebäude gesehen.

    Und jetzt hat das Haus in der Frauenstraße zwar eine TG-Einfahrt, sieht aber "obenrum" mehr oder weniger wie der Vorgänger aus.

    Okay okay. Ziemlich blöd, dass die Schlussteine geneigt sind.
    Und die äußeren Pilaster sind breiter. Eventuell. Eventuell ist auch nur die Verzerrung der Handy-Linse schuld an den vermeintlichen Abweichungen?

    Mit Verlaub: es juckt mich nicht die Bohne.

  • Was soll diese Diskussion hier? Ist es auch mal möglich sich an irgendwas zu erfreuen, oder muss man immer die Haare in der Suppe suchen?

    Welcher Art von kompromissloser Haltung bedarf es, um sich über so ein Bauprojekt wie das Haus Frauenstraße aufzuregen und den Satz "sie können es einfach nicht" loszulassen?
    Eine Mischung aus Unwissen um Details (zu den baulichen Rahmenbedingungen), Selbstüberschätzung (anhand von ein paar Fotos weiß ich alles), Unfähigkeit zum Kompromiss? Gepaart mit hohem Fachwissen, dass vermutlich nicht ausreichend im "richtigen" Leben gewürdigt wird? Und deswegen setzt man die Leistungen anderer derart herab?
    "sie können es einfach nicht"

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    Ist man hier, in einem Forum für klassischen Städtebau, glücklicher darüber, wenn Gebäude als kompletter Neubau mit modernen Fassade errichtet werden?
    Die Fassade an der TG-Zufahrt des Quartiers Hoym wird von der CG-Gruppe als Neubau errichtet, weil Reko und TG-Zufahrt nicht zusammen gehen. Konsequent.


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    Was ist mit den Rekos in Danzig, München, usw. die sich an die Vorbilder sehr nah anlehnen, aber schon in den 70-ern an modernen Bedürfnisse angepasst wurden?

    Alles Mist? "Sie können es einfach nicht" ?????


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    Nach städtebaulich-gestalterischem Konzept wäre in der Frauenstraße auch einfach eine "Neubau-Fassade" möglich gewesen.


    Neue Altstadt

    Lieber Frankfurt?
    Ist die gestörte Tektonik hier konsequenter gestört, als durch harmlose Fallrohre IN Fassaden?

    Lieber ein Modernes Gewandhaus?
    Oder mehr "Furunkel-Ecken"?

    Was darfs denn gern sein, die Herren?

  • Wir sind hier in einem Forum, wo es im speziellen um Rekonstruktionen geht. Aus diesem Grunde ist es hier eine Gewohnheit und auch erlaubt, eine Rekonstruktion auf fachlicher Ebene zu kritisieren und zu würdigen. Egal ob es jetzt für den Bauherrn Pflicht war, hier eine Fassade rekonstruieren zu müssen oder nicht. Es ist nun mal eine Rekonstruktion und wird auch als solche bezeichnet.

  • Mir gefällt der Neubau fast besser als der Vorgänger. Der Austritt im 4 OG und die dortige Öffnung der Fenster, alles vor dem Krieg nicht mehr da, gefallen mir. Die kräftige Note von Simsen und Ornamenten sagt mir tatsächlich sehr zu, da empfinde ich den Vorgänger im direkten Vergleich eher als blass.

    Überhaupt sind in meinen Augen sämtliche wiedererstandenen Rekonstruktionen NEUBAUTEN. Eine starke Orientierung am Original ist für mich zwar wünschenswert, aber keineswegs ein K.O. Kriterium, lediglich ein "Nice to have", wie man heute so sagt. Etwa so, wie eingebaute Spolien oder Originalsubstanz zwar schön ist, aber keineswegs unbedingt erforderlich.

  • ... eine Rekonstruktion auf fachlicher Ebene zu kritisieren und zu würdigen.

    Genau. Und berechtigte Anmerkungen, Darstellung von Unzulänglichkeiten und Verbesserungspotential. All das wurde von Riegel gut dargestellt.

    Aber der Satz "sie können es einfach nicht" ist aus meiner Sicht komplettttttt unangemessen.

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    Bitte noch mal die Quellenlage prüfen, WO das Gebäude als Reko bezeichnet wird. Mit TG-Einfahrt dürfte das schwerlich möglich sein.
    Nur weil Mitforisten hier der Einfachkeit halber von Reko schreiben, ist das nicht zwingend richtig.

    Einmal editiert, zuletzt von eryngium (1. Mai 2019 um 23:27)

  • Das stimmt so nicht. Die Kosten für den Rückkauf des Technischen Rathauses kann man nicht einrechnen, da dieser so oder so erfolgt wäre. Insofern werden heute Gesamtkosten für das Projekt von ca. 200.000 Euro angegeben. Diese sind aber keinesfalls "dauerhaft als Schulden bei der Stadt F" verbucht. :lachentuerkis: Etwa die Hälfte kam durch Verkäufe von Wohnungen wieder herein, so dass ca. 100 Millionen Euro verbleiben. Für dieses Geld hat die Stadt aber neue Immobilien im städtischen Besitz, aus denen sie teils wieder laufende Mieteinnahmen bezieht. Zudem wirkt sich die Attraktivität der Investition auf die touristischen Besucher aus, die wiederum in der Stadt (und dem betreffenden Areal) konsumieren, also übernachten, kaufen, essen und trinken. Und dies führt wieder teils zu Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt.


    Werter Heimdall, bitte nochmals die Nullen prüfen im eigenen Beitrag.
    200 Mio. Nicht nur 200.000,- Euro

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    Wikipedia:
    " Die tatsächlichen Gesamtkosten des Projekts werden im Frühjahr 2020 vorliegen, wenn alle Gebäude bezogen und festgestellte Mängel beseitigt sein werden. Nach dem aktuellen Wirtschaftsplan rechnet die DomRömer GmbH mit Gesamtkosten von „rund 200, maximal 210 Millionen Euro“.[64] Etwa 75 Millionen Euro erlöste die Stadt Frankfurt aus dem Verkauf der Wohnungen. Über 80 Millionen € gingen darüber hinaus ins Anlagevermögen der Stadt über....

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    210 - 75 (= für den Erlös aus 56 Wohnungen) = 135 Mio
    wollen wir uns darauf einigen?
    Das dieses Geld zunächst den für 2017 mit 2,1 Milliarden Euro bezifferten Schuldenstand* der Stadt Frankfurt weiter erhöht, dürfte unstrittig sein.

    Es sind also für Stadterneuerung auf 1ha Fläche mit 35 Gebäuden (15 Rekos 20 Neubauten) in Frankfurt 135 Mio Euro öffentliches Geld ausgegeben worden.

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    In Dresden wurden 660 Mio privates Geld und 22 Mio öffentliches Geld auf 10 / 13ha Fläche verbaut.
    Wie viele Gebäude, wie viele Rekos? Keine Ahnung.

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    *Dresden ist übrigens durch den Verkauf sämtlicher kommunaler Wohnungen seit 2006 schuldenfrei und hält sich auch konsequent daran, keine Schulden zu machen.

    Deswegen wurde beispielsweise die TG unter dem Neumarkt nicht öffentlich finanziert (wie in Frankfurt) und geht auch nicht ins städtische Anlagevermögen über, sondern bleibt privat.

    Und um Heimdall sinngemäß zu zitieren: "Zudem wirkt sich die Attraktivität der PRIVATEN Investition auf die touristischen Besucher aus, die wiederum in der Stadt Dresden konsumieren, also übernachten, kaufen, essen und trinken. Und dies führt wieder teils zu Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt."


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    Wieder mal was provokantes:

    FDP-Wähler würden wohl sagen, dass Dresden das geschickter gelöst hat, mit der Finanzierung und dem erzielten Gesamtergebnis. Schöngeister bedauern die Überbreite von Pilastern.
    Man entscheide selbst, ob der in Dresden entstandene Kompromiss hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Ergebnis den Satz "sie können es einfach nicht" verdient hat.

  • Du hast exakt meinen Tippfehler bemerkt. Ich habe drei Nullen vergessen. Es dürfte natürlich klar sein, dass das Areal nicht 200 Tausend (dafür gibt es hier mit Glück noch eine 2-Zimmer-Wohnung), sondern 200 Millionen Euro gekostet hat. Also, danke, ich habe das korrigiert.

    Nun, will ich mich nicht über die Haushaltspolitik der unterschiedlichen Städte streiten. Es ist unbestritten, dass die schwarz-rot-grüne Koalition in Frankfurt nicht gut haushaltet. Das liegt zum Einen am immensen Sozialetat (800 Millionen Euro/Jahr), zum Anderen unterhält Frankfurt den höchsten kommunalen Kulturhaushalt pro Kopf in Deutschland mit 189 Millionen Euro/Jahr.

    Aber, wie gesagt, mit dem Geld hat die Stadt Frankfurt Immobilien errichtet, deren Eigentümer sie ist. Hieraus werden wieder zum Teil Mieteinnahmen erzielt. Auch können die Gebäude jederzeit verkauft werden.

    Eigentlich habe ich bislang gelernt, dass es ein Unterschied ist, wofür ich Schulden aufnehme. Sind Schulden, die ich verfuttere und vertrinke, das selbe wie Schulden, mit denen ich eine Investition tätige, zum Beispiel Immobilien baue? Sind Schulden für Leute, die ich teuer in Hotels einquartiere, das gleiche wie Schulden für den Bau von öffentlichen Verkehrsmitteln? Sind Schulden also per se immer schlecht? Dann sollten wir in Deutschland am besten zumindest für die nächsten 10 Jahre keine Straßen, Schulen, Verwaltungsgebäude, Museen mehr bauen oder renovieren, um den Schuldenberg abzubauen.

    Also, was willst Du mit Deiner Rechnung aussagen?
    Dass die Stadt Frankfurt in dieser Lage keine Investitionen tätigen sollte? Lieber nur für den Sozialetat ausgeben, ohne in die Zukunft zu investieren?
    Dass Frankfurt das Dom-Römer-Projekt besser unterlassen hätte und das Areal einem Investor für Gewerbeblöcke hätte überlassen sollen?
    Dass man die Häuser im Dom-Römer-Areal besser mit Styropor-Fassade hätte errichten lassen sollen?
    Dass Dresden viel geiler ist als Frankfurt, weil man in Dresden alles richtig macht und in Frankfurt alles falsch?
    huh:)

  • ich glaube nicht, dass man in Frankfurt alles falsch gemacht hat.
    Ich glaube nur nicht, dass man sich in Dresden erzählen lassen muss es nicht zu können. Das ist alles.

    Und angefangen mit den "Stänkereien" hab ich nicht... :)
    (Sagte er und nahm das Sandförmchen vom Kopf des anderen Beteiligten)

  • Überhaupt sind in meinen Augen sämtliche wiedererstandenen Rekonstruktionen NEUBAUTEN. Eine starke Orientierung am Original ist für mich zwar wünschenswert, aber keineswegs ein K.O. Kriterium, lediglich ein "Nice to have", wie man heute so sagt. Etwa so, wie eingebaute Spolien oder Originalsubstanz zwar schön ist, aber keineswegs unbedingt erforderlich.

    Sehe ich haargenauso.

    Die seitenlangen fachlichen Kritiken im Stadtbild-Forum sind ja ganz interessant. Aber ich sehe nicht wirklich, dass dadurch auch nur eine Rekonstruktion oder nur ein klassischer Neubau in Deutschland mehr entsteht. Eher sind potenzielle Interessenten/Bauherren von solchen Diskussionen abgeschreckt, wenn sie sowas lesen, und bauen dann doch lieber eine funktionale, günstigere Renditekiste... :whistling:

  • @Heimdall
    Ich glaube, du hast das falsch verstanden. Zunächst mal das Wichtigste: Frankfurt ist eine geile Stadt, und Dresden ist auch eine geile Stadt. Und dann gibt es noch ein paar andere geile Städte in Deutschland. Die starken regionalen Zentren sind ein besonderer Wert, den wir in Deutschland pflegen sollten. In vielen Ländern gibt es eine Hauptstadt und der Rest ist Provinz. Nicht so bei uns: Wir haben geile Städte - und dann ist da noch Berlin.

    Vor dem Hintergrund der regionalen Vielfalt sind die Altstadtprojekte in Frankfurt und Dresden von besonderem Wert. Es ist doch erstaunlich, wie sehr sich die typische Altstadtbebauung in Sachsen und Hessen voneinander unterscheidet. Du kannst einem ausländischen Touristen nicht sagen: Jetzt hast du die Frankfurter Altstadt gesehen, nun weißt du, wie eine deutsche Altstadt aussieht und brauchst nicht mehr nach Dresden zu fahren (oder umgekehrt). Gerade auch beim Verfolgen der beiden Projekte in Frankfurt und Dresden ist mir nochmal bewusst geworden: Die deutsche Altstadt gibt es nicht.

    Beim Vorrechnen der Finanzen ging es natürlich nicht darum, dass irgendjemand von uns der Meinung wäre, Frankfurt solle nicht in Stadtentwicklung und Baukultur investieren. Es ging darum, ob die Stadt selbst das ganze Quartier bauen musste. Investoren errichten ja nicht nur "Gewerbeblöcke", wie du am Dresdner Neumarkt und in vielen anderen Städten sehen kannst. Dass die Stadt selbst als Bauherr eines ganzen Altstadtquartiers auftritt, wäre in keiner ostdeutschen Stadt vorstellbar. Zum einen, weil das Geld fehlt (auch Schulden muss man sich erst mal leisten können), zum anderen, weil es politisch nicht durchsetzbar wäre (mit öffentlichen Geldern Wohnungen für reiche Leute zu bauen). Die Rahmenbedingungen in Frankfurt und Dresden sind recht verschieden.

    In Dresden ist es mit relativ geringen öffentlichen Investitionen gelungen, hohe private Investitionen in die richtigen Bahnen zu lenken. Mir gefällt die Dresdner Vorgehensweise im Vergleich zu Frankfurt besser, weil sie den Traditionen des Städtebaus entspricht.

    3 Mal editiert, zuletzt von Rastrelli (2. Mai 2019 um 15:17)

  • Die Arbeiten an der Fassade des Blobelhauses ruhen z.Zt. sanft.
    Ich musste heute feststellen, dass das Gerüst abgebaut wurde. Die Frauenfiguren sind also entweder gestrichen worden, oder lassen weiterhin auf sich warten.
    Die Flächen, auf denen sie angebracht werden müssten, sind sehr sauber verputzt worden, was mich zu der Befürchtung kommen lässt, dass hier mal wieder der Rotstift angesetzt wurde.
    Weiß jemand genaueres?