Die Formulierung von wegen "Buxtehude behorchen" geht ausschließlich auf Carl Philipp Emanuel zurück. Inwieweit nach ca. 70 Jahren noch alle Details überblickt werden konnten, ist eine Frage. Die Hintergründe zum Winter 1705 in der Marienkirche sind zumindest etwas detail- und lehrreicher:
- fünf "ordinaire" Abendmusiken
- zwei "extraordinaire" Abendmusiken
- Große Marienorgel, Totentanzorgel, Positiv und Regal auf dem Lettner
- sechs Sängeremporen
- Lettner, teilweise als Standort der Musiker, teilweise für Honoratioren und Finanziers der Abendmusiken
Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß Bach zu den fünf ordinairen auch die zwei extraordinairen Abendmusiken kennenlernte. Ein Nachhall dürfte sicherlich in der Ratswahlkantate zu finden sein.
Aufgeführt wurden das Castrum Doloris und der Templum honoris. Nachfolgend ein Zitat aus meinem Exemplar 128 von 300 Nachdrucken:
"CASTRUM DOLORIS, Dero in GOTT Ruhenden Römis. Kayserl. auch Königl. Majestäten LEOPOLD Dem Ersten / Zum Glorwürdigsten Andencken / In der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Lübecks Haupt-Kirchen zu St. Marien / Zur Zeit gewöhnlicher Abend-Music / Aus Aller-Unterthänigster Pflicht Musicalisch vorgestellt Von Diterico Buxtehuden / Organisten daselbst.
In einer ILLUMINATION Auff der Jüngst reparirt- und gantz verguldten Grossen Orgel / So itzund bedeckt / Und mit vielen Lampen und Lichtern geziert / praesentirt sich Die Hohe Kays. Leiche im Sarge auf dem Parade-Bette / zum Haupt die Kayserliche / An beiden Seiten aber / Die Königlichen Hungarische / Böhmische und übrige Kronen habende; Worüber Auf Vier Palmen-Bäumen Ein Schön-gezierter Himmel ruhet / Umbher / Mit dem Kayserl. Königl. und übriger Provincien Wapen behangen / Dabey Viele Engeln mit Lichter die Wache halten; Die beyden Music-Chöre seynd neben der Orgel schwarz bezogen: Die Posaunen und Trompeten mit Sourdinen / auch übrige Instrumenta allesampt gedämpffet."
Die Musik: Beginn mit einem starken traurigen Lamento, u.a. Chor der Music, das Gerücht, Chor der Klagweiber, die Gerechtigkeit, die Gnade. Gesang und Choral "Nun laßt uns den Leib begraben" mit allen Orgeln un Chören und der ganzen Gemeinde.
"TEMPLUM HONORIS, Dero Regierenden Römis. Kayserl. auch Königl. Majestät JOSEPH Dem Ersten / Zu Unsterblichen Ehren / In der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Lübecks Haupt-Kirchen zu St. Marien / Im Jahr Christi 1705. Zu beliebter Zeit bey der gewöhnlichen Abend-Music / Aus Aller-Unterthänigster Pflicht Glückwünschend gewidmet von Diterio Buxtehuden / Organisten daselbst.
TEMPLUM HONORIS, Oder Der Ehren-Tempel / Schön ausgeziehrt und illuminiret: Mit einer starcken Gvardie von tapffern Helden Umbgeben. Der Weg zum Tempel auf beyden Seiten / Mit Tugenden und Wissenschafften besetzet. Die Valvae stehen offen / Und siehet man inwendig auff dem Altar Das Brust-Bild Ihro Röm. Kayserl. Majestät / Vorn auff dem Platz praesentiret sich Die Lust und Freude / Mit Ihren Kindern / Welche Allerhand Trophaen / Kräntze und Blumen / mit Palm- und Lorbeers-Zweigen / tragen: Wann dann Orgeln und Chöre geöffnet / und sich alles zur Music gestellet hat; So fängt an:"
Intrada mit zwei Chören, Pauken und Trompeten, ein Tutti mit allen Chören und Orgeln. Das Gerücht, Germanien, die Ehre, die Klugheit, die Glückseligkeit, ein Tutti von allen Chören, eine glückwünschende Aria, der erste Chor, der zweite Chor, ein Tutti und zum Abschluß eine Passacaglia vivace mit versch. Instrumenten.