Potsdam - Wiederherstellung des Stadtkanals

  • Ich denke auch, dass die Faktoren Mikroklima, Versiegelung und generell die positive zeitgenössische Konnotation von innerstädtischen Wasseranlagen dem Stadtkanal zu einem relativ "einfachen" Sieg verhelfen werden. Zumindest wird man ideologischen Wiederstand der Fraktion Staudenhof wohl effektiver umschiffen können und auch die Generation meiner Großeltern (Jahrgang 1929), die nach dem Krieg zB in Perchtoldsdorf bei Wien alle Bäche eingehaust hat (nach mehrheitlicher Ansicht damals stinkende Rinnsale -wohl aufgrund der Abwässer zutreffend-) wird auch in Potsdam nun langsam verstorben sein.

  • Das ist leider nicht der Fall. Die Anderen bezeichnenen den Kanal nach wie vor als "Rebarockisierungsprogramm" und die Sozialisten fabulieren vom "Stinken" des Kanals, was für die 1960er-Jahre ja auch stimmt, da die halbe Altstadt noch in den Kanal entwässerte. Da ist eine einheitliche Front, auch weil der Kanal ein Denkmal ist, was man nicht beliebeig modern überformen kann.

    Mit Bezug auf das Mikro-Klima macht eigentlich nur die Wiederherstellung als Fliessgewässer Sinn - dann kann der Kanal Starkregenfälle aufnehmen, im Sommer tags kühlen und das warme Wasser nachts in die Havel abführen. Hinzu kommen 200 neue Bäume der Allee - und das alles in der besten Innenstadtlage.

    Die Stadt reflektiert allerdings momentan eher auf die Wiederherstellung des Kanal als grüner Spazierweg mit Büschen, die das Regenwasser speichern können. Damit hofft man die Kosten für die Brücken umgehen zu können. Solche "Green Walk"-Fantasien würden allerdings im Sommer verdorren und bei Starkregen schlicht absaufen. Letztendlich wird das von Fachgutachtern untersucht. Allerdings wird noch viel Wasser die Havel herunterfliessen, bis sich hier Substanzielles tut.

  • Mögliches Vorbild für Potsdam: In Glückstadt (Schleswig-Holstein) wurde das Fleth nach dem II. Weltkrieg zugeschüttet und später vom Bürgermeister Dr. Manfred Bruhn wiederhergestellt. Die Wiedererrichtung war ihm eine Herzensangelegenheit.

    Wissen allein bringt nichts. Nur das angewandte Wissen verändert die Dinge.

  • Eine weitere Handzeichnung von FdG um 1751–52, diesmal sogar gleich zwei Häuser und ein Verbinder.

    Quelle: Friedrich der Große: Potsdam, Skizze zum Haus Am Kanal 3 (und 2 rechts)

    Das Offizierskasino (Am Kanal 2, rechts), um 1920.

    Potsdam_Stadtkanal_Kellertorbr%C3%BCcke_1900.jpg

    ... und nach dem Zweiten Weltkrieg teilbeschädigt. Die Kellertorbrücke hatte auch gelitten.

    800px-Kellertorbr%C3%BCcke_mit_Offizierscasino_nach_dem_Krieg.jpg

    Der heutige Blick auf das Kommandantenhaus der Garde du Corps Am Kanal 3.

    Laut Dehio / Denkmalliste:

    Palastartige dreigeschossige Fassade mit leicht geböschtem Sockelgeschoss, 1752/53 von G. W.v. Knobelsdorff. Die beiden Hauptgeschosse sind durch ionische Kolossalpilaster zusammengefasst. Auf der Attika stehen vier Vasen von J.M. Kambly.


    Meines Erachtens ist dieses Haus auch inspiriert vom Palazzo Valmarana von Palladio so wie der Plögersche Gasthof (ebenfalls Kommandantur) oder die Alte Post. Insbesondere die spezielle Kolossalordnung prägt den Gesamteindruck. Die Dachvasen wirken in der Realität übergroß, als ob die für ein anderes Gebäude bestimmt waren.

    Beim benachbarten, ehemaligen Offizierskasino gibt es eine Art Walmdach / Technikaufbauten statt Haube. Die Dachvasen sind leider weg. Anscheinend gibt es hier keinen Denkmalschutz.

    Die DDR Laternen könnten eventuell auch mal ersetzt werden.

  • Dem Kommandantenhaus von Knobelsdorff fehlt jeder Bezug zum Vicentiner Palazzo Valmarana. Schade ist allerdings, dass beim Wiederaufbau der Edis (früher Kaserne Gardes du Corps) die Dachfiguren im Foyer statt auf dem Dach gelandet sind.

    Der Palazzo Valmarana

  • Der Potsdamer Plögersche Gasthof (Kommandantur) und dieses Komandantenhaus teilen etliche Gemeinsamkeiten:

    Zur selben Zeit erbaut (1753/54) auf direkte Anweisung / Skizze Friedrich II. kurz nach Erwerb der Werke Palladios

    Kolossalordnung mit Pilastern über die zwei Hauptgeschosse

    Ionische Eckvoluten mit Drehung in den Kapitellen

    Relieffelder zwischen den Hauptgeschossen

    Mezzanin im Erdgeschoss

    Stark ausgeprägte Attika mit je einem Dachschmuck (Statue oder Vase) pro Pilaster (laut Zeichnung von FdG)

    Das es Unterschiede gibt (vor allem Vereinfachungen für ein Bauwerk am Stadtrand) ändert nichts an Gemeinsamkeiten. Nach der Logik hätte der Plögersche Gasthof auch nichts mit dem italienischen Vorbild zu tun, da es dort ebenfalls Unterschiede gibt, etwa die Abwesenheit von Dachschmuck, kein Mezzanin im Erdgeschoss und zusätzliche Dreiecksgiebel über den äußeren Fenstern, um drei Unterschiede zu nennen.

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    Eine weitere Bestandsaufnahme der Straße Am Kanal (Ostende).

    Dieses Eckhaus Berliner Straße 10 / Am Kanal ist eines der verblieben Typenhäuser mit Kasernenfunktion aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. Es wurde vermutlich 1724 nach dem Entwurf von Pierre de Gayette errichtet. Der Balkon wurde erst später hinzugefügt, als daraus normale Wohnhäuser wurden.

    Symbol Fridericus Rex über dem Giebel (späterer Umbau)

    Etwas weiter dann das zweite Typenhaus Am Kanal 4 ebenfalls 1724. Dazwischen wurden in der DDR in den 1950ern mehrere, dreigeschossige Füllbauten gesetzt (links), die ihre Funktion ganz gut erfüllen. Auch diese Füllbauten stehen unter Denkmalschutz.

    Gegenüber auf der Südseite Am Kanal 66-67a gibt es dann dieses ziemlich einmalige Bauwerk. Ursprünglich ein Kindergarten der Deutschen Post. Architekt W. Höll 1954 und heute denkmalgeschützt. Passt eigentlich erstaunlich gut in die Gegend.

    1024px-Postkindergarten_Potsdam_Am_Kanal%2C_2019.jpg

    Direkt daneben der moderne Anbau... vielleicht spiegelt sich hier bald der Stadtkanal.

    Zum Ostende der Straße dann noch ein paar mäßige Dreigeschosser. Ich erinnere mich an Photos, die bereits in den 1930er Jahren hier Neubauten gezeigt haben? Denkmalschutz gibt es hier aber nicht.

    Insgesamt ist das Ostende der Straße Am Kanal brauchbar mit einigen Highlights. Problematisch ist vor allem der fehlende Anschluss bis zum Platz der Einheit, der eine Beton- und Asphaltwüste ist.

  • Ich hätte mir gewünscht das man solche Häuser, die man rechts neben der Kellertorwache sieht am alten Markt gebaut hätte, auf den alten Grundrissen.

    Aber nun stehen dort, Plattenbauten.

  • Die Plattenbauten werden irgendwann auch wieder verschwinden und dann gibt es die Möglichkeit sich baulich wieder zu verbessern. Ich bleibe optimistisch. :smile:

    Wissen allein bringt nichts. Nur das angewandte Wissen verändert die Dinge.

  • Die Plattenbauten werden irgendwann auch wieder verschwinden und dann gibt es die Möglichkeit sich baulich wieder zu verbessern. Ich bleibe optimistisch. :smile:

    Welche "Plattenbauten" sind denn gemeint? Und wie sollen diese "verschwinden"?

  • Es ging um die Plattenbauten in der Nähe der Nikolaikirche (Zentrum Süd). Übrigens habe ich noch ein interessantes PDF Dokument im Netz gefunden.

    Zentrum Süd

    Der Wohnkomplex Zentrum Süd östlich des Alten Marktes wurde von 1960 bis 1965 in Zeilenbauweise mit Blockrändern errichtet. Das Ergebnis war ein in sich abgeschlossenes Viertel, das die Bezüge der historischen Straßen und Plätze zum Alten Markt vollkommen ignorierte. Aus stadtplanerischer Sicht ist das noch heute ein Problem. Die Bebauung mit fünf- bis achtgeschossigen Wohngebäuden orientiert sich zur Havel und zur Freundschaftsinsel. 1973 wurden die letzten noch verbliebenen Altbauten an der Burgstraße abgerissen. Das Wohngebiet wurde durch eine Gruppe von drei Punkthochhäusern, eine achtgeschossige Wohnscheibe mitfast 400 Wohnungen und mit einem Schulneubau ergänzt.

    https://www.stadtkontor.de/wp-content/uploads/2013/04/PotsdamerPlatte.pdf

    (Quelle: stadtkontor.de)

  • Das Zentrum Süd ist doch komplett durchsaniert und im Besitz der Pro Potsdam und von zwei Wohnungsbaugesellschaften. Die Bauten zum Alten Markt hin sind gerade neu gestrichen worden. Angesichts des Wohnraummangels wird hier gar nichts "verschwinden".

  • Angesichts des Wohnraummangels wird hier gar nichts "verschwinden".

    Nicht heute, nicht morgen. Doch irgendwann vielleicht, das kann eh gerade keiner wissen...


    Ich glaube das Zeitfenster ist aktuell noch ganz günstig, um den Stadtkanal durchzusetzen. Sowas kann man auch gut als Maßnahme zur Förderung lokaler wirtschaftlicher und ökologischer Resilienz anbringen.

  • Der Tagesspiegel aus Potsdam berichtet in seiner Ausgabe vom 11.05.2023, dass Oberbürgermeister Schubert (SPD) am Mittwoch im Hauptausschuss vor den Stadtverordneten erklärt hat, das aufgrund des hohen Haushaltsdefizit der Stadt Potsdam, die von den Stadtverordneten beschlossene Rahmenplanung rund um die Straße "Am Kanal" und den möglichen Stadtkanal die 600.000 Euro kosten sollte, um mindestens 3 Jahre verschoben werden soll.

    Gesprächsbereit zeigte er sich auch zu der 500.000 Euro teuren Machbarkeitsstudie zum Umfeld von Garnisonkirche und Rechenzentrum.

    Wegen Potsdams Rekorddefizit: Oberbürgermeister Schubert beerdigt Stadtkanalpläne und Holzbau-Taskforce – vorerst
    In der anstehenden Spardebatte geht der SPD-Rathauschef den ersten Schritt – und schlägt die Verschiebung von zwei wichtigen Projekten vor.
    www.tagesspiegel.de
  • Da wäre auch mit den 600 TEURO beim Kanal nur Unsinn passiert: irgendwelche Wettbewerbe mit Schwammstadtprojekten. So bleibt uns der Stillstand erhalten, der seit der Ankündigung des OB gilt, den Stadtkanal zu seinem "Herzensprojekt" zu machen.

  • Wie schaut's eigentlich mit der südlichen Dortu-Straße aus? Gibt es hier Pläne für die Wiederherstellung des Kanals?

    Momentan ist der Zustand völlig unbefriedigend - ein viel zu breiter Straßenraum, mit dem man nichts rechtes anzufangen weiß, verparkt, verbetoniert, unstrukturiert. Dementsprechend dürfte sich kaum ein Tourist hin verirren. Dabei ist die bauliche Substanz auf der Westseite erstaunlich gut erhalten:

    Die schnörkellose Fassade des Gontards-Palais bildet einen starken Kontrast zu den benachbarten, äußerst üppig verzierten Hiller-Brandtschen Häusern, von denen ein Teil der Ostfassade in den rechten Vordergrund hineinragt. Foto: Sven Hoch

    Und auch die Südseite ist grundsätzlich nicht so schlecht mit dem moderaten Ochsenkopfhaus und einem breit hingelagerten Gründerzeitler. Nur der Abschluss ist hier allerdings inferior.

    Insgesamt ließe sich hier mit relativ wenig Rekonstruktionsaufwand ein faszinierender Stadtraum wiedergewinnen, der in Verbindung mit der Kiezstraße sogar ein kleines Altstadtviertel ergäbe. Ist etwas diesbezüglich angedacht, diskutiert, geplant?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Also wenn das vordringliche Ziel sein soll, Touristen in die Kiezstraße zu locken, dann lieber kein Stadtkanal!

    Spaß beiseite - wir wollen doch keine Rekonstruktionen, um den Tourismus anzukurbeln. Ich bezweifle ohnehin, dass sich der Bereich als Touristenziel eignet - zwar ist der Stadtraum recht intakt, aber es fehlen die Einzeldenkmale.

    Das Altstadtviertel ist übrigens schon da...