Mit dem heutigen Tag möchte ich beginnen, Stück für Stück allen APH´lern und auch den Gästen des Forums meine Goldene Stadt vorzustellen. Mit dem Namen Mainz dürften sich natürlich mit einigem Augenzwinkern einige Klischees verbinden, die wohl jeder kennt und die ich hier nicht an erster Stelle nennen muß. Desungeachtet finden sich im Bereich der Inneren Altstadt grandiose und überwältigende Bauzeugnisse der Stadtgeschichte, die trotz des zweimaligen Untergangs der Stadt 1793 und 1942-1945 einen reichen Eindruck der Baugeschichte aller Epochen geben.
Ziel ist, Zug um Zug die Baudenkmale durchzufotografieren und in jeweils neuen Beiträgen jeweils einen Straßenzug neu einzustellen.
Da für die Zukunft noch erhebliches Potential zur Verfügung steht, halte ich es für sinnvoll, verschiedene Stränge mit Bildmaterial vorzusehen. An erster Stelle steht die bürgerliche Altstadt; der Ordnung halber müßten wenigstens noch zwei weitere Stränge mit den sakralen und städtischen Gebäuden sowie den Adelspalais zum einen, sowie der Bausubstanz der bürgerlichen Neustadt bzw. der Oberstadt folgen, damit der Überblick etwas gegliedert wird.
Die Fotos wurden ab 2009 in mittlerweile etlichen Durchgängen geschossen und immer wieder das bessere durch das schlechtere ersetzt.
Zunächst die Bilder nach Straßenzügen geordnet beginnend mit der Leichhofstraße, die wir auf den ersten Bildern zunächst einmal mit dem Ziel eines ersten Eindrucks als ganzen Straßenabschnitt sehen.
Das folgende Bild, die Totale des relativ kurzen Abschnitts der Leichhofstraße nach Süden, dürfte für die meisten Besuchern die Visitenkarte auf dem Weg in die Altstadt sein.
In der Bildmitte sehen wir mit dem zweiachsigen Haus Nr. 73 schon die Augustinerstraße, es ist das Haus zum KLEINEN ELEFANTEN, ein Bau um 1780 im Louis-XVI-Stil, sowie rechts angeschnitten daneben eine der großen Kostbarkeiten der Stadt, der "SPIEGELBERG", ein Renaissance-Fachwerkbau um 1610 mit geschnitzten Hermenpilastern, im 18. Jhd. barockisiert. Diese Gebäude werden im nächsten Beitrag mit der Augustinerstraße vorgestellt.
Die Leichhofstraße ist ein relativ kurzer Straßenzug, der den Leichhof mit der Augustinerstraße verbindet. Die Grundrisse des Quartiers wie auch der Hausparzellen sind seit dem Mittelalter relativ unverändert geblieben, wenn man einmal davon absieht, daß es in Einzelfällen zu einer unbedeutenden Verschiebung der Parzellen kam. Aufgrund der im Mittelalter hier ansässigen Hutmacher wurde dieser Straßenzug im MA mit "Unter den Hutmachern" bezeichnet, wechselte dann in der französischen Zeit in "Rue des Frippiers" und ist etwa seit 1825 als Leichhofstraße geläufig.
Das Erscheinungsbild der westlichen Straßenhälfte ist durch Kriegsbeschädigungen nicht mehr demjenigen entsprechend, wie es sich über die Jahrhunderte präsentierte und läßt sich am ehesten dadurch erklären, daß aus ehemals sieben Parzellen durch Zusammenlegung nunmehr vier geschaffen wurden. Durch die auf den Vorkriegsaufnahmen noch reichlich erkennbaren Hausgiebel der bisherigen sieben Parzellen scheint die Raumwirkung damals eine wesentlich tiefere gewesen zu sein. Die Änderungen umfassen heute:
- Die heutige 1-3 ist eine Zusammenlegung der ehemaligen 1 (Haus zum Großen Spiegel) und 3 (Haus zum Kleinen Spiegel).
- Die heutige 5 ist eine Zusammenlegung der beiden Häuser Zum Großen Schildknecht bzw. zum Kleinen Schildknecht.
- DIe heutige 7-9 ist eine Zusammenlegung der bisherigen Häuser 7 Zum Hohen Haus bzw. 9 Zur Großen Henneburg.
- Die Leichhofstraße 13 (Zur Bechtelmünz) hat auf der Seite zur Leichhofstraße hin ihr altes Erscheinungsbild gewahrt, zum Leichhof hin ist sie mit dem Nachbarn, dem Haus zum Frauenstein, innen vereinigt worden.
Das Erscheinungsbild der Ostseite ist der Zeit des Wiederaufbaus nach 1793 entsprechend, bei der durch Zusammenlegung von ehemals 10 Parzellen auf heute sieben das jetzige Bild geschaffen wurde. Die ehemaligen 10 Häuser der Ostseite trugen von Norden nach Süden die Hausnamen:
Goldene Waage - Kemenich - Kleiner Glockengießer - Großer Glockengießer - Kleiner Goldener Helm - Großer Goldener Helm (vormals: Zur Medeburg) - Großer Gaukelstein - Kleiner Gaukelstein (Nord) - Kleiner Gaukelstein (Süd) - Geigelstern - nochmals: Gaukelstern (Eckhaus zur Grebenstraße.
Wenn auch die direkt südlich der Leichhofstraße anschließende Augustinerstraße den prominentesten Rang in ihrer Bedeutung als gewachsene Geschäftsstraße aufweist, kann es keinen Zweifel geben, daß der Leichhofstraße der Status als Herzmitte des alten Mainz zukommt. Das hat verschiedene Gründe: die Dichte an für die Stadtgeschichte bedeutsamen Baudenkmälern, die Überleitung zum Leichhof, der seit Jahrhunderten ebenfalls Marktfunktion hat, die Überleitung in die Augustinerstraße sowie natürlich als Stelle des erhabensten und überwältigendsten aller Domblicke, über der der Westturm in überirdischer Schönheit thront.
Ernst Neeb, der hochverehrte Altmeister und Nestor der Mainzer Denkmalpflege, begann um die Jahrhundertwende herum mit der Dokumentation des Bestandes sowohl dokumentarisch, wo sein "Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Stadt Mainz", 1905 erschienen, Schlüsselfunktion für ein erstes Einarbeiten bietet. Seine unzähligen Aufnahmen und Dokumentationen, die auch vielfach Details liefern, von denen man sich ansonsten kaum noch ein Bild machen könnte, sind in ihrer Wertigkeit nicht hoch genug einzuschätzen. Immer schon, auch vor 1942, wurde der Leichhofblick zum Dom als der erhabenste angesehen. Wenn auch nun die folgende Fotodokumentation der bürgerlichen Altstadt den ersten Rang erhalten soll, hat es seine Richtigkeit, dem Westturm als Herz und Seele der Stadt mit den ersten Bildern seine Reverenz zu erweisen. Die beiden Wahrzeichen von Mainz, der Dom, sowie der Blick durch die Leichhofstraße mit dem Haus zum SPIEGEL zur linken, sind untrennbar miteinander verbunden!
Das Haus zum SPIEGEL (Leichhofstraße 1-3) dürfte das mit Abstand meistfotografierte Bürgerhaus der Stadt darstellen. Seine Lage als Kopfbau im keilförmigen Quartier zwischen Heiliggrabgasse, Leichhof und Leichhofstraße sowie im nördlichen Anschluß an die Augustinerstraße mit Hinleitung zum Westturm des Doms haben es zum Wahrzeichen und einem Sinnbild des alten Mainz gemacht. Daß der Leichhofstraßenblick mit ihm zur linken "eigentlich" eine Selbstverständlichkeit auf dem Titel eines jeden Stadtführers ist, sei am Rande erwähnt. Die erhaltenen Dokumentationen des alten Mainz vor 1942 zeigen, daß im Hinblick auf die Gesamtanzahl der Bürgerhäuser gesehen Fachwerkbauten insgesamt nicht die größte Anzahl darstellten und einer höheren Summe von rein konstruktiv bedingten, im allgemeinen verputzten Bauten nur ein geringerer Anteil von Zierfachwerkbauten zukam. Natürlich wird man auch zugestehen, daß Mainz trotz vielfältiger Beziehungen zu Frankfurt niemals Bauten wie die des großen und kleinen Engel, des Salzhauses, dem Schwarzen Stern oder der Goldenen Waage aufwies. Bei einem Gebäude, das Haus zum LANDECK / Zum KUCKUCK, ehemals SOLMSER HOF, in der Betzelsgasse 1, läßt sich aufgrund des außerordentlich reichen Zierfachwerks eine Ausnahme machen. Seine Lage mit dem Nachbarn zur linken, dem KRONBERGER HOF, machte das Gebäude einst zum meistfotografierten Punkt der Altstadt. Im Bewußtsein geblieben sind auch die außerordentlich reichgeschnitzten Hoferker des Hofs zum KORB in der Korbgasse 3 von 1621 und des Köthergäßchens 4 von 1605.
Beim Haus zum SPIEGEL soll vorbemerkt werden, daß das Haus nicht ohne größere Beschädigungen den Krieg überlebt hat und daß das Erscheinungsbild heute dasjenige des Wiederaufbaus um 1950 ist, bei dem neben des Neuaufbaus des Hausgiebels die Ostseite zur Leichhofstraße mit neuem Material in kompositorisch völlig neuer Zusamenstellung erfolgte und daß dabei die Hausfläche der zerstörten Nr. 3 mit einbezogen , die Fassadenbreite und ehemalige Parzellenzugehörigkeit somit aufgedoppelt wurde.
Nach den Zerstörungen im 30jährigen Krieg durch Schwedische Besatzung lag ein großer Teil des gesamten Areals brach und die Baugeschichte der südlichen Altstadt geht auch großteils einher mit der Neubebauung auf dem alten Grundriß der bisherigen Häuser Zum Großen Spiegel (vormals Spiegelberg) und Zum Kleinen Spiegel
Wenn auch das Baujahr des SPIEGEL bisher nicht eindeutig festgelegt werden konnte, dürfte die Errichtung dieses Hauses etwa zwischen 1660 und 1680 erfolgt sein. Die Abschnitte der Entwicklung des Gebäudes ist heute in allen Teilen ablesbar. Das steinerne Erdgeschoß wurde entsprechend der Nutzung als Geschäftshaus mehrfach verändert. Bis zur Mitte des 19. Jhd. spannten sich jeweils an der Süd- und Ostseite 3 Laubenbögen, die in ihrer Form mit einiger Sicherheit auf einen Umbau laut Datierung der Wetterfahne auf 1730 schließen lassen. Dagegen sind für die Westseite in der Heiliggrabgasse 3 Fenster mit geohrten Rahmen, auch aus etwa dieser Zeit, überliefert. Nach dem Wiederaufbau des Gebäudes nach Kriegsbeschädigung um 1950 wurde es in die folgende Form gebracht.
Süd- und Westseite sind heute weitgehend original überliefert und präsentieren sich als dominanter Kopfbau mit reichem Zierfachwerk und markantem zweigeschossigem Mittelerker, dessen Konsolen allerdings etwa um 1900 erneuert wurden.
Bei den folgenden Bildern handelt es sich um den "SCHILDKNECHT", Leichhofstraße 5. Das heutige Erscheinungsbild ist im Vergleich mit der Hausgeschichte etwas verändert. Das Haus geht auf ursprünglich 2 separate Gebäude zurück, die unter dem Namen GROSSER bzw. KLEINER SCHILDKNECHT überliefert waren und ebenfalls in der 2. Hälfte des 17. Jhd. im Zug der Wiederbebauung errichtet wurden.
Die beiden Hausteile wiesen vor dem Krieg beide steile Hausgiebel auf und setzten Akzente in der Höhenwahrnehmung des gesamten Baublocks. Die ursprüngliche Hausteilung läßt sich nachvollziehen, wenn man im zweiten Obergeschoß eine "optische Trennung" zwischen den 3 Fenstern links und den 2 Fenstern rechts macht und sich für die linke Haushälfte einen hoch aufragenden, rechts einen weniger hohen Hausgiebel vorstellt.
Im ersten Viertel des 18. Jhd. wohl etwa um 1720, wurden die beiden Gebäude durch prachtvolle Laubenbögen vereinigt, die heute in ihrer Art eine besondere Kostbarkeit darstellen. Die nördlichen 3 Bögen tragen Scheitelsteine mit grotesken Blattmasken. Die beiden südlichen wirken durch ihre Rokokokartuschen jünger, wobei natürlich die Möglichkeit besteht, daß zu einem späteren Zeitpunkt diese Bögen durch Ladeneinbauten verändert wurden und die Kartuschen frei nachgestaltet wurden.
Die Bogenansätze sind mit Akanthusmotiven verziert, im Sockelbereich der südlichen Hälfte ist ein Christusmedaillon ausgearbeitet, an der nördlichen Ecke ein ionischer Pilaster. Ansonsten trägt der Fachwerküberhang und die gewachsene Anordnung der Fenster wesentlich zu einem unverwechselbaren Gesamtbild bei.
Den Krieg überstand das Haus mit Zerstörung von Dächern bzw. Giebel. Stattdessen wurde eine Traufenfront gebildet, die natürlich im Vergleich zum vorherigen Zustand dem Haus einiges von seiner Kleinteiligkeit genommen hat und doch sehr lagernd wirkt. Gleichzeitig ist sie Zeugnis für die verschiedenen Phasen der Vereinigung der beiden Hausteile. Aus historischer Sicht war die Wahrnehmung der Leichhofstraße eine ganz andere, da, wie bei den anderen Bauten auch, auch dieser Bau vor 1942 als zwei individuelle Hausteile wahrgenommen wurden.
Die folgenden Bilder stellen den heutigen Zustand der 7 und 9 dar. Die ehemaligen beiden viergeschossigen verputzten Fachwerkhäuser dürften aus der Zeit um 1700 gestammt haben und trugen die Hausnamen " Zum HOHEN HAUS (vormals: ZUM GROSSEN KANNENGIESSER)" und "Zur GROSSEN HENNEBURG (auch: Großer Henneberg)". Bei der zweiachsigen 9 sind im Erdgeschoß zwei Bögen Ladenarkaden überliefert, die an einen späteren Einbau in der Spätphase des Barock, vielleicht um 1740 denken lassen und die nach dem vorhandenen Bildmaterial zu schließen um 1900 unverständlicherweise unter Putz lagen oder ganz erneuert wurden. Nach 1860 scheint das Haus eine Aufstockung um ein 3. Obergeschoss und ein Zwerchhaus erfahren zu haben. Im Vergleich zur 9 lag die Fassade der 7 etwas zurückversetzt; vermutlich erfuhr dieses Haus ebenfalls im 19. Jhd. eine Aufstockung um ein weiteres Obergeschoß. Nach Beschädigungen und Zerstörungen wurde die dreiachsige 7 und die zweiachsige 9 zu einem nur dreigeschossigen Putzbau in Traufenstellung, mit Wiederaufnahme der Anordnung der Fenster, vereinigt. Im modernisierten Erdgeschoss sind noch 3 originale Kragsteine bzw. Balkenköpfe übernommen worden; die anderen stellen Neuschöpfungen im Rahmen des Wiederaufbaus dar. Es handelt sich um schöne Zeugnisse ihrer Zeit.
Die heutige 11 und 13, das Haus zur BECHTELMÜNZ, stellt eines der herausragendsten Bauzeugnisse bürgerlichen Bauens dar. Für das Grundstück sind vor der Benennung in "Bechtelmünz" die Hausnamen: Zur Kleinen Henne, später: Zum Frauenstein, überliefert. Die Parzellengeschichte reicht bis ins Mittelalter zurück; um eine Erklärung des heutigen Hausnamens zu finden, scheint am ehesten in Betracht zu kommen, daß das mit der Familie Gensfleisch/ Gutenberg verwandte Geschlecht der Bechtermünze im Quartier einigen Grundbesitz aufweisen konnte. In Eltville ist die Erinnerung an Johannes Gensfleisch zur Laden und die Bechtermünz´sche Verwandtschaft mit dem Hof Bechtermünz(e) als ältestem überhaupt erhaltenem Druckhaus sehr lebendig geblieben - Gutenberg richtete dort den Bechtermünzes eine Druckerei ein, dort wurde unter anderem auch das "Vocabularius ex quo", gedruckt.
Im Bewußtsein, daß das Gebäude das erste von echtem Format auf dem Weg in die Altstadt, von Norden her kommend ist, wird das Gebäude mit etwas umfangreicherem Bildmaterial vorgestellt - es soll nicht für jedes Haus zur Regel werden, hat aber hier doch seine Berechtigung.
Da in vielen Fällen die Baugeschichte der Häuser für die Zukunft noch ein umfangreiches Betätigungsfeld liefert, muß leider das genaue Baujahr zunächst noch offen bleiben. Es wird auf das Ende der 1720er bzw. um 1730 datiert.
Die vierachsige Fassade zur Leichhofstraße und die nur zweiachsige zum Leichhof wird durch breite Stockwerkgesimse horizontal, sowie vertikal geprägt durch die Fensterrahmen, die durch Sturz- und Brüstungsfelder verlängert sind.
Eine wesentliche Dominanz erhält das Gebäude durch individuelle Bandelwerkdekorationen in allen Sturz- und Brüstungsfeldern und besonders durch die Betonung der Hausecke durch den raumprägenden Eckerker mit einem Brüstungsrelief des ruhenden heiligen Franz Xaver. Die Ausprägung als Eckerker, auf zwei toskansichen Säulen ruhend, war schon im alten Mainz vor 1942 einzigartig.
Im 19. Jhd. erfuhr das Gebäude eine Aufstockung um ein Vollgeschoß, das sich nach dem vorhandenen Bildmaterial sehr gut an den Bestand anpaßte und nur auf Bandelwerkdekorationen verzichtete. Nachdem das Gebäude vollständig ausbrannte und vor einer Sicherung einsturzgefährdet war, wurde es auf den Zustand des 18. Jhd. hin (bei Verzicht auf das 3. Obergeschoss) wieder aufgebaut. Als optischer Bruch erscheinen natürlich die stark veränderten Erdgeschosse in der 11 und 13; im Vergleich mit allen Vergleichsbeispielen wären auch für dieses Gebäude ursprünglich Laubenbögen anzunehmen. Allerdings waren die beiden Erdgeschosse schon um die Jahrhundertwende durch unmaßstäbliche Ladeneinbauten verändert.
Das Gebäude ist unter anderem auch deshalb von besonderem Interesse, da es als eines von nur noch zwei aus der klassischen Zeit die Erinnerung wachhält an eine nicht zu unterschätzende Zahl von Bürgerhäusern bzw. Adelshöfen, deren Ecke mit einem Erker ausgestaltet war und die nun alle verschwunden sind. Das zweite Gebäude steht nicht weit von der Leichhofstraße in der Heringsbrunnengasse Nr. 7, Ecke Weihergarten, und ist unter den Namen STOLZENBERG / STOLZENBURG, GROSSER und KLEINER NASSAU, ebenfalls ein herausragendes Schmuckstück der Altstadt.
Das Brüstungsrelief im Eckerker der BECHTELMÜNZ zeigt den heiligen Franz Xaver, auf einer Matte ruhend mit einem Kruzifix im Arm. Aus den Wolken schauen Cherub, von rechts fliegt ein Engel mit einem Kranz herbei, am unteren Ende ein Buch und ein Krug.
Die rechte Haushälfte (Leichhof 13, Zum FRAUENSTEIN), scheint aus der gleichen Zeit zu stammen wie die BECHTELMÜNZ, erfuhr im Vergleich zu dieser aber eine ganz andere Fassadengestaltung. Die dreigeschossige und dreiachsige,schlicht ausgebildete Fassade zeigt hohe, rechteckige Fenstereinfassungen und Gurtgesimse. Im Gegensatz zu heute war die Fassade 1836 durchgehend rustiziert und unter den Fenstern Spiegelfelder ausgelassen; ob damit der ursprüngliche Zustand repräsentiert wird, bleibt zunächst offen. Der weitgehend ausgebrannte Bau wurde zusammen mit der BECHTELMÜNZ wiederaufgebaut und ist heute in geschäftlicher Nutzung mit ihm vereint.
Mit den folgenden Bildern soll nun die Ostseite der Leichhofstraße vorgestellt werden.
Die 2 stellt einen ganz einfachen, zurückhaltenden Putzbau aus dem 19. Jhd. dar, der nicht unter Denkmalschutz steht und bei dem auch zur Hausgeschichte bisher nichts herauszufinden war. Die drei ursprünglichen Parzellen des jetzigen Hauses wurden offensichtlich im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau nach 1793 zusammengelegt und trugen vorher die Hausnamen: Kleiner Gaukelstein, Zum Geigelstern und nochmals Zum Gaukelstein. Das jetzige Haus trug wahrscheinlich um 1900 den Namen "Zur LANDSKRONE" , das bleibt zunächst noch offen.
Auf dem Bild sieht man die Mainzer Eigenart blauer und roter Straßenschilder. Die blauen Schilder laufen parallel mit dem Rhein, die roten führen zum Rhein hin. Die allgemein geläufigste Erklärung (bei der allerdings die Fakten nicht mit dieser übereinstimmen, da die Straßenschilder erst lange nach 1797-1815 in Umlauf kamen, bringt diese mit den französischen Zeiten der Stadt in Verbindung und besagt, dies habe den Soldaten zur Orientierung gedient. Das Rot soll auch warnende Funktion gehabt haben; wer würde das bei etwa 200 Wein- und Bierstuben auch nicht verstehen...
Durch den Durchgangsbogen des Bockshöfchens hindurch ergibt sich ein reizvolles Bild auf das ebenfalls hochbedeutende Haus zum GAUKELSTEIN, um 1900 auch: Zur LANDSKRONE, Leichhofstraße 4.
Das Haus ist leider ebenfalls undatiert und dürfte anhand der Scheitelsteine in etwa auf 1730 bis 1735 zu datieren sein. Der Putzbau vereint die vorherigen Hausplätze KLEINER bzw. GROSSER GAUKELSTEIN, deren Namen schon für das 15. Jhd. überliefert sind. Im ansonsten zurückhaltenden Abschnitt der Ostseite der Leichhofstraße stellt das Gebäude mit Abstand die größte Dominante dar. Es läßt sich vermuten, daß das Haus überdies das einzige im Straßenabschnitt ist, das die Beschießung 1793 überlebt hat. Das Erdgeschoß ist in einer Sandsteinarkatur aus drei Bögen zusammengefaßt, links davon öffnet sich der vierte als Eingangsbogen. Die Bogenläufe sind profiliert und tragen 4 individuell ausgearbeitete Maskenköpfe. Die beiden Obergeschosse werden besonders geprägt durch die rustizierten Ecklisenen sowie die geohrten Fensterrahmungen, die für diese Zeit für die Stadt typisch sind. Angemerkt werden sollte, daß die Rahmen des ersten Obergeschosses nach der Mode des 19. Jhd. nach unten verlängert wurden. Es ist bedauerlich, daß sich im Gebäude keine Stuckaturen der Erbauungszeit mehr erhalten haben. Umgekehrt ist in der Beletage ein Stempelstuck des Jugendstil um 1910 erhalten geblieben.
Wenn wir in absehbarer Zeit zur Augustinerstrasse kommen werden, begegnet uns auch der heutige "Frankfurter Hof". Das Vorgängergebäude wurde um 1900 herum abgerissen. Sein äußeres Erscheinungsbild wies mit der Leichhofstraße 4 ein so erstaunlich übereinstimmendes Erscheinungsbild auf, daß es fast als Zwilling angesehen werden kann. Man wird in wenigstens 2 Fällen auf das Haus zum FUCHS, Augustinerstraße 67, zu sprechen kommen. Da der originale FUCHS 1903 abgerissen wurde, und mittlerweile schon zweimal rekonstruiert wurde, nämlich am Kästrich und in ahistorischer Weise auch am Markt, hat er einen gewissen Sonderstatus inne. Heute ist der GAUKELSTEIN das einzige erhaltene Zeugnis in dieser Art im Straßengefüge der siamesischen Zwillinge Leichhofstraße und Augustinerstraße und erscheint als bürgerliches Bauzeugnis aus dem Goldenen Zeitalter der Stadt etwas isoliert. Auffallend für das heutige Verständnis ist die Verschmelzung von zwei erkennbaren Grundkomponenten zu der Zeit des Baues. Zum einen ist die Verbindung als Wohn- und Geschäftshaus durch die Laubenbögen des Erdgeschosses klar erkennbar. Zum anderen muß man es aus heutiger Sicht doch als "starkes Stück" auffassen, daß der Bauherr in einer derart selbstbewußten Weise auch neben den geohrten Fensterrahmen die beiden Hauskanten mit rustizierten Ecklisenen versah, die ansonsten eigentlich nur bei den Bauten des Adels und des bürgerlichen Patriziats auftraten und so ein Gesamtbild schuf, daß ein bürgerliches Wohnhaus mit 4 Fensterachsen doch bei aller Bescheidenheit zumindest einem bürgerlichen Adelshof recht nahe kam.
Die folgenden Bilder stellen die sog. KRÄMER-HÄUSLEIN der Parzellen 6, 8 und 10 dar. Die schmalen, auf das Mittelalter zurückgehenden Parzellenstrukturen, möglicherweise aus Krämerbuden hervorgegangen, sind in diesen beiden zweiachsigen und dem dreiachsigen Haus nach wie vor ablesbar geblieben. Die Gebäude stellen zurückhaltende, verputzte Fachwerkhäuser dar, die wohl auf vorhandenem Restbestand nach der Beschießung der Stadt nach 1793 hochgezogen wurden und aufgrund des Wohnungsmangels im 19. Jhd. z.T. mehrfach aufgestockt wurden. Als Nachbarn zwischen 2 bedeutenden Bürgerhäusern stellen sie einen interessanten Vergleich dar. Man fühlt sich unweigerlich auch an die Gebäude der Rampischen Straße 11, 13 und 15 erinnert. Auch das "Schweben" des Westturms im Raumgesamteindruck erinnert etwas an Dresden.
Leichhofstraße 6 (ZUM GROSSEN GOLDENEN HELM, vormals: Medeburg)
Leichhofstraße 8 (ZUM KLEINEN GOLDENEN HELM)
Leichhofstraße 10 (ZUM GROSSEN GLOCKENGIESSER)
Die Leichhofstraße 12 ist ein interessantes Gebäude, ist es doch das Ergebnis eines "Leitbaugedankens", bei dem der GAUKELSTEIN (Nr.4) als Vorbild diente. Die Vorgängerbebauung bestand im Mittelalter aus zwei Hausparzellen, wovon die nördliche Hälfte das Haus zum KEMENICH, die südliche das Haus zum KLEINEN GLOCKENGIESSER gewesen ist. Beide Häuser wurden offensichtlich 1793 zerstört. Die heutige 12 ist etwa in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jhd. entstanden und zeigt in klassizistischer Grundhaltung die Merkmale seines Vorbilds Leichhofstraße 4 erkennbar auf. Hierzu gehört Traufhöhe, Kubatur, Stockwerks- und Achsenzahl sowie die dominante Ausprägung der hochrechteckigen Fenster, der Gurtbänderung sowie der rustizierten Ecklisenen.
Die Änderung im Erscheinungsbild betrifft in erster Linie das Erdgeschoß, welches ebenfalls nach Vorbild der 4 neu gestaltet wurde.
Leichhofstraße 12 (ehemals: ZUR GOLDENEN WAAGE)
Das vorhandene Bildmaterial zeigt am nördlichen Zeilenabschnitt eine Kriegslücke. Der jetzige Bau dürfte aus den späten 50ern stammen und ist doch recht an den Raum angepaßt.
Das Vorgängergebäude besaß eine abgerundete Hausecke und ein klassizistisch geprägtes Gesamtbild.
Das heutige Gebäude Leichhof 22-24-26 entstand 1953 nach Plänen des bischöflichen Baumeisters Schneider und des Architekten Böswetter als Nachfolgebau des kriegszerstörten Vorgängers von Joseph Rödler aus 1837. Mit seinen 45 m. Fassadenlänge bildet es die östliche Begrenzung des Leichhofs. Ziel war, das Gebäude auf den Bestand hin auszurichten und sich gleichzeitig dem Dom einzuordnen. Es ist subtil auf die Neumannschen Domhäuser ausgerichtet und bezieht die wesentlichen Merkmale wie Traufhöhe, Stockwerkshöhe, Materialwahl, Reduzierung der Fensterhöhe nach oben, wie auch die neoklassizistische Grundkomponente, von ihm. Gleichzeitig erinnert es an die von Anselm Franz Ritter zu Groenesteyn im 18. Jhd. errichteten Palais des Deutschordenshauses, des Stadioner und des Bassenheimer Hofs in Hinblick auf die kubische Gestalt mit übergiebeltem Mittelrisalit.